Deutscher Bundestag Drucksache 18/44 18. Wahlperiode 13.11.2013 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Pau, Jan Korte, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/17 – Antisemitische Straftaten im dritten Quartal 2013 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Zahl der antisemitischen Straftaten bewegt sich in der Bundesrepublik Deutschland weiter auf einem hohen Niveau. Es ist zu beobachten, dass der militante Rechtsextremismus unverhohlen zur Schändung jüdischer Einrichtungen aufruft und jüdische Personen offen bedrohen kann. Der ehemalige NPD-Bundesvorsitzende, Udo Voigt, äußerte sich beispielsweise über das Holocaust-Mahnmal in Berlin: „Für uns ist das kein Holocaust-Gedenkmal, sondern wir bedanken uns dafür, dass man uns dort jetzt schon die Fundamente der neuen deutschen Reichskanzlei geschaffen hat.“ (ARD – Sendung REPORT MAINZ vom 4. Oktober 2004). Es ist aber auch zu beobachten, dass immer mehr Personen und Organisationen aus dem konservativen Lager und aus der Grauzone zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus offen dazu übergehen, den Holocaust zu leugnen und antisemitische Hetze zu betreiben. In seiner Abschiedsvorlesung am 21. Oktober 2010 im Lichthof der Technischen Universität Berlin äußerte Prof. Dr. Wolfgang Benz zu anderen Formen des Antisemitismus : „Akut ist der Antizionismus, der an sich nicht mit Antisemitismus gleichgesetzt werden darf, sich aber durch fanatische Parteinahme gegen Israel und durch die Übernahme von judenfeindlichen Stereotypen und Argumentationsmustern (‚Weltherrschaftsstreben‘, Verschwörungsphantasien) zu einer aktuellen Sonderform der Judenfeindschaft entwickelt hat, die derzeit größte Verbreitung findet. Der Nahost-Konflikt hat mit der zweiten Intifada eine Dimension weitab vom eigentlichen Schauplatz Israel/Palästina erhalten. Die Solidarisierung junger Muslime mit den Palästinensern in Frankreich und Belgien, den Niederlanden und Großbritannien, Staaten mit einem verhältnismäßig großen Bevölkerungsanteil arabisch-islamischer Herkunft, äußert sich nicht nur in israelfeindlicher Propaganda und in Demonstrationen bis hin zu Ausschreitungen, es wird dabei auch traditioneller Antisemitismus instrumenDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 12. November 2013 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. talisiert.“ Drucksache 18/44 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Mit dieser Kleinen Anfrage werden vor allem vorläufige Zahlen zu antisemitischen Straftaten des dritten Quartals des Jahres 2013 erbeten, die zum Teil bereits in Bundestagsdrucksachen veröffentlicht worden sind: ● für den Monat Juli 2013 in der Antwort der Bundesregierung vom 4. Septem- ber 2013 (vgl. Bundestagdrucksache 17/14701) auf die Kleine Anfrage „Politisch motivierte Straftaten im Juli 2013“ der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (Bundestagsdrucksache 17/14589), ● für den Monat August 2013 in der Antwort der Bundesregierung vom 7. Oktober 2013 (vgl. Bundestagsdrucksache 17/14818) auf die Kleine Anfrage „Politisch motivierte Straftaten im August 2013“ der Fraktionen der CDU/ CSU und FDP (Bundestagsdrucksache 17/14780). Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass sich alle Zahlen aufgrund von Nachmeldungen und Korrekturen noch (teilweise erheblich) verändern werden, zumal Meldeschluss für die von den Ländern erhobenen Fallzahlen gegenüber dem Bundeskriminalamt erst der 31. Januar 2014 ist. 1. Wie viele antisemitische Straftaten wurden im dritten Quartal 2013 verübt (bitte nach Anzahl, Art und Motivation der Straftat und Bundesländern aufschlüsseln )? Im dritten Quartal 2013 wurden insgesamt 190 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund gemeldet. Darunter waren neun Gewalttaten und 47 Propagandadelikte . Verteilung – Politisch motivierte Kriminalität mit antisemitischem Hintergrund PMK-rechts PMK-links PMK-Ausländer PMK-sonstige Bundesland Gewalt- taten Sonstige Straftaten Gewalttaten Sonstige Straftaten Gewalttaten Sonstige Straftaten Gewalttaten Sonstige Straftaten BB 0 115 0 0 0 0 0 0 BE 0 129 0 0 0 3 0 0 BW 0 113 0 1 0 0 0 0 BY 1 113 0 0 0 2 0 1 HB 0 110 0 0 0 0 0 0 HE 0 117 0 0 0 0 0 2 HH 0 111 0 0 0 0 0 1 MV 0 115 0 0 0 0 0 0 NI 1 115 0 0 0 0 0 2 NW 4 134 0 0 0 0 0 2 RP 1 118 0 0 0 0 0 0 SH 0 117 0 0 0 0 0 0 SL 1 112 0 0 0 0 0 0 SN 0 112 0 0 0 0 0 0 ST 1 115 0 0 0 0 0 0 TH 0 111 0 0 0 0 0 0 Summe 9 167 0 1 0 5 0 8 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/44 2. Wie viele Tatverdächtige wurden wegen antisemitischer Straftaten im dritten Quartal 2013 festgenommen (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation der Straftaten aufschlüsseln)? Zu den im dritten Quartal 2013 erfassten 190 politisch motivierten Straftaten mit antisemitischem Hintergrund wurden insgesamt 119 Tatverdächtige ermittelt. Es wurde eine Person festgenommen. Haftbefehle wurden nicht erlassen. Verteilung der ermittelten Tatverdächtigen und festgenommenen Personen Eine Auswertung der Verteilung von Tatverdächtigen auf Straf- und Gewaltdelikte erfolgt bei vorläufigen Zahlen nicht. 3. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden wegen antisemitischer Straftaten im dritten Quartal 2013 eingeleitet (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation der Straftaten aufschlüsseln)? 4. In wie vielen Fällen wurden die Ermittlungen eingestellt (bitte nach Bundesländern , Art und Motivation der Straftaten aufschlüsseln)? PMK-rechts PMK-links PMK-Ausländer PMK-sonstige Bundesland T VF H T VF H T VF H T VF H BB 119 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 BE 117 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 BW 113 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 BY 115 0 0 0 0 0 2 1 0 0 0 0 HB 110 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 HE 112 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 HH 111 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 MV 117 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 NI 118 0 0 0 0 0 0 0 0 2 0 0 NW 137 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 RP 115 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 SH 114 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 SL 111 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 SN 111 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 ST 112 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 TH 111 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 Summe 113 0 0 0 0 0 2 1 0 4 0 0 T = Tatverdächtige, VF = vorläufige Festnahme, H = Haftbefehle Drucksache 18/44 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Wie viele Personen wurden wegen antisemitischer Straftaten in diesem Zeitraum zu welchen Strafen verurteilt (bitte nach Bundesländern, Art und Motivation der Straftaten aufschlüsseln)? Die Fragen 3 bis 5 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Hierzu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Auf die Antwort der Bundesregierung vom 27. April 2006 (Bundestagsdrucksache 16/1353) auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Pau, Ulla Jelpke, Jan Korte und der Fraktion DIE LINKE. „Rechtsextreme Gewalttaten und Ermittlungsverfahren gegen rechtsextremistische Straftäter in den Jahren 2003, 2004 und 2005“ wird verwiesen. 6. Wie viele Personen wurden bei Überfällen mit antisemitischer oder zu vermutender antisemitischer Motivation a) leicht verletzt, b) schwer verletzt bzw. c) getötet (bitte nach Bundesländern und Motivation der Straftat aufschlüsseln)? Im dritten Quartal 2013 wurden acht Personen infolge politisch motivierter Straftaten mit antisemitischem Hintergrund verletzt. Eine weitergehende Differenzierung hinsichtlich des Verletzungsgrades ist den Angaben des kriminalpolizeilichen Sondermeldedienstes „Politisch motivierte Kriminalität“ nicht zu entnehmen. Es wurde kein Todesopfer politisch motivierter Gewalt gemeldet. Bundesland PMK-rechts BB 0 BE 0 BW 0 BY 1 HB 0 HE 0 HH 0 MV 0 NI 0 NW 4 RP 1 SH 0 SL 1 SN 0 ST 1 TH 0 Summe 8 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/44 7. Welcher materielle Schaden entstand bei den antisemitischen Straftaten (bitte nach Schadenshöhe, Art der Motivation und Bundesländern aufschlüsseln )? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. 8. Welche gezielten bundesweiten Operationen der Polizei hat es wegen überregionaler antisemitischer Straftaten mit welchem Ergebnis gegeben? Die Bundesregierung erteilt keine Auskünfte zu operativen polizeilichen Maßnahmen im Rahmen von Ermittlungsverfahren. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333