Deutscher Bundestag Drucksache 18/441 18. Wahlperiode 05.02.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bärbel Höhn, Annalena Baerbock, Stephan Kühn (Dresden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/319 – Position der Bundesregierung zur Revision der Einbeziehung des internationalen Luftverkehrs in den Emissionshandel Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach der derzeit gültigen europäischen Emissionshandelsrichtlinie sind sämtliche Flüge in den europäischen Emissionshandel einbezogen, die im Hoheitsgebiet des Europäischen Wirtschaftsraumes (Territorium der EU-Mitgliedstaaten und Island, Norwegen und Liechtenstein) starten oder landen, und das mit ihren CO2-Emissionen auf der gesamten Flugstrecke. So müssten seit Anfang des Jahres 2012 bzw. Anfang 2013 entsprechend der Zahl der gesamten geflogenen Kilometer Emissionsberechtigungen bei den zuständigen Behörden abgegeben werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte am 21. Dezember 2011 entschieden, dass eine in diesem Sinne vollständige Einbeziehung des Luftverkehrs in den europäischen Emissionshandel in der geltenden Richtlinie weder gegen die Grundsätze des Völkergewohnheitsrechts noch gegen das „Open Skies“-Abkommen verstößt *. Nach einem Vorschlag der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2012 (der Anfang 2013 rechtskräftig wurde) wurden alle Flugstrecken von und nach Destinationen außerhalb der Europäischen Union (EU) für ein Jahr von der Pflicht zur Abgabe von Emissionszertifikaten befreit (sog. Stop the Clock-Entscheidung ). Die Europäische Union hatte damit dem Widerstand aus den USA sowie von China, Indien, Russland, Brasilien und anderen nachgegeben. Diese Länder hatten sich vehement gegen die Einbeziehung extraterritorialer Flugkilometer in ein unilaterales marktbasiertes Regime wie dem europäischen Emissionshandel eingesetzt (www.bmvi.de „Einbeziehung des Luftverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem“), ohne dies jedoch auf einer rechtlichen Grundlage zu tun und ohne den Konflikt einem Streitschlichtungsorgan, etwa dem der Welthandelsorganisation (WTO), zu unterbreiten. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 3. Februar 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. * In ihrem „Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on the monitoring, reporting and verification of carbon dioxide emissions from maritime transport and amending Regulation (EU) No 525/2013“ (COM(2013) 480 final) folgt die Kommission , unbestritten vom Rat, in Artikel 1 und Artikel 2 (1) demselben Verständnis. Drucksache 18/441 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Als offizielle Begründung für die Aussetzung der Einbeziehung der Extra-EUFlüge in das Emissionshandelssystem wurde von Seiten der Europäischen Kommission genannt, dass man ein positives Zeichen in Richtung der International Civil Aviation Organization (ICAO) senden wolle, die im September 2013 zu ihrer 38. Vollversammlung zusammenkam und ihrerseits Vorschläge für ein internationales Regime zur Minderung der CO2-Emissionen aus dem Flugverkehr vorlegen wollte. Auf dieser ICAO-Versammlung wurde dann aber lediglich beschlossen, einen globalen marktbasierten Mechanismus auszuarbeiten , der erst auf der ICAO-Versammlung im Jahr 2016 fertiggestellt und dann bis zum Jahr 2020 umgesetzt werden soll. Um den schwelenden Streit um die Einbeziehung der Extra-EU-Flüge in das Emissionshandelssystem zu beenden, hatte die Europäische Kommission außerdem im Vorfeld dieser 38. ICAO-Vollversammlung ein Kompromissangebot für die Zeit bis zum Jahr 2020 vorgelegt, welches offenkundig nach außen mit den USA und nach innen mit dem Europäischen Rat abgestimmt war (Wirtschaftsdienst, 2013 Heft 12, Seite 806). Darin bot die Europäische Union an, die Reichweite der Erfassung des internationalen Flugverkehrs in ihrem regionalen System für die Übergangszeit, bis das globale System unter dem Dach der ICAO im Jahr 2020 in Kraft tritt, auf den eigenen Luftraum der Europäischen Union zu begrenzen. Bei der ICAO-Vollversammlung in Montreal verweigerten sich allerdings mit Ausnahme der USA die gegen die Europäische Union opponierenden Drittstaaten diesem Angebot – es kam nicht zu dem angestrebten Kompromiss. Da die zuvor genannte „Stop the Clock“-Entscheidung für ein Jahr befristet ist und die Europäische Union angekündigt hatte, ihr weiteres Vorgehen im Lichte der Ergebnisse der Beratungen der ICAO-Vollversammlung zu überprüfen, hat die Europäische Kommission am 16. Oktober 2013 einen Vorschlag zur Revision des EU-Emissionshandels (European Union Emission Trading Scheme = EU ETS) vorgelegt. Sie schlägt darin vor, bei ihrem Kompromissangebot vom Sommer 2013 zu bleiben, obwohl der avisierte Kompromiss auf ICAOEbene nicht zustande gekommen war. Ohne eine Richtlinienänderung würde automatisch wieder der ursprüngliche Zustand gelten und alle Flüge, auch die nach außerhalb der Europäischen Union, würden vollständig vom Emissionshandelssystem erfasst. 1. Um welchen Anteil haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die vom europäischen Emissionshandel erfassten Flugstrecken durch die europäische „Stop the Clock“-Entscheidung im Jahr 2013 vermindert, und welche Auswirkungen hatte dies Im europäischen Emissionshandel werden von den Luftfahrzeugbetreibern nicht die konkreten Flugstrecken, sondern die ausgestoßenen CO2-Emissionen pro Flugplatzpaar berichtet. Daten über Flugstrecken liegen der Bundesregierung deshalb nicht vor. Die Bundesregierung verfügt auch über keine eigenen Daten über den Anteil der Verminderung der CO2-Emissionen, da Luftfahrzeugbetreiber ihre vollumfänglichen Emissionen nicht berichten mussten, wenn sie am „Stop the Clock“-Regime (Beschluss Nr. 377/2013/EU vom 24. April 2013) teilgenommen haben. Für die Deutschland als Verwaltungsmitgliedstaat nach Artikel 18 der Emissionshandelsrichtlinie zugeordneten Luftfahrzeugbetreiber kann jedoch eine Einschätzung auf Basis der verifizierten Emissionen für das Jahr 2012 und von Emissionsschätzungen auf Grundlage der Daten von EUROCONTROL erfolgen . Demnach haben sich durch den „Stop the Clock“-Beschluss die vom EUEmissionshandel im Jahr 2012 erfassten Emissionen auf ca. 30 Prozent des ursprünglichen Umfanges vermindert. Genauere Auswertungen der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt lassen sich aus dem sog. VET-Bericht (Verified Emissions Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/441 Table) der Emissionen im Jahr 2012 entnehmen (www.dehst.de/SharedDocs/- Downloads/DE/Publikationen/VET-Bericht_2012.pdf?__blob=publicationFile). Darüber hinaus hat die Europäische Kommission in ihrer Folgenabschätzung zur Änderung der Richtlinie vom 16. Oktober 2013 angegeben, bei einer verpflichtenden Anwendung des „Stop the Clock“-Anwendungsbereichs wären 25 Prozent der CO2-Emissionen des umfassenden Anwendungsbereiches noch im EU-Emissionshandel enthalten. a) ggf. auf den Preis der Emissionsrechte, und Die Auswirkungen von „Stop the Clock“ auf den Preis der Emissionsberechtigungen sind nicht quantifizierbar, da im gleichen Zeitraum (November 2012) der Beginn der Auktionierung für die dritte Handelsperiode stattfand und die Europäische Kommission ihren Vorschlag zum sog. Backloading veröffentlichte . Eine theoretisch anzunehmende preisdämpfende Wirkung durch den Wegfall der Nachfrage der Luftfahrzeugbetreiber durch „Stop the Clock“ kann nicht isoliert ermittelt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass nicht nur die Nachfrage nach Emissionsrechten, sondern auch das Angebot, d. h. die Menge der zu versteigernden Emissionsrechte, reduziert wurde (EU-weit im Jahr 2012 um 20 Millionen Emissionsrechte, siehe dazu Antwort zu Frage 1b). b) auf die Einnahmen aus den Auktionserlösen? Die deutschen Auktionsmengen reduzieren sich für das Jahr 2012 auf rund 2,39 Millionen Luftverkehrszertifikate (European Aviation Allowances – EUAA), da die Menge der EU-weit zu veräußernden Luftverkehrszertifikate durch den „Stop the Clock“-Beschluss von rund 32,22 Millionen auf rund 12 Millionen Berechtigungen gesunken ist. Der ursprüngliche deutsche Anteil lag bei rund 6,42 Millionen EUAA. Der erzielte Zuschlagspreis in der im Jahr 2012 durchgeführten deutschen Versteigerung von Luftverkehrszertifikaten lag bei 7,01 Euro. 2. Wie groß wäre nach Kenntnis der Bundesregierung die Summe der am Emissionshandel erfassten Flugstrecken (in km und in CO2) unter Beibehaltung der ursprünglichen Regelung einer Erfassung aller Flugbewegungen über die volle Fluglänge, und welche Einnahmen aus den Auktionserlösen wären jährlich zu erwarten? Zu den Flugstrecken wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Unter Beibehaltung des ursprünglichen Anwendungsbereichs wären für die von Deutschland verwalteten Luftfahrzeugbetreiber in der dritten Handelsperiode Emissionen von ca. 50 bis 60 Millionen Tonnen CO2 zu erwarten. Bei Fortführung des vollen Anwendungsbereichs beliefen sich die jährlichen deutschen Auktionsmengen auf rund 6,29 Millionen EUAA. Im Jahr 2013 müssten hiervon einmalig 107 898 EUAA abgezogen werden, da im Jahr 2012 bereits 2,5 Millionen EUAA versteigert wurden, das Budget nach dem „Stop the Clock“-Beschluss aber auf den oben genannten Wert reduziert wurde. Aussagen zu den korrespondierenden Preiserwartungen können nicht getroffen werden. Grundsätzlich ist ein gewisser Abschlag gegenüber den Preisen für Emissionszertifikate für Anlagen der Energiewirtschaft und der Industrie (European Allowances – EUA) zu erwarten. Drucksache 18/441 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 3. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Europäischen Kommission, dass sich die vom Emissionshandel erfassten Flugstrecken um 75 Prozent vermindern würde, wenn, wie von der Europäischen Kommission vorgeschlagen , der Emissionshandel nur auf den europäischen Luftraum (im engen 12-Seemeilen(sm)-Sinne) beschränkt würden, und wie würde sich der Erfassungsgrad erhöhen, wenn statt auf das 12-sm-Konzept auf das der größeren ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) abgestellt würde? Zu Flugstreckenanteilen liegen der Bundesregierung keine Daten vor (siehe Antwort zu Frage 1). Die Bundesregierung hat die umweltbezogenen Auswirkungen unterschiedlicher Anwendungsbereiche für die Einbeziehung des Luftverkehrs in das Europäische Emissionshandelssystem auf Basis vereinfachter Daten aus dem Jahr 2010 untersuchen lassen. Im Falle des von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Luftraumansatzes bis zur 12-Seemeilen-Zone würde sich danach eine Abdeckung von 42,2 Prozent der Gesamtemissionen (= 86,64 Millionen Tonnen CO2) gegenüber der Emissionsabdeckung des ursprünglichen Anwendungsbereiches ergeben. Intra-EU-Flüge wären weiterhin vollständig (d. h. zu 100 Prozent) einbezogen (= 61,51 Millionen Tonnen CO2), internationale Flüge zu einem Anteil von 17,5 Prozent (= 25,13 Millionen Tonnen CO2) erfasst. Bei einer Erweiterung des Erfassungsgrades des Luftraumansatzes bis zur Grenze der Ausschließlichen Wirtschaftszone (200-SeemeilenZone ) wären nach dieser Studie 45,5 Prozent der Gesamtemissionen (= 93,41 Millionen Tonnen CO2) gegenüber der Abdeckung des vollen Anwendungsbereiches einbezogen. Der Anteil innereuropäischer Flüge bliebe folglich unverändert , jener der internationalen Flüge würde bei 22,2 Prozent (= 31,9 Millionen Tonnen CO2) liegen. Bei dieser Studie wurde ausdrücklich außer Betracht gelassen , dass sich der nationale Luftraum nicht auf die Ausschließliche Wirtschaftszone erstreckt. Die Folgenabschätzung der Europäischen Kommission kommt zu abweichenden Ergebnissen, die für das Jahr 2020 berechnet wurden. Danach wären im Jahr 2020 im 12-Seemeilen-Szenario 38,5 Prozent und im 200-Seemeilen-Szenario 46,5 Prozent der Gesamtemissionen erfasst. 4. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller, dass der aktuelle Vorschlag der Europäischen Kommission zur Revision der Emissionshandelsrichtlinie im Zusammenhang mit dem Luftverkehr zu einem Nachfragerückgang in Höhe von mindestens 400 Millionen Zertifikaten führen wird, und wie bewertet sie dies vor dem Hintergrund des geplanten Backloadings in Höhe von 900 Millionen Zertifikaten? Der in der Emissionshandelsrichtlinie ursprünglich für den Luftverkehr vorgesehene Anwendungsbereich ist aufgrund des „Stop the Clock“-Beschlusses der Europäischen Kommission (Beschluss Nr. 377/2013/EU vom 24. April 2013) bislang nicht zur Anwendung gekommen. Jede Erweiterung über den durch den „Stop the Clock“-Beschluss definierten Anwendungsbereich würde theoretisch zu einem Nachfrageanstieg führen. Für den Luftverkehr werden EUAA-Zertifikate zugeteilt und versteigert, die nur von Luftverkehrsbetreibern, also nicht von Industrieanlagen des stationären Emissionshandels, zur Erfüllung ihrer Abgabepflicht genutzt werden dürfen. Zwar wurde nicht nur die Nachfrage nach Emissionsrechten, sondern auch das Angebot, d. h. die Menge der zu versteigernden Emissionsrechte, reduziert (siehe Antwort zu Frage 1). Da aber die Gesamtmenge der EUAA Zertifikate unterhalb des anzunehmenden Gesamtbedarfs der vom Emissionshandel erfassten Luftverkehrsbetreiber liegt, ist zu erwarten, dass Luftverkehrsbetreiber teilweise auch EUA-Zertifikate aus dem stationären Bereich zur Erfüllung ihrer Abgabe- pflicht nutzen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/441 Das sog. Backloading von EUA-Zertifikaten des stationären Bereichs betrifft den Luftverkehr insofern nur mittelbar. 5. Lässt der ICAO-Beschluss vom Herbst 2013 aus Sicht der Bundesregierung erwarten, dass es auf dieser Ebene zur Einführung eines globalen marktbasierten Mechanismus zur Begrenzung bzw. Minderung der CO2-Emissionen ab dem Jahr 2020 kommen wird, und wie begründet sie ihre Einschätzung ? Auf der Grundlage des ICAO-Beschlusses vom Herbst 2013 ist die Bundesregierung zunächst vorsichtig zuversichtlich, dass die ICAO-Versammlung 2016 eine globale marktbasierte Maßnahme zur Begrenzung der CO2-Emissionen des Luftverkehrs beschließen wird, die im Jahr 2020 in Kraft treten kann. So ist es nach jahrelangen kontroversen Diskussionen gelungen, diese Zielsetzung in der ICAO-Versammlung im Jahr 2013 zu beschließen. Auch hat der ICAORat unmittelbar nach der Versammlung den Umweltausschuss der ICAO beauftragt , technische Aufgabenstellungen für die Entwicklung einer globalen Maßnahme zu bearbeiten. Hierbei geht es zunächst um die beiden Aufgaben „Monitoring , Reporting und Verification (MRV)“ und „Qualitätskriterien für CO2-Zertifikate “. Der Erfolg der Arbeiten hängt auch davon ab, ob es gelingt, kritische Staaten (Russland, China, Indien) zur aktiven Mitarbeit oder Unterstützung zu gewinnen. 6. Erwartet die Bundesregierung, dass die ICAO im Herbst 2016 ein marktbasiertes System für den internationalen Flugverkehr vorlegen wird, das hinsichtlich dem Ambitionsniveau und der Verbindlichkeit der bisherigen Einbeziehung in den europäischen Emissionshandel vergleichbar ist, und wie begründet sie ihre Erwartung? Das von der ICAO bis zum Jahr 2016 zu entwickelnde marktbasierte System wird nach derzeitiger Erwartung voraussichtlich kein Emissionshandelssystem, sondern ein so genanntes Offset(Ausgleichs)-System sein, da die Mehrheit der ICAO-Vertragsstaaten tendenziell ein Offset-System präferiert. Es hängt vom weiteren Verlauf der Arbeiten in der ICAO ab, ob dieses Offset-System ein vergleichbares Ambitionsniveau sowie eine vergleichbare Verbindlichkeit wie der europäische Emissionshandel aufweisen wird. In jedem Fall wird sich die Bundesregierung entschieden hierfür einsetzen. Auch die Luftverkehrswirtschaft erkennt die Notwendigkeit an, dass die CO2-Emissionen des Luftverkehrs begrenzt werden müssen. Die Resolution des Internationalen Lufttransport-Verbandes IATA vom Juni 2013 benennt klare Ziele, schlägt ein Offset-System vor und fordert die Staaten auf, zu einer Einigung in der ICAO zu kommen. 7. Wie positioniert sich die Bundesregierung zum Vorschlag der Europäischen Kommission, die Einbeziehung des Flugverkehrs bis zum Jahr 2020 auf den europäischen Luftraum zu beschränken, bzw. bleibt sie bei ihrer bisher in Brüssel vertretenen Position (www.eu-koordination.de vom 5. Dezember 2013), stattdessen die „Stop the Clock“-Entscheidung bis zum Jahr 2020 zu verlängern, wonach dann auch bis zum Jahr 2020 alle Flugstrecken von und nach außerhalb der Europäischen Union von der Pflicht zur Abgabe von Emissionszertifikaten befreit wären? Die von der Europäischen Kommission vorgeschlagene anteilige Einbeziehung internationaler Flüge im EU-Luftraum (Luftraumansatz) lehnt die Bundesregierung aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Die Bundesregierung hat diesen An- satz auch bereits vor der ICAO-Versammlung im Jahr 2013 aus fachlichen Gründen abgelehnt und dies in den europäischen Gremien ausführlich begründet. Drucksache 18/441 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Zum jetzigen Zeitpunkt entscheidend ist allerdings, dass dieser Ansatz das Ergebnis der ICAO-Versammlung im Jahr 2013 nicht berücksichtigt und damit für die Entwicklung der globalen Maßnahme nicht förderlich wäre. Nachdem sich die Mehrheit der ICAO-Vertragsstaaten klar gegen einen solchen Luftraumansatz ausgesprochen hat, würde aus Sicht der Bundesregierung die Einführung eines Luftraumansatzes die bisherigen Konflikte mit Drittstaaten weiter verschärfen . Zudem besteht die Gefahr, dass eine Differenzierung nach Hoheitsgebieten ein Präjudiz für weitere globale Lösungen statuieren könnte. Aus diesem Grund setzt sich die Bundesregierung zusammen mit der weit überwiegenden Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten für eine weitere Aussetzung der Einbeziehung internationaler Flüge ein. Die Reduzierung auf ein Intra-EU-System (vergleichbar mit „Stop the Clock“) sollte jedoch bis zum Jahr 2016 begrenzt sein. 8. Welche Auswirkungen hatte die bislang von der Bundesregierung vertretene Position, die „Stop the Clock“-Entscheidung bis zum Jahr 2020 auf die Einnahmen aus den Auktionserlösen von Emissionszertifikaten auszudehnen ? Anders als in den Fragen 7 und 8 formuliert, hat die Bundesregierung in Brüssel die Position vertreten, dass der Emissionshandel im Luftverkehr bis zum Jahr 2016 (nicht 2020) auf ein Intra-EU-System (vergleichbar mit „Stop the Clock“) beschränkt bleiben sollte. Der Vorschlag wurde im November 2013 gemeinsam mit Frankreich und Großbritannien in die europäischen Verhandlungen eingebracht . Seit diesem Zeitpunkt hat die Bundesregierung keine Luftverkehrszertifikate versteigert. Über zukünftige Preisentwicklungen kann die Bundesregierung keine Einschätzung abgeben. Jede Anpassung des Anwendungsbereichs wird auch bei der Berechnung der Zuteilungs- und der Versteigerungsmenge im entsprechenden Verhältnis berücksichtigt . Das Verhältnis von verfügbaren und benötigten Luftverkehrszertifikaten wird deshalb bei einer Anpassung des Anwendungsbereichs grundsätzlich nicht verändert. 9. Sollte es auf der Ebene der ICAO im Herbst 2016 nicht gelingen, einen konkreten Beschluss über die Einführung eines marktbasierten Systems zur Minderung der Treibhausgasemissionen aus dem Flugverkehr kommen , wird sich die Bundesregierung dann dafür einsetzen, den internationalen Flugverkehr wieder vollständig in den europäischen Emissionshandel einzubeziehen, wie es bislang in der Emissionshandelsrichtlinie vorgesehen ist, und wie begründet sie ihre Entscheidung? Aus Sicht der Bundesregierung sollte der Umfang der Einbeziehung des Luftverkehrs in den EU-Emissionshandel nach der ICAO-Versammlung im Jahr 2016 in jedem Fall erneut überprüft und den Fortschritten in der ICAO entsprechend angepasst werden. Sollte auf ICAO-Ebene ein Beschluss für die Einführung einer globalen marktbasierten Maßnahme ausbleiben, gilt es die Situation neu zu bewerten. Zum jetzigen Zeitpunkt wird eine Vorfestlegung auf ein bestimmtes Regime jedoch als nicht zielführend erachtet, da die Gefahr bestehen würde, die anstehenden Verhandlungen in der ICAO durch Diskussionen um das europäische Emissionshandelssystem zu beeinträchtigen. 10. Ist aus Sicht der Bundesregierung der Widerstand von Ländern wie den USA und China gegen die Einbeziehung des Flugverkehrs in den euro- päischen Emissionshandel berechtigt, und welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung dadurch auf andere Umweltgesetzgebungen, die direkte Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/441 oder indirekte Wirkungen auf Unternehmen aus den USA oder China haben? Die Bundesregierung begrüßt im Emissionshandel wie auch in jedem anderen Themenbereich den kritischen und konstruktiven Dialog mit Partnerstaaten. Jedenfalls soweit Drittstaaten durch Einbeziehung internationaler Flugstrecken mit Start- oder Landepunkt in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft internationales Recht verletzt sehen, ist dies nicht berechtigt. Jeder Staat bzw. eine Staatengemeinschaft wie die EU kann im Einklang mit internationalem Recht Umweltanforderungen an Luftfahrzeuge und deren Betreiber stellen, die in diesem Staat landen oder starten. Soweit durch den europäischen Emissionshandel Emissionen zur Berechnung der Abgabepflicht herangezogen werden, die innerhalb des Luftraums eines Drittstaates, in dem der Abflug stattfindet, entstehen, kann die Bundesregierung territoriale Bedenken nachvollziehen, auch wenn internationales Recht nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes der Einbeziehung nicht entgegensteht (zur Rechtmäßigkeit siehe Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Dezember 2011, Rechtssache C-366/10). Nach Kenntnis der Bundesregierung haben die USA auch nur insoweit rechtliche Bedenken geltend gemacht, als bei vollständiger Einbeziehung aller abgehenden und ankommenden Flüge auch Streckenanteile im US-Luftraum in die Berechnung der Abgabepflicht mit einbezogen würden. Seitens der Schwellenländer wie China wird das Prinzip der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung (CBDR) geltend gemacht. Dieser Forderung einer Privilegierung von Luftverkehrsbetreibern aus Schwellen- und Entwicklungsländern steht das Prinzip der Gleichbehandlung von Luftverkehrsunternehmen entgegen, die als Unternehmen auf dem gleichen Markt wirtschaftlich tätig sind. Da es sich beim Luftverkehr um internationale Dienstleistungen handelt, ist Umweltgesetzgebung im Luftverkehr nicht vergleichbar mit Bereichen des Umwelt - und Klimaschutzes, die auf nationale oder innereuropäische Sachverhalte bezogen sind. 11. Ist im Rahmen der UNFCCC-Verhandlungen (UNFCCC = United Nations Framework Convention on Climate Change) in Warschau bzw. deren Vorbereitung über die Einbeziehung des Flugverkehrs in den europäischen Emissionshandel gesprochen worden? Unter dem Tagesordnungspunkt „Methodische Aspekte unter der Konvention – Emissionen aus Treibstoffverbrauch im internationalen Luft- und Schiffsverkehr “ haben die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) und die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) über ihre Aktivitäten im Bereich Treibhausgasminderung in Warschau berichtet. In der nachfolgenden Diskussion haben Kuba (für die Gruppe von 14 so genannten gleichgesinnten Staaten) und die Koreanische Republik ihre grundsätzliche Opposition gegen unilaterale Maßnahmen geäußert, ohne die EU bzw. die Einbeziehung des Luftverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem direkt zu erwähnen. 12. Welchen Einfluss auf die UNFCCC-Verhandlungen räumt die Bundesregierung einer nur teilweisen oder verspäteten Einbeziehung des Flugverkehrs in den europäischen Emissionshandel ein? Derzeit wird der internationale Luftverkehr in den UNFCCC-Verhandlungen nicht als eigenständiges Thema diskutiert. In einem zukünftigen Klimaabkommen muss jedoch aus Sicht der Bundesregierung wegen der starken prognosti- Drucksache 18/441 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode zierten Emissionszunahme auch der Luftverkehrssektor berücksichtigt werden. Die Ausgestaltung von Instrumenten soll dabei durch die Internationale Zivilluftfahrt -Organisation (ICAO) erfolgen. Die Diskussionen um die Einbeziehung des Flugverkehrs in das europäische Emissionshandelssystem dürften vor allem die Diskussionen dort beeinflussen. 13. Teilt die Bundesregierung die Besorgnis, dass ein „Einknicken“ der Europäischen Union hinsichtlich ihres extraterritorialen Regulierungsanspruchs bei ihrem Pilotprojekt „internationaler Luftverkehr“ von der Weltgemeinschaft als Präzedenzfall wahrgenommen wird, und sie folglich erwartet , dass entsprechende Ansätze der Europäischen Union (Regulierung des Monitoring, Reporting and Verification – MRV – beim Internationalen Seeverkehr; Artikel 7a FQD – Fuel Quality Directive – und analoge Regelungen in der EU-Energieeffizienz-Richtlinie – EED) dann später, bei entsprechendem internationalen Widerstand, wieder zurückgenommen werden? Die Bundesregierung ist davon überzeugt, dass globaler Umwelt- und Klimaschutz die Regulierung von Wirtschaftstätigkeiten erforderlich macht, die über das Territorium einzelner Staaten hinausgehen. Dazu zählen beispielsweise der Luft- und Schiffsverkehr. Die von der Bundesregierung vertretene Position (siehe Antwort zu Frage 7), bis zum Jahr 2016 nur Flüge zwischen Staaten der Europäischen Wirtschaftsunion in den Emissionshandel einzubeziehen, erhält diesen „exterritorialen“ Regulierungsanspruch aufrecht. Denn es kommt gerade nicht darauf an, ob Flüge innerhalb des europäischen Luftraums oder über Drittstaaten oder über der hohen See erfolgen. So werden auch Flüge erfasst, die das Territorium von Nicht-EWR überfliegen und solche, deren Flugstrecke größtenteils über dem Atlantik liegt (z. B. bei Flügen zu den kanarischen Inseln). Der Emissionshandel sollte nicht auf das Gebiet bis zu den EU-Außengrenzen beschränkt werden. Die Bundesregierung ist besorgt, dass der von der Europäischen Kommission vorgelegte Luftraumansatz als Präzedenzfall dafür wahrgenommen werden könnte, dass staatliche Regulierung an der Luftraumgrenze enden muss, also auf das eigene Hoheitsgebiet beschränkt wäre. Da ein sehr großer Anteil des Luftverkehrs über internationalen Gewässern erfolgt, sollten diese Bereiche nicht von Regulierungen freigestellt werden. Die Bundesregierung wird sich deshalb weiter dafür einsetzen, dass im europäischen Wirtschaftsraum Umweltanforderungen an Unternehmen auch für grenzüberschreitende Tätigkeiten gestellt werden können. Dies betrifft unter anderem auch die Berichtspflichten für klimaschädliche Gase im internationalen Luft- und Seeverkehr. 14. Mit welchen Vertreterinnen und Vertretern der in der Luftfahrtbranche direkt oder indirekt tätigen Unternehmen haben sich Mitglieder der Bundesregierung (bis einschließlich Abteilungsleiter) in den Jahren 2011 bis 2013 getroffen? In dem genannten Zeitraum stand die Bundesregierung zu jeder Zeit im engen Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Luftverkehrsbranche zu den verschiedensten luftfahrtbezogenen Themen wie dem Einsatz alternativer Treibstoffe , Fluglärm, technischen Maßnahmen mit effizienzsteigernden Wirkungen, Luftverkehrsemissionsabgaben und anderen Einzelthemen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333