Deutscher Bundestag Drucksache 18/4436 18. Wahlperiode 25.03.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Herbert Behrens, Eva Bulling-Schröter, Dr. Diether Dehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4276 – Kosten und Folgen der Ortsumgehung Ritterhude Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Ortsumfahrung (OU) Ritterhude ist in der Übersicht der Länderanmeldungen für den Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2015 als zu untersuchendes Vorhaben festgeschrieben („Übersicht über die laufenden und die für den Bundesverkehrswegeplan vorgeschlagenen Vorhaben der Bundesfernstraßen“, Stand: 5. September 2014, S. 23). Im Projektinformationssystem (PRINS) zum BVWP 2003 wurde das Vorhaben bei der Entlastung von Ortsdurchfahrten mit „keine nennenswerte Entlastung“, bei der Raumwirksamkeit mit „keine Bedeutung/Wirkung“ und bei der Umweltrisikoabschätzung mit „sehr hohes Umweltrisiko“ bewertet. Nach derzeitigem Planungsstand werden 35 Gräben und drei große Fließgewässer gequert. Teile der Grabensysteme werden „neu geordnet“. Entsprechend der Planungen ist im Bereich der Hammeniederung, wo Moormarschen und kleiüberlagerte Torfe anstehen , ein umfangreicher Bodenaustausch oder eine Überschüttung erforderlich . Die Moorböden müssten bis zu einer Tiefe von vier Metern auf einer Trassenbreite von 20,5 Metern gegen Sand ausgetauscht werden. Dies kann zu Entwässerung der oberhalb liegenden Flächen führen, da die wasserdurchlässigen Sande das bisher durch die stauenden Torfschichten gebundene Wasser Richtung Hamme abführen. Die Entwässerung würde eine Verschlechterung der Lebensraumqualität der betroffenen Flächen verursachen, die weit über die prognostizierten Beeinträchtigungen hinausgeht. 1. Haben sich die Umweltrisikoabschätzung, die Raumwirksamkeitsabschätzung und die Entlastungserwartung der Bundesregierung zur B74n seit dem Jahr 2003 verändert (bitte begründen)? Die Anmeldung der Vorhaben für die Aufstellung des neuen BundesverkehrsDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 24. März 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. wegeplans (BVWP) ist abgeschlossen. Alle vorgeschlagenen Projekte wie auch die Ortsumgehung (OU) Ritterhude werden nunmehr einer Plausibilitätsprüfung unterzogen, gesamtwirtschaftlich bewertet und hinsichtlich netzkonzeptioneller, raumordnerischer, städtebaulicher und naturschutzfachlicher Aspekte beurteilt. Die Ergebnisse hierzu werden frühestens im Herbst 2015 vorliegen. Drucksache 18/4436 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Welche konkreten Auswirkungen auf die geschützten Lebensräume erwartet die Bundesregierung durch den Bau der B74n? Gemäß den Planungen der Straßenbauverwaltung des Landes Niedersachsen ist das EU-Vogelschutzgebiet „Hammeniederung“ (DE 2719-401) betroffen. Eine FFH-Verträglichkeitsuntersuchung (FFH – Fauna-Flora-Habitat) mit Ausnahmeprüfung wurde durchgeführt. Das FFH-Gebiet „Untere Wümmeniederung, untere Hammeniederung mit Teufelsmoor“ (DE 2718-332) wird nicht beeinträchtigt . 3. Sind die zu erwartenden Auswirkungen des Gesamtprojektes auf die Umwelt nach Auffassung der Bundesregierung mit § 35 des Baugesetzbuches (BauGB) vereinbar? Wenn ja, warum? Das Baugesetzbuch ist für die Beurteilung der zu erwartenden Auswirkungen des Gesamtprojektes auf die Umwelt nicht maßgebend. 4. Soll der durch den Bau verloren gehende Rückhalteraum für Überschwemmungen ausgeglichen werden? Wenn ja, wie und in welchem Umfang? Wenn nein, warum nicht? Ja. Für den Ausgleich bestehen ausreichende Möglichkeiten in der nördlich angrenzenden Niederung. Der Bedarf wird auf ca. zwei Hektar geschätzt. Eine Konkretisierung erfolgt im Rahmen der detaillierten Entwurfsplanung. 5. Wird bei der Bewertung der Trasse der funktionale Zusammenhang zwischen Lebensräumen innerhalb und außerhalb des FFH-Gebietes (FFH – Flora-Fauna-Habitat) berücksichtigt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, ist das Vorhaben nach Auffassung der Bundesregierung immer noch mit § 34 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) vereinbar (bitte begründen)? Ja. Mögliche Beeinträchtigungen durch die Querung der national bedeutsamen Lebensraumachse der Hamme werden durch ein Brückenbauwerk mit geplant ca. 90 Meter lichter Weite vermieden. Im Ergebnis der durchgeführten FFH-Verträglichkeitsuntersuchung mit Ausnahmeprüfung sind die Auswirkungen als gering zu bewerten. 6. Von welchen Kosten geht die Bundesregierung aktuell für den Bau der OU Ritterhude aus? Derzeit geht die Bundesregierung von Gesamtkosten in Höhe von rund 28 Mio. Euro aus. 7. Welche Anforderungen des Hochwasserschutzes ergeben sich an das Projekt , und wie hoch sind die zusätzlichen Kosten für den Hochwasserschutz? Auf die Antwort zu Frage 4 wird verwiesen. Die Hochwassersituation wird sich durch die Baumaßnahmen nicht verschärfen. Die zusätzlichen Kosten für die Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4436 Schaffung von Retentionsraum wurden durch die im Auftrag des Bundes handelnde niedersächsische Straßenbauverwaltung mit ca. 10 Euro/m2 abgeschätzt. Daraus ergeben sich nach derzeitigem Planungsstand Kosten in Höhe von ca. 0,2 Mio. Euro. 8. Ist eine Aufstelzung der Trasse geplant (bitte begründen), und wenn ja, mit welchen Mehrkosten ist diese Maßnahme verbunden? Eine Aufständerung der Trasse ist nicht geplant, weil die räumliche Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Ausgleich des Verlustes an Retentionsraum zulässt . 9. Liegen der Bundesregierung Alternativkonzepte zur OU Ritterhude vor? Wenn ja, welche? Im derzeit anhängigen Verfahren zur Bestimmung der Linienführung nach § 16 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) sind im Variantenspektrum sowohl östliche als auch westliche Umfahrungen von Ritterhude und Scharmbeckstotel enthalten. 10. Von welchen durchschnittlichen Verkehrsstärken geht die Bundesregierung gegenwärtig für die Ortsdurchfahrten Ritterhude und Scharmbeckstotel aus (bitte gesondert für Ritterhude und Scharmbeckstotel mit Quelle angeben)? Nach der letzten bundesweiten Straßenverkehrszählung aus dem Jahr 2010 ergeben sich folgende Verkehrsbelastungen: Ortsdurchfahrt Ritterhude: B 74 = 13 500 bis 18 600 Kfz/24h, L 151 = 9 400 Kfz/24h Ortsdurchfahrt Scharmbeckstotel: B 74 = 17 500 bis 18 600 Kfz/24h Die Verkehrsuntersuchung für die B 74, Ortsumgehung Ritterhude/Scharmbeckstotel (Quelle: PGT Umwelt und Verkehr GmbH, im Auftrag der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr, Hannover Mai 2010), als Bestandteil der Planunterlagen des Verfahrens zur Bestimmung der Linienführung, weist für das Jahr 2025 für den Fall ohne Ortsumgehung folgende Prognoseverkehrsbelastungen auf: Ortsdurchfahrt Ritterhude: B 74 = 16 600 bis 18 500 Kfz/24h, L 151 = 10 700 Kfz/24h Ortsdurchfahrt Scharmbeckstotel: B 74 = rund 23 000 Kfz/24h 11. Von welcher Entlastungswirkung geht die Bundesregierung für die Ortsdurchfahrten Scharmbeckstotel und Ritterhude durch den Bau der B74n aus (bitte die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke – DTV – in Kfz/24 h gesondert für Ritterhude und Scharmbeckstotel angeben)? Auf Basis der in der Antwort zu Frage 10 genannten Verkehrsuntersuchung ergeben sich für die Ortsdurchfahrten Ritterhude und Scharmbeckstotel im Prognosejahr 2025 mit der Ortsumgehung folgende Verkehrsbelastungen: Ortsdurchfahrt Ritterhude: B 74 = 13 300 bis 15 700 Kfz/24h, L 151 = 4 700 Kfz/24h Ortsdurchfahrt Scharmbeckstotel: B 74 = 12 400 Kfz/24h Drucksache 18/4436 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Das entspricht einer Entlastungswirkung gegenüber dem Prognoseverkehrsaufkommen ohne Ortsumgehung Ritterhude/Scharmbeckstotel (siehe Antwort zu Frage 10) in der Ortsdurchfahrt Ritterhude von ca. 17 Prozent im Zuge der B 74 und ca. 56 Prozent im Zuge der L 151 und in der Ortsdurchfahrt Scharmbeckstotel von ca. 46 Prozent. 12. Geht die Bundesregierung davon aus, dass die Zahl der berufstätigen Pendler, die gegenwärtig die Ortsdurchfahrten von Scharmbeckstotel und Ritterhude nutzen, durch den demographischen Wandel abnehmen wird? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie stark wird der Rückgang nach Auffassung der Bundesregierung sein (bitte geschätzte Kfz/24 h)? 13. Welche Auswirkungen hätte ein solcher Rückgang des Pendelverkehrs auf den Bedarf für die OU Ritterhude, und inwieweit wird dies bei der Bewertung des Projektes berücksichtigt werden? Die Fragen 12 und 13 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Eine wesentliche Grundlage für die Aufstellung des BVWP ist die neue Verkehrsprognose für das Jahr 2030. Projektspezifische Prognosen für das Jahr 2030 werden unter Nutzung der Matrizen der Verflechtungsprognose gesondert erstellt. So wird für die Wirkungsanalyse eines jeden Projektes der so genannte Mit-Fall (auch Planfall genannt) mit dem „Ohne-Fall“ (auch Bezugsfall genannt ) verglichen. Die Ergebnisse hierzu werden frühestens im Herbst 2015 vorliegen . 14. Welche Verbesserungen der Verkehrssicherheit erwartet die Bundesregierung durch den Bau der B74n? Die bestehende B 74 zwischen dem Verteiler Ihlpohl (Knotenpunkt A 27/A 270/ B 74) und dem Knotenpunkt Settenbecker Straße (B 74)/Ritterhuder Straße (K 5) ist rund 6,3 km lang. Auf ca. 3 km werden die Ortsdurchfahrten von Ritterhude und Scharmbeckstotel durchquert. Durch die Umlenkung von Verkehrsströmen aus den Ortsdurchfahrten auf eine Umgehungsstraße werden Straßenabschnitte , die i. d. R. bei der Überlagerung unterschiedlicher Nutzungsansprüche eine hohe Unfallbelastung aufweisen, entlastet und die Verkehrsströme auf Außerortsabschnitte, die entsprechend den neusten Erkenntnissen hinsichtlich Verkehrsablauf, Leistungsfähigkeit und insbesondere Verkehrssicherheit gestaltet sind, verlagert. Dadurch ist grundsätzlich von einer Erhöhung der Verkehrssicherheit auszugehen. Insbesondere das Verkehrsaufkommen im Bereich von Unfallhäufungsstellen wird durch die Ortsumgehung deutlich entlastet. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333