Deutscher Bundestag Drucksache 18/444 18. Wahlperiode 05.02.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/309 – Verfügbarkeit und Zulassungssituation von Transport- und Lagerbehältern für abgebrannte Brennelemente aus Atomkraftwerken Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Zuge der 13. Atomgesetz-Novelle wurden im Jahr 2011 die acht deutschen Atomkraftwerke (AKW) Brunsbüttel, Krümmel, Unterweser, Biblis A und B, Philippsburg 1, Neckarwestheim 1 und Isar 1 endgültig abgeschaltet. Der Beginn der wesentlichen Rückbaumaßnahmen für diese Anlagen hängt stark davon ab, wann in ihnen jeweils die sogenannte Kernbrennstofffreiheit erreicht wird. Darunter ist zu verstehen, dass sämtliche den Kernbrennstoff enthaltenden Brennelemente aus Reaktorkern und Lagerbecken im Inneren des Reaktorgebäudes entfernt und im benachbarten Zwischenlager am jeweiligen AKW-Standort in Transport- und Lagerbehältern trocken zwischengelagert werden. Dadurch wird das rückzubauende Reaktorgebäude selbst kernbrennstofffrei . Das Tempo, in dem wiederum die Kernbrennstofffreiheit herbeigeführt werden kann, hängt stark von der Verfügbarkeit der notwendigen Transport- und Lagerbehälter ab. Dass deren Verfügbarkeit seit gewisser Zeit nicht mehr ausreichend gegeben ist, wurde von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits vor rund einem Jahr mit der Kleinen Anfrage „Rückbau von Atomkraftwerken – Sachstand und Marktsituation“ auf Bundestagsdrucksache 17/11756 thematisiert . Die Bundesregierung ging damals davon aus, dass der Behälter für Brennelemente aus Siedewasserreaktoren vom Typ CASTOR®V/52 (D/4373/B(U)F- …) die verkehrsrechtliche Zulassung Mitte 2013 erhalten solle (vgl. Antwort zu Frage 9 auf Bundestagsdrucksache 17/11944). Die Zulassung verzögerte sich jedoch und wird aktuell für das erste Quartal 2014 erwartet. Als Verzögerungsgrund nannte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Schriftliche Frage 51 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl auf Bundestagsdrucksache 18/115 unter anderem, dass die eingereichten Antragsunterlagen vom Behälterhersteller noch vervollständigt werden müssen. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 3. Februar 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Diese Anfrage soll dazu dienen, neue Erkenntnisse zu der Frage zu liefern, wann mit einer Kernbrennstofffreiheit in den acht im Jahr 2011 endgültig abgeschalteten AKWs gerechnet werden kann. Hierzu werden schwerpunkt- Drucksache 18/444 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode mäßig die betreffenden Behälter-Zulassungsverfahren mit Aspekten wie genehmigten , beantragten und noch zu erwartenden Rahmenbedingungen und Beladeszenarien behandelt. 1. Welche Beladeszenarien sollen mit der Zulassung für den Behälter vom Typ CASTOR®V/52 (D/4373/B(U)F-...) genehmigt werden (beispielsweise nur MOX-Brennelemente oder nur Uran-Brennelemente oder – und hier ggf. welche Mischverhältnisse und Beladeszenarien konkret – MOX- und UranBrennelemente gemischt, beschädigte Brennelemente, Brennelemente mit besonders hohen oder besonders niedrigen Abbränden, sonstige Sonderfälle )? Für die Zulassung des Behälters CASTOR®V/52 beantragt und nach gegenwärtigem Stand zur Zulassung vorgesehen sind Beladungen mit insgesamt bis zu 52 bestrahlten Uran- und Mischoxid-(MOX-)Brennelementen aus Siedewasserreaktoren (SWR). Bei Uran-Brennelementen sind volle Beladungen aus nur diesen Brennelementen zulässig, von MOX-Brennelementen dürfen max. 16 Stück eingeladen werden, wobei die restlichen Positionen durch Uran-Brennelemente aufgefüllt werden können. Kein Brennelement darf einen mittleren Abbrand von 65 GWd/tSM (Gigawatttage pro Tonne Schwermetall) übersteigen, die minimale Abklingzeit beträgt zwölf Monate. Beschädigte Brennelemente oder sonstige Sonderfälle sind gegenwärtig nicht beantragt. 2. Welche Beladeszenarien sind für welche der zugelassenen Transport- und Lagerbehälter für Brennelemente aus Druckwasserreaktoren genehmigt (beispielsweise nur MOX-Brennelemente oder nur Uran-Brennelemente oder – und hier ggf. welche Misch- und Beladeszenarien konkret – MOXund Uran-Brennelemente gemischt, beschädigte Brennelemente, Brennelemente mit besonders hohen oder besonders niedrigen Abbränden, sonstige Sonderfälle)? Der Behälter CASTOR®V/19 ist für insgesamt 19 bestrahlte Uran- und MOXBrennelemente zugelassen, wobei maximal sechs MOX-Brennelemente je Beladung zulässig sind. Der mittlere Abbrand jedes Brennelements ist auf höchstens 65 GWd/tSM für Uran- und MOX-Brennelemente beschränkt, die Abklingzeit darf zwölf Monate nicht unterschreiten. Für einige Brennelemente ist ein Mindestabbrand von 12 GWd/tSM erforderlich. Beschädigte Brennelemente oder sonstige Sonderfälle sind gegenwärtig nicht zulässig. Der Behälter TN®24E ist für max. 21 Uran-Brennelemente, für Mischbeladungen aus Uran- und bis zu acht MOX-Brennelementen und für Beladungen mit maximal 17 MOX-Brennelementen zugelassen, wobei ein Abbrand von 65 GWd/tSM nicht über- und eine Abklingzeit von 24 Monaten nicht unterschritten werden dürfen. Für einige Brennelemente muss ein Mindestabbrand von 12 GWd/tSM erreicht worden sein. Beschädigte Brennelemente oder sonstige Sonderfälle sind gegenwärtig nicht zulässig. 3. Welche Beladeszenarien, Sonderfälle etc. sind für welche Behältertypen in welchen Verfahren beantragt, aber noch nicht genehmigt (sowohl für Druckwasserreaktor- als auch Siedewasserreaktor-Brennelemente)? Für den CASTOR®V/19 sind als weitere Inhalte Köcher für Sonderbrennstäbe (dichte oder undichte Brennstäbe, Brennstababschnitte, loser Brennstoff, bestrahlt oder unbestrahlt) beantragt. Ebenfalls für den CASTOR®V/19 sind flexible Teilbeladungen unter anderem mit höher angereicherten Brennelemen- ten beantragt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/444 Für Sonderbrennstäbe aus Siedewasserreaktoren (dichte oder undichte Brennstäbe , Brennstababschnitte, loser Brennstoff, bestrahlt oder unbestrahlt) ist derzeit eine Beladung in einem Transport- und Lagerbehälter weder beantragt noch zugelassen. Die Beladung dieser Sonderbrennstäbe ist dem Vernehmen nach in Planung. 4. Für welche Brennelemente-Szenarien etc., für die nach derzeitiger Erkenntnislage eine Lösung gefunden muss, gibt es weder eine Zulassung noch einen Antrag auf Zulassung (sowohl für Druckwasserreaktor- als auch Siedewasserreaktor-Brennelemente)? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 5. Welche Rahmenbedingungen, Grenzwerte etc. gelten bei den zugelassenen Beladeszenarien, insbesondere hinsichtlich höchstem und niedrigstem Abbrand ? Gibt es beispielsweise Mindestabklingdauern in Abhängigkeit vom Abbrand (also über die stets geltenden mindestens fünf Jahre hinaus), und falls ja, welche konkret? Auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 wird verwiesen. Zusätzlich sind die Abklingzeiten so zu wählen, dass die durch den jeweiligen Zulassungsschein festgelegten wärm- und abschirmtechnischen Randbedingungen erfüllt sind. 6. Welche Rahmenbedingungen, Grenzwerte etc. sind bei den noch nicht zugelassenen Beladeszenarien beantragt (bitte wie in Frage 1 und 2 beantworten , also z. B. Abbrand-Bandbreite, Mindestabklingdauern in Abhängigkeit vom Abbrand etc.)? Für die in der Antwort zu Frage 3 genannten Sonderbrennstäbe sind ein maximaler mittlerer Abbrand von 80 GWd/tSM und eine Mindestabklingzeit für Uran-Sonderbrennstäbe von zwölf Monaten und für MOX-Sonderbrennstäbe von 36 Monaten beantragt. Für die weiterhin beantragten flexibleren Teilbeladungen gelten keine abweichenden Randbedingungen hinsichtlich Abbrand und Abklingzeit. 7. Welche Beladeszenarien sind für den jüngst zugelassenen Behältertyp TN 24 zugelassen? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 8. Auf welchem Stand befinden sich die jeweiligen Genehmigungsverfahren zur Zwischenlagerung aller in dieser Anfrage genannten Behälter, und für welche Standorte finden diese Verfahren statt? Gemäß Antragstellung der Energieversorgungsunternehmen wurden beim Bundesamt für Strahlenschutz Änderungsgenehmigungsverfahren nach § 6 des Atomgesetzes für den Einsatz der Transport- und Lagerbehälter der Bauart CASTOR®V/19 und TN®24E (für bestrahlte Druckwasserbrennelemente) sowie CASTOR®V/52 (für bestrahlte Siedewasserreaktorbrennelemente) für alle Standortzwischenlager eingeleitet (für die Behälter der Bauart CASTOR®V in der modifizierten Ausführungsform), die teilweise bereits abgeschlossen sind: Drucksache 18/444 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Basierend auf der bereits vorliegenden verkehrsrechtlichen Zulassung des Behälters CASTOR®V/19 sind für die Standorte Grafenrheinfeld, Isar, Grohnde, Brokdorf, Unterweser und Neckarwestheim die entsprechenden Änderungsgenehmigungen erteilt. Die Genehmigungsverfahren für die Standorte Philippsburg , Emsland und Biblis sind noch nicht abgeschlossen. In einem weiteren Verfahren werden derzeit für den Standort Biblis die Prüfungen für die Aufbewahrung von Köchern mit Sonderbrennelementen in Behältern der Bauart CASTOR®V/19 durchgeführt. Die Aufbewahrung von bestrahlten Brennelementen in Transport- und Lagerbehältern der Bauart TN®24E ist für die Standorte Brokdorf, Grohnde, Unterweser , Grafenrheinfeld, Isar, Neckarwestheim und Philippsburg beantragt worden. Anträge für die Aufbewahrung von bestrahlten Brennelementen in Transportund Lagerbehältern der Bauart CASTOR®V/52 wurden auf der Grundlage der beantragten Zulassungen für die Standorte Philippsburg, Isar, Gundremmingen, Brunsbüttel und Krümmel gestellt. Derzeit laufen die gutachtlichen Prüfungen der bisher eingereichten Unterlagen in den Verfahren. 9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, a) dass die AKW-Betreiber tatsächlich zur Verfügung stehende Behälter prioritär für abgebrannte Brennelemente aus den neun noch im Leistungsbetrieb befindlichen AKWs verwenden wollen, und b) wie sich dies ggf. zeitlich auf das Herbeiführen der Kernbrennstofffreiheit in den acht im Jahr 2011 endgültig abgeschalteten AKWs auswirken wird bzw. auswirken könnte? Die Versorgung mit Behältern der noch in Betrieb befindlichen Kernkraftwerke hat nach Angaben von Energieversorgungsunternehmen Vorrang vor der Entsorgung der Kernkraftwerke, die mit Inkrafttreten des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes die Berechtigung zum Leistungsbetrieb verloren haben. Nach Angaben der GNS Gesellschaft für Nuklear-Service mbH ist aufgrund der Erhöhung der Fertigungskapazität bei den Behältern gleichwohl die Entsorgung der bestrahlten Brennelemente in diesen Anlagen in den Jahren 2016 bis 2017 gewährleistet. 10. Geht die Bundesregierung nach wie vor davon aus, dass in den acht im Jahr 2011 endgültig abgeschalteten AKWs eine Kernbrennstofffreiheit um die Jahre 2016/2017 erreicht werden kann (bitte mit Begründung, vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 17/11944)? Die Bundesregierung geht weiterhin davon aus, dass die Überführung der Brennelemente aus den Nasslagern der Kernkraftwerke, die die Berechtigung zum Leistungsbetrieb mit Inkrafttreten des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes verloren haben, in die Standortzwischenlager in den Jahren 2016 bis 2017 abgeschlossen werden. Zur Begründung wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 Antwort Verfügbarkeit und Zulassungssituation von Transport- und Lagerbehältern für abgebrannte Brennelemente aus Atomkraftwerken