Deutscher Bundestag Drucksache 18/4475 18. Wahlperiode 26.03.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Tom Koenigs, Omid Nouripour, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4144 – Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Umsetzung der EU-Leitlinien Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger sind Menschen , die sich – oft unter schwierigsten Bedingungen – in ihren Ländern für die Stärkung der Menschenrechte einsetzen. Dabei nehmen sie oft große Risiken auf sich – immer wieder werden Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger Opfer von Verhaftungen, Repressalien, Gewalt, Verschwindenlassen, Folter und Mord. Dabei ist der Kontext, in dem Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger arbeiten, derzeit in vielen Ländern gekennzeichnet von dem, was Maina Kiai, Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, als „shrinking political space“ kritisiert, also von zunehmender Einschränkung des (öffentlichen) Raumes, in dem Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger und andere soziale und politische Bewegungen agieren können. Dieser Trend äußert sich z. B. in repressiven Gesetzen, die die Arbeitsbedingungen von Nichtregierungsorganisationen erschweren (und dann womöglich als Basis für die strafrechtliche Verfolgung ihrer Mitglieder dienen), in vielfältigen Einschränkungen der Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit , in Berufsverboten, in der Einschränkung der Arbeit politischer Parteien oder eben in konkreten Maßnahmen gegen einzelne Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger. Die Unterstützung von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern ist ein wesentliches Element der EU-Menschenrechtspolitik. Im Juni 2004 beschloss die Europäische Union eine Reihe von „Guidelines“ oder Leitlinien zum Umgang mit und zur Stärkung von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern im Rahmen der gemeinsamen europäischen Außenpolitik – ein praktischer Leitfaden, um die Aktivitäten der EU in diesem Bereich zu verbessern. Diese wurden 2008 aktualisiert. Die Leitlinien sollen „den EU-Missionen (Botschaften und Konsulaten der Mitgliedstaaten der EU und Delegationen der Europäischen Kommission) in ihrer Position in Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 23. März 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Bezug auf Menschenrechtsverteidiger eine Hilfe sein“. Der Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern ist auch ein zentraler Bestandteil der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung und war eine der Prioritäten im Aktionsplan Menschenrechte der Bundesregierung für die Jahre 2012 bis 2014. Dementsprechend wurde laut Drucksache 18/4475 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Auswärtigem Amt unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft die Umsetzung der Leitlinien intensiviert. Mehr als zehn Jahre nach Verabschiedung der Leitlinien stellt sich die Frage, wie erfolgreich diese bisher umgesetzt wurden und wo noch Handlungsbedarf besteht. Nichtregierungsorganisationen weisen z. B. auf die Notwendigkeit einer besseren Koordinierung einzelner Maßnahmen auf europäischer Ebene hin. Auch die besondere Situation bedürftiger und marginalisierter Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger werde bisher noch zu wenig beachtet. Generell fehle es den Guidelines an Bekanntheit, z. B. könnten Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger vor Ort oft keinen Ansprechpartner in den Botschafter benennen. Die Guidelines seien nur selten in lokale Sprachen übersetzt und Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger nur ungenügend in die Umsetzung der Guidelines einbezogen worden. 1. Welche Bilanz zieht die Bundesregierung zehn Jahre nach der Verabschiedung der EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern? Haben sich diese als sinnvolles Instrument erwiesen? Die Bundesregierung misst dem Schutz von Menschenrechtsverteidigern große Bedeutung bei und ist besorgt darüber, dass eine Reihe von Staaten den Betätigungsspielraum der Zivilgesellschaft zunehmend einschränken. Vor diesem Hintergrund kommt einer koordinierten, einheitlichen EU-Politik zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern besondere Bedeutung zu. Die EU-Leitlinien sind in diesem Zusammenhang ein wichtiges Instrument. In Übereinstimmung mit den Partnern in der Europäischen Union ist die Bundesregierung daher der Auffassung, dass die EU-Leitlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern sich als Instrument zur Verbesserung der Menschenrechtspolitik bewährt haben. a) Welche Handlungsanweisungen gibt das Auswärtige Amt in Bezug auf den Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern im Allgemeinen und zur Umsetzung der EU-Leitlinien im Besonderen an die deutschen Vertretungen im Ausland? Das Auswärtige Amt hat den Auslandsvertretungen die EU-Leitlinien bekannt gemacht und ihnen praktische Hinweise und Beispiele vorbildlicher Praxis bei ihrer Umsetzung an die Hand gegeben. Das Auswärtige Amt berät zudem die betroffenen Auslandsvertretungen bei der Frage, wie die Leitlinien in Bezug auf konkrete Einzelfälle am besten umgesetzt werden können. b) Wie wird das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in diesen Prozess eingebunden? Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist in die Gestaltung der Zusammenarbeit mit Menschenrechtsverteidigern vor Ort über die Arbeit der Referentinnen und Referenten für wirtschaftliche Zusammenarbeit, die an den deutschen Auslandsvertretungen in den Partnerländern der deutschen Entwicklungszusammenarbeit insbesondere im Bereich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte tätig sind, eingebunden . Diese vom BMZ entsandten Referentinnen und Referenten sind in gleicher Weise Adressaten der Leitlinien und der Handreichungen wie sonstige Mitarbeiter der Auslandsvertretungen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4475 2. Wie und durch wen werden Aktivitäten zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern zwischen dem Auswärtigen Amt und dem BMZ koordiniert? Die Aktivitäten zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern werden insbesondere durch einen regelmäßigen engen Austausch zwischen den zuständigen Arbeitseinheiten des Auswärtigen Amts und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung koordiniert. Dies umfasst auch die Veranstaltung von gemeinsamen Fachgesprächen unter Beteiligung der Zivilgesellschaft . Auf die Antwort zu Frage 1b wird verwiesen. 3. Welchen Herausforderungen begegnet die Bundesregierung bei der Koordination der Maßnahmen einzelner Mitgliedstaaten auf EU-Ebene und unter den Botschaften vor Ort? Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der Europäische Auswärtige Dienst stehen in regelmäßigem Austausch zu Menschenrechtsfragen, stimmen ihr gemeinsames Vorgehen ab und tauschen sich über nationale Maßnahmen aus, und zwar auf Hauptstadtebene im Rahmen der Ratsarbeitsgruppe Menschenrechte (COHOM) und vor Ort im Kreis der Botschaften der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und gegebenenfalls der EU-Delegation auf Leiter - und vielfach auch auf Referentenebene. Dieser Austausch ist in den letzten Jahren intensiviert worden. 4. Gibt es Bereiche, die die Bundesregierung als wesentlich für den Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern erachtet , die über die in den EU-Leitlinien angeregten Maßnahmen hinausgehen ? Wenn ja, welche? Die Bundesregierung hat aktiv an der Erarbeitung der EU-Leitlinien 2004 und ihrer Überarbeitung im Jahr 2008 teilgenommen und beteiligt sich auch an der fortlaufenden Begleitung ihrer Umsetzung im Rahmen der Ratsarbeitsgruppe COHOM. Sie ist der Auffassung, dass es sich bei den EU-Leitlinien um ein umfassendes und nützliches Instrument handelt. 5. Welche Bilanz zieht die Bundesregierung aus der Umsetzung des Aktionsplans Menschenrechte für die Jahre 2012 bis 2014 in Bezug auf den Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern? Der Schutz von Menschenrechtsverteidigern ist seit langem ein zentraler Bestandteil der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung und war dementsprechend auch eine der Prioritäten im Aktionsplan Menschenrechte der Bundesregierung 2012 bis 2014. In einer Vielzahl von Einzelfällen setzte sich Deutschland im Kontext bilateraler Dialoge oder durch förmliche politische Demarchen für verfolgte Menschenrechtsverteidiger ein. Angehörige deutscher Auslandsvertretungen haben beobachtend an Gerichtsverhandlungen gegen Menschenrechtsverteidiger sowie an von Menschenrechtsverteidigern organisierten Veranstaltungen teilgenommen. Öffentliche Erklärungen, formelle und informelle politische Demarchen, Schreiben, bilaterale Gespräche und stille Diplomatie wurden als Instrumente genutzt, um auf Missstände hinzuweisen und die Situation von Menschenrechtsverteidigern zu verbessern. In EU-Menschenrechtsdialogen und politischen Dialogen wurde mit den Regierungen einzelner Staaten die Situation von Menschenrechtsverteidigern erörtert und Verbesserungen angemahnt . Dabei ist es jedoch auch sehr wichtig, dass die Aktivitäten deutscher Drucksache 18/4475 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode und anderer Auslandvertretungen nicht zu einer Gefährdung der Betroffenen führen. a) Welche Maßnahmen waren besonders erfolgreich? Im genannten Zeitraum hat die Bundesregierung vier regionale Menschenrechtsseminare an deutschen Botschaften organisiert. An den Seminaren nahmen jeweils bis zu 20 Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger aus einer bestimmten Region, Mitarbeiter von Auslandsvertretungen in derselben Region sowie aus der Zentrale des Auswärtigen Amts und der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung teil. Das erste der genannten Seminare fand im November 2012 für die Region West- und Zentralafrika in Togo statt. Die drei weiteren Seminare fanden im April 2013 in Panama für die Region Mittelamerika und Karibik, im Juni 2013 in Sambia für die Region südliches Afrika sowie im Mai 2014 in Malaysia für die Region Südostasien statt. Die Bundesregierung hat im genannten Zeitraum zudem den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (VN) in Genf mehrfach als Forum genutzt, um öffentlich auf die besorgniserregende Situation von Menschenrechtsverteidigern in vielen Ländern hinzuweisen. Konkrete Kritik übte die Bundesregierung dabei an der Lage von Menschenrechtsverteidigern unter anderem in Äquatorialguinea, Burundi, China, Eritrea, Iran, Kambodscha, Laos, Nepal, Russland, Sri Lanka, Syrien und Weißrussland. Außerdem wurden von Norwegen im VN-Menschenrechtsrat und in der VN-Generalversammlung Resolutionen zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern eingebracht. Die Bundesregierung hat sich dafür eingesetzt, dass diese Resolutionen möglichst konkrete und starke Formulierungen enthalten, die den Bedürfnissen von Menschenrechtsverteidigern Rechnung tragen. Auch im Rahmen der Allgemeinen Staatenüberprüfung (UPR) des VN-Menschenrechtsrates bringt die Bundesregierung regelmäßig die Situation von Menschenrechtsverteidigern zur Sprache. b) Wo lagen die größten Herausforderungen in Bezug auf den Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern? Herausforderungen gab es im Berichtszeitraum insbesondere beim Schutz von Menschenrechtsverteidigern, die sich für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, etwa im Kontext von Landkonflikten, einsetzten. Zudem erschwerten zunehmende Restriktionen der Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen in zahlreichen Ländern den Schutz von Menschenrechtsverteidigern. 6. In welchen Ländern hat Deutschland gemäß der EU-Leitlinien a) die Ausarbeitung lokaler Strategien zur Umsetzung der Leitlinien unterstützt , Bislang wurden für über 60 Staaten unter aktiver Beteiligung der Bundesregierung lokale Strategien zur Umsetzung der Leitlinien entwickelt. Eines der aktuellsten Beispiele ist die Umsetzungsstrategie für Afghanistan, die im Jahr 2014 erarbeitet wurde. b) spezielle Verbindungsbeamtinnen und Verbindungsbeamte für die Pflege von Kontakten mit Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern eingesetzt? Als Verbindungsbeamte für die Pflege von Kontakten mit Menschenrechtsverteidigern fungieren die an den Auslandsvertretungen mit Menschenrechtsfragen betrauten Mitarbeiter. Sie sind je nach Größe der Vertretung und der Menschenrechtslage im Land ausschließlich oder neben anderen Aufgaben mit Fragen der Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4475 Menschenrechtspolitik betraut. Gleichzeitig sind alle Mitarbeiter der Vertretungen zur Kontaktpflege, auch zu Menschenrechtsverteidigern, aufgerufen. 7. Für welche Länder bzw. Regionen sind in den nächsten zwei Jahren regionale Menschenrechtsseminare geplant? Das Auswärtige Amt plant derzeit regionale Menschenrechtsseminare zu China und Zentralasien. 8. Was unternehmen die deutschen Botschaften, damit der Bekanntheitsgrad der EU-Leitlinien zunimmt? Die EU-Leitlinien zu verbreiten und bekannter zu machen, ist eine Daueraufgabe , der die Botschaften – angepasst an die jeweilige Lage vor Ort – mit unterschiedlichen Maßnahmen nachkommen. Eine wichtige Maßnahme in diesem Bereich ist das Einstellen der EU-Leitlinien auf die Internetseiten der Auslandsvertretungen . Wichtig ist außerdem, dass Botschaftsmitarbeiter aktiv den Kontakt zu Menschenrechtsverteidigern suchen, diese zu relevanten Veranstaltungen einladen und als Ansprechpartner für Menschenrechtsverteidiger bereit stehen. Zu den Aufgaben der Botschaften gehört es außerdem, an wichtigen Veranstaltungen von Menschenrechtsverteidigern bzw. Veranstaltungen zu Menschenrechtsthemen teilzunehmen. Im Rahmen dieser Kontakte sind die Botschaften auch angehalten auf die EU-Leitlinien hinzuweisen und diese interessierten Personen in elektronischer oder gedruckter Form zukommen lassen. Die EU-Leitlinien und die damit verbundene Menschenrechtsarbeit können zudem Teil der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Gastland sein. a) Werden sie, wo nötig, in die Landessprachen übersetzt? Die Leitlinien wurden bereits in alle offiziellen VN-Sprachen (Englisch, Französisch, Spanisch, Chinesisch, Russisch) und in weitere wichtige Sprachen (z. B. Farsi) übersetzt. Übersetzungen in weitere Landes- oder Regionalsprachen werden von Auslandsvertretungen in Abstimmung mit den EU-Partnern erstellt, wo dies sinnvoll erscheint. b) Wie wird gewährleistet, dass auch Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger in entlegenen Gebieten Kenntnisse über Schutzmöglichkeiten erhalten und ggf. ebenfalls von Botschafts- oder EU-Personal besucht werden? Zum Aufgabenspektrum der deutschen Auslandsvertretungen gehört es, auch Kontakt zu Menschenrechtsverteidigern in entlegenen Gebieten aufzunehmen und – je nach Kapazitäten und der Situation vor Ort – in Abstimmung mit den EU-Partnern auch Besuchsreisen zu Menschenrechtsverteidigern außerhalb der Hauptstadt zu unternehmen. 9. Inwiefern wird über die Situation von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern im Rahmen der Menschenrechtsberichte der deutschen Vertretungen im Ausland berichtet? Die Auslandsvertretungen berichten in Abhängigkeit von den Entwicklungen fortlaufend über die Menschenrechtslage im Gastland. Eine Reihe von Vertretungen hat darüber eine jährliche zusammenfassende Berichtspflicht. Darüber hinaus bringen sich die Vertretungen in die Berichterstattung der EU-Delegationen bzw. lokalen EU-Präsidentschaften an den Europäischen Auswärtigen Drucksache 18/4475 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Dienst ein. Dabei gehen sie auch auf die Situation von Menschenrechtsverteidigern ein. Der von vielen Auslandsvertretungen jährlich zu erstellende Menschenrechtsbericht enthält zudem ein Kapitel zur Situation von Menschenrechtsverteidigern . a) Wie werden solche Berichte auf Bundes- und auf EU-Ebene ausgewertet ? Die Berichte gehen im Auswärtigen Amt ein und werden bei Bedarf an weitere betroffene Ressorts weitergeleitet. Im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bringt das Auswärtige Amt die so gewonnenen Erkenntnisse in die Abstimmungen in Brüssel ein. b) Fließen die Erkenntnisse zur Situation der Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger in außenpolitische Entscheidungen das jeweilige Land betreffend mit ein? Ja. 10. Nach welchen Kriterien werden Entscheidungen zu Einzelfallinterventionen zugunsten von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern vor Ort gefällt, und wie werden die Interventionen zu Einzelfällen nachgehalten? Werden dem Auswärtigen Amt oder einer Auslandsvertretung Einzelfälle von Verfolgung, Belästigung oder Bedrohung von Menschenrechtsverteidigern bekannt , so nehmen sie soweit wie möglich und nach Möglichkeit in Abstimmung mit den Partnern aus der EU und gleichgesinnten Staaten vor Ort eine Klärung und Bewertung des tatsächlichen Sachstands vor und ergreifen in Abhängigkeit von dieser Bewertung und der weiteren Entwicklung der Fälle weitere Maßnahmen . a) Wo gibt es eine Übersicht über Gerichtsverfahren gegen Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger, bei denen deutsche Vertretungen in die Prozessbeobachtung involviert sind oder waren? Deutsche Auslandsvertretungen beobachten in einer Reihe von Staaten Gerichtsverfahren gegen Menschenrechtsverteidiger, oft in Abstimmung mit den Partnern aus der EU und anderen gleichgesinnten Staaten. Ein zentrales Register über Prozessbeobachtungen wird hier nicht geführt. b) Welche Kapazitäten stehen zur Bearbeitung von Einzelfällen zur Verfügung , und sind sie nach Einschätzung der Bundesregierung ausreichend ? Auf die Antwort zu Frage 6b wird verwiesen. Auch die Rechts- und Konsularreferenten werden im Bedarfsfall in diesem Bereich eingesetzt. Die vorhandenen Kapazitäten sind im Regelfall ausreichend. Bei besonders aufwändigen Einzelfällen oder bei einer unerwarteten Häufung von Einzelfällen kann es jedoch unter Umständen vorkommen, dass die vorhandenen Kapazitäten zeitweise nicht vollständig ausreichen. Hier kommt der Lastenteilung und Koordinierung unter den EU-Auslandsvertretungen besondere Bedeutung zu. c) Inwieweit und durch wen werden Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger von deutscher oder EU-Seite in Ein- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4475 zelfällen im Hinblick auf medizinische und psychosoziale Versorgung vor Ort unterstützt? Die konkreten Bedürfnisse der betroffenen Menschenrechtsverteidiger sowie die Möglichkeiten zur Versorgung vor Ort variieren im Einzelfall sehr stark, so dass eine pauschale Aussage hierzu kaum möglich ist. In der Vergangenheit hat sich die Bundesregierung beispielsweise für die medizinische Behandlung von erkrankten bzw. verletzten Menschenrechtsverteidigern in Deutschland eingesetzt oder darauf hingewirkt, dass inhaftierte Menschenrechtsverteidiger eine angemessene medizinische Versorgung durch die Behörden des Gastlandes erhalten . d) Inwiefern unterstützt die Bundesregierung Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger aus der LGBTTI-Community (LGBTTI – Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle)? e) Inwiefern werden Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger , die sich für von Großinvestitionsprojekten betroffene Dorfgemeinschaften bzw. Anwohner engagieren, unterstützt? Die Fragen 10d und 10e werden aufgrund ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Unterstützung der Bundesregierung gilt dabei allen Menschenrechtsverteidigern . 11. Werden die deutschen Botschaften angehalten, auch öffentlich wirksam an Veranstaltungen der Zivilgesellschaft und von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern teilzunehmen? Ja. 12. Werden nach Kenntnis der Bundesregierung Menschenrechtsorganisationen an der Erarbeitung der menschenrechtlichen Länderstrategien der EU in den einzelnen Ländern beteiligt und gibt es eine Rechenschaftslegung über die Implementierung der Strategien? Die EU-Delegationen bzw. lokalen EU-Präsidentschaften sind gehalten, die Zivilgesellschaft in die Erstellung der Menschenrechtsländerstrategien einzubeziehen . Sie berichten über die Umsetzung ihrer Länderstrategien an die Zentrale des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) in Brüssel. Der genaue Inhalt der Menschenrechtsländerstrategien ist vertraulich eingestuft. Die EU-Delegationen bzw. lokalen EU-Präsidentschaften sind jedoch angehalten, ihre länderspezifischen menschenrechtlichen Prioritäten entsprechend den Gegebenheiten vor Ort angemessen gegenüber der Zivilgesellschaft bzw. der Öffentlichkeit zu kommunizieren. 13. Wann wurde die Umsetzung der EU-Leitlinien für Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger zuletzt in der EU-Ratsarbeitsgruppe Menschenrechte (COHOM) überprüft, und zu welchen Ergebnissen ist sie gekommen? Die Umsetzung der Leitlinien wird regelmäßig von der Ratsarbeitsgruppe COHOM überprüft und begleitet. Die COHOM hat u. a. praktische Handreichungen zur Anwendung der Leitlinien durch die EU-Delegationen erarbeitet. Die letzte spezifische Befassung der COHOM mit der Umsetzung der EU-Leit- linien für Menschenrechtsverteidiger fand im Mai 2014 statt. Drucksache 18/4475 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 14. Inwiefern haben Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger im Notfall Zugang zu einem erleichterten Aufnahmeverfahren über deutsche Konsulate, wie von den EU-Leitlinien und auch im EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie angeregt? Das deutsche Aufenthaltsrecht bietet die Möglichkeit, auf besondere Notsituationen flexibel und schnell zu reagieren. Nach § 22 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ist eine Aufnahme aus dringenden humanitären Gründen möglich ; nach § 22 Satz 2 AufenthG kann eine Aufnahme zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland erfolgen. Menschenrechtsverteidiger , die verfolgt und bedroht werden, haben Zugang zu diesem Verfahren. 15. Erhalten Menschenrechtsorganisationen vor Ort Feedback zum EU-Vorgehen bezüglich spezifischer Interventionen bzw. den EU-Menschenrechtsdialogen mit den jeweiligen Regierungen? Nach den EU-Leitlinien für Menschenrechtsdialoge mit Drittländern veröffentlicht die EU, sofern erforderlich, im Anschluss an einen Menschenrechtsdialog eine Pressemitteilung, die auf der Internetseite des Generalsekretariats des Rates und der zuständigen EU-Delegation abrufbar ist, und fasst darüber hinaus im Einzelfall eine Pressekonferenz und Gespräche mit der Presse ins Auge. 16. Welche Programme gibt es in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit , mit denen der Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern explizit gefördert wird? Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fördert den Schutz von Menschenrechtsverteidigern in Vorhaben der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit, in denen Komponenten zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern integriert sind, sowie durch Finanzierung von Maßnahmen privater Träger. a) Wie wird dabei dem Vorsatz, vermehrt Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger in Entwicklungsländern zu unterstützen , der im Strategiepapier „Menschenrechte in der Deutschen Entwicklungszusammenarbeit “ festgeschrieben wurde, Rechnung getragen ? Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat spezifische Menschenrechtsvorhaben verstärkt in sein regionales Portfolio aufgenommen und bestehende weiter ausgebaut. Hierunter fallen Vorhaben, die gezielt Menschenrechtsverteidiger unterstützen sowie Vorhaben zur Etablierung oder Stärkung nationaler und regionaler Menschenrechtsinstitutionen. Darüber hinaus werden regelmäßig Fachveranstaltungen und Fortbildungen durchgeführt . Ferner wird, gemeinsam mit deutschen zivilgesellschaftlichen Akteuren, das direkte Gespräch mit Menschenrechtsverteidigern aus Partnerländern gesucht . b) Welches Budget wird für Aktivitäten in diesem Rahmen jährlich aufgewendet (bitte mit Titelangabe)? Zahlreiche Vorhaben der deutschen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit nehmen direkt oder indirekt Menschenrechtsthemen und damit auch die Förderung von Menschenrechtsverteidigern auf (Finanzielle Zusammenarbeit (FZ): Titel 866 01; Technische Zusammenarbeit (TZ): Titel 896 03). Eine genaue An- gabe zum Budget ist aufgrund fehlender Kategorien im statistischen Erfassungs- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4475 system von OECD/DAC nicht möglich. Zudem handelt es sich beim Schutz von Menschenrechtsverteidigern um einen sensiblen Bereich, weshalb die Maßnahmen bewusst in laufende Programme integriert werden. Das BMZ-finanzierte Programm Ziviler Friedensdienst (ZFD, Titel 687 02) unterstützt in vielen Ländern Menschenrechtsorganisationen, die sich für die Rechte von Menschenrechtsverteidigern einsetzen. Die Mittel, die das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung für Projekte aus den Titeln für private Träger (Titel 687 06), politische Stiftungen (Titel 687 04) und Kirchen (Titel 896 04) bereitstellt, in denen die Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern ein Schwerpunkt ist, belaufen sich im aktuellen Jahr auf rund 8 Mio. Euro. Im Rahmen des Europäischen Instruments für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) werden auch in den Jahren 2014 bis 2017 gezielt Mittel für Maßnahmen zur Unterstützung von Menschenrechtsverteidigern zur Verfügung gestellt (insgesamt voraussichtlich 150 Mio. Euro). Die Bundesregierung hat sich hierfür intensiv eingesetzt. 17. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung die Arbeit des VN-Sonderberichterstatters für Menschenrechtsverteidiger? Die Bundesregierung hat an den VN-Sonderberichterstatter für Menschenrechtsverteidiger – wie an alle VN-Sonderberichterstatter – eine Einladung ausgesprochen , Deutschland zu besuchen. Die damalige VN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechtsverteidiger, Margaret Sekaggya, war am 24. April 2013 auf Einladung des Menschenrechtsausschusses des Bundestages in Berlin und führte bei dieser Gelegenheit auch Gespräche im Auswärtigen Amt. Die Deutsche Botschaft Prag organisierte im April 2013 eine Konferenz zum Thema „Menschenrechtsverteidiger unter Druck – Herausforderungen und Unterstützung “, an der Margaret Sekaggya als Ehrengast teilnahm. 18. Wie setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass ein Schutzmechanismus für Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger, die im Menschenrechtsrat vortragen wollen, deshalb aber Repressionen ihrer Regierungen ausgesetzt sind, eingeführt und umgesetzt wird? Die Bundesregierung befürwortet die Einrichtung eines solchen Schutzmechanismus und führt zu diesem Thema regelmäßig Gespräche mit den zuständigen VN-Institutionen, anderen VN-Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft. 19. Inwiefern sind die EU-Leitlinien zu Menschenrechtsverteidigern Gegenstand der diplomatischen Ausbildung im Auswärtigen Amt? Im Rahmen der Ausbildung im gehobenen und höheren Dienst werden die Anwärter in jeweils eintägigen Veranstaltungen spezifisch mit den Grundlagen der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung und der EU, darunter auch den EULeitlinien für Menschenrechtsverteidiger, vertraut gemacht. Darüber werden einmal jährlich, in der Regel vor dem einheitlichen Versetzungstermin, Fortbildungsseminare zur Menschenrechtspolitik angeboten, in denen ebenfalls auf die Leitlinien eingegangen wird. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333