Deutscher Bundestag Drucksache 18/4496 18. Wahlperiode 27.03.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Jutta Krellmann, Susanna Karawanskij, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4277 – Überprüfung der Mindestlohnregeln Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Beim Koalitionsgipfel hat sich die Große Koalition der Fraktionen CDU/CSU und SPD am 24. Februar 2015 darauf verständigt, die geplante Überprüfung einzelner Regelungen des gesetzlichen Mindestlohns vorzuziehen. Erste Ergebnisse sollen bis zum April 2015 vorliegen (vgl. Neues Deutschland vom 25. Februar 2015 „Opposition spricht von ‚Koalitionsgipfel des Stillstands‘ “). Vorangegangen war die Kritik von Teilen der CDU und der CSU sowie diverser Arbeitgeber an der vermeintlich überbordenden Bürokratie bei der Arbeitszeitdokumentation im Zusammenhang mit dem Mindestlohn (vgl. zum Beispiel Handelsblatt vom 3. Februar 2015 „CSU will Kontrollen beim Mindestlohn aussetzen“). Dagegen zählt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der Antwort auf die Schriftliche Frage des Abgeordneten Klaus Ernst diverse Aufzeichnungspflichten bei der Arbeitszeit auf, die schon vor dem Mindestlohn galten (vgl. Schriftliche Frage 61 auf Bundestagsdrucksache 18/4001). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, in welchem Umfang diesen Vorgaben in der Vergangenheit Folge geleistet wurde. Angesichts der frühzeitigen Überprüfung der Mindestlohnregeln stellt sich aber auch die Frage, welche Bereiche überprüft werden sollen, welche Kriterien zugrunde gelegt werden sollen und auf welche Belege und Ergebnisse sich die Bundesregierung bei der Überprüfung stützen will. Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft weist darauf hin: „Das Mindestlohngesetz enthält eine Vielzahl bürokratischer Ausnahmen, was deren Überwachung und Kontrolle erheblich erschwert.“ Es stellt sich daher auch die Frage, inwiefern dieser Hinweis in die Überprüfung mit einfließt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 25. März 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/4496 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Welche Regelungen im Zusammenhang mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns will die Bundesregierung bei der bis April 2015 geplanten Überprüfung konkret einbeziehen? 2. Nach welchen Kriterien will die Bundesregierung die bis April 2015 geplante Überprüfung durchführen? Welche Maßstäbe sollen bei der Bewertung der Ergebnisse zugrunde gelegt werden? Wie soll beispielsweise das Maß an Bürokratie bewertet werden? 3. Wie soll nach Kenntnis der Bundesregierung die Überprüfung der Mindestlohn -Regelungen konkret vonstattengehen? Welche validen Daten sollen auf welchem Wege bis April 2015 erhoben werden? 4. Welche Ergebnisse liegen der Bundesregierung im Rahmen der bis April 2015 geplanten Überprüfung bereits vor? 5. Welchen Stellenwert haben nach Kenntnis der Bundesregierung die bekannt gewordenen Umgehungsstrategien seitens der Arbeitgeber bei der Überprüfung des Mindestlohns? Die Fragen 1 bis 5 werden gemeinsam beantwortet. Innerhalb der Koalition wurde vereinbart, beim Mindestlohngesetz (MiLoG) bis Ostern eine Bestandsaufnahme der in der Praxis bestehenden Probleme durchzuführen . Auf dieser Grundlage wird dann eine Bewertung erfolgen und es wird eine Entscheidung über gegebenenfalls erforderliche Änderungen getroffen. Im Rahmen der vorzunehmenden Bestandsaufnahme kommt dem Dialog mit den Sozialpartnern eine wichtige Rolle zu. 6. Wie schätzt die Bundesregierung den zusätzlichen bürokratischen Aufwand bei den Kontrollen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ein, der durch die Ausnahmeregelungen im Mindestlohngesetz entsteht? Jede Definition des Anwendungsbereichs gesetzlicher Regelungen wirft regelmäßig Abgrenzungsfragen auf; so auch im MiLoG. Dies beeinflusst auch die Prüfungen nach dem MiLoG durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS). Ob und ggf. in welchem Umfang eine Erschwernis eintritt, kann nicht beziffert werden. 7. Wie viele Kontrollen bezüglich der Einhaltung des Mindestlohngesetzes der Finanzkontrolle Schwarzarbeit hat es nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem 1. Januar 2015 gegeben, und zu welchen Ergebnissen kommen diese Kontrollen? Die FKS hat in den Monaten Januar und Februar 2015 insgesamt 8 443 Prüfungen bei Arbeitgebern durchgeführt. Eine differenzierte statistische Erfassung der einzelnen Prüfaufgaben (z. B. Sozialversicherung, Ausländerbeschäftigung, Sozialleistungen, Mindestlohn) erfolgt nicht. Die FKS geht regelmäßig von einem ganzheitlichen Prüfansatz aus, d. h. bei jedem Arbeitgeber werden alle in Betracht kommenden Prüfaufgaben abgedeckt. Nachdem der Mindestlohn nach dem MiLoG erstmals spätestens zum Ende des Monats Februar 2015 fällig war, liegen Ergebnisse zum Mindestlohn noch nicht vor. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4496 8. Wie viel Personal steht der Finanzkontrolle Schwarzarbeit derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung bundesweit zur Überprüfung der Einhaltung des Mindestlohnes zur Verfügung, und wie wird sich der Personalbestand in den kommenden fünf Jahren entwickeln? Wie viele zu kontrollierende Betriebe stehen dem gegenüber? Der FKS standen für alle durch die FKS wahrzunehmenden Tätigkeiten im Jahr 2015 insgesamt 6 842 Planstellen und Stellen zur Verfügung. Eine Differenzierung für einzelne Prüfaufgaben ist nicht vorgesehen, da die FKS einem ganzheitlichen Prüfansatz folgt. Davon sind rund 600 Dienstposten im Bereich der FKS aktuell unbesetzt. Für die Kontrolle des gesetzlichen Mindestlohns wurde ein zusätzlicher Personalbedarf von 1 600 Arbeitskräften (AK) ermittelt. Der Gesetzgeber hat hierzu im Haushalt 2015 einen Haushaltsvermerk über die entsprechende Bereitstellung von zusätzlichen Planstellen ausgebracht. 9. Wie viele Kontrolleure stehen nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in den einzelnen Hauptzollämtern für die Kontrolle der Einhaltung des Mindestlohns zur Verfügung, und wie viele zu kontrollierende Betriebe stehen dieser Zahl an Kontrolleuren jeweils gegenüber? Die Angabe, wie viele Kontrolleure in den Hauptzollämtern ausschließlich für die Mindestlohnkontrollen zur Verfügung stehen, kann unter Bezugnahme auf die Ausführungen zu Frage 8 nicht beziffert werden. 10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, inwiefern die schon vor dem Mindestlohngesetz bestehenden Aufzeichnungspflichten hinsichtlich der Arbeitszeit von den Betrieben umgesetzt wurden? 11. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung in der Praxis Mehrarbeit erfasst ? Die Fragen 10 und 11 werden gemeinsam beantwortet. Über die in der Antwort zu Frage 18 dargestellten Ermittlungsverfahren hinaus liegen keine Erkenntnisse zu Aufzeichnungspflichtverletzungen bei AEntGKontrollen vor. Gemäß § 16 Absatz 2 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) ist der Arbeitgeber verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit von acht Stunden hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen. Dies ist die werktägliche Mehrarbeit sowie die Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Eine bestimmte Form ist für die Aufzeichnung nicht vorgeschrieben. Wie die Betriebe die Arbeitszeit konkret erfassen, ist der Bundesregierung nicht bekannt. 12. Wie schätzt die Bundesregierung angesichts der bereits schon vor dem Mindestlohngesetz bestehenden Aufzeichnungspflichten hinsichtlich der Arbeitszeit den durch das Mindestlohngesetz zusätzlich entstandenen Aufwand ein? Auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 13 der Kleinen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Finanzkontrolle Schwarzarbeit im Jahr 2014 – Kontrolle von Mindestlöhnen und sensible Branchen“ auf Bundestagsdrucksache 18/4403 wird verwiesen. Drucksache 18/4496 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Wie viele Kontrollen zur Überprüfung der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes fanden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren in den einzelnen Bundesländern statt? 14. Wie viele Kontrolleure standen nach Kenntnis der Bundesregierung in den einzelnen Bundesländern für die Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes in den vergangenen zehn Jahren jeweils zur Verfügung ? 15. Für wie viele zu kontrollierende Betriebe war nach Kenntnis der Bundesregierung je Bundesland ein Kontrolleur bei der Kontrolle der Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zuständig, und wie hat sich je Bundesland diese Zahl in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? 16. Wie viele Verstöße gegen Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes wurden nach Kenntnis der Bundesregierung je Bundesland in den vergangenen zehn Jahren aufgedeckt, und in welchem Verhältnis stehen die Verstöße jeweils zur Zahl der Kontrollen? 17. Wie viele Verstöße gegen die Aufzeichnungspflichten des Arbeitszeitgesetzes wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den einzelnen Bundesländern in den vergangenen zehn Jahren aufgedeckt? Die Fragen 13 bis 17 werden gemeinsam beantwortet. Die Kontrolle der Einhaltung des ArbZG ist Aufgabe der Länder (Artikel 30, 83 des Grundgesetzes – GG –, § 17 Absatz 1 ArbZG). Die Länder nehmen diese Aufgabe als „eigene Angelegenheit“ (Artikel 83 GG) wahr. Sie legen die im Einzelnen hierfür zuständigen Aufsichtsbehörden durch Landesrecht fest und organisieren das Verwaltungsverfahren (Artikel 84 Absatz 1 GG). Bezüglich der Fragen 13, 14 und 16 wird auf die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 22 und 23 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Atypische Arbeitszeiten in Deutschland“ auf Bundestagsdrucksache 18/1402 verwiesen . Zu den Fragen 15 und 17 liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Statistiken über Verstöße gegen die Aufzeichnungspflichten des Arbeitszeitgesetzes (Frage 17) werden von den Ländern nicht geführt. 18. Wie viele Verstöße gegen Arbeitszeitaufzeichnungspflichten gemäß Arbeitnehmerentsendegesetz und Arbeitnehmerüberlassungsgesetz wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit aufgedeckt? Welchen Anteil haben diese Verstöße jeweils an allen Verstößen? Die FKS hat Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen Aufzeichnungspflichten (§ 23 Absatz 1 Nummern 8 und 9 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes – AEntG – bzw. § 5 Absatz 1 Nummer 6 und 7 AEntG alt, § 16 Absatz 1 Nummer 17 und 18 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG) in den Jahren 2010 bis 2014 sowie insgesamt Ermittlungsverfahren wie folgt eingeleitet: Jahr eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Aufzeichnungspflichten eingeleitete Ermittlungsverfahren insgesamt 2010 1 651 177 323 2011 1 961 168 384 2012 2 115 148 448 2013 2 369 135 016 2014 2 614 137 292 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333