Deutscher Bundestag Drucksache 18/4497 18. Wahlperiode 27.03.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, Dr. Kirsten Tackmann und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4284 – Anpassung des Katastrophenschutzes für den Berliner Forschungsreaktor BER II entsprechend der Strahlenschutzkommission Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach der Atomkatastrophe von Fukushima hat die Strahlenschutzkommission (SSK) für die Atomkraftwerke (AKW) eine generelle Ausweitung der Planungsgebiete für den Notfallschutz empfohlen (Empfehlung der Strahlenschutzkommission „Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken“, 268. Sitzung der Strahlenschutzkommission, 13./14. Februar 2014, www.ssk.de/SharedDocs/Beratungsergebnisse/2014/ Planungsgebiete.html). Ausgangspunkte der Empfehlungen der SSK waren: – Deutschland geht für AKW auch wie vor Fukushima von einem Reaktorunfall der Stufe INES 7 aus, – Fukushima zeigte, dass der vorgesehene Katastrophenschutz für eine Evakuierung und Verteilung von Jodtabletten nicht ausreicht, – der Katastrophenschutz soll sich an den Folgen und nicht an der Wahrscheinlichkeit des Unfalls orientieren, – internationale Harmonisierung zur Ableitung von Planungsgebieten für den Katastrophenschutz. Die SSK hat empfohlen, die äußeren Grenzen der Schutzzonen um folgende Faktoren zu erweitern: mal 2,5 – Zentralzone auf 5 km, mal 2 – Mittelzone auf 10 km, mal 4 – Außenzone auf 100 km, mal >5 – Fernzone auf das gesamte Bundesgebiet. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 25. März 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Für Forschungsreaktoren fehlen jedoch solche Empfehlungen. Auch wenn in den Forschungsreaktoren grundsätzlich andere Kernschmelz- oder Kritikalitätsunfälle zu unterstellen sind, ist jedoch anzunehmen, dass im Falle solcher Un- Drucksache 18/4497 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode fälle auch bei den Folgen einer Freisetzung aus Forschungsreaktoren größere Gebiete als bislang angenommen betroffen sein werden. Nach Informationen der Fragestellerinnen und Fragesteller ist am Forschungsreaktor BER II eine trockene Kernschmelze möglich, die einen schweren Unfall der Stufe 6 der siebenstufigen internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES, „Erhebliche Freisetzung (einige 1 000 bis einige 10 000 TBq), voller Einsatz der Katastrophenschutzmaßnahmen“) zur Folge haben kann (Rödder, P.: Freisetzung radioaktiver Stoffe aus dem Kern des Forschungsreaktors BER II im Unfall, Hahn-Meitner-Institut, März 2001). Unterstellt man die für AKW empfohlenen Faktoren zur Erweiterung der Schutzzonen um den BER II, erweitert sich der Radius für die Mittelzone auf 8 km und umfasst damit fast das gesamte Stadtgebiet von Potsdam, aber auch die Kommunen Stahnsdorf, Kleinmachnow, Teltow und weite Teile von BerlinZehlendorf . Die Außenzone erweitert sich von 8 km auf 32 km und geht damit bis Nauen, Velten, Grünau und Zossen und schließt somit fast das gesamte Stadtgebiet von Berlin ein. Bei der Ausweitung der Planungsgebiete für den Notfallschutz um den BER II um die genannten Faktoren sind weitaus mehr Menschen betroffen, die zu evakuieren, zu dekontaminieren bzw. mit Jodtabletten zu versorgen sind. In der Informationsbroschüre „Information für die Umgebung des Forschungsreaktors im Helmholtz-Zentrum Berlin [HZB] für Materialien und Energie; Information der Bevölkerung nach § 53 der Strahlenschutzverordnung“ (www.helmholtz-berlin.de/media/media/oea/web/news/pdfs/hzb_notfall_ brosch_15_final.pdf) des HZB ist angegeben: „Für die gesamte Zentral- und Mittelzone kann die Einnahme von Jod-Tabletten zum Schutz der Schilddrüse für Kinder und Erwachsene bis 45 Jahre erforderlich sein. Bis zu 20 Kilometer Entfernung kann darüber hinaus für Kinder, Jugendliche und Schwangere die Einnahme von Jod-Tabletten angeraten werden .“ Die höchste Schutzwirkung hat die Einnahme der Jodtabletten kurz vor Eintreffen des freigesetzten radioaktiven Jods. Die Einnahme der Jodtabletten zehn Stunden nach Eintreffen der radioaktiven Wolke hat praktisch keine schützende Wirkung mehr (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit : Einnahme von Jodtabletten als Schutzmaßnahme bei einem schweren Unfall in einem Kernkraftwerk – Informationsbroschüre; www. jodblockade.de/ fileadmin/user_upload/download_pdf/jodtabletten_broschuere_ einnahme_de. pdf). Laut „taz.die tageszeitung“ vom 24. Oktober 2014 „traten bei einer geheimen Übung der Krisenstäbe von Bund und Ländern eklatante Mängel zutage“. Dort heißt es weiter: „Nach einer simulierten Atom-Katastrophe im AKW Emsland wurde die Bevölkerung erst zu einem Zeitpunkt gewarnt, zu dem die radioaktive Wolke bereits Millionen Menschen erreicht hätte.“ (www.taz.de/!148295/). Geplant und umgesetzt werden muss der Katastrophenschutz durch die Kommunen . Für den Katastrophenschutz ist aber auch die Bundesregierung maßgeblich zuständig. Sie finanziert u. a. das Fahrzeugkonzept. Und diese Fahrzeuge stehen wiederum bei kommunalen Feuerwehren, die um die notwendige Technik kämpfen müssen. Die 61. Delegiertenversammlung des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) hatte eine Resolution zum derzeitig schlechten Ausrüstungsstand für den Katastrophenschutz verabschiedet (DFV-Pressedienst, 27. September 2014: Zivilschutz: Delegierte fordern sichere Finanzen, Resolution der 61. Delegiertenversammlung des DFV zum Katastrophenschutz, www. presseportal.de/pm/50093/2841303/zivilschutz-delegierte-fordern-sicherefinanzen -resolution-der-61-delegiertenversammlung-des-dfv/rss). Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der Bund hat gemäß Artikel 73 Absatz 1 Nummer 1 des Grundgesetzes (GG) die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit für die Verteidigung einschließlich Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4497 des Schutzes der Zivilbevölkerung. Seine Zuständigkeit ist damit thematisch begrenzt auf den Schutz der Bevölkerung vor verteidigungsbedingten Gefahren. Die Bewältigung friedenszeitlicher Katastrophen ist Aufgabe der Länder. Der Bund leistet hierbei Amts- oder Katastrophenhilfe nach Artikel 35 GG. Planung, Vorbereitung und Durchführung von Katastrophenschutzmaßnahmen sind ausschließlich Aufgaben, die in der alleinigen Verantwortung der Bundesländer liegen. Insofern sieht die Bundesregierung keine Veranlassung, Aktivitäten der Länder im Bereich des Katastrophenschutzes im Allgemeinen und des Landes Berlin für den Forschungsreaktor BER II im Besonderen zu bewerten. 1. Ist eine Anpassung des Katastrophenschutzes hinsichtlich der Ausweitung der Planungsgebiete, wie bei den Atomkraftwerken, auch bei den Forschungsreaktoren vorgesehen? Wenn ja, was genau ist geplant, und bis wann soll die Umsetzung durch wen erfolgen? Wenn nein, warum nicht? Eine Anpassung der Planungsgebiete für den Katastrophenschutz bei Leistungsreaktoren hat gemäß den Empfehlungen der Strahlenschutzkommission (SSK) aufgrund des Kernkraftunfalls in Fukushima und der sich daraus ergebenden Erkenntnisse für Leistungsreaktoren zu erfolgen. Ob Planungsgebiete für Forschungsreaktoren zu erweitern sind, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, da die Geometrie, Leistungsdichte und das radiologische Inventar verglichen mit Leistungsreaktoren sehr unterschiedlich sind. Die neuen Planungsgebiete für Leistungsreaktoren basieren auf sogenannten reasonable worst case-Szenarien. Wenn die heutigen Planungen für einen Forschungsreaktor wie im Falle des BER II bereits auf einem worst case-Szenario beruhen, so ist aus Sicht der Bundesregierung eine Erweiterung der Planungsradien nicht sinnvoll und nicht erforderlich. 2. Werden hinsichtlich der Möglichkeit eines „trockenen Kernschmelz-Unfalls “ entsprechend der Stufe 6 der siebenstufigen internationalen Bewertungsskala für nukleare Ereignisse (INES) beim Forschungsreaktor BER II erweiterte Planungsgebiete analog den Empfehlungen bezüglich der Planungsgebiete für den Notfallschutz entsprechend der SSK-Empfehlungen für Atomkraftwerke geplant? Wenn ja, wann ist mit der Veröffentlichung zu rechnen, und was werden die wesentlichen Anpassungsmaßnahmen sein? Wenn nein, warum nicht, und in welcher Weise und bis wann wird die Bundesregierung dafür Sorge tragen, dass es diese erforderliche Anpassung für Anlagen mit Forschungsreaktoren geben wird? Nach Informationen des zuständigen Landes Berlin ist eine Erweiterung der für die Umgebung des BER II bisher vorgesehenen Katastrophenschutz-Planungsgebiete nicht vorgesehen, da bereits in der Vergangenheit konservativ für die Planung von einem worst case-Szenario ausgegangen wurde. Dieses unterstellte eine sogenannte trockene Kernschmelze bei zerstörter Halle und postulierte damit eine Freisetzung des gesamten flüchtigen Inventars. Mit dem damit verbundenen Emissionsquellterm wurden probabilistische Ausbreitungsrechnungen durchgeführt und als Maßnahmenradien die Entfernungen bestimmt, bei der in 95 Prozent der untersuchten Wetterabläufe die einschlägigen Dosiswerte nicht überschritten wurden. Eine Notwendigkeit, die „Schutzzonen“ um den BER II entsprechend den zitierten Empfehlungen der SSK zu erweitern, ergibt sich danach nicht. Drucksache 18/4497 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Zum allgemeinen Erfordernis einer Anpassung wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Ist es aus Sicht der Bundesregierung zutreffend, dass die entsprechende Anpassung der nach dem Fukushima-Unfall für den Katastrophenschutz bei den Atomkraftwerken nunmehr angewandte Faktor (mal 4) dazu führt, dass das gesamte Stadtgebiet von Berlin jetzt in die Außenzone des BER II fällt? Wenn nein, warum nicht? Für die Planungsgebiete bei Leistungsreaktoren ist weder ein Faktor vier noch ein anderer angewandt worden. Die Komplexität der Betrachtung lässt sich auch nicht auf eine schlichte Vervielfachung von Planungsradien reduzieren. Darüber hinaus ist eine Übertragung von Planungsgebieten von Leistungsreaktoren auf Forschungsreaktoren sachlich nicht angemessen. Zur weiteren Begründung wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. 4. Wie viele Menschen wohnen nach Kenntnis der Bundesregierung a) in den bisher definierten Schutzzonen um den BER II (je Zone und insgesamt ) und Die Kenntnis der Bundesregierung beruht auf den Aussagen des Landes Berlin. Demnach sind für die Umgebung des BER II für den Katastrophenfall die Maßnahmen „Verbleiben im Haus“, „Einnahme von Jodtabletten“ und „Evakuierung “ vorgesehen. Aus folgender Tabelle des Landes Berlin gehen die maximalen Maßnahmenradien und die Zahl der in dem entsprechenden Vollkreis lebenden Einwohner hervor. b) in diesen Zonen und insgesamt, wenn für den BER II von Schutzzonen analog zu den dargelegten Erweiterungsfaktoren für Atomkraftwerke ausgegangen wird? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. 5. Wie viele Menschen müssten nach Einschätzung der Bundesregierung im ungünstigsten Fall a) nach den bisher definierten Schutzzonen um den BER II (je Zone und insgesamt) mit Jodtabletten versorgt werden und b) versorgt werden, wenn für den BER II von Schutzzonen analog zu den dargelegten Erweiterungsfaktoren für Atomkraftwerke ausgegangen wird (je Zone und insgesamt)? Eine entsprechende Einschätzung liegt nicht in der Zuständigkeit der Bundesregierung . Maßnahme deren maximaler Radius Gesamtzahl der Einwohner im Vollkreis Evakuierung 2,5 km 13 200 Jodtabletten für Personen unter 45 Jahren 4,0 km 56 000 Verbleiben im Haus 8,0 km 190 000 Jodtabletten für Jugendliche und Schwangere 20 km 1 700 000 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4497 Zu Frage 5a: Nach Aussage des Landes Berlin werden in der Umgebung des Forschungsreaktors BER II Kaliumiodidtabletten dezentral für die Verteilung vorgehalten. Die bevorratete Menge sei ausreichend, um alle Betroffenen im Vollkreis zu versorgen . Allerdings würde im Ereignisfall abhängig von der herrschenden Windrichtung nur die Bevölkerung im betroffenen 90-Grad-Sektor mit Tabletten versorgt und zur Einnahme aufgefordert werden. Die Anzahl der Betroffenen hinge wegen der inhomogenen Bevölkerungsverteilung davon ab, wie der 90-GradSektor im konkreten Fall ausgerichtet sei. Zu Frage 5b: Auf die Antwort zu den Fragen 2 und 3 wird verwiesen. 6. Wann bzw. in welchem Zeitraum sind nach Einschätzung der Bundesregierung 33 Prozent, 50 Prozent, 75 Prozent bzw. 95 Prozent der Bevölkerung a) nach den bisher definierten Schutzzonen um den BER II, und b) wenn für den BER II von Schutzzonen analog zu den dargelegten Erweiterungsfaktoren für Atomkraftwerke ausgegangen wird, mit den Jodtabletten versorgt? Eine entsprechende Einschätzung liegt nicht in der Zuständigkeit der Bundesregierung . Nach Aussage des Landes Berlin gilt folgender Sachverhalt: Zu Frage 6a: Zur Versorgung aller Personen unter 45 Jahren im 4-km-Umkreis werden Haushaltspackungen à 20 Tabletten (Dosierung altersabhängig zwischen einviertel Tablette [Kinder bis 1 Monat] bis zwei Tabletten [Personen von 12 bis 45 Jahren ]) vorgehalten. Die Verteilung im betroffenen Sektor erfolgt nach vorbereiteten Routenplänen durch die Polizei. Für die Verteilung an die Haushalte werden zwei Stunden veranschlagt. Für die Versorgung der Jugendlichen unter 18 Jahren und der Schwangeren im 4-km- bis 20-km-Kreis werden in ausreichendem Umfang Tablettenblister mit sechs Tabletten dezentral vorgehalten. Die Verteilung im betroffenen Sektor erfolgt über dezentrale Ausgabestellen. Über die Zeiträume bis zum Erreichen eines bestimmten Versorgungsgrads der Bevölkerung liegen keine konkreten Erkenntnisse vor. Da die Ausgabe ohne jegliche Formalitäten erfolgt, kann jedoch von Zeiten unter vier Stunden ausgegangen werden. Zu Frage 6b: Auf die Antwort zu den Fragen 2 und 3 wird verwiesen. Maßnahme Einnahme Jodtabletten deren maximaler Radius Anzahl der zu versorgenden Personen im Vollkreis Personen unter 45 Jahren 4,0 km 27 000 Jugendliche und Schwangere ,20 km 280 000 Drucksache 18/4497 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Gibt es eine vom Bund koordinierte Überarbeitung der Katastrophenschutzpläne ? Wie ist die Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern? Es gibt keine vom Bund koordinierte Überarbeitung der Katastrophenschutzpläne der Länder. Der Bund hat gemäß Artikel 73 Absatz 1 Nummer 1 GG die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung. Seine Zuständigkeit ist damit thematisch begrenzt auf den Schutz der Bevölkerung vor verteidigungsbedingten Gefahren. Die Bewältigung friedenszeitlicher Katastrophen ist Aufgabe der Länder. Der Bund leistet hierbei Amts- oder Katastrophenhilfe nach Artikel 35 GG. 8. Welche Rolle spielt dabei das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe? Für Unterstützungsleistungen im Wege der Amts- oder Katastrophenhilfe stehen auf Bundesebene unter anderem die Ressourcen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) zur Verfügung. Gemäß § 16 des Gesetzes über den Zivilschutz und die Katastrophenhilfe des Bundes (ZSKG) können die Einrichtungen und Vorhaltungen des BBK insbesondere im Bereich der Lageerfassung und Lagebewertung sowie des Nachweises von Engpassressourcen auch im Rahmen der Amtshilfe zu Unterstützung eines Landes verwendet werden. Außerdem können auf Ersuchen eines Landes auch Hilfsmaßnahmen durch den Bund koordiniert werden. Zentrales Instrument des BBK für diese Aufgaben ist das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum von Bund und Ländern (GMLZ). Das GMLZ dient als ständig erreichbarer Meldekopf (24/7) für die im Zivil- und Katastrophenschutz mitwirkenden Stellen (Bundes-, Landesbehörden, Hilfsorganisationen ) und übernimmt bei großflächigen Schadensereignissen mit Bundesrelevanz die Lageerfassung, Lagebewertung und das Informationsmanagement . Außerdem vermittelt das GMLZ Engpassressourcen zur Gefahrenabwehr an nationale und internationale Bedarfsträger. 9. Gibt es Richtlinien bzw. Empfehlungen, und bis wann werden die Katastrophenschutzpläne für die jeweiligen AKW entsprechend den Empfehlungen der SSK überarbeitet? Wenn ja, wie sehen diese im Einzelnen aus? Hinsichtlich der radiologischen Aspekte existieren ● die „Radiologische(n) Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei unfallbedingten Freisetzungen von Radionukliden “ ● die „Rahmenempfehlungen für den Katastrophenschutz in der Umgebung kerntechnischer Anlagen“, die zurzeit von der SSK überarbeitet werden. Der Arbeitskreis V (Feuerwehrangelegenheiten, Rettungswesen, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung) der Ständigen Konferenz der Innenminister und Senatoren der Länder (IMK) hat die SSK-Empfehlungen in seiner länderoffenen Arbeitsgruppe „Fukushima“ aufgegriffen. Diese hat im Oktober 2014 ihren Abschlussbericht nebst „Rahmenempfehlungen über die Planung und Durch- führung von Evakuierungsmaßnahmen einschließlich der Evakuierung für eine erweiterte Region“, einem Vorschlag zur „Aufnahme von Betroffenen einer Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4497 großräumigen Evakuierung“, einer „Rahmenempfehlung zu Einrichtung und Betrieb von Notfallstationen“ sowie einer „Empfehlung zur Schaffung eines einheitlichen radiologischen Lagebildes“ vorgelegt. Mit Beschluss vom 11./12. Dezember 2014 hat die IMK den Abschlussbericht zur Kenntnis genommen. Außerdem sollen nach dem Beschluss die beiden Rahmenempfehlungen von den Ländern berücksichtigt werden, der Vorschlag zur Aufnahme von Betroffenen soll umgesetzt werden, und der Bund ist gebeten worden, die Empfehlung zur Schaffung eines einheitlichen radiologischen Lagebildes aufzugreifen. Zum Zeitrahmen einer Umsetzung kann die Bundesregierung keine Angaben machen , da die Zuständigkeit für den Katastrophenschutz bei den Ländern liegt. 10. Mit welchen Gesamtkosten müssen Bund und nach Einschätzung der Bundesregierung die Länder bei der Umsetzung der Empfehlungen rechnen? Planung, Vorbereitung und Durchführung von Katastrophenschutzmaßnahmen sind ausschließliche Aufgabe und Verantwortung der Länder. Über Kosten der Länder kann die Bundesregierung keine Aussagen treffen. 11. Was waren aus Sicht der Bundesregierung die wesentlichen Mängel der Bund-Länder-Kommunikationsübung zur Super-GAU-Simulation vom 17. September 2013, und welche Schlussfolgerungen werden daraus gezogen (bitte detailliert und umfassend darstellen)? Wann ist eine Wiederholung dieser Bund-Länder-Kommunikationsübung für einen atomaren Unfall geplant? Am 17. September 2013 fand eine Notfallschutzübung statt, die – ausschließlich – zum Ziel hatte, die Kommunikationsbeziehungen der Strahlenschutzvorsorgebehörden in Bund und Ländern praktisch zu üben. Die Übung legte ein fiktives Ereignis zugrunde, das vorsorgliche Maßnahmen nach dem Strahlenschutzvorsorgegesetz auslösen sollte, nicht indes die einschneidenden Maßnahmen des Katastrophenschutzes wie etwa eine Evakuierung – es handelte sich also nicht um einen „Super-GAU“. Der für die Übungszwecke unterstellte Störfall im (fiktiven) Kernkraftwerk Moorland wurde mit einer Wetterlage unterlegt, die möglichst viele Bundesländer berühren sollte. Kritikpunkte betrafen: – Die organisatorische und technische Durchführung der Telefonkonferenzen. Solche Konferenzen mit einer Vielzahl beteiligter Stellen (Bund und Länder) zu führen und zu leiten, ist eine anspruchsvolle Aufgabe, bei der Verbesserungen immer möglich und auch hier notwendig sind. – Rechtliche Handlungsnotwendigkeiten sind nicht spezifisch durch die Übung offenkundig geworden. Vielmehr haben die Vollzugserfahrungen mit dem Strahlenschutzvorsorgegesetz seit dem Jahr 1986, insbesondere auch aufgrund der Reaktorkatastrophe in Fukushima, Novellierungsbedarf gezeigt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) bereitet eine Gesetzesnovelle vor. Einzelne fachliche Gesichtspunkte , zum Beispiel das Konkurrenzverhältnis zu sonstigem Fachrecht, das bei Reaktorunfällen anwendbar sein kann, etwa das Lebensmittelrecht sowie Vorschriften zur Produktsicherheit und Gesundheitsvorschriften, aber auch das Verhältnis des Strahlenschutzvorsorgerechts zum Katastrophenschutzrecht (einer Ländermaterie), sind Gegenstand der aktuellen Diskussion mit den Bundesländern. Die Novellierung des Strahlenschutzvorsorgerechts ist Teil der für diese Legislaturperiode im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vorgesehenen umfassenden Modernisierung des Strahlenschutzrechts . Auch die europäische Richtlinie 2013/59/Euratom mit grundle- Drucksache 18/4497 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gend überarbeiteten Vorgaben des Europarechts zum Strahlenschutz sieht bis Februar 2018 eine entsprechende Umsetzung in nationales Recht vor. Dazu gehören auch diverse Regelungen zum Notfallschutz, so dass es sachgerecht ist, den Gesamtkomplex in einer Novelle anzugehen. Das BMUB strebt hierzu einen Referentenentwurf im Laufe des Jahres an. – Im damaligen Übungsfall erfolgte die erste Information über die radioaktive Wolke zu spät. Als eine Ursache hierfür wird angesehen, dass als Übungskünstlichkeit die Unfallabläufe in verkürzter Zeit stattfanden. Ziel der Pressearbeit des BMUB ist und wäre auch in einem von der Übung unterstellten Szenario, die Bevölkerung zeitgerecht, vollständig, verständlich und ohne Unter- oder Übertreibungen zu unterrichten. Übungen sind dazu da, Verbesserungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Als Schlussfolgerung aus der Übung vom 17. September 2013 besteht Konsens zwischen Bund und Ländern, dass auch in Zeiten knapper Personalressourcen regelmäßig Notfallschutzübungen durchzuführen sind. Das BMUB ist in jedem Jahr an diversen nationalen und internationalen Notfallschutzübungen beteiligt. Auch Kommunikationsübungen sollten künftig regelmäßig, im 2- bis 3-JahresRhythmus , stattfinden. 12. Welches Fahrzeugkonzept und welche technische Ausrüstung stehen der betroffenen Wannsee-Feuerwehr nach Kenntnis der Bundesregierung zur Verfügung, die im Ernstfall als erste Rettungskraft nach einem schweren Unfall im BER II vor Ort wäre? Nach Auskunft des Landes Berlin ergibt sich folgender Sachverhalt: Bei einem Schadensereignis am BER II stehen bedarfsorientiert alle Einsatzkräfte der Berliner Feuerwehr zur Verfügung. Deshalb ist eine besondere technische Ausrüstung für die Feuerwache Wannsee nicht vorgesehen. Alle im Dienst befindlichen Lösch-, Hilfeleistungs- und Einsatzleitfahrzeuge der Berliner Feuerwehr sind mit Strahlenmessgerätekästen und entsprechender Körperschutzkleidung (Chemieschutzoveralls) ausgerüstet. Auf den Einsatzleitfahrzeugen und Erkundungskraftwagen sind zusätzlich Kontaminationsnachweisgeräte vorhanden. Die Berliner Feuerwehr hält Erkundungskraftwagen des Bundes für chemische (C), biologische (B) sowie radiologische (R) und nukleare (N) Gefahren (CBRN-Erkundungskraftwagen) vor. Diese Fahrzeuge sind strategisch im Stadtgebiet verteilt. 13. In welchem Zeitraum ist nach Kenntnis der Bundesregierung in einem solchen Fall die volle geplante technische Einsatzbereitschaft vor Ort hergestellt ? Nach Auskunft des Landes Berlin ergibt sich folgender Sachverhalt: Bei einer Katastrophenlage im BER II werden nach dem zugehörigen Katastrophenschutzplan die Führungskräfte und insbesondere alle im Dienst befindlichen CBRN-Erkundungskraftwagen und Gerätewagen Dekontamination der Berliner Feuerwehr und der Hilfsorganisationen alarmiert. Die Herstellung der Einsatzbereitschaft und Besetzung der Bereitstellungsräume am Ereignisort mit Kräften der Berliner Feuerwehr ist in 30 Minuten abgeschlossen. Die Einsatzbereitschaft der CBRN-Kräfte der Hilfsorganisationen ist in zwei Stunden hergestellt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4497 14. Ist die für den BER II zuständige Polizei nach Kenntnis der Bundesregierung mit Strahlenmessgeräten ausgerüstet? Nach Auskunft des Landes Berlin verfügt die Polizei Berlin für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben über eine ausreichende Anzahl von Strahlenmessgeräten. 15. Wie viele Rettungskräfte sind nach Kenntnis der Bundesregierung für einen solchen Katastrophenfall im BER II eingeplant, a) davon Berufsfeuerwehrkräfte bzw. Rettungskräfte und b) ehrenamtliche Rettungskräfte? Nach Auskunft des Landes Berlin stellt die Berliner Feuerwehr täglich ca. 580 hauptamtliche Einsatzkräfte zur Bewältigung von Schadenslagen im täglichen Dienst und bei besonderen Lagen. Bei einer Katastrophenlage stehen zusätzlich etwa 1 500 Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren und rund 1 300 Einsatzkräfte der Hilfsorganisationen zur Verfügung. 16. Welche Katastrophenschutzübungen im Zusammenhang mit dem BER II wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zehn Jahren mit wem und in welcher Größenordnung durchgeführt? Nach Auskunft des Landes Berlin ergibt sich folgender Sachverhalt: Für den BER II wird jährlich eine koordinierte Übung des anlageninternen Notfallschutzes und der Katastrophenschutzbehörden durchgeführt, wobei variierende Unfallszenarien unterstellt werden. Im Rahmen dieser Katastrophenschutzübungen wird neben der Alarmierung der Katastrophenschutzbehörden auch die Arbeit der Gemeinsamen Einsatzleitung Stufe C (Katastrophenstab) der Berliner Feuerwehr geübt, an der die betroffenen Katastrophenschutzbehörden und der Betreiber beteiligt sind. In Abhängigkeit vom jeweiligen Szenario werden zusätzlich unterschiedliche Vollübungsteile durchgeführt. Über diese regelmäßigen Übungen hinaus werden sporadisch in der Umgebung des BER II Messübungen für die CBRN-Erkunder der Katastrophenschutzbehörden durchgeführt. Zusätzlich fanden in den letzten vier Jahren zwei Planbesprechungen statt, an denen alle Berliner und Brandenburger Behörden und Institutionen teilnahmen, denen in der Katastrophenschutzplanung Aufgaben zugewiesen sind. 17. Wird im Falle eines „worst case“-Szenario am BER II die für Rettungskräfte geltende Obergrenze von 250 mSv pro Einsatz und Person überschritten ? Nach Auskunft des Landes Berlin ergibt sich folgender Sachverhalt: Gemäß § 59 der Strahlenschutzverordnung und den Dienstvorschriften für Feuerwehr und Polizei ist die Dosis, der sich die Einsatzkräfte selbst zum Zwecke der Rettung von Menschenleben aussetzen dürfen, auf 250 mSv limitiert. Dieser Wert gilt auch für einen Einsatz am BER II. Die Einhaltung wird mittels entsprechender Messgeräte (Dosis- bzw. Dosisleistungswarner) ermöglicht. Die Höhe der Dosisleistung limitiert dann die Einsatzdauer. Die in der unmittelbaren Umgebung des Forschungsreaktors für „worst-case“-Bedingungen errechneten Dosisleistungswerte lassen erwarten, dass ein kurzzeitiger Rettungseinsatz unter Wahrung des zulässigen Dosisgrenzwertes noch möglich ist. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333