Deutscher Bundestag Drucksache 18/4524 18. Wahlperiode 31.03.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Katharina Dröge, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4165 – Notwendigkeit einer Reform des internationalen Finanzdienstleistungsverkehrs Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Dokumente des Verhandlungsangebots der Europäischen Union (EU) im Rahmen der Verhandlungen zu einem Trade in Services Agreement (nachfolgend TiSA) machen deutlich, dass die von der EU angestrebte Regulierung des internationalen Finanzdienstleistungshandels in den meisten Punkten deckungsgleich mit bzw. vertiefend zu den Maßgaben der freiwilligen Übereinkunft zu Verpflichtungen im Bereich Finanzdienstleistungen (GATS Understanding on commitments in financial services, nachfolgend freiwillige Übereinkunft ; siehe XLII. Commitments on financial services; www.wto.org/ english/res_e/booksp_e/analytic_index_e/gats_03_e.htm#comm) und des GATS Annex zu Finanzdienstleistungen (GATS Annex on Financial Services (siehe XXXVII. Annex on Financial Services: www.wto.org/english/res_e/ booksp_e/analytic_index_e/gats_03_e.htm#comm) ist. Weitgehende Unterschiede zwischen TiSA und den bestehenden Maßgaben der freiwilligen Übereinkunft sowie dem GATS-Annex zu Finanzdienstleistungen können erst bewertet werden, wenn die verbleibenden Unstimmigkeiten zwischen Verhandlungsteilnehmern , die aus dem im Juni 2014 geleakten Verhandlungsstand des April 2014 hervorgehen, vollständig ausgeräumt sind, wobei tiefgreifende Abweichungen bislang nicht ersichtlich sind. Die Europäische Kommission hat deutlich gemacht, dass die Konformität mit bestehenden WTO-Definitionen und WTO-Regularien, eine einfache Überführung von TiSA in das WTO-Recht sicherstellen soll (European Comission, „Negotiations for a Plurilateral Agreement on Trade in Services“, Memorandum , 15. Februar 2013. http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-13- 107_en.htm). Mit dieser Zielsetzung wird deutlich, dass die Regularien von TiSA sich langfristig zumindest potenziell auf andere Mitglieder der WTO erstrecken sollen. Auch auf der Website des Bundesministeriums für Wirtschaft Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 24. März 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. und Energie wird hierzu klargestellt: „Aus Sicht der EU und der Bundesregierung sollen sich die Vereinbarungen zur Erleichterung beim Handel von Dienstleistungen langfristig auch auf multilateraler Ebene durchsetzen.“ Problematisch ist jedoch, dass TiSA von den so genannten Really Good Friends verhandelt wird, einer Gruppe von 23 WTO-Mitgliedern, darunter die EU und weitere Industrie- und Schwellenländer (Australien, Kanada, Chile, Kolum- Drucksache 18/4524 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode bien, Costa Rica, Hong Kong, Island, Israel, Japan, Mexiko, Neuseeland, Norwegen , Panama, Pakistan, Peru, Südkorea, Schweiz, Taiwan, Türkei, USA, Paraguay , Liechtenstein und die 28 Mitgliedsstaaten der EU). Kein einziges Entwicklungsland ist in die Verhandlungen eingebunden, sodass der exklusive Club der verhandelnden Staaten neue Regeln für den internationalen Handel mit Dienstleistungen bestimmt, die über die bestehenden GATS-Regeln hinausgehen . Bei einer späteren Überführung in WTO-Recht bliebe den von den Verhandlungen ausgeschlossenen Staaten dann vermutlich nur die Möglichkeit der Zustimmung ohne Mitspracherecht. Ein weiterer kritischer Punkt ist, dass nun anstatt das GATS-Rahmenwerk einschließlich der Regeln der freiwilligen Übereinkunft zu internationalen Finanzdienstleistungen im Lichte der Erfahrungen der globalen Finanzkrise einer kritischen Überprüfung zu unterziehen, der bestehende Liberalisierungsgrad, der zur Entwicklung der internationalen Finanzkrise beigetragen hat, nun offenbar über den Umweg eines intergouvernementalen Abkommens festgeschrieben und vertieft werden soll. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Institutionen wie der Internationale Währungsfonds (IWF) nach der Erfahrung der Finanzkrise langwährende politische Paradigmen im Bereich der internationalen Finanzregulierung in einzelnen Bereichen , wie zum Beispiel Kapitalverkehrskontrollen, kritisch hinterfragen, ist dieser politische Schritt zur vertieften Liberalisierung im Bereich Finanzdienstleistungen auf globaler Ebene überraschend. Es stellen sich daher Fragen zu den Wirkungen der GATS-Regularien inklusive der freiwilligen Übereinkunft, des Annex zu Finanzdienstleistungen sowie zum Verhandlungsangebot der EU im Rahmen von TiSA (im Folgenden zitiert gemäß des im Juni 2014 geleakten Verhandlungsstandes, https://wikileaks.org/ tisa-financial/WikiLeaks-secret-tisa-financial-annex.pdf). 1. Was ist der Zeitplan für die Verhandlungen zu TiSA? Es gibt keinen feststehenden Zeitplan für die TiSA-Verhandlungen. Weitere Verhandlungsrunden sind in diesem Jahr vorgesehen; im Juli soll voraussichtlich eine politische Bestandsaufnahme gemacht werden. Ein Abschluss der Verhandlungen in diesem Jahr ist nach aktuellem Stand nicht zu erwarten. 2. Ist zusätzlich zur Konsultation des Deutschen Bundestages und des Bundesrates auch die Konsultation der Öffentlichkeit und der Zivilgesellschaft vorgesehen? Wenn ja, wie wird diese im Einzelnen aussehen? Neben Deutschen Bundestag und Bundesrat werden Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft über die Verhandlungen sowohl von Seiten der Europäischen Kommission sowie der Bundesregierung durch ein breites Informationsangebot im Internet informiert. Überdies sind die TiSA-Verhandlungen Gegenstand der Informationsgespräche zur Handelspolitik, die das BMWi regelmäßig mit Vertretern von Wirtschaft, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft durchführt. 3. Sieht die Bundesregierung nach der Erfahrung der globalen Finanzkrise die Notwendigkeit einer Revision bestehender Regularien zum Handel mit internationalen Finanzdienstleistungen? Die Bundesregierung arbeitet mit Nachdruck in den unterschiedlichen internationalen Foren zur Verbesserung der aufsichtsrechtlichen Regelungen für die Finanzmärkte . So wurde insbesondere als Folge der Finanzkrise auf internationaler Ebene in den vergangenen fünf Jahren ein neuer Ordnungsrahmen zur Stabilisie- rung des Finanzsektors etabliert. Ein wesentliches Ziel dabei ist, die Widerstandsfähigkeit der Finanzinstitute so zu stärken, dass die Schieflage eines einzelnen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4524 Finanzinstituts nicht erneut zu einer globalen Finanzkrise führen kann. Die Regelungen im Welthandelsrecht der WTO haben sich bewährt und bedürfen keiner Überarbeitung, zumal sie aufsichtsrechtlichen Maßnahmen nicht entgegenstehen . 4. Wenn ja, sieht die Bundesregierung hier die Notwendigkeit, alle Länder in die Verhandlungen miteinzubeziehen, die eventuell von negativen Externalitäten im internationalen Handel mit Finanzdienstleistungen betroffen sein könnten? 5. Wenn sie diese Notwendigkeit sieht, welche konkreten Schritte unternimmt die Bundesregierung, damit jene Länder mit einbezogen werden? Die Fragen 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Zusammenarbeit im Rahmen der G20 und des Financial Stability Forums (FSB) zur Verbesserung der finanzaufsichtsrechtlichen Regelungen hat sich bewährt und wird weiter fortgesetzt. Die Auswirkungen der international vereinbarten Finanzmarktregulierungsreformen insbesondere auf Schwellen- und Entwicklungsländer werden seit 2012 regelmäßig durch das FSB geprüft (zuletzt Ende 2014). Bislang konnte das FSB keine negativen Auswirkungen feststellen. Die Verhandlungen über das Plurilaterale Dienstleistungsabkommen betreffen nicht Fragen des Aufsichtsrechts für Finanzdienstleistungen. 6. Strebt die Bundesregierung an, das Verhandlungsergebnis von TiSA im Bereich Finanzdienstleistungshandel langfristig zum allgemeinen WTO-Standard für die Regulierung des internationalen Finanzdienstleistungshandels zu machen? Die von der Bundesregierung und der EU angestrebten Verbesserungen des Marktzugangs im Bereich der Finanzdienstleistungen im Rahmen der TiSAVerhandlungen können zu einem allgemeinen WTO-Standard werden, wenn nach Erreichen einer kritischen Masse von Vertragspartnern des TiSA-Abkommens eine Multilateralisierung der Verhandlungsergebnisse erfolgen kann. Die Frage der Regulierung von Finanzdienstleistungen ist von Marktzugangsfragen zu unterscheiden. 7. Wenn ja, sieht die Bundesregierung es als problematisch an, dass die Verhandlungen lediglich im Interessensausgleich zwischen der EU und 22 anderen WTO-Mitgliedern geführt werden und insbesondere Entwicklungsländer nicht vertreten sind? Es ist nicht richtig, dass in den TiSA-Verhandlungen keine Entwicklungsländer vertreten sind. Verhandlungspartner sind beispielsweise auch Chile, Kolumbien, Peru, Pakistan, Paraguay, Uruguay, Costa Rica und Panama. Überdies sind die TiSA-Verhandlungen für alle WTO-Mitglieder offen und die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn weitere daran teilnehmen würden. Drucksache 18/4524 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Welche Regelungen (bitte einzeln auflisten) des geplanten TiSA-Abkommens im Bereich der Finanzdienstleistungen werden mit einer so genannten Standstillklausel versehen, und welche konkreten Auswirkungen wird die Standstillklausel (in den Bereichen Inländerbehandlung und Marktzugang ) haben? 9. Wird sich die Standstillklausel, die in der freiwilligen Übereinkunft festgeschrieben und auch bei TiSA vorgesehen ist, auch im Bereich des Finanzdienstleistungshandels ausschließlich auf das Gebot der Inländerbehandlung beschränken und das Gebot des Marktzugangs nicht mit umfassen ? 10. Ist der Bundesregierung bekannt, ob für den Bereich der Finanzdienstleistungen in TiSA auch eine so genannte Ratchet-Clause verhandelt wird? Die Fragen 8 bis 10 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Diese Fragen können derzeit nicht beantwortet werden, weil die Verhandlungen noch im Fluss sind. Ob und wenn ja für welche Bereiche eine Standstill-Klausel vereinbart wird, ist noch zu klären. Die Kommission vertritt grundsätzlich die Linie, dass Standstill-Klauseln im TiSA-Abkommen lediglich auf das Gebot der Inländerbehandlung Anwendung finden sollen. Dies gilt auch für den Bereich der Finanzdienstleistungen. 11. Inwiefern wäre die Weiterentwicklung des staatlichen Rentenfonds oder die Einführung einer Bürgerversicherung im Gesundheitswesen in Deutschland mit den Bestimmungen in Artikel X.5 „Monopoly Rights“ im Finanzdienstleistungsannex von TiSA vereinbar, wo vorgesehen ist, dass die Staaten ihre bestehenden Monopole im Finanzdienstleistungsbereich nicht über den Status Quo ausweiten und eliminieren bzw. reduzieren sollen ? Einrichtungen der gesetzlichen Sozialversicherungen sind in internationalen Handelsabkommen üblicherweise von den Verpflichtungen im Rahmen der Finanzdienstleistungskapitel ausgenommen. Die entsprechende Regelung ist derzeit in Artikel X.1 zum Anwendungsbereich unter Ziffer 2b im Annex zu Finanzdienstleistungen vorgesehen. 12. Inwiefern wären bestimmte Vorschriften für bzw. Verbote von nichtpersonenbezogenen Versicherungsprodukten oder Pflichtversicherungen trotz Artikel X.21 im Finanzdienstleistungsannex von TiSA noch möglich ? Angesichts des Verhandlungsstandes kann diese Frage derzeit nicht eindeutig beantwortet werden. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass noch unterschiedliche Auffassungen zu diesem Artikel zwischen den Verhandlungspartnern bestehen. Eine Pflicht zur Zulassung von Versicherungsprodukten, die einer Genehmigung bedürfen oder Einschränkungen für Versicherungspflichten und -verbote ergeben sich aber auch aus dem derzeitigen Verhandlungsstand nicht. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen 13. Sieht die Bundesregierung es als problematisch an, dass die Bewertung, ob eine Umgehung bisher eingegangener Verpflichtungen vorliegt, von Streitbeilegungspanels übernommen wird, in denen zumeist nur Industrie- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4524 und Schwellenländer vertreten sind (vgl. dazu WEED/Forum Umwelt & Entwicklung, 2009: „Aus der Krise nichts gelernt? Liberalisierung von Finanzdiensleistungen im neuen EU-Handelsabkommen“, Arbeitspapier, S. 14)? Die Bundesregierung hält die Verständigung auf ein Streitschlichtungsverfahren zwischen den Staaten, die Parteien des TiSA-Abkommens sind, für erstrebenswert und sieht angesichts der positiven Erfahrungen mit dem WTO-Streitschlichtungsmechanismus darin keine Nachteile, sondern Vorteile. 14. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass ein nachträgliches Verbot von Finanzdienstleistungen dadurch erschwert werden kann, dass die explizite Liberalisierung im Rahmen eines internationalen Abkommens wie TiSa als eine Begründung für die grundsätzliche Zulässigkeit der zu verbietenden Finanzdienstleistungen ausgelegt werden könnte, und bewertet sie dies als problematisch (Antwort bitte begründen)? Auf die Antwort zu Frage 13 wird verwiesen. Die Bundesregierung teilt diese Befürchtung nicht. Das GATS-Abkommen, an dem sich TiSA grundsätzlich orientiert, stand den umfangreichen Reformen der letzten Jahre im Bereich der Finanzmarktregulierung nicht im Wege. Aufsichtsrechtliche Maßnahmen (einschließlich nichtdiskriminierender Verbote) sind sowohl unter GATS als auch unter den geplanten Regelungen in TiSA vertragskonform und somit auch weiterhin zulässig. 15. Sieht die Bundesregierung einen Vorteil in der in Frage 13 erläuterten Formulierung , die von Juristen unterschiedlich dahingehend ausgelegt wird, wie weit die prudentiellen Maßnahmen tatsächlich gehen dürfen (siehe etwa Yokoi-Arai, Mamiko (2008): „GATS’ prudential carve out in financial services and its relation with prudential regulation“, in: International and Comparative Law Quarterly, Band 57, Juli 2008, 613–648.), gegenüber einer umfassenderen Formulierung, die prinzipiell den Erlass von aufsichtsrechtlichen Maßnahmen zulässt, wie sie etwa Artikel 104 des Partnerschaftsabkommens der EU mit den CARIFORUM-Staaten vorsieht („The EC Party and the Signatory CARIFORUM States may adopt or maintain measures for prudential reasons, such as: (a) the protection of investors, depositors, policy-holders or persons to whom a fiduciary duty is owed by a financial service supplier; (b) ensuring the integrity and stability of their financial system.“)? Falls ja, worin besteht der Vorteil nach Ansicht der Bundesregierung? Falls nein, setzt die Bundesregierung sich für eine umfassendere Formulierung ein? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die noch in Verhandlungen befindliche Formulierung im Entwurf des Artikel X.17 des TiSA-Abkommens mit derjenigen in Artikel 104 des Cariforum-Abkommens weitestgehend identisch ist und beide Formulierungen die gleiche Bedeutung haben. 16. Wie bewertet die Bundesregierung, dass in TiSA vorgesehen ist, dass das Angebot neuer Finanzdienstleistungen durch im Gaststaat tätige ausländische Unternehmen prinzipiell zu gewähren ist und nur innerhalb eines „angemessenen Zeitraums“ („reasonable time“) verboten werden darf (Artikel X.10 TiSA)? Drucksache 18/4524 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Wie verhält sich diese Maßgabe nach Ansicht der Bundesregierung zu Artikel X.17, laut dem ein Verbot aus aufsichtsrechtlichen Gründen prinzipiell zu jedem Zeitpunkt möglich ist? Der Textentwurf zu Artikel X.10 im TiSA-Abkommen wird noch verhandelt. Im übrigen ist klar, dass die Zulässigkeit aufsichtsrechtlicher Maßnahmen gemäß dem (künftigen) Artikel X.17 nicht eingeschränkt wird durch den (künftigen) Artikel X.10. 17. In welchen konkreten Fällen dürfte nach Einschätzung der Bundesregierung ein Gaststaat gemäß Sektion B Artikel 6 der freiwilligen Übereinkunft (TiSA: Artikel X.7 Absatz 1) Einfluss auf die Expansion von und Akquisition durch ausländische Unternehmen im Inland nehmen, ohne dabei – wie es Sektion B Artikel 6 verlangt – das in Sektion B Artikel 5 (TiSA: Artikel X.7 Absatz 1) gebotene Recht für ausländische Unternehmen im Inland zu expandieren und dort andere Unternehmen aufzukaufen zu beschränken? Die EU und ihre Mitgliedstaaten können in den Verpflichtungslisten, die als Annex zu TiSA bzw. zum GATS bestehen, Beschränkungen im Hinblick auf Marktzugang und Inländerbehandlung bei der Niederlassung von ausländischen Unternehmen aufnehmen. 18. Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit zu Fusionskontrollen gegenüber ausländischen Unternehmen aus makroprudentiellen Gründen, um sich gegenüber gewissen Finanzsystemrisiken in anderen Ländern zu schützen, im Hinblick auf die Maßgabe in Sektion B Artikel 10 (b) der freiwilligen Übereinkunft (TiSA: Artikel X.15 Absatz 1), laut der diskriminierenden Maßnahmen, die die Expansion ausländischer Finanzdienstleister behindern, abzubauen sind, sowie im Hinblick auf Sektion B.5 und B.6 (TiSA: Artikel X.7 Absatz 1), gemäß denen die Ausweitung und die Fusion nur insoweit beeinflusst werden darf, als sie nicht das Recht ausländischer Unternehmen zur Ausweitung und Fusion umgehen? Die Fusionskontrolle ist kein makroprudentielles Instrument, sondern dem Bereich der mikroprudentiellen Aufsicht zuzuordnen. Die Fusionskontrolle in Deutschland prüft, ob die neue Einheit noch ordnungsgemäß überwacht werden kann. Sie diskriminiert dabei nicht zwischen in- und ausländischen Finanzdienstleistern . Kapitalverkehrskontrollen 19. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Forderung, dass in den WTO-Regelungen (GATS Artikel XI und XII, GATT Artikel XV) in Sektoren , in denen spezifische Liberalisierungspflichten eingegangen wurden , Kapitalkontrollen nur in Ausnahmefällen starker Zahlungsbilanzschwierigkeiten möglich sind? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass sich die Regelungen in den Artikeln XI und XII des GATS-Abkommens und in Artikel XV des GATT-Abkommens bewährt haben. 20. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den in Übereinstimmung mit dem IWF errichteten umfassenden Kapitalverkehrskontrollen in Island, die noch immer mehrere Jahre nach Kriseneinbruch und erheblicher Verbesserung der Zahlungsbilanz auf- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4524 recht erhalten werden, obgleich GATS Artikel XI Absatz 2 (e) vorsieht, dass Kapitalbeschränkungen nur temporär sein dürfen und graduell abgebaut werden müssen? Die Bundesregierung begrüßt die von Island getroffenen Maßnahmen, die aus Sicht der Bundesregierung mit den Vorschriften des WTO-Dienstleistungsübereinkommens im Einklang stehen. 21. Sieht die Bundesregierung es als problematisch an, dass mit den genannten Regelungen, Beschränkungen des Kapitalverkehrs kein präventives Mittel darstellen können, sondern faktisch erst eingeführt werden können, wenn sie sich in einem unverantwortlich hohen Zahlungsbilanzdefizit niederschlagen , um dann Schadensbegrenzung zu betreiben? Es ist nicht zutreffend, dass Maßnahmen auf Grundlage des Artikel XII des GATS-Abkommens erst nach Eintreten von schwerwiegenden Zahlungsbilanzschwierigkeiten ergriffen werden können. Solche Maßnahmen sind auch möglich bei drohenden Schwierigkeiten. Die Bundesregierung hält diese Regelung deshalb für sachdienlich und angemessen. 22. Können nach Auffassung der Bundesregierung, Kapitalverkehrskontrollen ein sinnvolles Mittel für andere Ziele als den Abbau von Zahlungsbilanzungleichgewichten, etwa zum Zweck der Währungsstabilität oder der Effektivität inländischer geldpolitischer Maßnahmen, darstellen ? Die Zulässigkeit von Kapitalverkehrskontrollen gegenüber Mitgliedstaaten der EU und anderen Drittstaaten ist in Artikel 63 ff. AEUV geregelt. Gemäß Artikel 66 AEUV können kurzfristige Schutzmaßnahmen ergriffen werden, wenn unter außergewöhnlichen Umständen Kapitalbewegungen das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion schwerwiegend stören oder eine solche Störungen drohen. 23. Hält die Bundesregierung eine generelle Mindesteinlage bei Kapitalzuflüssen , wie sie sich z. B. Chile im Rahmen des Handelsabkommens mit der EU vorbehielt (siehe Annex IX des Handelsabkommens zwischen Chile und der EU), im Rahmen der von der EU angestrebten Dienstleistungsregulierung für erstrebenswert? Es wird davon ausgegangen, dass die Frage sich auf das Erfordernis des Vorhaltens von Mindesteinlagen von Finanzdienstleistungsunternehmen bezieht, die ihren Hauptsitz im Ausland haben. Ob solche Mindesteinlagen aus aufsichtsrechtlichen Gründen sinnvoll oder erforderlich sind, kann nicht abstrakt beantwortet werden. Dies kann im Einzelfall sinnvoll sein, wenn dies unter Berücksichtigung der Aufsichtsregeln im Sitzstaat ergänzend notwendig ist, um die finanzielle Solidität des Finanzdienstleisters und die Erfüllbarkeit der Ansprüche von Kunden zu gewährleisten. Inländerbehandlung und weitere Fragen 24. Wäre nach Auffassung der Bundesregierung im Rahmen des Gebots der Inländerbehandlung im GATS-Rahmenwerk die Beschränkung kurzfristiger Auslandsverbindlichkeiten, die insbesondere in Zeiten einer Finanz- krise das Risiko eines plötzlichen Kapitalabzugs und den damit einher- Drucksache 18/4524 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gehenden Multiplikatoreffekten deutlich erhöhen könnte, in liberalisierten Sektoren von Unterzeichnerstaaten von TiSA möglich? Dem Gebot der Inländerbehandlung im GATS-Abkommen der WTO steht die Anwendung von Beschränkungen zum Schutz des Zahlungsverkehrs gemäß Artikel XII GATS nicht entgegen. 25. Stehen Einschränkungen der Aufnahme von Krediten in Fremdwährung aus makroprudentiellen Gründen nach Auffassung der Bundesregierung dem Gebot der Inländerbehandlung entgegen, wenn man berücksichtigt, dass es sich trotz einer ebenso angewendeten Regel für inländische Finanzinstitute nach Auffassung der Fragesteller um eine De-facto-Diskriminierung ausländischer Finanzinstitute handelt und zudem Sektion B Artikel 10 der freiwilligen Übereinkunft und Artikel X.15 in TiSA (Nicht-diskriminierende Maßnahmen) einen Abbau von Hemmnissen für das Angebot aller im Gastland zugelassenen Finanzdienstleistungen für ausländische Anbieter fordert? Einschränkungen der Aufnahme von Krediten in Fremdwährung können aus makroprudentiellen Gründen erforderlich werden. Die Wahl der Währung für vereinbarte Kreditbeziehungen ist aber nicht notwendigerweise an das Herkunftsland oder den Firmensitz des Kreditgebers geknüpft, so dass etwaige Einschränkungen für Fremdwährungskredite nicht gleichbedeutend sind mit einer Ungleichbehandlung von in- und ausländischen Kreditgebern. 26. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Forderung der britischen und der US-amerikanischen Finanzaufsichtsbehörden, dass Tochtergesellschaften ausländischer Finanzinstitute ein Mindestmaß an Kapitalreserven im Gastland halten müssen (Financial Times Online vom 14. April 2009 „Banks warned over assets held by subsidiaries“, www.ft.com; Bank of England, Consultation Paper, CP4/14, Februar 2014 „Supervising international banks: the Prudential Regulation Authority’s approach to branch supervision“, www.bankofengland.co.uk; Daniel Tarullo, Rede vom 28. November 2012 im Rahmen des Yale School of Management Leadership Forums, New Haven Connecticut „Regulation of Foreign Banking Organizations“, www.federalreserve.gov)? Wie verhält sich solch eine Maßnahme zum Verbot der Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs in liberalisierten Sektoren, das lediglich im Falle von Zahlungsbilanzschwierigkeiten ein „Einfrieren“ von Geldern zugesteht? Wäre eine solche Maßgabe in liberalisierten Sektoren gemäß dem Gebot der Inländerbehandlung möglich, wenn man berücksichtigt, dass eine solche gesetzliche Forderung, auch wenn sie auf inländische Finanzdienstleister Anwendung findet, nach Auffassung der Fragesteller eine Defacto -Diskriminierung ausländischer Finanzinstitute darstellen könnte? 27. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, dass sich die EU in den GATS-Verhandlungen gegen solche Maßnahmen ausgesprochen hat (vgl. WEED/Forum Umwelt & Entwicklung , 2009, S. 18), und wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass entsprechende Ausnahmen in zukünftigen und momentan verhandelten Freihandelsabkommen wie z. B. TiSA möglich bleiben? Die Fragen 26 und 27 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass Regulierungsanforderungen an das Geschäft von Auslandsbanken nicht zu einer Diskriminierung von EU-Ban- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4524 ken führen dürfen. Bezogen auf die USA sollten EU-Anforderungen an Banken als gleichwertig anerkannt werden. Bei globalen Finanzmärkten und Banken muss es eine intensive globale Zusammenarbeit geben. Die internationale Koordinierung bei der Aufsicht internationaler Institute sollte nicht durch Sonderregeln für Auslandsbanken beeinträchtigt werden. 28. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung in Sektion B Artikel 10 (d) der freiwilligen Übereinkunft (TiSA: Artikel X.15), dass weitgehend alle Hindernisse, die das Angebot ausländischer Finanzdienstleister in Gaststaaten beschränken, abgebaut werden sollen, selbst wenn diese Beschränkungen in Übereinstimmung mit den Vorgaben der freiwilligen Übereinkunft sind? Was bedeutet diese Regelung in der Praxis? Welche konkreten Beispiele für solche Hemmnisse in einzelnen Unterzeichnerstaaten der freiwilligen Übereinkunft oder den Teilnehmern der TiSA-Verhandlungen gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung? Der Entwurfstext für Artikel X.15 des TiSA-Abkommens nimmt den Text von Buchstabe B. Ziffer 10 (d) inhaltsgleich auf, was von der Bundesregierung begrüßt wird. Nicht zutreffend ist die Annahme in der Fragestellung, dass Beschränkungen in Übereinstimmung mit der Übereinkunft damit erfasst werden; die im Text von Buchstabe B. Ziffer 10 (d) erwähnte Bezugnahme auf das „Agreement“ ist ausweislich der Definition im ersten Absatz der Übereinkunft eine Bezugnahme auf das GATS-Abkommen. 29. Wie bewertet die Bundesregierung die Maßgaben der GATS Artikel XVI Absatz 2 (b) und (c), laut denen eine Begrenzung des Gesamtwerts oder der Anzahl von Dienstleistungen in liberalisierten Sektoren nicht möglich ist, in Bezug auf Finanzdienstleistungen und etwaige präventive Maßnahmen , um die volkswirtschaftliche Risikoexposition gegenüber gewissen Finanzprodukten zum Zwecke der Finanzsystemstabilität zu limitieren? Die Bundesregierung begrüßt die Vorschriften im GATS-Abkommen, die darauf abzielen, dass eingegangene Verpflichtungen zum Marktzugang nicht dadurch unterlaufen werden können, dass Anbietern aus dem Ausland bestimmte Einschränkungen der Geschäftstätigkeit auferlegt werden. Davon unabhängig ist die aufsichtsrechtliche Frage zu sehen und zu beantworten, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen ggf. für alle Anbieter von Finanzdienstleistungen nichtdiskriminierende Auflagen gemacht werden zur Sicherung der Stabilität des Finanzsystems. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333