Deutscher Bundestag Drucksache 18/4537 18. Wahlperiode 01.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4325 – Zugang von Asylsuchenden zu den bundesfinanzierten Kursen zur berufsbezogenen Sprachförderung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r „Asylsuchende und Flüchtlinge werden wie bisher Zugang zu den berufsbezogenen Sprachkursen des ESF-BAMF-Programms erhalten.“ So lautet die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 18/4031, S. 3). Dies ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Richtig ist: Die – einst von Rot-Grün initiierten – Kurse zur berufsbezogenen Sprachförderung (ESF-BAMF-Kurse) sind ein großer Erfolg: Mehr als 120 000 Migrantinnen und Migranten konnten ihre Deutschkenntnisse verbessern und infolgedessen – so der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) – in den deutschen Arbeitsmarkt vermittelt und integriert werden (BAMF-Pressemitteilung vom 22. Januar 2014). Die Kurse stoßen auch auf ein stark steigendes Interesse. Seit dem Jahr 2009 hat sich die Zahl der Teilnehmenden vervierfacht (von rund 10 000 im Jahr 2009 auf fast 40 000 im Jahr 2013, vgl. Bundestagsdrucksache 18/1239, S. 3). Von einem weiter wachsenden Bedarf ist – angesichts zunehmender Einwanderungszahlen – auszugehen . Im letzten Jahr wurde allerdings bekannt, dass ab April 2014 zunächst keine neuen Sprachkurse mehr bewilligt würden. Am 30. April 2014 (fünf Tage nach der Beantwortung der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/1239) entschied das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), neben den bis dahin in den Bundeshaushalt eingestellten 47 Mio. Euro weitere 34 Mio. Euro für die Fortführung des ESF-BAMF-Programms bis zum 31. Dezember 2014 bereitzustellen. Damit solle – so das BMAS in einer Pressemitteilung vom 30. April 2014 – „ein gleitender Übergang in die neue Förderperiode gewährDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 30. März 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. leistet“ werden – auch wenn „nicht alle Wünsche bedient werden können“. Die Frage der Unterfinanzierung wurde mit dieser Rettungsaktion des BMAS allerdings nicht gelöst: Drucksache 18/4537 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode In den Jahren 2009 bis 2013 sind die Kosten für die ESF-BAMF-Kurse von 20 Mio. Euro auf über 96 Mio. Euro angestiegen (Bundestagsdrucksache 18/ 1239, S. 5). Damit lag die Fördersumme im Jahr 2014 – trotz der zusätzlichen Mittel des BMAS – bei nur 81 Mio. Euro. Dies sind 14 Mio. Euro weniger als noch im Jahr 2013 – trotz steigender Zugangszahlen. Wer nun aber gedacht hatte, mit der neuen Förderperiode des ESF würde sich die Lage der Kurse verbessern, die bzw. der wurde enttäuscht. Denn in den kommenden drei Jahren stehen nicht einmal gleichbleibende Haushaltsmittel für die ESF-BAMF-Kurse zur Verfügung, sondern deutlich weniger. Das wiederum hat deutliche – negative – Auswirkungen auf die tatsächlichen Zugangsmöglichkeiten von Asylsuchenden (aber auch von anderen Förderberechtigten ) zu diesen Sprachkursen. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) beklagt in diesem Zusammenhang „Förderlücken in beträchtlichem Ausmaß“ (BA-Pressemitteilung vom 13. Februar 2015). Für den eigentlichen Kurszugang ist der Nachweis bereits vorhandener einfacher Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 Voraussetzung. Da aber Asylsuchende (und andere neu eingewanderte Menschen) ein solches Sprachniveau in der Regel nicht nachweisen können, erhalten sie eine sprachliche Basisförderung in sog. Vorschaltkursen. Dort sollen den Teilnehmenden Sprachkenntnisse auf dem Niveau A1 vermittelt werden. Sprachkursträger weisen nun darauf hin, dass aufgrund der allgemeinen Mittelkürzung bei den ESF-BAMF-Kursen – zumindest in diesem Jahr – keine derartigen Vorschaltkurse mehr vorgesehen sind. Wenn das zutrifft, würden die meisten Asylsuchenden in diesem Jahr de facto keinen Zugang zu den ESF-BAMF-Kursen haben – es sei denn der Bund würde von sich aus die Kofinanzierungsmittel entsprechend der Nachfrage aufstocken . Die Bundesagentur für Arbeit warnt in ihrer o. g. Pressemitteilung: „Werden diese sinnvollen und notwendigen Grundinvestitionen nicht getätigt, droht ein Vielfaches an Folgekosten, wenn die Integration in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft nicht gelingt.“ Genau das aber schloss die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die o. g. Kleine Anfrage aus: „Das Budget [sei] festgelegt , weitere Mittel stehen nicht zur Verfügung“ (Bundestagsdrucksache 18/ 4031, S. 4). 1. Wie viele ESF-BAMF-Kurse wurden in den Jahren 2009 bis 2014 durchgeführt (bitte für das Jahr 2014 monatsweise aufschlüsseln)? In den Jahren 2009 bis 2014 wurden insgesamt 7 474 ESF-BAMF-Kurse durchgeführt , davon entfielen die Kurse auf die einzelnen Jahren wie folgt: In den Monaten des Jahres 2014 wurden wie folgt Kurse durchgeführt: 2009 2010 2011 2012 2013 2014 521 987 1 162 1 346 2 130 1 328 Januar Februar März April Mai Juni 7 95 255 165 41 86 Juli August September Oktober November Dezember 87 82 157 96 99 158 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4537 2. Wie viele Menschen hatten im Jahr 2014 die Teilnahme an einem ESFBAMF -Kurs beantragt (bitte monatsweise aufschlüsseln)? Wie viele dieser Menschen waren Asylsuchende oder Geduldete bzw. Bleibeberechtigte (bitte aufschlüsseln)? Potenzielle Teilnehmerinnen und Teilnehmer für die Kurse werden dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von den Jobcentern und den Agenturen für Arbeit gemeldet. Teilnehmerinnen und Teilnehmer des „Bundesprogramms für Bleiberechtigte und Flüchtlinge II“ werden durch die Bleiberechtsnetzwerke unmittelbar an die Sprachkursträger gemeldet. Die Daten über die Teilnehmermeldungen werden vom BAMF nicht statistisch erfasst. Dem Bundesamt liegen lediglich Zahlen zu Personen vor, die tatsächlich an Kursen teilgenommen haben. 3. Wie viele Menschen haben im Jahr 2014 tatsächlich an einem ESF-BAMFKurs teilnehmen können (bitte monatsweise aufschlüsseln)? Wie viele dieser Menschen waren Asylsuchende oder Geduldete bzw. Bleibeberechtigte (bitte aufschlüsseln)? Im Jahr 2014 haben insgesamt 25 899 Menschen an einem ESF-BAMF-Kurs teilgenommen. Davon haben in den einzelnen Monaten wie folgt Personen an den Kursen teilgenommen: Unter diesen Personen waren 3 228 Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit einer Aufenthaltsgestattung, 444 Personen mit einer Duldung und 402 Flüchtlinge mit einem Aufenthaltstitel. 4. Wie viele Bundesmittel bzw. ESF-Mittel wurden im Jahr 2014 insgesamt für die ESF-BAMF-Kurse verwendet (bitte nach ESF-Mitteln bzw. Kofinanzierungsmitteln des Bundes aufschlüsseln)? Im Jahr 2014 wurden rund 58,7 Mio. Euro ESF-Mittel, 52,4 Mio. Euro Kofinanzierungsmittel des Bundes sowie 6,3 Mio. Euro sog. private Kofinanzierung (Eigenbeitrag der Kursträger) verwendet. Bei den Kofinanzierungsmitteln des Bundes handelt es sich um die Einkommen der Kursteilnehmenden während der Teilnahme an den Kursen. Einkommen in diesem Sinne sind das Arbeitslosengeld , das Arbeitslosengeld II sowie die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz . Januar Februar März April Mai Juni 78 1 753 5 186 3 253 814 1 713 Juli August September Oktober November Dezember 1 736 1 628 3 122 1 896 1 920 2 800 Drucksache 18/4537 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Wie viele sog. Vorschaltkurse wurden in den Jahren 2009 bis 2014 angeboten (bitte diese und die folgenden Unterfragen nach Jahren aufschlüsseln)? a) Wie viele Personen haben die Teilnahme an einem Vorschaltkurs beantragt , und wie viele davon waren Asylsuchende oder Geduldete bzw. Bleibeberechtigte? b) Wie viele Personen haben an einem Vorschaltkurs teilgenommen, und wie viele davon waren Asylsuchende oder Geduldete bzw. Bleibeberechtigte ? c) Wie viele Teilnehmende haben in diesen Vorschaltkursen Deutschkenntnisse auf dem Niveau A1 erworben? d) Wie viele Teilnehmende haben später einen ESF-BAMF-Kurs besucht? e) Welche Kosten haben die Vorschaltkurse verursacht? Der Begriff Vorschaltkurse wurde in der Förderperiode 2007 bis 2013 für Kursteile verwendet, die sich an Teilnehmende mit sehr geringen deutschen Sprachkenntnissen richteten und diese mit dem Ziel des Erwerbs berufsbezogener Sprachkenntnisse besonders unterstützen sollten. Diese Kursteile wurden vom BAMF statistisch nicht gesondert erfasst. Eine Aussage zu ihrer Anzahl, den Teilnehmenden und den Kosten ist deshalb nicht möglich. 6. Wie viele Bundesmittel bzw. ESF-Mittel sollen in den Jahren 2015 bis 2017 für die ESF-BAMF-Kurse bereitgestellt werden (bitte nach Jahren aufschlüsseln )? In den Jahren 2015 bis 2017 stehen für die Kurse insgesamt 180 Mio. Euro (60 Mio. Euro pro Jahr) aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) bereit. 7. Wie viele Menschen haben im Jahr 2015 bislang die Teilnahme an einem ESF-BAMF-Kurs beantragt? Wie viele dieser Menschen waren Asylsuchende oder Geduldete bzw. Bleibeberechtigte (bitte aufschlüsseln)? Wie bereits in der Antwort zu Frage 2 ausgeführt, können hierzu keine Angaben gemacht werden, da die Teilnahme an den Kursen nicht selbst beantragt werden kann. 8. Wie viele ESF-BAMF-Kurse plant die Bundesregierung für das Jahr 2015? Für das Jahr 2015 sind rund 1 300 Kurse geplant. Diese Planungen orientieren sich an den zur Verfügung stehenden Fördermitteln. 9. Ist es zutreffend, dass in diesem Jahr keine Vorschaltkurse finanziert werden ? Wenn nein, in welchem Umfang sollen auch im Jahr 2015 Vorschaltkurse finanziert werden? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4537 10. Welche Auswirkungen hätte ein (ggf. auch nur teilweiser oder weitgehender ) Wegfall der Vorschaltkurse für den tatsächlichen Zugang von Asylsuchenden , Geduldeten und Bleibeberechtigten zu den ESF-BAMF-Kursen , sofern sie nicht in der Lage sind, bereits vorhandene A1-Deutschkenntnisse nachzuweisen? Die Fragen 9 und 10 werden gemeinsam beantwortet. Aufgrund der geringeren finanziellen Ausstattung des ESF-BAMF-Programms ist es geboten, die vorhandenen Mittel möglichst effizient einzusetzen. Dazu ist es erforderlich, die Teilnahme auf die Personen zu konzentrieren, die zu den Hauptzielgruppen des Programms gehören und die für eine Förderung berufsbezogener Sprachkenntnisse erforderlichen Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Das Programm ist insbesondere darauf gerichtet, die Eingliederung von Leistungsberechtigten nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II und SGB III – zu fördern. Mit den für die Teilnahme an den Kursen verlangten Sprachkenntnissen auf dem Niveau A1 soll sichergestellt werden, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache für eine darauf aufbauende Förderung berufsbezogener Sprachkenntnisse mitbringen. Dies schließt eine Finanzierung von Maßnahmen aus, die die Sprachkenntnisse allgemein als Voraussetzung für die Teilnahme an berufsbezogener Sprachförderung verbessern sollen. Eine Teilnahme von Personen an berufsbezogenen Sprachkursen, die keine A1-Deutschkenntnisse nachweisen können, ist daher nicht möglich. 11. Wird die Bundesregierung vor diesem Hintergrund (wie im April 2014) – zumindest für das Jahr 2015 – kurzfristig eigene Haushaltsmittel für die bedarfsgerechte Durchführung solcher Vorschaltkurse bereitstellen? Wenn ja, in welcher Höhe? Wenn nein, warum nicht? Nein. Da es sich um ein Programm des ESF handelt, sind für die Kurse keine Mittel im Bundeshaushalt veranschlagt. Die Vermittlung allgemeiner Grundkenntnisse der deutschen Sprache gehört zudem nicht zu der mit dem ESFBAMF -Programm verfolgten Aufgabe, die Sprachkenntnisse berufsbezogen zu verbessern. Auf die Antwort zu den Fragen 12 und 13 wird verwiesen. 12. Wie lautet die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Beschluss des Bundesrates, Asylsuchenden und Geduldeten einen Anspruch auf einmalige Teilnahme an einem Integrationskurs einzuräumen (Bundesratsdrucksache 756/13)? Die Stellungnahme der Bundesregierung in Bundestagsdrucksache 18/445, S. 12 lautet: „Die Bundesregierung wird im weiteren Gesetzgebungsverfahren sorgfältig prüfen, ob die im Gesetzentwurf des Bundesrates enthaltenen Vorschriften der Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziele dienen und die dort statuierten Anforderungen erfüllen. Anhand des Ergebnisses dieser Prüfung wird dann entschieden werden, welche Maßnahmen in diesem Bereich umzusetzen sind.“ Der Gesetzentwurf des Bundesrates sieht im Übrigen für die genannte Zielgruppe keinen Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs, sondern lediglich einen Zugang im Rahmen verfügbarer Kursplätze vor. Drucksache 18/4537 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Ist es zutreffend, dass sich die Bundesregierung auf das Anliegen des Bundesrates insoweit zubewegt, als sie – so jedenfalls die Ankündigung des BAMF-Präsidenten, Dr. Manfred Schmidt – „voraussichtlich noch vor der Sommerpause beschließen wird, dass Asylsuchende an den ersten drei Modulen der Integrationskurse, also bis zum Erreichen des A1-Niveaus, teilnehmen dürfen“ (Pressemitteilung des Flüchtlingsrates Niedersachsen vom 20. Februar 2015)? Auf den in der Antwort zu Frage 12 genannten Prüfauftrag wird verwiesen. Die Bundesregierung prüft derzeit – wie in ihrer Stellungnahme zugesagt und mit Blick auf die Vereinbarung im Koalitionsvertrag – welche Maßnahmen in diesem Bereich sinnvoll und auch finanzierbar sind. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333