Deutscher Bundestag Drucksache 18/4539 18. Wahlperiode 02.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frank Tempel, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4315 – Angekündigte Erleichterungen bei der Behandlung mit Cannabis als Medizin Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 22. Juli 2014 hat das Verwaltungsgericht (VG) in Köln drei schwerkranken Patienten erlaubt, Cannabis zum therapeutischen Eigenbedarf unter bestimmten Bedingungen eigenständig anzubauen (www.vg-koeln.nrw.de/presse/ pressemitteilungen/archiv/2014/14_140722/index.php). Das Gericht befand, dass der Eigenanbau dann berechtigt ist, wenn die Patientin bzw. der Patient austherapiert ist, es keine Behandlungsalternative zu Cannabis gibt und Apotheken -Cannabis unerschwinglich ist. Die Kläger leiden an chronischen Schmerzen und besitzen eine Erlaubnis der Bundesopiumstelle zur Verwendung von Cannabisblüten. Allerdings werden die hohen Kosten für die Medikamente in der Regel nicht durch die Krankenkassen übernommen. Die Bundesregierung hat gegen das Urteil des VG Köln Revision eingelegt sowie ein Gesetzesvorhaben angekündigt. Sie plant laut Aussage der Bundesdrogenbeauftragten Marlene Mortler (DIE WELT vom 3. Februar 2015) und des Bundesministers für Gesundheit, Hermann Gröhe (www.deutscheapotheker -zeitung.de/politik/news/2015/02/03/breite-rueckendeckung-fuerdrogenbeauftragte /14968.html), die Hürden für die Nutzung von Cannabis als Medikament abzusenken. So sollen etwa die durch die Behandlung anfallenden Kosten von den Krankenkassen übernommen werden. In der Fachöffentlichkeit wurden diese Ankündigungen einerseits als „Schritt in die richtige Richtung “ (www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-hasch-rebellin-der-csu) bezeichnet ; auch Vertreterinnen und Vertreter der Ärzteschaft (www.noz.de/ deutschland-welt/politik/artikel/543930/arzte-begrussen-ja-zu-cannabis-furschwerkranke #gallery&0&0&543930) und andere begrüßten den Vorstoß. Andererseits wurde das Vorhaben aber auch als „Eigenanbauverhinderungsgesetz “ bezeichnet. Es sei „offensichtlich, dass die aktuelle Charme-Offensive auf der nun sehr akut gewordenen Angst beruht, das Bundesverwaltungsgericht könne der Auffassung des VG Köln vom 22. Juli 2014 […] folgen“ (www. selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de/eigenanbauverderungsgesetz). Denn Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 31. März 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. die Kriterien des Kölner Gerichts für den Eigenanbau wären dann nicht mehr erfüllt. Drucksache 18/4539 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Dabei hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) bereits im Jahr 2005 geurteilt : „Der Verweis auf ein Arzneimittel, das weder ohne weiteres verfügbar noch für den normalen Bürger erschwinglich ist, stellt aber keine Alternative dar, die das öffentliche Interesse am Einsatz von Cannabis zur Krankheitsbekämpfung entfallen lässt“ (www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung. php?ent=190505U3C17.04.0). Das BVerwG ließ auch keinen Zweifel daran, dass das gesetzlich geforderte öffentliche Interesse auch bei Einzelanträgen gegeben ist. Trotzdem hat die Bundesregierung noch im Jahr 2010 eben auf die meist nur theoretische Bezugsmöglichkeiten von Dronabinol und Medizinalhanf verwiesen, die Tatsache, dass die Mittel aufgrund der hohen Kosten für viele Patientinnen und Patienten real nicht zu beziehen sind, ignoriert und die Höhe der Kosten auch nicht benennen können (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/3810). Das Urteil des BVerwG aus dem Jahr 2005 hat außerdem bei der Bundesopiumstelle nicht zu einer Genehmigungspraxis geführt, die mehr als einem Bruchteil der potentiellen Patientinnen und Patienten Zugang zur medizinischen Verwendung von Cannabis gewährt. So wurden im Jahr 2014 bundesweit lediglich 109 Patientinnen und Patienten die Verwendung von Cannabis als Medikament erlaubt (Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 76 des Abgeordneten Frank Tempel, DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/ 3672). Dabei schätzt der Deutsche Hanfverband (DHV), dass rund 800 000 Menschen in Deutschland Cannabis als Medizin helfen könnte (www.franktempel .de/nc/aktuell/detail/zurueck/aktuell-e24783722d/artikel/zugang-zurmedizinischen -verwendung-von-cannabis-muss-verbessert-werden). Der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages wird am 23. März 2015 die Petition „Kostenübernahme für cannabishaltige Medikamente/keine strafrechtliche Verfolgung“ von Dr. Franjo Grotenhermen, Arzt und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, beraten. In dieser wird gefordert, dass Medikamente auf Cannabisbasis von den Krankenkassen bezahlt werden. Außerdem sollen Strafverfahren gegen Patientinnen und Patienten im Zusammenhang mit der medizinischen Verwendung von Cannabis eingestellt werden. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die Bundesregierung befürwortet eine hochwertige Versorgung der Bevölkerung mit qualitätsgesicherten Arzneimitteln. Es gibt in Deutschland sehr schwerkranke Patientinnen und Patienten, die Cannabis zu medizinischen Zwecken mit einer Ausnahmeerlaubnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinpropdukte (BfArM) anwenden, weil keine Behandlungsalternative für sie besteht. Die Bedingungen, unter denen Cannabis zu medizinischen Zwecken angewendet wird, sollen zeitnah so angepasst werden, dass solche Patienten, denen erwiesenermaßen nur durch Medizinalhanf geholfen werden kann, in dem erforderlichen Umfang versorgt werden können. Dazu gehört auch die Frage einer Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung. Die genaue Ausgestaltung des Vorhabens befindet sich noch in der Prüfung und Abstimmung . Die Bundesregierung kann keine Schätzung dazu abgeben, bei wie vielen Patientinnen und Patienten in Deutschland eine Behandlung mit cannabishaltigen Arzneimitteln indiziert sein könnte. Die derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse sind nicht ausreichend, um hierzu eine Einschätzung vornehmen zu können. Um eine qualitätsgesicherte Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten, sind auch für pflanzliche Naturprodukte, die zu arzneilichen Zwecken verwendet werden sollen, wissenschaftliche Studien erforderlich . Die Bundesregierung begrüßt alle Maßnahmen, die zu einer stärkeren Evidenzbasierung und Weiterentwicklung der Qualitätssicherung von alternativen Behandlungsmethoden beitragen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4539 Aus pharmazeutischer und medizinischer Sicht ist es nicht vertretbar, dass sich Patientinnen und Patienten mit selbst hergestellten Arzneimitteln unbekannter Qualität selbst therapieren. Eine Vergleichbarkeit von privat angebautem Cannabis mit Dronabinol oder Medizinalhanf (getrocknete Cannabisblüten in Arzneimittelqualität ) ist nicht gegeben, da es sich bei eigenangebautem Cannabis nicht um ein standardisiertes und qualitätsgesichertes Arzneimittel handelt, das unter Beachtung arzneimittel- und apothekenrechtlicher Vorgaben hergestellt wird. Im Gegensatz zu Medizinal-Cannabisblüten genügen selbst angebaute Cannabisprodukte keinerlei Qualitätskriterien. Eine Schädigung der Patientinnen und Patienten durch Verunreinigungen, Schädlinge (Pilzbefall etc.) sowie Über- und Unterdosierungen aufgrund von unbekannten Schwankungen der Wirkstoffgehalte ist nicht auszuschließen. Ferner ist auch eine Begleitung und Betreuung der Selbsttherapie durch die Ärztin bzw. den Arzt stark erschwert. 1. Welche legalen Anwendungsmöglichkeiten für Cannabis oder andere Cannabinoide zur medizinischen Verwendung gibt es derzeit in Deutschland? Mit der 25. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften (25. BtMÄndV) hat die Bundesregierung im Jahr 2011 die Position „Cannabis“ in den Anlagen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) geändert, damit in Deutschland cannabishaltige Fertigarzneimittel von Ärztinnen und Ärzten verschrieben werden können. Infolge der 25. BtMÄndV wurde in Deutschland 2011 das cannabishaltige Fertigarzneimittel Sativex® (Sublingualspray) mit Cannabis-Extrakt zur symptomatischen Therapie der Spastik bei Multipler Sklerose zugelassen. Zudem ist der Cannabis-Wirkstoff Dronabinol bzw. Nabilon nach Anlage III des BtMG verkehrs- und verschreibungsfähig und kann als individuelle Rezeptur, die von einer Apotheke angefertigt wird, für Patientinnen und Patienten ärztlich verordnet werden. In Deutschland nicht aber in anderen Staaten zugelassene Arzneimittel , die Dronabinol oder Nabilon enthalten, können auch im Wege des sogenannten Einzelimportes unter bestimmten Voraussetzungen von einer Apotheke bezogen werden. Patientinnen und Patienten können, falls eine Therapie mit Standardarzneimitteln nicht möglich ist, zudem beim BfArM auf Antrag eine betäubungsmittelrechtliche Ausnahmeerlaubnis zum Erwerb von Medizinalhanf oder Cannabisextrakt zur Anwendung in einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie erhalten. Medizinalhanf kann von einer Apotheke über den pharmazeutischen Großhandel aus den Niederlanden bezogen und von denjenigen, die eine Ausnahmeerlaubnis haben, in der Apotheke erworben werden. 2. Inwiefern hat die Bundesregierung vor, die Genehmigungspolitik der Bundesopiumstelle zu ändern, um künftig den Zugang zu Cannabis als Medizin zu erleichtern? Das BfArM entscheidet über Anträge auf Erteilung von betäubungsmittelrechtlichen Erlaubnissen und Genehmigungen auf der Grundlage und nach Maßgabe des geltenden Rechts. Soweit die einschlägigen betäubungsmittelrechtlichen Vorschriften dem BfArM einen Ermessensspielraum einräumen, übt das BfArM das ihm zustehende Ermessen im konkreten Einzelfall unter Einbeziehung und Abwägung aller entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte dem Zweck der Vorschriften entsprechend aus. Drucksache 18/4539 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 3. Welche Vorgaben aus welchen internationalen Verträgen gibt es für den Fall, dass Cannabis legal in Deutschland angebaut wird? Nach dem Einheits-Übereinkommen der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe muss ein Vertragsstaat, der den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken gestattet, eine Stelle einrichten, an die alle Anbauer die gesamte Ernte abzuliefern haben. Diese Stelle muss die geernteten Mengen aufkaufen und körperlich in Besitz nehmen (sog. Cannabisagentur, Artikel 23 in Verbindung mit Artikel 28 des Übereinkommens). 4. Welchen Stellenwert hat die Verhinderung des Eigenanbaus für den therapeutischen Eigenbedarf für die Bundesregierung? Die Bundesregierung befürwortet eine Versorgung der Bevölkerung mit qualitätsgesicherten Arzneimitteln. Es gibt in Deutschland sehr schwerkranke Patientinnen und Patienten, die Cannabis zu medizinischen Zwecken mit einer Ausnahmeerlaubnis des BfArM anwenden, weil keine Behandlungsalternative für sie besteht. Die Bedingungen, unter denen Cannabis zu medizinischen Zwecken angewendet wird, sollen zeitnah so angepasst werden, dass Menschen, denen erwiesenermaßen nur durch Medizinalhanf geholfen werden kann, in dem erforderlichen Umfang versorgt werden können. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird ergänzend Bezug genommen. 5. Würde die Erstattungsfähigkeit von Cannabis als Medizin durch die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) nach Ansicht der Bundesregierung dafür sorgen, dass die Kriterien des VG Köln (bzw. des BVerwG) für den Eigenanbau zu therapeutischen Zwecken nicht mehr erfüllt sind? Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung können erstattungsfähige cannabishaltige Arzneimittel eine verfügbare Therapiealternative darstellen. 6. Bestätigt die Bundesregierung, dass beim Verfahren vor dem VG Köln die Juristinnen und Juristen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte die Bundesregierung vertreten haben, und dass für das Revisionsverfahren aber der Verwaltungsrechtler Prof. Dr. Peter Kothe engagiert wurde (www.selbsthilfenetzwerk-cannabis-medizin.de/ eigenanbauverderungsgesetz)? Ja. 7. Wann plant die Bundesregierung eine Initiative zur GKV-Erstattungsfähigkeit von Cannabis auf den Weg zu bringen, und für wann rechnet sie mit einem Abschluss? Die Bundesregierung prüft derzeit, wie die Bedingungen für die medizinische Anwendung von Cannabisarzneimitteln in Deutschland so angepasst werden können, dass Menschen, denen erwiesenermaßen nur durch Cannabisarzneimittel geholfen werden kann, in dem erforderlichen Umfang versorgt werden. Dazu gehört auch die Frage der Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung . Nach Abschluss der Prüfung wird über die Umsetzung und den genauen Zeitrahmen entschieden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4539 8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Erstattung von Cannabis oder Cannabinoiden wie Dronabinol durch die privaten Krankenversicherungsunternehmen ? Die Kostenerstattung durch die privaten Krankenversicherungsunternehmen richtet sich im Wesentlichen nach den Musterbedingungen für die Krankheitskosten - und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK 2009). Danach werden die Kosten für Arzneimittel im tariflichen Umfang erstattet, wenn ein Arzt die medizinisch notwendigen Arzneimittel verordnet hat und diese aus einer Apotheke bezogen werden. Dabei muss es sich um von der sogenannten Schulmedizin überwiegend anerkannte Mittel handeln. Ob das Arzneimittel rezeptpflichtig oder freiverkäuflich ist, spielt für die Kostenerstattung durch die Versicherungsunternehmen grundsätzlich keine Rolle. Darüber hinaus werden Medikamente aus der „Alternativmedizin“ im tariflichen Umfang erstattet, soweit sie sich in der Praxis als ebenso Erfolg versprechend bewährt haben oder weil keine Arzneimittel der so genannten Schulmedizin zur Verfügung stehen. Besondere oder gezielte Einschränkungen bei der Erstattung von Cannabis oder Cannabinoiden durch die private Krankenversicherung sind der Bundesregierung nicht bekannt. 9. Unter welchen Voraussetzungen darf Dronabinol ärztlich verordnet werden ? Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über haftungsrechtliche Probleme bei der ärztlichen Verordnung von Dronabinol bzw. Cannabis? Die Ärztin oder der Arzt bestimmt Art und Umfang der ärztlichen Leistung nach den Regeln der ärztlichen Kunst und trifft eine Entscheidung über die zu wählende Behandlungsmethode in Abstimmung mit der Patientin oder dem Patienten . Die Patientin oder der Patient ist im Rahmen der Behandlung umfassend zu informieren bzw. aufzuklären, §§ 630c und e des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Bei der Verschreibung von Arzneimitteln sind Ärztinnen und Ärzte im Hinblick auf die Wirkungen und Nebenwirkungen einer Medikation zu besonderer Sorgfalt verpflichtet. Sie müssen mögliche Kontraindikationen und Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln beachten. Über mögliche schwerwiegende Nebenwirkungen bei Anwendung eines Arzneimittels haben Ärztinnen und Ärzte die Patientin oder den Patienten aufzuklären. In verfahrensrechtlicher Hinsicht unterliegt die ärztliche Verschreibung von Dronabinol, das ein Betäubungsmittel nach Anlage III des BtMG ist, den allgemeinen betäubungsmittelrechtlichen Verschreibungsanforderungen. Die Bundesregierung hat keine Kenntnis über haftungsrechtliche Probleme bei der ärztlichen Verordnung von Dronabinol. 10. Zu welchen Ergebnissen kam die Prüfung einer möglichen Einrichtung einer Cannabis-Agentur im Falle eines legalen Anbaus von Cannabis zu therapeutischen Zwecken, wie vom Bundesgesundheitsministerium in den Medien im September 2014 angekündigt (www.spiegel.de/gesundheit/ diagnose/medizinisches-cannabis-warum-der-preis-in-der-apotheke-sohoch -ist-a-991904.html)? Derzeit erfolgt die Versorgung mit Medizinalhanf (getrockneten Cannabisblüten in Arzneimittelqualität) in Deutschland durch Import aus den Niederlanden. Das Bundesministerium für Gesundheit wird die Versorgungssituation für die Pa- Drucksache 18/4539 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode tientinnen und Patienten auch weiterhin sorgfältig beobachten und eventuellen Handlungsbedarf prüfen. 11. Wie viele Patientinnen und Patienten könnten nach Schätzung der Bundesregierung von einer medizinischen Anwendung von Cannabis profitieren? Die Bundesregierung kann keine Schätzung dazu abgeben, bei wie vielen Patientinnen und Patienten in Deutschland eine Behandlung mit cannabishaltigen Arzneimitteln indiziert sein könnte. Die derzeit vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse sind hierzu nicht ausreichend. 12. Welche pharmakologisch aktiven Substanzen in Cannabisblüten sind der Bundesregierung bekannt, und welche davon haben nach Kenntnis der Bundesregierung Anteil an der therapeutischen Wirkung? Die Cannabisblüte enthält zahlreiche Cannabinoide, aber auch Terpene, Sterole und andere Sekundärmetabolite. Ob neben den Stoffen (–)-trans-Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC, entsprechend Dronabinol) und Cannabidiol (CBD) weitere in der Blüte vorhandene Stoffe im Sinne eines möglichen therapeutischen Nutzens pharmakologisch aktiv sind, ist nicht abschließend wissenschaftlich untersucht. Sowohl THC als auch CBD können als Monosubstanz oder in Kombination Anteil an einer therapeutischen Wirkung haben. 13. Inwiefern können Patientinnen und Patienten, die Cannabisblüten zu medizinischen Zwecken anwenden, ohne therapeutische Einbußen auf ein chemisch definiertes Präparat, etwa Dronabinol, umgestellt werden? Dronabinol ist die INN Bezeichnung (International Nonproprietary Name, Internationaler Freiname) für THC, das sowohl aus der Cannabispflanze gewonnen werden kann als auch halbsynthetisch über CBD oder vollsynthetisch hergestellt wird. Inwiefern Patientinnen und Patienten von Cannabisblüten auf eine wirksame Therapie mit Dronabinol, Sativex® oder auch Nabilon® umgestellt werden könnten, ist nicht allgemein bekannt und sollte im Therapieinteresse der Patientinnen und Patienten in jedem Einzelfall ärztlich beurteilt werden. Dem BfArM ist bekannt geworden, dass einzelne Patientinnen und Patienten, die im Besitz einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 BtMG zum Erwerb von Cannabis sind, nach den dem BfArM vorgelegten Informationen auch auf eine Therapie mit Dronabinol angesprochen haben. 14. Für welche Fertigarzneimittel und für welche Indikationsgebiete wurden in den letzten fünf Jahren Zulassungsanträge für cannabis- oder cannabinoidhaltige Arzneimittel beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) gestellt, und welche wurden wie beschieden? Beim BfArM wurden in den vergangenen fünf Jahren für die folgenden cannabis - oder cannabinoidhaltigen Arzneimittel Zulassungsanträge gestellt: 1. Sativex® Sublingualspray (zur Anwendung in der Mundhöhle): Das zugelassene Arzneimittel wird in folgender Indikation angewendet: Symptomverbesserung bei erwachsenen Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik aufgrund von Multipler Sklerose (MS), die nicht angemessen auf eine andere antispastische Arzneimitteltherapie angesprochen haben und die eine kli- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4539 nisch erhebliche Verbesserung von mit der Spastik verbundenen Symptomen während eines Anfangstherapieversuchs aufzeigen. 2. Nabilon® Orpha 1 mg Kapseln: Es liegt ein Zulassungsantrag vor, der sich gegenwärtig in der arzneimittelrechtlichen Prüfung und Bearbeitung befindet. Beantragte Indikationen: Nabilon® Orpha 1 mg Kapseln sind für die Behandlung von chemotherapiebedingter Emesis und Nausea bei jenen Krebs-Patientinnen und -patienten indiziert, die auf andere antiemetische Behandlungen nicht adäquat ansprechen. Drei weitere Anträge befinden sich derzeit in der Vorprüfung gemäß § 25a des Arzneimittelgesetzes (AMG). Entsprechende Anträge bei der European Medicines Agency (EMA) sind der Bundesregierung nicht bekannt. 15. Welche Fertigarzneimittel auf Cannabis- oder Cannabinoidbasis sind momentan in Deutschland zugelassen? Derzeit ist das cannabishaltige Fertigarzneimittel Sativex® (Sublingualspray) mit Cannabis-Extrakt zur symptomatischen Therapie der Spastik bei Multipler Sklerose zugelassen. Auf die Antwort zu Frage 14 wird ergänzend verwiesen. 16. Welche im Ausland erteilten Zulassungen für cannabis- oder cannabinoidhaltige Arzneimittel sind der Bundesregierung bekannt? Der Bundesregierung liegen keine umfassenden und gesicherten Informationen zu rein national erteilten Zulassungen in anderen Staaten vor. Soweit ersichtlich ist – nach Angaben auf der Homepage der Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency (MHRA) des Vereinigten Königreichs – dort das Arzneimittel Nabilone® (synthetisches Cannabinoid) seit dem Jahr 2009 zugelassen. Nabilone® ist nach Kenntnis der Bundesregierung unter dem Namen Cesamet® auch in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und in Kanada sowie unter dem Namen Canemes® in Österreich als Fertigarzneimittel zugelassen. Marinol® (mit dem Wirkstoff Dronabinol) ist u. a. in den USA und Kanada zugelassen . Für das Arzneimittel Sativex®, welches im arzneimittelrechtlichen Verfahren der so genannten gegenseitigen Anerkennung (MRP) mit dem Vereinigten Königreich als verfahrensführendem Staat (RMS) zugelassen wurde, wurden zusätzlich zu Deutschland in folgenden Staaten nationale Zulassungen erteilt: Vereinigtes Königreich, Österreich, Belgien, Tschechien, Dänemark, Spanien, Finnland, Frankreich, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen , Polen, Portugal, Schweden, Slowakei. 17. Welche Möglichkeiten der legalen Cannabis- oder Cannabinoidanwendung zu medizinischen Zwecken im Rahmen von Rezepturen, Eigenanbau oder anderen Anwendungsarten außerhalb von Fertigarzneimitteln in Europa, Israel, Kanada, den USA oder anderen Staaten sind der Bundesregierung bekannt? Im Hinblick auf die Vielfältigkeit der rechtlichen Regelungen anderer Staaten im Betäubungsmittelbereich ist es der Bundesregierung mit vertretbarem Aufwand nicht möglich, eine ständige Übersicht der Cannabis- oder Cannabinoid- anwendung zu medizinischen Zwecken in allen anderen Staaten vorzuhalten. Drucksache 18/4539 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Eine entsprechende Anwendung ist im Wesentlichen zu folgenden Staaten bekannt : 1. Im Vereinigten Königreich ist die Anwendung von Cannabis oder Canna- binoiden zu medizinischen Zwecken mit Ausnahme von zugelassenen Fertigarzneimitteln (s. dazu die Antwort zu Frage 16) verboten. 2. In den Niederlanden ist die Anwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken seit dem Jahr 2003 gesetzlich geregelt (Änderung des Opium-Gesetzes ). Seitdem können Patientinnen und Patienten Cannabis zur medizinischen Anwendung in Apotheken erwerben. Außerhalb dieses gesetzlichen Rahmens ist es in den Niederlanden nicht legal möglich, Cannabis zu medizinischen Zwecken herzustellen oder zu erwerben. Ein Eigenanbau ist nicht erlaubt, da Cannabis zu medizinischen Zwecken – im Interesse der Patientinnen und Patienten – den Anforderungen an die pharmazeutische Qualität genügen muss. In den niederländischen Apotheken wird Cannabis zu medizinischen Zwecken in Form getrockneter Blüten oder als Granulat angeboten. 3. In Österreich ist synthetisches Delta-9-Tetrahydrocannabinol, welches als so genanntes Suchtgift gemäß Anhang IV der Suchtgiftverordnung klassifiziert ist, ärztlich verschreibungsfähig und kommt als magistrale Rezeptur zum Einsatz. Die ärztliche Verschreibung von Cannabis in Form von Blüten und Fruchtständen sowie von Zubereitungen aus Cannabis ist gemäß § 14 der Suchtgiftverordnung verboten und damit nicht möglich. Ausgenommen von dem Verbot sind Zubereitungen aus Cannabisextrakten, soweit sie in Österreich als Arzneispezialitäten zugelassen sind. 4. In Israel ist die medizinische Anwendung von Cannabis und Cannabinoiden grundsätzlich gestattet, jedoch streng reguliert. Die Erlaubnis zur Herstellung von Cannabis und Cannabinoiden zu medizinischen Therapiezwecken wird im Einzelfall vom israelischen Gesundheitsministerium erteilt. Derzeit verfügen in Israel acht Unternehmen über eine solche Genehmigung. Auch die Patientinnen und Patienten benötigen eine Genehmigung zur Anwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Diese wird auf Anfrage einer Fachärztin oder eines Facharztes durch eine bzw. einen der hierfür eigens vom israelischen Gesundheitsministerium zugelassenen Ärztinnen bzw. Ärzte erteilt. Cannabis zu medizinischen Zwecken wird dort von den Patientinnen und Patienten geraucht, inhaliert, gespritzt sowie per Infusion, als Tablette oder über Nahrungsmittel wie Tee, Schokolade oder Gebäck angewendet. Außerhalb einer genehmigten medizinischen Anwendung sind sowohl die Herstellung als auch der Besitz – dies gilt auch für Kleinstmengen – grundsätzlich strafbar . 5. In Kanada sind Besitz und Vertrieb von Marihuana gemäß dem „Controlled Drugs and Substances Act“ grundsätzlich verboten. Ausgenommen ist die medizinische Anwendung von Marihuana, die in den „Marihuana Medical Access Regulations“ (MMAR) festgelegt ist. Seit dem Jahr 2001 können Privatpersonen Marihuana für den medizinisch-therapeutischen Eigenbedarf erhalten , sofern eine Ärztin oder ein Arzt die Notwendigkeit einer medizinischen Anwendung bestätigt. Daneben wurde die Möglichkeit geschaffen, eine Genehmigung für den eigenen Anbau (Personal Use Production Licence ) oder für den Anbau durch einen Dritten (Designated Person Production Licence) zu erhalten. Die MMAR wurden durch die am 31. März 2013 in Kraft getretenen „Marihuana for Medical Purposes Regulations“ (MMPR) abgelöst. Danach soll der private Anbau künftig nicht mehr zulässig sein und stattdessen ein Bezugssystem mit lizenzierten Firmen aufgebaut werden. Teile der MMAR gelten jedoch gemäß einer Übergangsverfügung des kanadischen Federal Courts fort. Hiernach dürfen Personen, die jedenfalls am 30. September 2013 im Besitz einer gültigen Personal Use Production Li- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4539 cence oder einer Designated Person Production Licence waren, Marihuana zunächst weiter anbauen. 6. In den Vereinigten Staaten von Amerika ist die Anwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken uneinheitlich geregelt. Während in einigen US-Bundesstaaten schon für den Besitz geringer Mengen erhebliche Strafen drohen, ist Cannabis in mehreren anderen Staaten vor allem zu medizinischen Zwecken reguliert worden. In etwa der Hälfte der US-Bundesstaaten ist die Anwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken erlaubt (Alaska, Arizona, Colorado, Connecticut, Delaware, Hawaii, Illinois, Iowa, Kalifornien, Maine, Maryland, Massachusetts , Michigan, Minnesota, Montana, New Hampshire, Nevada, New Jersey, New Mexico, New York, Oregon, Rhode Island, Vermont, Washington, Washington D.C.), obwohl Cannabis auf der Ebene des Bundesrechts nach wie vor verboten ist. Allerdings verzichtet das US-Justizministerium hier auf die Anwendung des vorrangigen Bundesrechts in Bezug auf die einzelnen Staaten. Die genannten US-Bundesstaaten haben den Zugang der Patientinnen und Patienten zu Cannabis mit medizinischer Zweckbestimmung unterschiedlich ausgestaltet. In einigen US-Bundesstaaten darf Cannabis nur von bestimmten zertifizierten Stellen an Patientinnen und Patienten abgegeben werden. In der überwiegenden Zahl dieser US-Bundesstaaten ist daneben der Anbau durch die Patientinnen und Patienten selbst oder so genannte Pflegepersonen („designated caregiver“) erlaubt. Der Eigenanbau ist möglich in den US-Bundesstaaten Alaska, Arizona, Colorado, Hawaii, Kalifornien, Maine, Massachusetts , Michigan, Montana, Nevada, New Mexico, Oregon, Rhode Island, Vermont, Washington und Washington D.C. Nicht erlaubt ist er in den USBundesstaaten Connecticut, Delaware, Illinois, Maryland, Minnesota, New Hampshire, New Jersey und New York. US-Bundesstaaten, die einen Eigenanbau erlauben, haben die Menge des erlaubten Besitzes ausgewachsener Pflanzen oder Setzlinge je Patient begrenzt (z. B. sechs ausgewachsene Pflanzen oder zwölf Setzlinge in Kalifornien). In einigen US-Bundesstaaten ist der Eigenanbau unter den gleichen Voraussetzungen erlaubt wie der Erwerb von zertifizierten Stellen. In einigen anderen US-Bundesstaaten ist der Eigenanbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken unter strengeren Voraussetzungen erlaubt. So darf etwa in Michigan der Anbau durch eine Patientin oder einen Patienten selbst nur erfolgen, wenn diese(r) keine Pflegeperson hat, die für sie/ihn Cannabis zu medizinischen Zwecken anbauen kann. In Arizona ist der Eigenanbau etwa nur erlaubt, wenn der Erwerb von einer zertifizierten Stelle wegen erheblicher Entfernung vom Wohnort der Patientin oder des Patienten nur erschwert möglich ist. Der Anbau hat, soweit er erlaubt ist, in geschlossenen Räumen zu erfolgen . In Michigan ist demgegenüber nur der Eigenanbau erlaubt, Verkaufsstellen sind illegal. 18. Wie viele Anträge zur Anwendung von Cannabis und nicht verkehrsfähigen Cannabinoiden zur klinischen Forschung sind in den letzten fünf Jahren beim BfArM eingereicht worden, und welche Indikationen wurden jeweils beforscht? In den Jahren 2010 bis 2015 wurden nach Kenntnis der Bundesregierung elf Anträge auf Genehmigung einer klinischen Prüfung mit Cannabis oder Cannabinoiden beim BfArM gestellt. Beforscht wurden folgende Indikationen: chronische Tumorschmerzen, akute Schizophrenie, Glioblastom, akute Psychose, fo- kale Dystonie und chronische HIV-assoziierte Neuropathien. Drucksache 18/4539 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 19. In welcher Höhe unterstützt die Bundesregierung Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der medizinischen Verwendung von Cannabis, und welche Förderprogramme sind ihr auf EU-Ebene bekannt (bitte nach Art und Höhe aufgliedern)? Die Bundesregierung unterstützt derzeit keine Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der medizinischen Verwendung von Cannabis. Auch Förderprogramme auf EU-Ebene sind ihr nicht bekannt. Die derzeitige Prüfung der Bedingungen einer medizinischen Anwendung von Cannabisarzneimitteln durch die Bundesregierung umfasst auch die Möglichkeit einer Begleitforschung. 20. Inwiefern wäre eine vollständige Übertragung von Cannabis sowie enthaltener Inhaltsstoffe von der Anlage I (nicht verkehrsfähig) bzw. Anlage II (verkehrsfähig, aber nicht verschreibungsfähig) in die Anlage III (verkehrs - und verschreibungsfähig) des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) nach Meinung der Bundesregierung eine angemessene Maßnahme zum Abbau bestehender Forschungshemmnisse? Die Bundesregierung begrüßt die Forschung an Cannabinoiden zu medizinischen und therapeutischen Zwecken. Bereits nach geltendem Recht kann das BfArM eine Erlaubnis auch für die in Anlage I des BtMG bezeichneten Betäubungsmittel zu wissenschaftlichen Zwecken erteilen (§ 3 Absatz 2 BtMG). Damit werden der grundgesetzlich geschützten Forschungsfreiheit Rechnung getragen (Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes) und evidenzbasierte Studien unterstützt, die zum Beleg der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der noch nicht nach dem AMG zugelassenen Produkte führen können. 21. Auf welcher sachlichen Grundlage erachtet die Bundesregierung die rechtliche Ungleichbehandlung von Cannabis mit Dronabinol, Nabilon sowie bestimmten cannabishaltigen Fertigarzneimitteln für begründet, und plant die Bundesregierung, die Ungleichbehandlung zugunsten einer Zulassungsvereinfachung von Cannabis als Arzneimittel aufzugeben? Der Gesetzgeber hat mit der rechtlich differenzierten Abbildung des Betäubungsmittels Cannabis in den Anlagen I bis III zu § 1 BtMG jegliche Form der Entwicklung und Zulassung von Fertigarzneimitteln auf Cannabisbasis ermöglicht . Die Zulassung von Fertigarzneimitteln auf Cannabisbasis in Deutschland kann erfolgen, sobald von pharmazeutischen Unternehmen Anträge auf Zulassung beim zuständigen BfArM eingereicht werden und nach entsprechender Prüfung – in Übereinstimmung mit den bestehenden gesetzlichen Vorgaben – eine positive Zulassungsentscheidung getroffen werden kann. 22. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass das angestrebte Ziel eines künftig erleichterten Zugangs zu Cannabis als Medikament dadurch erreicht wird, dass auch sichergestellt wird, dass die Nutzung von Medizinalcannabisblüten keinen höheren Anforderungen zur Aufbewahrung im Vergleich zu anderen verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln, wie Morphin, Methadon oder Dronabinol, unterliegt? Alle Arzneimittel sollten immer vor dem unberechtigten Zugriff Dritter geschützt werden. Dies gilt insbesondere für Betäubungsmittel, da deren versehentliche Einnahme (z. B. durch Kinder) zu schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden führen kann. Darüber hinaus muss auch der Missbrauch von Betäubungsmitteln zu nichtarzneilich-therapeutischen Zwecken wirksam verhindert werden. Zu den konkreten Anforderungen wird auf die Antwort zu Frage 23 verwiesen . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/4539 23. Wie müssen Inhaberinnen und Inhaber einer Ausnahmeerlaubnis der Bundesopiumstelle die bezogenen Cannabisblüten vor fremdem Zugriff schützen? Betäubungsmittel sind gemäß § 15 BtMG grundsätzlich gesondert aufzubewahren und gegen unbefugte Entnahme zu sichern. Medizinal-Cannabisblüten sowie Zubereitungen mit Cannabisextrakt, welche auf der Grundlage einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 BtMG erworben wurden, sind durch Einschließen so zu sichern, dass eine schnelle Entwendung durch unbefugte Dritte wesentlich erschwert wird. Eine sichere Aufbewahrung ist Voraussetzung für die Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 BtMG. Im Falle der einzelnen Patientinnen und Patienten sind dies zumeist Vorkehrungen, die bereits im Haushalt vorhanden sind, wie beispielsweise ein Medizinschrank, ein (kleiner) Möbeltresor oder eine im Schrank oder in der Schreibtischschublade verankerte Geldkassette. 24. Wie müssen die drei Kläger, die nach dem Urteil des VG Köln nun Cannabis zum Eigenbedarf anbauen dürfen, die Cannabispflanzen vor dem unerlaubten Zugriff Dritter schützen? Das Verwaltungsgericht Köln (VG Köln) hat in drei Verfahren mit Urteilen vom 22. Juli 2014 (Az. 7 K 5217/12, 7 K 4450/11, 7 K 4447/11) die Versagungsbescheide des BfArM aufgehoben und die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet , über die Anträge der Kläger auf Erteilung von Erlaubnissen zum Eigenanbau von Cannabis unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Diese Urteile sind nicht rechtskräftig, da die beklagte Bundesrepublik Deutschland Berufung eingelegt hat. Die Kläger verfügen daher nicht über eine Erlaubnis zum Eigenanbau von Cannabis. 25. Wie hoch sind die Gebühren, die für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Absatz 2 BtMG erhoben werden? Müssen auch diejenigen Gebühren bezahlen, deren Antrag abgelehnt wurde? Die Gebühren für die Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 BtMG für einzelne Patientinnen und Patienten richten sich grundsätzlich nach der Betäubungsmittel-Kostenverordnung (BtMKostV). Für den Erwerb eines Betäubungsmittels ohne wirtschaftliche Zwecksetzung sind nach Gebührennummer 1.2.3 des Gebührenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 1 BtMKostV Gebühren in einer Höhe von 150 Euro vorgesehen. Für die Erteilung einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 BtMG für erkrankte Patientinnen und Patienten erhebt das BfArM im Einzelfall regelmäßig eine nach Maßgabe von § 4 BtMKostV auf 75 Euro ermäßigbare Gebühr (Reduzierung auf 50 Prozent). Im Falle der Versagung einer Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 BtMG erhebt das BfArM nach § 2 BtMKostV in der Regel eine Gebühr in Höhe von lediglich 25 Prozent der für die Vornahme der individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung (= Prüfung des Antrages) festzusetzenden Gebühr, d. h. 37,50 Euro für die jeweilige Patientin bzw. den jeweiligen Patienten. Sofern im Einzelfall ein substantiierter Nachweis über den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente, Arbeitslosengeld II oder eine ähnliche Grundsicherungsleistung vorgelegt wird, sieht das BfArM sowohl bei der Erlaubniserteilung als auch bei deren Versagung regelmäßig vollständig von der Erhebung einer Gebühr ab. Drucksache 18/4539 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 26. Wie viele Patientinnen und Patienten mit einer Ausnahmegenehmigung vom BfArM waren nach Kenntnis der Bundesregierung bislang von Versorgungsengpässen betroffen? Der Bundesregierung sind vereinzelte telefonische oder schriftliche Meldungen von Patientinnen und Patienten sowie Lieferapotheken bekannt geworden, dass Medizinal-Cannabisblüten nicht verfügbar seien. Eine statistische Erfassung dieser Meldungen erfolgt nicht. Meldungen, dass die ebenfalls über eine Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Absatz 2 BtMG beziehbaren Zubereitungen mit Cannabisextrakt zu einem Zeitpunkt nicht lieferbar gewesen wären, gab es nach Kenntnis der Bundesregierung dagegen nicht. 27. Welche Gründe für bisherige Versorgungsengpässe bei Medizinalcannabisblüten sind der Bundesregierung bekannt, und wie schätzt die Bundesregierung die Gefahr weiterer Versorgungsengpässe ein? Nach Kenntnissen der Bundesregierung sind zuletzt Lieferengpässe bei der Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten aufgetreten, weil die von deutschen Importeuren bestellten und vom BfArM zur Einfuhr genehmigten Mengen an Medizinal-Cannabisblüten nicht in vollem Umfang aus den Niederlanden bereit gestellt wurden. Nach aktuellen Kenntnissen der Bundesregierung haben die Niederlande ihre Anbau- und Produktionskapazitäten erhöht. 28. Inwiefern profitieren nach Ansicht der Bundesregierung Patientinnen und Patienten in Deutschland von der liberaleren Cannabis-Gesetzgebung etwa in den Niederlanden oder anderen Staaten, aus denen legal angebaute Medizinalblüten importiert werden? Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung daraus? Medizinalhanf (getrocknete Cannabisblüten in Arzneimittel-Qualität) zur Versorgung von Patientinnen und Patienten in Deutschland, die über eine betäubungsmittelrechtliche Ausnahmeerlaubnis des BfArM zum Erwerb von Medizinalhanf zur Anwendung in einer ärztlich begleiteten Selbsttherapie verfügen, wird derzeit nur aus den Niederlanden bezogen. In den Niederlanden wird Medizinalhanf nach den strengen Vorgaben des Einheits-Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe (siehe auch die Antwort zu Frage 3) und unter Einhaltung arzneimittelrechtlicher Vorgaben und Standards in Arzneimittelqualität hergestellt. Die Versorgung der Bevölkerung mit im Ausland hergestellten Produkten zur Behandlung von Patientinnen und Patienten, stellt keinen unüblichen Vorgang dar. 29. Aus welchen Staaten wurden bisher Cannabisblüten zur medizinischen Verwendung importiert? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 27, 28 sowie 30 verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/4539 30. Inwiefern hat die Tatsache, dass Medizinalcannabis in jedem Einzelfall aus dem Ausland importiert werden muss, nach Ansicht der Bundesregierung mit den nach Auffassung der Fragesteller hohen Kosten für den Bezug in Deutschland und die finanzielle Überforderung vieler Patientinnen und Patienten zu tun? Aus den Niederlanden importierter Medizinalhanf wird – im Therapieinteresse der Patientinnen und Patienten – in standardisierter Arzneimittelqualität hergestellt , mit der Folge, dass entsprechende Kosten entstehen. Wie bei anderen arzneilichen Produkten entstehen in der Lieferkette, in diesem Fall aus den Niederlanden bis zur Abgabe in einer Apotheke an Patientinnen und Patienten mit einer betäubungsmittelrechtlichen Ausnahmeerlaubnis, weitere Kosten. Die Gebühren für die Erteilung einer für die Einfuhr nach Deutschland betäubungsmittelrechtlich erforderlichen Einfuhrgenehmigung nach § 11 BtMG in Verbindung mit der Betäubungsmittel-Außenhandelsverordnung belaufen sich auf 60 Euro je Betäubungsmittellieferung (z. B. für die Einfuhr von MedizinalCannabisblüten in einer Menge von mehreren Kilogramm, vgl. Gebührennummer 9 des Gebührenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 1 BtMKostV). 31. Hat die Bundesregierung Kenntnisse von Lieferengpässen bei der Versorgung mit Medizinalcannabis, und falls ja, was sind nach ihrer Kenntnis die Ursachen für die Lieferengpässe, und in welchem Umfang kommen diese vor? Die Bundesregierung hat Kenntnis über Lieferengpässe bei der Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten, die zu Beginn des Jahres 2011, zu Beginn des Jahres 2014 sowie am Ende des Jahres 2014 aufgetreten sind. Zuletzt konnten die vom deutschen Großhändler bestellten und vom BfArM zur Einfuhr genehmigten Mengen an Medizinal-Cannabisblüten nicht in vollem Umfang von den Niederlanden bereitgestellt werden. Die Lieferschwierigkeiten führten zu Verzögerungen von wenigen Tagen bis hin zu mehreren Wochen. Auf die Antwort zu den Fragen 26 und 27 wird ergänzend verwiesen. 32. Plant die Bundesregierung, den gewerblichen Anbau von Medizinalcannabis in Deutschland zu ermöglichen, um bisherige durch den Import verursachte Versorgungsengpässe künftig zu vermeiden und gegebenenfalls die Kosten für Patientinnen und Patienten bzw. Krankenkasse zu senken (www.apotheke-adhoc.de vom 18. November 2014 „Apotheken warten auf Cannabis-Ernte“)? Es wird auf die Antwort zu Frage 10 verwiesen. 33. Würde die Bundesregierung eine Erleichterung der Therapie von schwer erkrankten Patientinnen und Patienten darin erkennen, wenn die Bundesopiumstelle Hinweise für die Betroffenen zum Eigenanbau von Medizinalcannabis erarbeiten könnte (Sorten, Anbaumethoden etc.), um das Ziel einer aus medizinischen bzw. pharmazeutischen Gesichtspunkten bestmöglichen Selbsttherapie zu erreichen? Aus pharmazeutischer und medizinischer Sicht ist es nicht vertretbar, dass sich Patientinnen und Patienten mit nicht in pharmazeutisch gesicherten Standardverfahren , sondern im eigenen (Wohn-)Umfeld selbst hergestellten Arzneimitteln unbekannter Qualität selbst therapieren. Im Unterschied zu MedizinalCannabisblüten genügen selbst angebaute Cannabisprodukte keinerlei Qua- litätskriterien. Eine Selbstschädigung der Patientinnen und Patienten durch Ver- Drucksache 18/4539 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode unreinigungen, Schädlinge (Pilzbefall etc.) sowie Über- und Unterdosierungen aufgrund von unbekannten Schwankungen der Wirkstoffgehalte wären nicht auszuschließen. Ferner wäre auch eine Begleitung und Betreuung der Selbsttherapie durch eine Ärztin bzw. einen Arzt stark erschwert. Deshalb vertritt die Bundesregierung die Auffassung, dass etwaige behördliche Hinweise zum privaten Anbau von Cannabis zur medizinischen Eigenversorgung nicht zielführend sind. Auf die Antwort zu Frage 4 wird ergänzend verwiesen. 34. Welchen Durchschnittspreis zahlen nach Kenntnis der Bundesregierung bisher Patientinnen und Patienten bei einer Genehmigung durch das BfArM für den Erwerb von dronabinolhaltigen Arzneimitteln sowie Medizinalcannabis , und wie hoch sind die Kosten im Vergleich zu dem aus den Niederlanden importierten Bedrocan-Cannabis oder zum Cannabis aus Eigenanbau zu therapeutischen Zwecken? Nach Kenntnis der Bundesregierung liegen für Rezepturarzneimittel mit dem Wirkstoff Dronabinol, die auf einem Betäubungsmittelrezept ärztlich verschrieben werden können, folgende Abgabepreise in der Apotheke vor: – Dronabinol-Tropfen: 10 ml einer 2,5-prozentigen Lösung ca. 210 Euro; bei einem Bedarf von 10 mg Dronabinol/Tag liegen die monatlichen Therapiekosten bei ca. 250 Euro; – Dronabinol-Tropfen: 20 ml einer 2,5-prozentigen Lösung ca. 390 Euro; bei einem Bedarf von 10 mg Dronabinol/Tag liegen die monatlichen Therapiekosten bei ca. 230 Euro; – Dronabinol-Kapseln 50 Stück mit je 2,5 mg ca. 300 Euro; bei einem Bedarf von 10 mg Dronabinol/Tag liegen die monatlichen Therapiekosten bei ca. 720 Euro. Nach Kenntnis der Bundesregierung werden Medizinal-Cannabisblüten, welche ausschließlich auf der Grundlage einer betäubungsmittelrechtlichen Ausnahmeerlaubnis bezogen werden dürfen, in den berechtigten Lieferapotheken mit einem Abgabepreise zwischen ca. 15 und 20 Euro pro 1 Gramm abgegeben. Die Abgabepreise differieren zwischen den einzelnen Lieferapotheken. Ein Eigenanbau von Cannabis ist nach dem Betäubungsmittelrecht verboten. Zu den Kosten eines deshalb auch zu therapeutischen Zwecken strafbaren Eigenanbaus liegen der Bundesregierung keine belastbaren Daten vor. 35. Inwiefern stimmt die Bundesregierung der Aussage des BVerwG und des VG Köln zu, dass für die Erfüllung des verfassungsrechtlichen Rechts auf Zugang zu wirksamen Therapien der tatsächliche Bezug, und nicht nur die rechtliche Möglichkeit ausschlaggebend ist? Das BVerwG hat in seinem Urteil vom 19. Mai 2005 (BVerwG 3 C 17.04) zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals „öffentliches Interesse“ im Sinne des § 3 Absatz 2 BtMG festgestellt, dass auch die Behandlung einer einzelnen schwer kranken Patientin bzw. eines Patienten mit Cannabis im öffentlichen Interesse liegen könne, wenn hierdurch die Heilung oder Linderung der Erkrankung möglich sei und den Betroffenen kein wirksames zugelassenes und für sie erschwingliches Arzneimittel zur Verfügung stehe. Die Bundesregierung hat die Urteile des BVerwG und des VG Köln vom 22. Juli 2014 sorgfältig geprüft. Auf die Antwort zu Frage 4 wird ergänzend verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 15 – Drucksache 18/4539 36. Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass einerseits das VG Köln die hohen Kosten für den legalen Bezug von Cannabis angeführt hat und andererseits die Bundesregierung in der Antwort zu Frage 10 auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/3810 der Fraktion DIE LINKE. im Jahr 2010 nicht in der Lage war, die Bezugspreise für die Patientinnen und Patienten überhaupt zu benennen? Der damaligen Bundesregierung waren die ungefähren Kosten von Medizinalhanf bekannt. Dies folgt unter anderem aus den Ausführungen der Bundesregierung , wonach ihr seinerzeit lediglich keine genauen Endpreise für CannabisBlüten oder Cannabis-Extrakt vorgelegen haben, die erst eine hinreichende Ermittlung durchschnittlicher Kosten ermöglicht hätten. Hierzu hatte die Bundesregierung erläutert, welche sehr variablen und patientenindividuellen Faktoren Einfluss auf die Kosten im Einzelfall haben, weshalb verlässliche Angaben zur Berechnung der in der Frage angesprochenen „durchschnittlichen Kosten für die Patientinnen und Patienten bei der legalen Verwendung von Cannabis oder synthetischen Cannbinoiden“ aus Sicht der Bundesregierung nicht in belastbarer Weise vorhanden waren. 37. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Kosten pro Monatsbedarf bei a) Dronabinol, b) niederländischem Bedrocan-Cannabis und c) Cannabis aus Eigenanbau zu therapeutischen Zwecken ein? Es wird auf die Antwort zu Frage 34 verwiesen. 38. Plant die Bundesregierung gesetzliche Maßnahmen, um Strafverfahren gegen Patientinnen und Patienten im Zusammenhang mit einer durch einen Arzt bescheinigten notwendigen medizinischen Verwendung von Cannabisprodukten grundsätzlich zu unterbinden, wie die Petition an den Deutschen Bundestag „Kostenübernahme für cannabishaltige Medikamente /keine strafrechtliche Verfolgung“ fordert (bitte Begründung anfügen )? Was strafrechtlich relevante Fallkonstellationen anbetrifft, wie zum Beispiel den nach gegenwärtiger Rechtslage ohne betäubungsmittelrechtliche Ausnahmeerlaubnis illegalen Erwerb von Cannabis zur Selbsttherapie, kann die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren nach den allgemeinen Regelungen der Strafprozessordnung einstellen oder nach dem Betäubungsmittelgesetz bei bestimmten Vergehen von der Strafverfolgung absehen. Dies ist – wie bei anderen Betäubungsmitteln – möglich, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen ist, kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht und der Täter ein Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt , einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt. Dieser Ansatz hat sich in der Praxis bewährt. Er ermöglicht eine sachgerechte Verfahrensweise in jedem Einzelfall. Die Bundesregierung sieht deshalb insoweit keinen Bedarf, das Betäubungsmittelrecht zu ändern. Drucksache 18/4539 – 16 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 39. Unter welchen Bedingungen kann nach Einschätzung der Bundesregierung das „Nikolaus-Urteil“ des Bundesverfassungsgerichts (www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20051206_ 1bvr034798.html), das die Krankenkassen verpflichtet, unter bestimmten Voraussetzungen auch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethoden zu erstatten, auf die Behandlung mit Cannabis oder Cannabinoiden sinngemäß angewandt werden? Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz wurde in § 2 Absatz 1a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) der Geltungsumfang des angesprochenen Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (Az. 1 BvR 347/98) für das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt gesetzlich klargestellt. Danach können Versicherte mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankungen oder mit einer zumindest wertungsgemäß vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, eine von § 2 Absatz 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Bundesregierung prüft derzeit die Bedingungen für die medizinische Anwendung von Cannabisarzneimitteln. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333