Deutscher Bundestag Drucksache 18/4555 18. Wahlperiode 07.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Matthias Gastel, Stephan Kühn (Dresden), Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4405 – Aktueller Planungs- und Realisierungsstand bei der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm sowie deren Leistungsfähigkeit Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die knapp 85 Kilometer lange Neubaustrecke Wendlingen–Ulm befindet sich in einzelnen Abschnitten bereits im Bau. Andere Abschnitte sind hingegen noch nicht einmal planfestgestellt. Auf ihr sollen Züge mit bis zu 250 km/h verkehren können. Die Gesamtkosten werden auf 2,9 Mrd. Euro geschätzt (Bundestagsdrucksache 18/2239). Strittig diskutiert wurde immer wieder über die Finanzierung der Strecke, da das Land Baden-Württemberg – obwohl nicht zuständig – freiwillig insgesamt 950 Mio. Euro beisteuerte, um einen vorzeitigen Baubeginn zu ermöglichen. Der Bund verpflichte sich dabei, die Anschlussfinanzierung ab dem Jahr 2016 sicherzustellen und das Baukostenrisiko zu übernehmen. Der Zuschuss des Landes wurde an die zeitgleiche Realisierung von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke geknüpft. Die Inbetriebnahme ist gemeinsam mit Stuttgart 21 Ende des Jahres 2021 vorgesehen (www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/details/kostenund -finanzierung). Der Bau der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm liegt Meldungen des Kommunikationsbüros des Projektes Stuttgart-Ulm zufolge im Zeitplan, teilweise geht es sogar schneller voran als geplant (www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/aktuell/ news-archiv/news-archiv-detail/news/tunnelbau-am-albaufstieg-erreicht-diedreitausend -meter-marke/newsParameter/detail/News/datum/20150227). Bei Stuttgart 21 hingegen kommt es zu Verzögerungen. Bezüglich der Flughafenanbindung wird mit einer späteren als der bisher vorgesehenen Fertigstellung gerechnet (STUTTGARTER ZEITUNG vom 11. März 2015). Und auch im Stuttgarter Talkessel ist wegen ausstehender Genehmigungen von Planabschnitten und Planänderungen von Verzögerungen die Rede (u. a. STUTTDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 1. April 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. GARTER NACHRICHTEN vom 19. Februar 2015). Dadurch kann die Situation eintreten, dass die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm vor dem Projekt Stuttgart 21 fertiggestellt wird. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die Neubaustrecke auch ohne Stuttgart 21 in (Teil-)Betrieb genommen wird, indem sie Drucksache 18/4555 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode über die eingleisige Güterzuganbindung an das bestehende Schienennetz angebunden wird. An der Neckarbrücke Wendlingen beginnt aus Fahrtrichtung Stuttgart betrachtet der erste Planfeststellungsabschnitt (PFA 2.1a/b) der Neubaustrecke über die Schwäbische Alb. Das neun Kilometer lange Teilstück der Neubaustrecke schließt sich nahtlos an die im Rahmen von Stuttgart 21 entstehende Hochgeschwindigkeitsstrecke an. Kurz nach Beginn dieses Planabschnittes fädelt die aus Wendlingen kommende eingleisige Güterzuganbindung, die mit 80 km/h befahrbar sein soll, in die Strecke Richtung Ulm ein. Rund 1 Kilometer weiter beginnt der 8,2 Kilometer lange Albvorlandtunnel, der bei Kirchheim unter Teck, Stadtteil Nabern, endet. Der Tunnel wird in Form zweier eingleisiger Röhren ausgeführt (www.bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/details/nbsneubaustrecke -wendlingen-ulm/die-bauabschnitte-pfa/Albvorland- (Anschluss%20Bahnknoten%20Stuttgart). Dem Planfeststellungsabschnitt 2.1a/b schließt sich der 5 Kilometer lange, mit einem kurzen Tunnel vorgesehene Planfeststellungsabschnitt 2.1 c an, gefolgt vom 15 Kilometer langen Planfeststellungsabschnitt 2.2. In diesem Abschnitt wird nahezu der gesamte Höhenunterschied hinauf auf die Schwäbische Alb überwunden. Der Großteil des Anstiegs wird dabei im 8,8 Kilometer langen Boßlertunnel bewältigt, der eine Steigung von bis zu 25 Promille aufweist. Die übrige Höhenüberwindung erfolgt im kürzeren Steinbühltunnel (www. bahnprojekt-stuttgart-ulm.de/details/nbs-neubaustrecke-wendlingen-ulm/diebauabschnitte -pfa/albaufstieg/ Nach Informationen, die den Fragestellern vorliegen, soll im Albvorlandtunnel (PFA 2.1 a/b) mit der fünften Planänderung dieses Abschnitts nun kein Gleiswechsel mehr möglich sein. Dies hat zur Folge, dass Züge aus Richtung Esslingen und Wendlingen die in Fahrtrichtung links verlaufende Tunnelröhre nutzen müssen und erst nach dem über acht Kilometer langen Tunnel aufs rechte Gleis wechseln können. Dies würde nach Ansicht der Fragesteller die Kapazität der Neubaustrecke erheblich reduzieren und die Flexibilität für künftige Bahnverkehre massiv einschränken. 1. Treffen Informationen zu, die den Fragestellern vorliegen, wonach im Tunnel des Planfeststellungsabschnittes 2.1a/b künftig aufgrund des Entfalls einer Güterzugüberleitverbindung zwischen den beiden eingleisigen Röhren kein Gleiswechsel mehr vorgesehen ist? Wenn ja, was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Gründe hierfür, und in welchem Stadium befindet sich das hierfür erforderliche Genehmigungsverfahren ? Nach Angaben der Deutschen Bahn AG (DB AG) wurde die Überleitverbindung mit der 5. Änderung der Antragsunterlagen zur Planfeststellung des PFA 2.1 a/b vom Albvorlandtunnel in Richtung Ulm hinter den Albvorlandtunnel verschoben . Der Grund ist die Anpassung des Rettungs- und Brandschutzkonzeptes, welches eine solche Verbindung der beiden Tunnelröhren nicht zulässt. Im Zusammenhang mit dieser Maßnahme und den daraus resultierenden neuen Abständen der Überleitverbindung wurde ein neues Stellwerk notwendig. Der Planfeststellungsbescheid wurde am 23. März 2015 vom Eisenbahn-Bundesamt zugestellt. 2. Wie wirkt sich der Wegfall der Überleitverbindung zwischen den beiden Tunnelröhren auf die Kosten des Planfeststellungsabschnittes bzw. der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm aus, und für welchen Finanzierungspartner Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4555 (Bund, Land, Europäische Union, Deutsche Bahn AG) verringert sich dadurch der Finanzierungsanteil? Die Überleitstelle ist nach der aktuellen Planung des Vorhabenträgers nicht entfallen, sondern wie in der Antwort zu Frage 1 erläutert, im Rahmen von Anpassungen des Rettungs- und Brandschutzkonzeptes verschoben worden. 3. Wird aus Sicht der Bundesregierung durch den Wegfall der geplanten Überleitverbindung im Albvorlandtunnel das sonst übliche Rechtsfahrgebot nach § 38 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung auf der freien Strecke auf einer Länge von über acht Kilometern missachtet? Wie bewertet die Bundesregierung dies? 4. Wie wirkt sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Tatsache, dass Züge auf einer Streckenlänge von über acht Kilometern im „Linksverkehr“ unterwegs sein sollen, auf a) die Leistungsfähigkeit des Albvorlandtunnels und b) die Leistungsfähigkeit der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm insgesamt aus? Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Gemäß Eisenbahn-Bau und Betriebsordnung (EBO) § 38 Nummer 2 und 3 kann hier von der grundsätzlichen Fahrordnung abgewichen werden. Nach Aussage der DB AG ist geplant, tagsüber Personenzüge und nachts Güterverkehr über die Neubaustrecke (NBS) zu leiten. Nur die Güterzüge, die nachts verkehren, sollen demnach über die Güterzuganbindung auf der linken Spur durch den Tunnel geführt werden und wechseln anschließend auf die rechte Spur. Dies führt nach Angaben der DB AG zu keiner Einschränkung der vorgesehenen Leistung. Alle Personenzüge fahren tagsüber jeweils auf dem rechten Gleis. 5. Mit welcher leit- und sicherungstechnischen Ausrüstung wird die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm nach Kenntnis der Bundesregierung ausgerüstet (ETCS – European Train Control System, LZB – Linienzugbeeinflussung , PZB – Punktförmige Zugbeeinflussung), und wie beurteilt die Bundesregierung dies in Hinblick der Nutzung der Neubaustrecke als Ausweichstrecke für die Geislinger Steige? Für die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm ist nach Aussage der DB AG ETCS Level 2 mit regulärer Blockteilung und KS-Signalisierung/PZB90 mit langen Blockabständen vorgesehen. Regel-Betriebsebene ist ETCS Level 2. 6. Wie viele Güterzüge sind nach Kenntnis der Bundesregierung für die Fahrt über die Güterzuganbindung bei Wendlingen und umgekehrt pro Tag in der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Neubaustrecke vorgesehen? Die Streckenbelastung des Schienengüterverkehrs im Zielnetz der Bedarfsplanüberprüfung 2010 im Auswirkungsbereich des Planfalles 4 beträgt in der Nacht 16 Güterzüge (Summe aus Richtung und Gegenrichtung). 7. Welche Ausweichstrecken für den Schienenpersonen- sowie den Schienengüterverkehr sind nach Kenntnis der Bundesregierung für den Fall Drucksache 18/4555 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode einer Sperrung der Geislinger Steige vorgesehen, und welche Rolle kann dabei die Neubaustrecke Wendlingen–Ulm angesichts der nur eingleisigen Kurve bei Wendlingen und dem Wegfall der Überleitverbindung zwischen den beiden eingleisigen Röhren übernehmen? Der Schienengüterverkehr soll nach Angaben der DB AG wie heute über Aalen/ Donauwörth umgeleitet werden. Für den Schienenpersonennahverkehr wird es demnach wie heute Schienenersatzverkehre geben, Schienenpersonenfernverkehr befährt die Neubaustrecke. 8. Zwingt die Überleitstelle nach dem östlichen Ende des Albvorlandtunnels die in Richtung Ulm fahrenden Züge zur Verringerung der Geschwindigkeit , und wenn ja, welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus in Bezug auf die Kapazität der Strecke und im Hinblick auf den Energieverbrauch der Züge? 9. Mit welcher Geschwindigkeit darf die neu geplante Weichenverbindung nach dem östlichen Ende des Albvorlandtunnels befahren werden? Die Fragen 8 und 9 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Weichenverbindung ist mit Höchstgeschwindigkeit 100 km/h geplant. Vor dem Hintergrund der geringen Anzahl betroffener Züge sind voraussichtlich keine nennenswerten Auswirkungen auf Kapazität und Energieverbrauch zu erwarten . 10. Mit welcher Geschwindigkeit können TGV-Züge nach Kenntnis der Bundesregierung die Steigungsabschnitte in den Planfeststellungsabschnitten 2.1c und 2.2 bei freier Durchfahrt ab dem Filderbahnhof bergaufwärts (in Fahrtrichtung Ulm) im Regelbetrieb höchstens befahren, wenn berücksichtigt wird, dass TGV-Züge nach Information der Fragesteller in Deutschland aufgrund der gegenüber Frankreich geringeren Spannung und Wechselstromfrequenz des deutschen Bahnstromnetzes eine verminderte Leistung aufweisen (bitte Geschwindigkeit tabellarisch nach Streckenkilometern angeben)? Nach Angaben der DB AG: Filderbahnhof – ca. km 45: 250 km/h, ca. km 47: 242 km/h, ca. km 51: 238 km/h, ca. km 59: 236 km/h, ab ca. km 60: 250 km/h. 11. Mit welcher Geschwindigkeit können ICE-1-Züge (Br 401) und ICE-2- Züge (Br 402) nach Kenntnis der Bundesregierung die Steigungsabschnitte in den Planfeststellungsabschnitten 2.1c und 2.2 bei freier Durchfahrt ab dem Filderbahnhof bergaufwärts (in Fahrtrichtung Ulm) im Regelbetrieb höchstens befahren (bitte Geschwindigkeit tabellarisch nach Streckenkilometern angeben)? Nach Angaben der DB AG: ICE 1: Filderbahnhof – ca. km 40: 250 km/h, Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4555 ca. km 42: 229 km/h, ca. km 45: 189 km/h, ca. km 58: 155 km/h, ca. km 66: 227 km/h, ab ca. km 71: 250 km/h. ICE 3: Filderbahnhof – ca. km 40: 250 km/h, ca. km 41: 244: km/h, ca. km 49: 233: km/h, ca. km 51: 229: km/h, ca. km 53: 225: km/h, ca. km 59: 220: km/h, ab ca. km 61: 250 km/h. ICE 2: Keine Angaben (kein Einsatz geplant). 12. Von welchen Kosten für die Neubaustrecke geht die Bundesregierung aktuell aus? Die Gesamtkosten für das Bedarfsplanvorhaben NBS Wendlingen–Ulm betragen nach Kostenschätzung der DB Netz AG von 2010 rd. 2,9 Mrd. Euro. Diese ist nach Angaben der DB AG weiterhin aktuell. 13. Von welchem Fertigstellungszeitpunkt der Neubaustrecke geht die Bundesregierung aktuell aus? Die DB AG geht weiterhin von einer Inbetriebnahme zum Fahrplanwechsel Dezember 2021 aus. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333