Deutscher Bundestag Drucksache 18/4587 18. Wahlperiode 10.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Martina Renner, Petra Pau, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4415 – Erkenntnisse von Bundesbehörden zu einer als Neoschutzstaffel bezeichneten neonazistischen Gruppierung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Zusammenhang mit dem Mord an der thüringischen Polizistin Michèle Kiesewetter und dem Mordversuch an ihrem Kollegen M. A. im April 2007 in Heilbronn durch den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) meldete sich laut Medienangaben auch F. H., ein junger Aussteiger aus der Neonaziszene, beim Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg. Er hatte laut Medienberichten und Aussagen seiner Familienangehörigen darauf hingewiesen, dass in Baden-Württemberg eine neonazistische Gruppierung mit der Bezeichnung „Neoschutzstaffel“ (NSS) aktiv sei, die sich am Vorbild des NSU orientiert habe und sich in Öhringen auch mit Mitgliedern des NSU getroffen hätte. Die so genannte NSS sei auch in den Mord an Michèle Kiesewetter verwickelt (vgl. ZEIT ONLINE vom 14. März 2015, „NSU-Ermittler verfolgen Hinweis auf Neoschutzstaffel“, www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-03/nsumichele -kiesewetter-mord-polizistin-rechtsextremismus). F. H. starb unter nicht vollständig geklärten Umständen am 13. September 2013 als sein Auto in Flammen aufging, wenige Stunden bevor er erneut beim LKA Baden-Württemberg als Zeuge vernommen werden sollte. Nach der Aussage des Vaters von F. H. vor dem Untersuchungsausschuss Rechtsterrorismus/NSU des BadenWürttembergischen Landtags berichteten u. a. die „STUTTGARTER ZEITUNG“ und „SWR Aktuell“, dass es sich bei der Kontaktperson von F. H. aus der NSS um einen Bundeswehrsoldaten namens M. K. aus Neuenstein im Hohenlohekreis handele. Dessen Vater sei ein Sozialarbeiter mit einem Büro im Untergeschoss des „Hauses der Jugend“ in Öhringen. Laut Angaben von F. H. soll sich im „Haus der Jugend“ die NSS einmal mit dem NSU getroffen haben. Der Ausschussvorsitzende des Untersuchungsausschusses im Stuttgarter Landtag, Wolfgang Drexler (SPD), erklärte am Rande des SPD-Parteitags in Singen am 14. März 2015, F. H. habe nach neuen Erkenntnissen mit seiner Aussage bisher Recht gehabt (vgl. u. a. „Die Neoschutzstaffel und der Fall Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 7. April 2015 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Kiesewetter“, SWR-Landesschau vom 13. März 2015, www.swr.de/landesschau -aktuell/bw/nsu-untersuchungsausschuss-was-wusste-florian-h/-/id=1622/ did=15219438/nid=1622/b9yc8s/). Gegenüber den Medien und den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen hatten bislang sowohl das LKA Baden- Drucksache 18/4587 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Württemberg als auch Bundesbehörden wie die Generalbundesanwaltschaft erklärt , es gäbe keine „Neoschutzstaffel“ und auch keinen Zusammenhang mit dem Mord an Michèle Kiesewetter. In den Jahresberichten von 2007 bis 2012 des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) wird in der Rubrik Rechtsextremismus eine „Neoschutzstaffel“ nicht genannt. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) und der Militärische Abschirmdienst haben bislang gegenüber der Öffentlichkeit keine Informationen über die Existenz oder Aktivitäten einer neonazistischen Gruppierung namens „Neoschutzstaffel“ bekannt gegeben. In Baden -Württemberg sind in den Jahren von 2000 bis 2011 allerdings immer wieder neonazistische Gruppierungen mit Plänen zu gewaltsamen Aktionen aufgefallen , wie zum Beispiel die „Standarte Baden-Württemberg“, die u. a. im Kreis Backnang aktiv war und im Juli 2011 vom Innenminister des Landes BadenWürttemberg verboten wurde. Ziel der „Standarte Württemberg“ war es, „Ausländer aus Deutschland zu vertreiben“ (vgl. stern online vom 27. Juli 2011, „Schlag gegen Rechtsextremisten in Baden-Württemberg“, www.stern.de/ politik/ausland/standarte-wuerttemberg-schlag-gegen-rechtsextremisten-inbaden -wuerttemberg-1710577.html). 1. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse hat das BfV seit wann über die Existenz und Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung, und auf welchem Wege gelangte das BfV wann zu diesen Erkenntnissen (bitte nach Monat und Jahr und Informationsweg , wie z. B. Auswertung von Medien, rechtsextremen Zeitungen und Internetseiten, Ermittlungsakten, Gemeinsames Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus (GAR) usw. aufschlüsseln)? 2. Welche Erkenntnisse hat der Militärische Abschirmdienst seit wann über die Existenz und Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung, und auf welchen Wegen gelangte der Militärische Abschirmdienst wann zu diesen Erkenntnissen (bitte nach Monat und Jahr und Informationsweg, wie z. B. Auswertung von Medien, rechtsextremen Zeitungen und Internetseiten, Ermittlungsakten, GAR usw. aufschlüsseln )? Die Fragen 1 und 2 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und dem Militärischen Abschirmdienst liegen zur Existenz einer Gruppierung „Neoschutzstaffel“ (NSS) keine Erkenntnisse vor. 3. Welche Erkenntnisse hat das BKA seit wann über die Existenz und Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung, und auf welchen Wegen gelangte das BKA wann zu diesen Erkenntnissen (bitte nach Monat und Jahr und Informationsweg, wie z. B. Auswertung von Medien, rechtsextremen Zeitungen und Internetseiten, Ermittlungsakten, GAR usw. aufschlüsseln)? 4. Welche Erkenntnisse hat der Generalbundesanwalt (GBA) seit wann über die Existenz und Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung, und auf welchen Wegen gelangte der GBA wann zu diesen Erkenntnissen (bitte nach Monat und Jahr und Informationsweg, wie z. B. Auswertung von Medien, rechtsextremen Zeitungen und Internetseiten , Ermittlungsakten, GAR usw. aufschlüsseln)? Die Fragen 3 und 4 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bezeichnung „Neoschutzstaffel“ (NSS) wurde dem Bundeskriminalamt (BKA) und dem Generalbundesanwalt aufgrund von Zeugenaussagen am 17. Ja- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4587 nuar 2012 und 9. März 2015 bekannt. Weitere Erkenntnisse, die auf die Existenz einer Gruppierung „NSS“ schließen lassen, liegen nicht vor. 5. Wie viele Quellenmeldungen hat das BfV vom Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg wann zur Existenz und/oder zu Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung erhalten (bitte Zahlen nach Monat und Jahr aufschlüsseln)? 6. Wie viele Quellenmeldungen hat das BfV von Landesämtern für Verfassungsschutz wann zur Existenz und/oder zu Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel “ bezeichneten neonazistischen Gruppierung erhalten (bitte nach den jeweiligen Landesämtern und nach Monat und Jahr aufschlüsseln )? 7. Wie viele Quellenmeldungen von eigenen Quellen liegen dem BfV zur Existenz und/oder zu Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung vor? 8. Wie viele Quellenmeldungen von eigenen Quellen liegen dem Militärischen Abschirmdienst zur Existenz und/oder zu Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung vor? 9. Wie viele Quellenmeldungen hat das BfV vom Militärischen Abschirmdienst wann zur Existenz und/oder zu Aktivitäten einer als „Neoschutzstaffel “ bezeichneten neonazistischen Gruppierung erhalten (bitte Zahlen nach Monat und Jahr aufschlüsseln)? Die Fragen 5 bis 9 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. 10. Inwieweit liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, in wie vielen Straf- und Ermittlungsverfahren eine als „Neoschutzstaffel“ bezeichnete neonazistische Gruppierung aktenkundig geworden ist und von welchen Landes- bzw. Bundesbehörden diese Straf- bzw. Ermittlungsverfahren geführt wurden bzw. werden (bitte nach Bundes- bzw. Landesermittlungsbehörden aufschlüsseln)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 11. Wenn ja, durch welches Dokument, welche Zeugen bzw. welche Behörde sind die Existenz bzw. die Aktivitäten einer neonazistischen Gruppierung mit der Bezeichnung „Neoschutzstaffel“ aktenkundig geworden (bitte nach Landes- bzw. Bundesbehörde aufschlüsseln)? Es wird auf die Antwort zu Frage 10 verwiesen. 12. Wie viele Aktenvorgänge existieren beim Militärischen Abschirmdienst zur Existenz und/oder zu Aktivitäten einer „Neoschutzstaffel“? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 1 und 2 verwiesen. Drucksache 18/4587 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Welche Erkenntnisse zu personellen Überschneidungen zwischen der „Standarte Württemberg“ und einer neonazistischen Gruppierung namens „Neoschutzstaffel“ liegen dem BKA vor? 14. Welche Erkenntnisse zu personellen Überschneidungen zwischen der „Standarte Württemberg“ und einer neonazistischen Gruppierung namens „Neoschutzstaffel“ liegen dem Generalbundesanwalt vor? 15. Welche Erkenntnisse zu personellen Überschneidungen zwischen der „Standarte Württemberg“ und einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten Gruppierung liegen dem BfV vor? Die Fragen 13 bis 15 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 16. Inwieweit lagen und liegen dem BfV und den Verfassungsschutzämtern der Länder, dem Militärischen Abschirmdienst und/oder den Strafverfolgungsbehörden Informationen oder Erkenntnisse über den Bundeswehrangehören und mutmaßlichen Angehörigen einer als „Neoschutzstaffel“ bezeichneten neonazistischen Gruppierung, M. K., vor (bitte unter Angabe möglicher organisatorischer Bezüge des M. K. in der extremen Rechten , einschlägige Ermittlungs- und Strafverfahren, Kontakte zum NSUUnterstützerkreis und unter Nennung des Zeitraums, seit dem diese Informationen bzw. Erkenntnisse bei den Behörden vorliegen)? Nach vorliegenden Erkenntnissen handelt es sich bei der oben angeführten Person weder um einen aktiven noch um einen ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr . Darüber hinaus ist der in Rede stehende Sachverhalt Gegenstand eines laufenden Todesermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Stuttgart, zu dem die Bundesregierung über keine eigenen Erkenntnisse verfügt. Die Bundesregierung nimmt im Übrigen zu Ländersachverhalten aufgrund der vom Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzordnung grundsätzlich keine Stellung. 17. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über die Existenz neonazistischer Gruppierungen in Baden-Württemberg in den Jahren von 2006 bis 2013 vor (bitte Namen der Gruppierungen nennen sowie Anzahl der Mitglieder bzw. Aktivisten, Anzahl von Strafverfahren, die den jeweiligen Gruppen bzw. ihren Aktivisten zugeordnet werden und unter Zuordnung von Landkreisen, in denen die Gruppierungen aktiv waren bzw. sind, angeben)? Hinsichtlich der verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse zu rechtsextremistischen und neonazistischen Gruppierungen in Baden-Württemberg wird auf die jährlichen Verfassungsschutzberichte des Landes verwiesen. Diese stehen unter dem Link: www.verfassungsschutz-bw.de/,Lde/Startseite/Service/Publikationen zur Verfügung. Darüber hinaus sind weitere Sachverhalte Gegenstand laufender Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Stuttgart, zu denen die Bundesregierung über keine eigenen Erkenntnisse verfügt. Die Bundesregierung nimmt im Übrigen zu Ländersachverhalten aufgrund der vom Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzordnung grundsätzlich keine Stellung . Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333