Deutscher Bundestag Drucksache 18/4596 18. Wahlperiode 13.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4471 – Ausweisungen im Jahr 2014 und Entwurf zur Reform des Ausweisungsrechts Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Fragen des Ausweisungsrechts sind immer wieder Gegenstand öffentlicher Debatten und gerichtlicher Entscheidungen. Der Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, erklärte in der Debatte des Deutschen Bundestages zu einem Entwurf der Bundesregierung eines „Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“: „Das bisherige System der Ausweisungen […] ist nur noch auf dem Papier klar. Unser Ausweisungsrecht ist durch europäisches Recht und die Rechtsprechung so durchlöchert, dass es praktisch kaum mehr handhabbar ist.“ (Plenarprotokoll 18/92). Das Problem ist schon lange bekannt, seit dem Jahr 2009 lagen Vorschläge der Länder zu einer Neuregelung vor, die von der Bundesregierung „geprüft“ wurden (Bundestagsdrucksache 17/10459, Antwort zu Frage 18). Der nun vorliegende Entwurf der Bundesregierung gibt das alte System von Tatbeständen, die schematisch entweder zwingend, im Regelfall oder nach Ermessen der Ausländerbehörden zu einer Ausweisung führen sollten, auf. Ersetzt werden soll es durch ein neues System, in dem einerseits einzelne Tatbestände (Straffälligkeit, Drogendelikte, extremistische Gesinnung etc.) ein „öffentliches Ausweisungsinteresse“, andererseits Belege für eine Verwurzelung in Deutschland ein „privates Bleibeinteresse “ begründen sollen. Zwischen beiden Interessensphären hat die Ausländerbehörde in Zukunft eine Abwägung zu treffen. Beibehalten und in der Systematik des Entwurfs verschärft werden sollen insbesondere solche Tatbestände , die bislang kaum oder gar nicht zu Ausweisungen geführt haben: die bisherigen Regelausweisungstatbestände, Verstöße gegen das Versammlungsgesetz , mögliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Nichtteilnahme oder falsche Angaben bei einer Sicherheitsbefragung und leitende Funktion in einem verbotenen Verein (§ 54 Absatz 4, 5, 5a, 6, 7 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG) sollen zukünftig ein „besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse“ begründen und damit ein höheres Gewicht erhalten, als nach der aktuellen Systematik. Die im Jahr 2008 unter großer öffentlicher AufDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 9. April 2015 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. merksamkeit eingeführten Ermessenstatbestände der „Integrationshemmung“ und der Nötigung zur Ehe sollen nun als „schwer wiegende Ausweisungsinteressen “, der die „Hassprediger“ erfassende Tatbestand als „besonders schwer wiegendes Ausweisungsinteresse“ gefasst werden (§ 55 Absatz 2 Satz 1 Num- Drucksache 18/4596 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode mer 9 bis 11 AufenthG). Für alle diese Tatbestände gilt, dass sie nur selten zur Anwendung gelangt sind oder die Bundesregierung dazu jedenfalls keine Angaben machen kann (Bundestagsdrucksachen 17/1367, Antwort zu Frage 12; 17/10459, Antwort zu Frage 13; 17/13782, Antwort zu Frage 13; 18/2279, Antwort zu Frage 10). 1. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2014) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist (bitte Ausweisungen der Jahre 2014, 2013 und 2012 gesondert angeben)? Zum Stichtag 31. Dezember 2014 waren im Ausländerzentralregister (AZR) 283 671 Ausländer mit einer Ausweisungsverfügung erfasst. Details können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. 2. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2014) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, differenziert nach Geschlecht? Von den zum Stichtag 31. Dezember 2014 erfassten 283 671 Personen waren 242 089 männlich und 41 508 weiblich. Bei 74 Personen war das Geschlecht nicht erfasst. 3. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2014) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, differenziert nach Alter (in den Schritten 0 bis 13 Jahre, 14 bis 17 Jahre, 18 bis 21 Jahre, 22 bis 26 Jahre, 27 bis 35 Jahre, 36 bis 60 Jahre, 60 Jahre und älter)? Die Angaben können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. insgesamt 283 671 darunter 2012 4 328 2013 3 904 2014 3 242 Altersgruppe Personen 0–13 Jahre 98 14–17 Jahre 146 18–21 Jahre 947 22–26 Jahre 4 729 27–35 Jahre 33 055 36–60 Jahre 161 060 61 Jahre und älter 83 596 unbekanntes Alter 20 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4596 4. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2014) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, differenziert nach Bundesländern (bitte für Ausweisungen der Jahre 2013 und 2014 eine gesonderte Auflistung nach Bundesländern machen)? Die Angaben können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. 5. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2014) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, differenziert nach den 15 wichtigsten Herkunftsstaaten (bitte für die Ausweisungen des Jahres 2014 eine gesonderte Auflistung machen)? Die Angaben können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Die unter der Bezeichnung „Jugoslawien (ehem.)“ gezählten Personen waren zum Stichtag 31. Dezember 2014 im AZR noch unter dieser alten Staatenbezeichnung erfasst. Bundesland insgesamt 2014 2013 Baden-Württemberg 41 825 600 639 Bayern 42 663 626 634 Berlin 23 513 185 258 Brandenburg 2 377 16 28 Bremen 2 938 16 28 Hamburg 20 759 126 143 Hessen 43 926 553 777 Mecklenburg-Vorpommern 754 4 5 Niedersachsen 17 249 180 173 Nordrhein-Westfalen 59 204 586 758 Rheinland-Pfalz 8 996 54 83 Saarland 1 375 45 25 Sachsen 10 135 169 216 Sachsen-Anhalt 2 402 29 50 Schleswig-Holstein 3 645 47 73 Thüringen 1 910 6 14 Gesamt 283 671 3 242 3 904 Ausweisungsverfügungen Gesamt 283 671 darunter Türkei 52 766 Jugoslawien (ehemals) 31 709 Ukraine 12 596 Marokko 9 130 Drucksache 18/4596 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Italien 8 682 Russische Föderation 6 506 Indien 6 254 Kroatien 5 613 Pakistan 5 472 Algerien 5 329 Bosnien und Herzegowina 5 121 Serbien 4 917 Nigeria 4 831 Libanon 4 132 Kolumbien 3 982 Ausweisungsverfügungen Jahr 2014 3 242 darunter Türkei 370 Serbien 315 Albanien 207 Kosovo 200 Bosnien und Herzegowina 139 Georgien 127 Mazedonien 126 Marokko 122 Nigeria 99 Ukraine 94 Algerien 93 Ungeklärt 75 Indien 73 Tunesien 73 Russische Föderation 72 Vietnam 65 Ausweisungsverfügungen Gesamt 283 671 darunter Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4596 6. Über welchen Aufenthaltsstatus verfügten Ausländerinnen und Ausländer laut Ausländerzentralregister (zum Stand 31. Dezember 2014), gegen die eine noch nicht wirksame Ausweisungsverfügung ergangen ist? Zum Auswertungsstichtag 31. Dezember 2014 waren im AZR 26 591 in Deutschland aufhältige Personen mit einer Ausweisungsverfügung erfasst. Davon waren 1 626 Personen mit einem unbefristeten und 7 063 Personen mit einem befristeten Aufenthaltsrecht sowie 7 371 Personen mit einer Duldung und 415 Personen mit einer Gestattung gespeichert. 10 116 Personen waren ohne Aufenthaltsrecht oder mit einem Antrag auf einen gestellten Aufenthaltstitel erfasst . 7. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2014) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, differenziert nach befristet und unbefristet, und wie viele dieser Ausweisungen erfolgten in den Jahren 2012, 2013 und 2014? Die Angaben können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. 8. Wie viele Ausländerinnen und Ausländer, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, sind (mit Stand 31. Dezember 2014) im Ausländerzentralregister als „aufhältig“ bzw. „nicht aufhältig“ gespeichert (bitte bei den noch aufhältigen Personen nach Bundesländern, den 15 häufigsten Herkunftsstaaten und dem Jahr der Ausweisung differenzieren)? Wie viele Ausländerinnen und Ausländer sind (mit Stand 31. Dezember 2014) im Ausländerzentralregister gespeichert, gegen die eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, differenziert nach „noch nicht vollziehbar“, „sofort vollziehbar“ und „unanfechtbar“, und wie viele dieser Ausweisungen erfolgten in den Jahren 2012, 2013 und 2014? Von den 283 671 Personen mit Ausweisungsverfügung waren 26 591 als aufhältig und 257 080 als nicht aufhältig erfasst. Die weiteren Angaben können den nachfolgenden Tabellen entnommen werden. insgesamt 2012 2013 2014 Ausweisungsverfügungen 283 671 4 328 3 904 3 242 darunter Wirkung unbefristet 40 379 2 810 1 968 1 705 Wirkung befristet 243 292 1 518 1 936 1 537 Aufhältige mit Ausweisungsverfügung Personen Deutschland Gesamt 26 591 davon nach Bundesländern Baden-Württemberg 4 097 Bayern 2 953 Berlin 2 551 Brandenburg 236 Bremen 537 Drucksache 18/4596 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Hamburg 1 946 Hessen 3 279 Mecklenburg-Vorpommern 115 Niedersachsen 1 816 Nordrhein-Westfalen 6 266 Rheinland-Pfalz 750 Saarland 154 Sachsen 824 Sachsen-Anhalt 414 Schleswig-Holstein 461 Thüringen 192 Aufhältige mit Ausweisungsverfügung 26 591 darunter nach häufigsten Staatsangehörigkeiten Türkei 3 655 Serbien 1 649 Ungeklärt 1 343 Kosovo 997 Libanon 921 Kroatien 903 Nigeria 833 Marokko 775 Bosnien und Herzegowina 717 Algerien 694 Irak 661 Indien 622 Iran 557 Jugoslawien (ehemals) 548 Russische Föderation 534 Aufhältige mit Ausweisungsverfügung Personen Deutschland Gesamt 26 591 davon nach Bundesländern Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4596 9. Wie viele der Ausländerinnen und Ausländer, gegen die eine Ausweisungsverfügung erging, a) reisten freiwillig aus, Nach Angaben des AZR zum Stichtag 31. Dezember 2014 reisten 114 023 Personen , gegen die eine Ausweisungsverfügung erging, freiwillig aus. Darunter waren 1 744 Personen mit einer Ausweisungsentscheidung im Jahr 2013 und 1 381 Personen mit einer Ausweisungsentscheidung im Jahr 2014. b) wurden abgeschoben, und Nach Angaben des AZR zum Stichtag 31. Dezember 2014 wurden 143 049 Personen abgeschoben. Darunter waren 911 Personen mit einer Ausweisungsentscheidung im Jahr 2013 und 457 Personen mit einer Ausweisungsentscheidung gesamt 26 591 davon nach Jahr der Ausweisungsverfügung bis 1999 6 375 2000 1 227 2001 1 380 2002 1 423 2003 1 652 2004 1 649 2005 1 298 2006 1 479 2007 1 377 2008 1 283 2009 1 192 2010 1 202 2011 1 202 2012 1 200 2013 1 249 2014 1 403 insgesamt 2012 2013 2014 Ausweisungsverfügungen 283 671 4 328 3 904 3 242 davon noch nicht vollziehbar 25 894 580 662 857 sofort vollziehbar 55 258 1 482 1 068 933 unanfechtbar 202 519 2 266 2 174 1 452 im Jahr 2014. Drucksache 18/4596 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) konnten aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden (bitte Gründe benennen und bitte zum Stand 31. Dezember 2014 für Ausweisungen im Jahr 2013 und 2014 angeben)? Nach Angaben des AZR zum Stichtag 31. Dezember 2014 hatten 5 803 Personen mit Ausweisungsverfügung eine Duldung nach § 60a Absatz 2 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Darunter waren 373 Personen mit einer Ausweisungsentscheidung im Jahr 2013 und 269 Personen mit einer Ausweisungsentscheidung im Jahr 2014. Eine Differenzierung nach den einzelnen Gründen ist nicht möglich, da diese im AZR nicht gesondert erfasst werden. 10. Welche Erkenntnisse oder Einschätzungen liegen der Bundesregierung zu der Frage vor, gegen wie viele Ausländerinnen und Ausländer auf der Grundlage von § 54 Absatz 5, 5a, 6 und 7 AufenthG und § 55 Absatz 2 Satz 1 Nummer 9 bis 11 AufenthG seit Geltung der Regelungen eine Ausweisungsverfügung ergangen ist, und wie viele hiervon rechtskräftig wurden ? Dazu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 11. In wie vielen Fällen hat die Arbeitsgruppe „Statusrechtliche Begleitmaßnahmen “ (AG Status) im vergangenen Jahr eine Überwachungsanordnung nach § 54a AufenthG empfohlen, in wie vielen Fällen wurde dieser Empfehlung nach Kenntnis der Bundesregierung Folge geleistet, und wie viele Überwachungsanordnungen gab es insgesamt (bitte nach Jahren und Herkunftsstaat der Betroffenen aufschlüsseln)? Wie schon in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/2279 vom 5. August 2014 wird zunächst auf die Vorbemerkung auf Bundestagsdrucksache 17/13782 vom 6. Juni 2013 zur Arbeitsweise der AG Status und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Beantwortung der Frage verwiesen. Eine Gesamtstatistik zu Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG wird auf Bundesebene nicht geführt. Die der AG Status vorliegenden Daten zu dort behandelten Fällen, bei denen Überwachungsmaßnahmen nach § 54a AufenthG angeordnet wurden, können der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Überwachungsmaßnahmen insgesamt 20 davon nach Staatsangehörigkeit der Betroffenen ägyptisch 1 algerisch 2 irakisch 3 jordanisch 2 syrisch 1 tunesisch 3 türkisch 4 ungeklärt 4 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4596 12. In wie vielen Fällen hat die AG Status im vergangenen Jahr eine Abschiebungsanordnung ohne vorherige Ausweisung nach § 58a AufenthG empfohlen , in wie vielen Fällen wurde dieser Empfehlung nach Kenntnis der Bundesregierung Folge geleistet, und wie viele Abschiebungsanordnungen gab es insgesamt (bitte nach Jahren und Herkunftsstaat der Betroffenen aufschlüsseln)? Es wird zunächst auf die Vorbemerkung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/ 13782 vom 6. Juni 2013 zur Arbeitsweise der AG Status und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Beantwortung der Frage verwiesen. Eine Gesamtstatistik zu Maßnahmen nach § 58a AufenthG wird auf Bundesebene nicht geführt. Aus dem Jahr 2014 ist der Bundesregierung keine Anordnung nach § 58a AufenthG bekannt. 13. In wie vielen Fällen hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im vergangenen Jahr auf Empfehlung der AG Status ein Widerrufs - bzw. Rücknahmeverfahren gegen eine Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung eingeleitet (bitte nach Jahren, Staatsangehörigkeit der Betroffenen und Ausgang des Verfahrens aufschlüsseln)? Es wird zunächst auf die Vorbemerkung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/ 13782 vom 6. Juni 2013 zur Arbeitsweise der AG Status und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Beantwortung der Frage verwiesen. Der AG Status liegen folgende Daten zu den dort behandelten Widerrufs- und Rücknahmeverfahren vor: Widerrufs- bzw. Rücknahmeverfahren insgesamt 42 bereits rechts- bzw. bestandskräftig abgeschlossene Verfahren 39 davon Staatsangehörigkeit der Betroffenen afghanisch 2 ägyptisch 1 algerisch 12 irakisch 10 jordanisch 4 libysch 3 syrisch 1 tunesisch 1 türkisch 3 ungeklärt 2 noch rechtsanhängige Verfahren 1 davon Staatsangehörigkeit der Betroffenen tunesisch 1 Einleitung Widerrufsverfahren in Prüfung 2 davon Staatsangehörigkeit der Betroffenen marokkanisch 1 russisch 1 Drucksache 18/4596 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 14. Wie weit sind Bemühungen von Bund und Ländern mittlerweile gediehen, für die knapp eine halbe Million als unbefristet erlassenen Einreiseverbote ein „Bereinigungsverfahren“ (s. Bundestagsdrucksache 18/249, Frage 10) durchzuführen? Bundesweit wurde ein Bereinigungsverfahren durchgeführt, wodurch alle Einreiseverbote , die älter als fünf Jahre alt sind (d. h. in der Regel unbefristet verhängte Einreiseverbote), von Amts wegen befristet wurden (Stichtag 30. Mai 2014), mit der Folge, dass diese Einreiseverbote in der weit überwiegenden Zahl der Fälle aufgrund Zeitablaufs keine Geltung mehr beanspruchen. Insgesamt konnten 521 628 Sachverhalte nachträglich befristet werden. Ausgenommen wurden nur sog. historische Einreise- und Aufenthaltsverbote, bei denen von dem betroffenen Ausländer nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden nach wie vor eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (§ 11 Absatz 1 Satz 7 AufenthG). Da sich das Bereinigungsverfahren bislang nur auf die Fälle erstreckt hat, bei denen das Einreiseverbot am 30. Mai 2014 älter als fünf Jahre war, konnte noch keine vollständige Bereinigung aller Sachverhalte bzw. Altfälle erreicht werden. Fälle, in denen das Einreiseverbot erst nach dem Stichtag die Fünfjahresgrenze überschritten hat bzw. überschreitet, waren dadurch noch nicht erfasst. In den kommenden Monaten ist geplant, in einem nächsten Schritt all die Fälle in einen zweiten Bereinigungsdurchgang einzubeziehen, bei denen ein unbefristetes Einreiseverbot noch besteht, da sie wegen des Nichterreichens der Fünfjahresgrenze nicht Gegenstand des ersten Bereinigungsdurchgangs waren. 15. Aus welchen Gründen hat sich die Bundesregierung dazu entschieden, die aktuell noch in § 54 Absatz 4, 5, 5a, 6 und 7 sowie in § 55 Absatz 1 Satz 2 Nummer 9 bis 11 AufenthG enthaltenen Ausweisungsgründe als Tatbestände eines „besonders schwerwiegenden“ oder „schwerwiegenden“ „öffentlichen Ausweisungsinteresses“ so auszugestalten, dass sie bei Ausweisungsentscheidungen künftig stärker ins Gewicht fallen könnten als bislang? Durch die typisierende Beschreibung schwerwiegender und besonders schwerwiegender Ausweisungsinteressen sollen die Ausweisungsinteressen gesetzlich konkretisiert und gewichtet werden. Ob die unter die jeweiligen Tatbestände zu subsumierenden Verhaltensweisen häufig vorkommen, ist dabei nicht entscheidend . Ob die Einordnung bestimmter Verhaltensweisen als schwerwiegendes oder besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse dazu führt, dass diese Verhaltensweisen künftig stärker ins Gewicht fallen als bislang, bleibt abzuwarten . Auch die bisherige Stufensystematik enthielt eine gesetzliche Gewichtung, die in die Abwägung im Einzelfall einzubeziehen war. 16. Wie wird im Rahmen des neuen Ausweisungsrechts sichergestellt, dass die vom Europäischen Gerichtshof verlangte Prognose über die zukünftige Verübung von Straftaten in die Abwägung der Ausländerbehörde einfließt ? Soweit der Europäische Gerichtshof (EuGH) für bestimmte Gruppen von Ausländern entschieden hat, dass diese nur aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden dürfen, wird dem durch § 53 Absatz 3 AufenthG-E Rechnung getragen , der bestimmt, dass die dort bezeichneten Gruppen von Ausländern nur dann ausgewiesen werden dürfen, wenn das persönliche Verhalten des Betroffenen (Spezialprävention) gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öf- fentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesell- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/4596 schaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. 17. Welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung dagegen, die Neuregelung des Ausweisungsrechts zum Anlass zu nehmen, Ausweisungen auf Fälle einer gegenwärtigen schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu begrenzen, statt nun erneut eine Regelung zu schaffen, die nach Auffassung der Fragesteller in ihren praktischen Folgen weder für die Rechtsanwender noch die Betroffenen kalkulierbar und vorhersehbar sind, also die bestehende Unsicherheit in diesem Regelungsbereich aufrechterhalten? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass eine Ausweisung nach wie vor grundsätzlich auch zum Zwecke der Generalprävention sinnvoll und erforderlich ist. Durch die vorgesehene umfassende Abwägung der Interessen an einer Ausweisung mit den Interessen des Ausländers am weiteren Verbleib im Bundesgebiet unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls wird sichergestellt , dass die Interessen der Betroffenen angemessen berücksichtigt werden. Soweit darüber hinaus bei bestimmten Gruppen von Ausländern nach der Rechtsprechung des EuGH die Ausweisung nur bei einer gegenwärtigen schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zulässig ist, wird dem durch § 53 Absatz 3 AufenthG-E Rechnung getragen (siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 16). Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333