Deutscher Bundestag Drucksache 18/4605 18. Wahlperiode 13.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Steffi Lemke, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4476 – Nutzung und Schutz der arktischen Gewässer Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Arktis ist eines der empfindlichsten Ökosysteme der Erde. Die Folgen des Klimawandels sind in der Arktis verstärkt spürbar und schon heute unübersehbar . Durch die fortschreitende Erderwärmung schmilzt das Eis in der Arktis stetig ab, in der Folge entstehen neue Zugangsmöglichkeiten zu arktischen Ressourcen wie Gas, Öl und Fischgründen. Vorhaben zur verstärkten wirtschaftlichen Nutzung der Arktis durch industrielle Fischerei, Rohstoffabbau, verkürzte Schifffahrtsrouten und Energieerzeugung gefährden das arktische Ökosystem zusätzlich. Aufgrund stärker abschmelzenden Eises in den Sommermonaten ist inzwischen zeitweise Schifffahrt entlang der Nordostpassage eingeschränkt möglich. Schifffahrtsrouten über arktische Gebiete eröffnen zwar Chancen für die Schifffahrt, sie sind jedoch mit sehr großen Risiken verbunden. Die Risiken, die insgesamt durch eine verstärkte wirtschaftliche Nutzung entstanden sind und noch entstehen werden, sind nicht absehbar und noch nicht ausreichend erforscht. Um Eingriffe zu vermeiden und mögliche Folgen abzuschätzen und ihnen vorzubeugen , müssen Schutzgebiete in der Arktis ausgewiesen und klare internationale Regelungen getroffen werden. Es haben sich die Bundesregierung hat zwar in ihrem Koalitionsvertrag (Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Wahlperiode, S. 84) sowie die Bundeskanzlerin bei der Eröffnung der Arctic Circle Conference für einen größeren Schutz der Arktis, etwa über die Ausweisung von Schutzgebieten, ausgesprochen – Maßnahmen auf dem Weg dorthin wurden bisher jedoch nicht definiert. 1. a) Welche international anerkannten Gremien beschäftigen sich nach Kenntnis der Bundesregierung ausschließlich mit dem Gebiet der ArkDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 9. April 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. tis, und welche Staaten arbeiten in diesen Gremien ständig mit? Der Arktische Rat ist das maßgebliche die gesamte Arktis umfassende internationale politische Forum. Mitglieder sind die acht Staaten mit Staatsgebiet nördlich des Polarkreises sowie Vertreter indigener Völker als Ständige Teilnehmer. Drucksache 18/4605 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Deutschland hat neben anderen Staaten einen Beobachterstatus im Arktischen Rat und ist mit Experten in mehreren Arbeitsgruppen des Arktischen Rates vertreten. Eine vollständige Liste der Mitglieder und Beobachter (Staaten und Organisationen) im Arktischen Rat findet sich unter www.arctic-council.org. b) Welche informellen Gremien oder Konferenzen, die sich vor allem mit der Arktis beschäftigen, sind der Bundesregierung bekannt, und in welchen Gremien arbeitet(e) sie mit, bzw. an welchen Konferenzen nimmt bzw. nahm sie teil? Etabliert haben sich die jährlichen internationalen politischen Konferenzen Arctic Frontiers (Januar, Tromsö/Norwegen) und Arctic Circle (Oktober/ November, Reykjavik/Island), an denen Vertreter der Bundesregierung wiederholt teilnahmen. Weiterhin gibt es eine Vielzahl wissenschaftlicher Konferenzen zur Arktis, an denen auch regelmäßig Wissenschaftler aus Deutschland teilnehmen. 2. a) Durch welche Maßnahmen wird die Bundesregierung den Koalitionsvertrag umsetzen, in dem es heißt „Union und SPD unterstützen die Einrichtung von Schutzgebieten in Arktis und Antarktis“? Deutschland unterstützt intensiv den Prozess des Übereinkommens über biologische Vielfalt (CBD) zur Identifizierung von ökologisch und biologisch bedeutsamen Meeresgebieten (ecologically and biologically sgnificant areas – EBSAs) in allen Weltmeeren. Auf der zwölften Vertragsstaatenkonferenz der CBD konnten EBSAs für die arktischen Meeresgebiete zur Aufnahme in die CBD-Datenbank angenommen werden. Diese Daten können als wichtige Informationsgrundlage für zukünftige Schutzgebietsplanungen herangezogen werden. Die Bundesregierung setzt sich im Rahmen von OSPAR (Oslo-Paris-Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks) intensiv dafür ein, dass der Anteil der im Konventionsgebiet liegenden hohen Arktis als OSPAR-Meeresschutzgebiet ausgewiesen wird. Des Weiteren setzt sich die Bundesregierung – in Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union – aktiv für die Ausarbeitung eines Durchführungsabkommens im Rahmen des VN-Seerechtsübereinkommen zum Schutz der Biodiversität jenseits nationaler Hoheitsgewalt (BBNJ) ein, welches die Einrichtung von Meeresschutzgebieten auf Hoher See umfassen soll. Konkret unterstützt Deutschland die Arbeiten innerhalb der Antarktis-Vertragsstaatenkonferenz (ATCM) zur Ausweisung weiterer „Besonders geschützter Gebiete der Antarktis“ (Antarctic Specially Protected Areas, ASPAs) und „Besonders verwalteter Gebiete der Antarktis“ (Antarctic Specially Managed Areas, ASMAs), um langfristig ein umfassendes, kohärentes Netzwerk von Schutzgebieten innerhalb des antarktischen Regelwerks zu schaffen. Im Rahmen des Übereinkommens über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (Convention on the Conservation on Antarctic Marine Living Resources, CCAMLR) wurde im Jahr 2009 das erste Meeresschutzgebiet in der Antarktis, South Orkney Islands Southern Shelf, eingerichtet. Weitere Meeresschutzgebiete in der Ostantarktis und im Rossmeer werden diskutiert. Von deutscher Seite aus wird derzeit der Vorschlag für das Meeresschutzgebiet „Weddellmeer“ erarbeitet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4605 b) Durch welche weiteren Maßnahmen wird die Bundesregierung den Schutz der Arktis sicherstellen? Allgemein setzt sich die Bundesregierung für die Erschließung neuer Schifffahrtswege in der Arktis sowie für die freie Durchfahrt von Schiffen in arktischen Gewässern unter Beachtung von hohen Sicherheits- und Umweltstandards ein. Sie befürwortet insbesondere vorbeugende und effektive multilaterale Maßnahmen zum Schutz vor Ölverschmutzung dieser ökologisch besonders sensiblen Region, z. B. hervorgerufen durch Schiffsbetrieb oder nicht auszuschließende Havarien. Deutschland setzt sich ferner dafür ein, dass bestehende Schifffahrtsregeln sowie die Sicherheits- und Umweltstandards der Internationalen SeeschifffahrtsOrganisation (IMO) für Schiffe aller Flaggen gleich verbindlich umgesetzt werden . Gleichzeitig ist es notwendig, die Sicherheits- und Umweltstandards der IMO kontinuierlich zu überprüfen und für die polaren Regionen anzupassen (Polar Code), um den besonderen Herausforderungen in der Arktis gerecht zu werden. Die Bundesregierung setzt sich zudem in der IMO für eine verbesserte Seeüberwachung und den Ausbau der Infrastruktur sowie Seenotrettung in der Arktis ein. Die Leitlinien deutscher Arktispolitik aus dem Jahr 2013 heben die Bedeutung des nachhaltigen Arktis-Tourismus hervor, für den höchste Sicherheits- und Umweltstandards gelten müssen. Dazu zählen insbesondere die Erhöhung der Sicherheit von Kreuzfahrtschiffen, bessere Streckenführung und Beschränkung des Zugangs zu stark gefährdeten Gebieten und die Förderung des umweltverträglichen Tourismus unter Einbeziehung der lokalen Gemeinschaften. 3. Welche Auffassung hat die Bundesregierung zur EU-Strategie für die Arktis , und inwieweit unterstützt sie die aktuelle Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. März 2015 zur EU-Strategie für die Arktis? Die Bundesregierung begrüßt, dass die Europäische Union eine strategische Politik für die Arktis entwickelt. In diesem Zusammenhang begrüßt sie auch die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. März 2014. 4. Plant die Bundesregierung eine Überarbeitung der im Jahr 2013 verabschiedeten Leitlinien deutscher Arktispolitik? Wenn ja, mit welchem Ziel? Wenn nein, warum nicht? Eine Überarbeitung der Leitlinien deutscher Arktispolitik ist derzeit nicht vorgesehen , da ihre Grundaussagen weiterhin aktuell sind. 5. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, einen dem Antarktisvertrag aus dem Jahr 1959 vergleichbaren Arktisvertrag auszuhandeln, um die wirtschaftliche Ausbeutung und die damit einhergehende Verschmutzung des arktischen Meeres durch die Anrainerstaaten zu verhindern? Ein dem Antarktisvertrag vergleichbarer Arktisvertrag ist nicht Gegenstand der Überlegungen der Bundesregierung, da die Antarktis ein hoheitsfreier Raum ist, während die Landgebiete der Arktis unter die territoriale Souveränität der Anrainer-Staaten fallen. Drucksache 18/4605 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Mit welchen konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung die Äußerung der Bundeskanzlerin „Umweltschäden wirken sich im sensiblen arktischen Ökosystem langfristiger als anderswo aus. Die Folgen eines Umweltunfalls lassen sich viel schwerer unter Kontrolle bringen, umso wichtiger ist das Vorsorgeprinzip als Richtschnur der Arktispolitik.“ (Grußwort der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zum Artic Circle Assembly am 30. Oktober 2014 (www.vimeo.com/110566843?utm_campaign=bafd85fcf7-Arctic_ Declaration_signatories_BKM9_19_2014&utm_medium=email&utm_ source=Arctic+Declaration+signatories&utm_term=0_d04c606040- bafd85fcf7-205541541) umsetzen? Für Fragen des internationalen Schiffsverkehrs in der Arktis ist die IMO das maßgebliche Gremium multilateraler Kooperation. Weil nur die Verhandlungen in der IMO auf weltweit verkehrende Schiffe wirken, setzt die Bundesregierung darauf, die erforderlichen Themen hier einzubringen. Der Polar Code (voraussichtliches Inkrafttreten im Jahr 2017), dessen Konzept auf einem deutschen Vorschlag beruht und den die Bundesregierung unterstützt, beinhaltet zur Vorsorge vor Schiffsunfällen in polaren Gebieten neben Regelungen zur Konstruktion von Schiffen, zu Sicherheitsstandards und zur Qualifikation der Mannschaften auch ein Umweltschutzkapitel. Mit einem „Polar Ship Certificate“ wird belegt, dass Schiffe ihrer Bauweise nach den Gefahren polarer Gewässer standhalten können. Im Hinblick auf die Verschmutzungsverhütung im Gebiet der Arktis enthält der Polar Code neue verbindliche Regelungen, die in das MARPOL-Abkommen (International Convention for the Prevention of Pollution From Ships) integriert werden. Die Bundesregierung setzt sich weiter aktiv in der Umsetzung des Polar Code der IMO für zusätzliche Maßnahmen ein, die als besondere Vorsorge für die Seegebiete mit kalten und sensiblen Ökosystemen in der Arktis und der Antarktis gelten. Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 29 verwiesen. Darüber hinaus ist Deutschland in der Arbeitsgruppe Emergency Prevention, Preparedness and Response Working Group (EPPR) des Arktischen Rates vertreten und bringt dort seine nationale Expertise ein. Auf die Antwort zu Frage 28 wird verwiesen. Die Bundesregierung trägt durch die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien im Rahmen ihrer Förderprogramme zu den Möglichkeiten einer verantwortlichen Nutzung der Arktis durch die Schifffahrt bei. Dabei bleibt die ausschließliche Pflicht der Anrainerstaaten der Arktis, bei Umweltunfällen in der Arktis konkrete Maßnahmen einzuleiten, unbeschadet. 7. Mit welchen konkreten Maßnahmen plant die Bundesregierung, ihren Beitrag zur aktiven Arktispolitik auszuweiten? Die Bundesregierung gestaltet ihre Rolle im Arktischen Rat im Rahmen der Möglichkeiten eines Beobachterstaates durch aktive Teilnahme an Sitzungen und Entsendung von Experten in die Arbeitsgruppen des Arktischen Rates. Im Rahmen der bilateralen Beziehungen zu arktischen Staaten werden auch Arktis-Themen aktiv angesprochen. Mit dem Polar Code, den die Bundesregierung unterstützt, werden die SOLAS- (International Convention for the Safety of Life at Sea) und die MARPOLBestimmungen gestärkt. Die deutsche Arktisforschung mit ihren internationalen Kooperationen trägt zur Erforschung des arktischen Ökosystems und zur Entschlüsselung des Klimageschehens in der Arktis bei und wird international als wesentlicher deutscher Beitrag anerkannt. Deutschland unterhält gemeinsam mit Frankreich auf Spitz- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4605 bergen eine Arktisforschungsstation. Das Alfred-Wegener-Institut, das Helmholtz -Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und die in den Polarregionen forschenden Universitäten untersuchen die Meereisentwicklung und die Biodiversität, den Klimawandel sowie ozeanographische, biologische und geologische Veränderungen in den Polarregionen. Die Geodynamik der Randbereiche des Nordpolarmeers wird von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe untersucht. Die Bundesregierung unterstützt auch das in Potsdam beheimatete Sekretariat des internationalen Arktischen Wissenschaftskomitees (IASC), dem führenden Zusammenschluss aller Staaten und Wissenschaftsorganisationen , die in der Arktis Wissenschaft betreiben. Neben der Forschungsförderung investiert Deutschland erhebliche Fördermittel gezielt in den Klimaschutz und in die Entwicklung erneuerbarer Energietechnik und effizienter Energiesystemtechnik – dies kommt langfristig auch der Region Arktis zugute. 8. a) Welche Gebiete in der Arktis plant die Bundesregierung unter besonderen Schutz zu stellen? Die Bundesregierung kann als solche keine Schutzgebiete in der Arktis ausweisen , setzt sich jedoch nachdrücklich für die Ausweisung von Schutzgebieten im Rahmen internationaler Übereinkommen ein. Für den im Gebiet des OSPARÜbereinkommens liegenden Teil der Arktis liegt ein Vorschlag des World Wide Fund for Nature zur Ausweisung der „Arctic Ice High Seas“ als OSPAR-Meeresschutzgebiet vor, den Deutschland zusammen mit anderen Vertragsstaaten unterstützt. Des Weiteren setzt sich die Bundesregierung (in Zusammenarbeit mit den anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union) aktiv für die Ausarbeitung eines Durchführungsabkommens zum VN-Seerechtsübereinkommen zum Schutz der Biodiversität jenseits nationaler Hoheitsgewalt (BBNJ) ein. Auf die Antwort zu Frage 2a wird verwiesen. b) Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung sicherstellen , dass das Abschmelzen des arktischen Meereises verhindert bzw. verlangsamt wird? Der Rückgang des arktischen Meereises ist zuvörderst ein Effekt der globalen Erwärmung. Dem Abschmelzen des arktischen Meereises aufgrund der Erderwärmung ist vor allem durch die Reduktion der globalen Treibhausgasemissionen entgegenzuwirken. Die Bundesregierung setzt sich in den internationalen Klimaverhandlungen unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) für ambitionierten Klimaschutz und die Begrenzung des weltweiten Temperaturanstieges ein. Dies soll in einem neuen internationalen Klimaschutzabkommen münden, welches nach dem Jahr 2020 in Kraft treten und alle Staaten zu ambitioniertem Klimaschutz verpflichten soll. Auf nationaler Ebene hat die Bundesregierung mit dem Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 ihren Anspruch an eine verantwortungsvolle Klimapolitik untermauert. Darüber hinaus begleitet und unterstützt die Bundesregierung die internationale Initiative zur Reduzierung kurzlebiger Klimagase (CCAC – Climate and Clean Air Coalition). Unter anderem widmet sich diese Initiative der Eindämmung des Rußausstoßes. Neben den Klimaschutzaspekten dieser Maßnahme ist die Rußbekämpfung für den Schutz des arktischen Meereises besonders relevant, da Rußablagerungen auf der Eis- oder Schneeoberfläche die Albedo (das Reflexionsvermögen ) beeinflussen und damit das Abschmelzen des Meereises beeinflussen . Drucksache 18/4605 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Weiterhin investiert die Bundesregierung erhebliche Fördermittel gezielt in die Forschungsförderung für den Klimaschutz und in die Entwicklung erneuerbarer Energietechnik und effizienter Energiesystemtechnik. 9. In welchem Stadium befinden sich Verhandlungen zu transnationalen Schutzgebieten im Gebiet der Arktis? Der in der Antwort zu Frage 8a genannte Schutzgebietsvorschlag „Arctic High Seas MPA“ konnte mangels Unterstützung durch einzelne OSPAR-Vertragsstaaten in der diesjährigen OSPAR-Kommissionssitzung nicht vorgelegt werden. Der Vorschlag wird daher im Laufe des Jahres weiter ausgearbeitet und soll im Jahr 2016 auf internationaler Ebene abgestimmt werden. Darüber hinaus sind der Bundesregierung keine solchen Verhandlungen bekannt. 10. a) Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die von Greenpeace vorgeschlagene Schutzgebietskulisse für die Hohe Arktis? b) Wird sich die Bundesregierung für dieses Szenario einsetzen? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 10a und 10b werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Nach Kenntnis der Bundesregierung beschäftigt sich der Arktische Rat als maßgebliches internationales politisches Forum derzeit nicht mit diesem oder vergleichbaren Vorschlägen für großflächige Schutzgebiete in der Hohen Arktis, da eine breite Mehrheit sowohl der Mitgliedstaaten als auch der Vertreter der indigenen Völker solche Vorschläge ablehnen. Die Bundesregierung hat jedoch aktiv daran mitgewirkt, dass sich keiner der Mitgliedstaaten des Arktischen Rats dem im Januar 2015 erzielten Konsens der internationalen Staatengemeinschaft verschlossen hat, der 69. VN-Generalversammlung eine Resolution über die Aufnahme von Verhandlungen über ein Durchführungsübereinkommen im Rahmen des VN-Seerechtsübereinkommens zum Schutz der BBNJ zu empfehlen (sog. BBNJ-Prozess). Auf die Antwort zu Frage 8a wird verwiesen. 11. Wird sich die Bundesregierung für ein Moratorium gegen industrielle Aktivitäten in der Arktis einsetzen, bis ein rechtsverbindliches übergeordnetes Rahmenwerk verabschiedet ist, das den Schutz des Ökosystems und der in der Arktis lebenden Menschen gewährleistet? Große Teile der Arktis unterliegen der territorialen Souveränität der AnrainerStaaten . Im Arktischen Rat sind auch Vertreter der indigenen Völker Mitglied. Eine Initiative für ein mögliches Moratorium müsste nach Auffassung der Bundesregierung von den Anrainer-Staaten der Arktis oder dem Arktischen Rat ausgehen . Eine solche Initiative ist derzeit nicht erkennbar. 12. Hat die Bundesregierung Kenntnis über europäische Fischereiflotten, die in der Arktis fischen (bitte auflisten)? Die Fischerei in arktischen Gewässern, soweit sie nicht zu den Ausschließlichen Wirtschaftszonen der Anrainer-Staaten Norwegen, Russland, USA, Kanada, Dänemark (für Grönland und die Färöer) sowie Island gehören und von diesen bewirtschaftet werden, wird im Nordostatlantik durch die Nordostatlantische Fischereikommission (NEAFC) geregelt. Im Rahmen der durch die NEAFC beschlossenen Quoten üben ihre Vertragsparteien Norwegen, Dänemark (für Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4605 Grönland und die Färöer), Russland, die EU und Island in arktischen Gewässern Fischerei aus. 13. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der Fragesteller, dass der Bereich des arktischen Meeres, der historisch mit Eis bedeckt war, von der Industriefischerei frei bleiben muss (bitte begründen)? Die Bewirtschaftung von Fischereiressourcen muss sich an dem Grundsatz der Nachhaltigkeit und an dem Vorsorgeansatz orientieren, wie er in der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) der EU seinen Niederschlag gefunden hat. Dies gilt gerade und besonders für empfindliche Gewässer wie die Arktis. Dies schließt eine Nutzung von Fischereiressourcen in Gewässern, die derzeit von Eis bedeckt sind oder früher von Eis bedeckt waren, nicht grundsätzlich aus, sofern die genannten erforderlichen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Nutzung , einschließlich der in EU-Recht zu überführenden NEAFC-Regelungen, erfüllt sind. Sofern für derartige Gebiete noch kein internationaler Regelungsrahmen besteht, hat sich der Rat der Europäischen Union schon im Jahr 2009 dafür ausgesprochen, vorläufig in diesen Gebieten keine neuen Fischereien zu entwickeln. Die Bundesregierung wird sich dafür einsetzen, dass die Fischerei in diesen sensiblen Gebieten anhand der o. a. Grundsätze sowie konkret erhobener Daten gesteuert und gemanagt wird. Weiterhin sind nach Auffassung der Bundesregierung „historische“ Grenzen nicht dazu geeignet, Schutzgebiete für das Fischereimanagement abzugrenzen, da sie in der Praxis nicht exakt festzustellen sind und solche Abgrenzungen nach aktuellen Erkenntnissen erfolgen sollten. 14. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Rahmen der OSPARKonferenz zur Entwicklung eines Netzwerks von Meeresschutzgebieten außerhalb der Wirtschaftszone der Anrainerstaaten der Arktis? Auf die Antwort zu den Fragen 8a und 9 wird verwiesen. 15. Plant die Bundesregierung im Jahr 2015 bzw. darüber hinaus, internationale Konferenzen zum Schutz der Arktis auszurichten, wie zuletzt am 21. März 2013? Wenn ja, wann, und wenn nein, warum nicht? Die Ausrichtung eigener internationaler Konferenzen ist – neben anderen Aktivitäten wie politischen Konsultationen, der Teilnahme an Konferenzen im Ausland und der aktiven Ausgestaltung der deutschen Beobachterrolle im Arktischen Rat – nur eine unter mehreren Möglichkeiten, in der Arktispolitik aktiv zu werden. Derzeit plant die Bundesregierung keine internationale Konferenz zur Arktis. 16. Wird sich die Bundesregierung für eine internationale Vereinbarung über den Schutz der bisher unregulierten Gewässer des zentralen nördlichen Eismeers einsetzen? Auf die Antwort zu den Fragen 2a, 8a und 10 wird verwiesen. Drucksache 18/4605 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 17. Wie teilen sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Gebietsansprüche aktuell zwischen den Anrainerstaaten der Arktis auf (Fläche in km2 je Land)? Die Aufteilung der offenen Ansprüche zwischen den Anrainer-Staaten der Arktis ist der Bundesregierung nicht bekannt. Bis auf die USA haben alle AnrainerStaaten bei der VN-Festlandsockelgrenzkommission Anträge auf einen erweiterten Festlandsockel gestellt. Bislang ist nur der Antrag Norwegens (positiv) beschieden worden (im Jahr 2009). Beim (erweiterten) Festlandsockel handelt es sich allerdings nicht um klassische „Gebietsansprüche“. 18. a) Von welchen möglichen Gebieten zur Erdöl- bzw. Erdgasförderung in arktischen Gebieten hat die Bundesregierung Kenntnis, und inwieweit unterstützt sie eine Förderung in diesen Gebieten (bitte betroffene Nationen bzw. beanspruchte Gebiete getrennt nach Rohstoffen nennen)? Nach Untersuchungen des US-amerikanischen geologischen Dienstes aus dem Jahr 2008 werden rund 30 Prozent der weltweiten bislang unentdeckten Ressourcen an Erdgas und rund 13 Prozent an Erdöl nördlich des Polarkreises in den arktischen Gebieten von Norwegen, Dänemark (Grönland), Russland, den USA (Alaska) sowie Kanada erwartet. Der Großteil der noch unentdeckten Felder wird in den flachen Schelfbereichen des arktischen Ozeans in Wassertiefen kleiner als 500 Meter und damit in den Hoheitsgebieten bzw. ausschließlichen Wirtschaftszonen der Anrainerstaaten vermutet. Im US-amerikanischen Teil der Arktis konzentrieren sich die Aktivitäten zur Erdöl- und Erdgas-Förderung vor allem auf den Bereich North Slope im nördlichen Alaska. In der kanadischen Arktis werden dem Mackenzie-Delta und dem Sverdrup-Becken ein großes Erdgaspotenzial zugeschrieben. In Grönland haben Explorationsaktivitäten noch zu keinem Nachweis über kommerzielle Erdölund Erdgasvorkommen geführt. In der Barentssee (Norwegen und Russland) gab es seit den 80er-Jahren eine Reihe von Neufunden, sodass hier weitere Projekte zur Erdöl- und Erdgasförderung möglich sind. In der Russischen Föderation schreitet die Exploration im westsibirischen Becken und in der Timan-Petschorasee voran. Die Schelfgebiete der sibirischen Arktis (Karasee, Laptewsee, Westsibirische See und Tschuktschensee; alle Russland) gehören zu den am wenigsten erforschten Regionen der Erde, in denen aber grundsätzlich mit Erdöl- und Erdgasressourcen zu rechnen ist. Es bestehen Investitionsgarantien des Bundes zur Absicherung gegen politische Risiken für ein Projekt von Wintershall zur Förderung von Erdgas aus der Achimov-Formation in Russland (Joint Venture mit Gazprom). Vor der Garantieübernahme erfolgte eine Umweltprüfung auf Grundlage der einschlägigen Weltbankrichtlinie. Nach den Garantiebedingungen muss Wintershall regelmäßig über die Einhaltung der Weltbankrichtlinie berichten. b) Von welchen konkreten Projekten zur Förderung von Erdöl bzw. Erdgas in arktischen Gebieten hat die Bundesregierung Kenntnis (bitte beteiligte Mineralölgesellschaften sowie Nationen getrennt nach Rohstoffen nennen)? Aktivitäten zur Förderung von Erdöl bzw. Erdgas in der Arktis erfolgen v. a. im nördlichen Alaska (USA), in der Barentssee (Norwegen und Russland), im Timan-Petschora-Becken und in Westsibirien (Russland). In der Barentssee, etwa 140 Kilometer nordwestlich von Hammerfest, erfolgt durch Statoil die gegenwärtig einzige Offshore-Förderung im norwegischen Sektor der Arktis, und zwar im Gasfeld Snøhvit. Die DEA Deutsche Erdoel AG ist hieran mit 2,81 Prozent beteiligt. Das Erdgas wird über Pipelines zu einer Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4605 LNG-Aufbereitungsanlage in Hammerfest transportiert (in diesem Zusammenhang wird auch auf die Antwort zu Frage 19 verwiesen). Daneben ist die DEA Deutsche Erdoel AG nördlich des Polarkreises mit einem Anteil von 30 Prozent an einem Projekt beteiligt, bei dem im Herbst 2014 im Untersuchungsgebiet Alta in der Barentssee ein Öl- und Gasfund gemacht wurde. Über eine Reihe Explorationslizenzen in den arktischen Gewässern des norwegischen Kontinentalschelfs verfügt Wintershall zusammen mit verschiedenen Partnern. Nach Kenntnis der Bundesregierung fördern russische Unternehmen, wie z. B. Gazprom, Gazpromneft, Rosneft und Novatek, Erdöl und Erdgas nördlich des Polarkreises. Die Förderung erfolgt bisher mehrheitlich Onshore, u. a. im Timan-Petschora-Becken, im westsibirischen Becken und auf der Halbinsel Jamal. Hierzu gehört auch ein gemeinschaftlich von Gazprom und Wintershall betriebenes Projekt zur Förderung von Erdgas aus der Achimov-Formation. Die Vergabe von Lizenzen zur Erschließung und Förderung von Erdöl und Erdgas im Offshore-Bereich ist per Gesetz geregelt und kann nur an die beiden staatlichen Unternehmen Gazprom und Rosneft erfolgen. Die Bundesregierung hat von folgenden Projekten Kenntnis: – Rosneft erschließt in der Karasee zusammen mit ExxonMobil die Blöcke East Prinovozemelsky 1, 2 und 3 sowie in der Barentssee die Lagerstätte North Gulyaev. – Im Jahr 2011 hat Rosneft gemeinsam mit ExxonMobil ein arktisches wissenschaftliches Projektzentrum zur Offshore-Förderung gegründet. – Gazprom hatte in der Barentssee mit der Entwicklung des Shtokman-Erdgasfeldes begonnen, die Projektierungsarbeiten aber im Jahr 2012 eingestellt. Der aktuelle Stand der Entwicklung dieses Feldes ist der Bundesregierung nicht bekannt. – Im Jahr 2013 hat Gazprom die Erdölförderung aus der Lagerstätte Prirazlomnoye im südöstlichen Teil der Barentssee (Petschorasee) aufgenommen. c) Welche konkreten Projekte zur Förderung von Erdöl bzw. Erdgas befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung in von Russland zur Nutzung beanspruchten Gebieten, und in welchem Projektstadium befinden sie sich aktuell? Der Bundesregierung sind in der Arktis keine konkreten Projekte zur Förderung von Erdöl bzw. Erdgas außerhalb der ausschließlichen Wirtschaftszone Russlands bekannt. 19. Welche weitere Infrastruktur (bestehend sowie in Bau bzw. Planung) zum Erdöl- bzw. Erdgasumschlag in arktischen Gebieten ist der Bundesregierung bekannt (Häfen, Umschlagsterminals, Pipelines etc.)? Der Bundesregierung ist bekannt, dass das Unternehmen Novatek zusammen mit den Unternehmen Total und CNPC auf der Jamal-Halbinsel Anlagen zur Verflüssigung von Erdgas errichten will. Zudem ist ihr die von Statoil auf der Insel Melkøya, 800 Kilometer nördlich des Polarkreises, betriebene Erdgasverflüssigungsanlage Hammerfest LNG bekannt . Für den Erdgastransport von der Jamal-Halbinsel wurde im Jahr 2012 der erste Strang der Pipeline Bovanenkovskoye-Uchta in Betrieb genommen, derzeit werden der zweite Strang und acht Kompressorstationen gebaut, die im Jahr 2016 fertigstellt werden sollen. Der Erdgastransport aus dem westsibirischen Becken erfolgt über die bestehende Infrastruktur der Jamal-Europe-Pipeline. Drucksache 18/4605 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Weiter ist der Bundesregierung bekannt, dass Wintershall an dem GaspipelineProjekt Polarled beteiligt ist. Mit diesem soll das Aasta-Hansteen-Gasfeld in der Norwegischen See mit der Gasverarbeitungsanlage in Møre og Romsdal verbunden werden. 20. Von welchen Ölförderkonzessionen in arktischen Gebieten (Land bzw. Meeresboden) hat die Bundesregierung Kenntnis (bitte jeweiligen Anrainerstaat nennen sowie Fördergebiet)? Der Bundesregierung liegen keine konkreten Angaben zu Ölförderkonzessionen in arktischen Gebieten vor. 21. Setzt sich die Bundesregierung für ein Verbot von neuen Ölbohrungen in der Arktis ein (bitte begründen)? Die Bundesregierung unterstützt die EU im Sinne der EU-Richtlinie 2013/30, auf internationaler Ebene in relevanten globalen und regionalen Foren, einschließlich jener, die arktische Gewässer betreffen, auf hohe Sicherheitsstandards für Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten hinzuwirken. Ein generelles Verbot neuer Ölbohrungen in der Arktis hält die Bundesregierung nicht für zielführend . 22. Welche aktuellen Anlagen bzw. Planungen zum Bau von Atomkraftwerken (schwimmend bzw. an Land) in arktischen Gebieten sind der Bundesregierung bekannt? Nördlich des Polarkreises sind in Russland gegenwärtig zwei Kernkraftwerke in Betrieb. Seit dem Jahr 1973 wird das Kernkraftwerk Kola auf der gleichnamigen Halbinsel mit vier Druckwasserreaktoren des Typs WWER-440 betrieben. Als Ersatzkapazität für diese Anlagen wird gegenwärtig die Errichtung des Kernkraftwerks Kola-2 mit Reaktoren mittlerer Leistung in Betracht gezogen, sofern die wirtschaftliche Entwicklung der Region dies rechtfertigt. Darüber hinaus sind im Kernkraftwerk Bilibino im autonomen Kreis der Tschuktschen im äußersten Nordosten Russlands ab dem Jahr 1974 vier Reaktorblöcke mit graphitmoderierten Druckröhrenreaktoren des Typs EGP-6 in Betrieb genommen worden. Diese Anlagen sollen zwischen den Jahren 2019 und 2022 stillgelegt werden. Das seit einigen Jahren in Bau befindliche Kernkraftwerk „Akademik Lomonossov “ wird auf einer schwimmenden Plattform mit zwei Reaktoren des Typs KLT-40S errichtet und soll ab dem Jahr 2017 voraussichtlich in der Nähe der Stadt Pewek (autonomer Kreis der Tschuktschen) stationiert werden. Darüber hinaus verfügt Russland über sechs nukleargetriebene Eisbrecher, die zur Freihaltung des nördlichen Seewegs und der großen sibirischen Ströme eingesetzt werden, sowie ein nukleargetriebenes Containerschiff. Die schrittweise Modernisierung dieser Flotte ist geplant. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/4605 23. Welche Risikoquellen für die Umwelt in Arktisgebieten existieren bzw. entwickeln sich durch eine zunehmende wirtschaftliche Nutzung nach Auffassung der Bundesregierung? Es wird auf die Leitlinien deutscher Arktispolitik aus dem Jahr 2013 verwiesen, in denen die verschiedenen Risiken aufgezeigt werden. 24. Mit wie vielen Schiffspassagen über die Nordost- bzw. die Nordwestpassage rechnet die Bundesregierung bis zum Jahr 2030 jährlich (bitte Routen und Tankschiffe getrennt ausweisen)? Verlässliche Prognosen zu Schiffspassagen in der Arktis sind der Bundesregierung nicht bekannt. 25. Welche besonderen Sicherheitsrisiken sind der Bundesregierung bei Passagen von Kreuzfahrtschiffen bzw. sonstigen Passagierschiffen in arktischen Gewässern bekannt, und welche Vorkehrungen werden nach Kenntnis der Bundesregierung dagegen getroffen? Diese Frage ist nicht abschließend zu beantworten, da die besonderen Sicherheitsrisiken vielfältig sind. Vorsorgemaßnahmen beziehen sich insbesondere auf bekannte Besonderheiten wie niedrige Temperaturen, lange Dunkelheit und die große Entfernung von dichter besiedelten Gebieten und landseitiger Unterstützung . 26. a) Wie viele eisgängige Schiffe befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung in deutschem Eigentum bzw. unter deutscher Flagge? b) Wie viele eisgängige Schiffe befinden sich in den Flotten der Anrainerstaaten der Arktis nach Kenntnis der Bundesregierung (bitte nach Flaggenstaat sowie Eigentumsstaat aufführen)? Die Fragen 26a und 26b werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Eisgängigkeit kann, wenn überhaupt, nur anhand des entsprechenden Klassenzeichens ermittelt werden. Deshalb kann die Bundesregierung aus den ihr zur Verfügung stehenden Daten nur Angaben zu Schiffen unter deutscher Flagge mit gültigen Sicherheitszeugnissen machen. Es gibt insgesamt 110 Schiffe unter deutscher Flagge mit einer Eisklasse. Darunter ist das eisbrechende Forschungs- und Versorgungsschiff Polarstern hervorzuheben , dessen Eigentümer und Flaggenstaat Deutschland ist. Für Schiffe unter anderen Flaggen kann diese Frage nicht beantwortet werden. c) Inwieweit beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen von Schiffsneubauten für eisgängige Schiffe der Flotte der Bundesministerien, LNG (LNG – Liquefied natural gas; Flüssigerdgas) als Schiffstreibstoff zu berücksichtigen? Beim Neubau des Forschungsschiffs Polarstern sowie dem geplanten Ersatzbau des Fischereiforschungsfahrzeuges Walter Herwig III beabsichtigt die Bundesregierung nicht, LNG als Schiffstreibstoff einzusetzen. LNG schränkt die Einsatzfähigkeit (Standzeit) eines Schiffes stark ein, zudem fehlen in den Polargebieten die entsprechenden Betankungs- und Versorgungsinfrastrukturen. Die Mitführung ausreichender Mengen LNG würde im Übrigen die Schiffsdimensionen gegenüber der Mitführung herkömmlicher Betriebsstoffe stark vergrö- Drucksache 18/4605 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ßern, was erhöhte Betriebskosten über die gesamte Nutzungsdauer zur Folge hätte. Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) ist derzeit nicht beabsichtigt, LNG als Treibstoff für Neubauten eisgängiger Schiffe zu berücksichtigen. Zusätzlich zu den oben benannten Einschränkungen sieht das BMVg den Nachteil, dass Eigenschaften von LNG in Bezug auf Trefferwirkung und Schadensbilder nicht hinreichend bekannt sind und damit Auswirkungen für den Einsatz nicht absehbar sind. d) Durch welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen von Schiffsneubauten bzw. Umrüstungen von eisgängigen Schiffen der Flotte der Bundesministerien, die Schiffsemissionen (etwa durch Einbau von Filtern bzw. Katalysatoren) zu senken? Zum Nachfolgeneubau für das Forschungsschiff Polarstern und dem geplanten Ersatzbau des Fischereiforschungsfahrzeuges Walter Herwig III (eisgängige Schiffe): Die Bundesregierung beabsichtigt hier die TIER III Abgasnorm einzuhalten , auch wenn die geltenden Regelwerke dies noch nicht vorschreiben. Die neuen Schiffe werden bereits mit entsprechenden Technologien (Rußpartikelfiltern und Abgasnachbehandlung zur Reduktion des Stickoxidausstoßes) konzipiert, was zusätzlichen Platzbedarf in den Schiffen nach sich zieht (beim Nachfolgeneubau Polarstern: ca. zehn Meter zusätzliche Schiffslänge). Die erheblichen Mehrkosten für den Bau und späteren Betrieb werden im Interesse des Umweltschutzes investiert. Es ist grundsätzlich vorgesehen, künftig bei der Neuausschreibung dafür geeigneter Wasserfahrzeuge im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur die Möglichkeit einer Ausrüstung mit LNGAntrieb als Variante mitprüfen zu lassen und diese trotz absehbarer Mehrkosten beim Bau in die Planung und Beschlussfassung über die Beschaffung einzubeziehen . In diesen Fällen erübrigen sich weitere Maßnahmen zur Stickoxidreduzierung . Grundsätzlich hält das BMVg alle gesetzlichen Auflagen zur Senkung der Schiffsemissionen gemäß den geltenden Bestimmungen der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO ein. Im Geschäftsbereich des BMVg wird derzeit für Neubauten eisgängiger Kampfschiffe geprüft, inwieweit die Einrüstung von Filtern und Katalysatoren zur Senkung der Schiffsemissionen den Anforderungen für ihren primären Verwendungszweck entgegensteht. 27. a) Ist der Bundesregierung das Problem bekannt, dass weite Gebiete der arktischen Schiffspassagen (Nordwest- bzw. Nordostpassage) nicht vermessen und keine flächendeckenden Daten zur Wassertiefe verfügbar sind (www.arte.tv vom 6. Januar 2015 „Das letzte Eldorado“; bitte begründen)? Die mangelnde kartographische und nautische Abdeckung vieler arktischer Gewässer ist der Bundesregierung bekannt, jedoch sind die Transitseewege der Nordwest- und Nordostpassage gut vermessen; auch ist Seekartenmaterial, herausgegeben von den Anrainerstaaten, verfügbar. b) Welche weiteren nautischen Probleme sind in den arktischen Schifffahrtspassagen nach Kenntnis der Bundesregierung gegeben? In arktischen Gewässern entsprechen die nautischen Probleme denen anderer Seegebiete, die zumindest zeitweise von Meereis bedeckt sind. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/4605 c) Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Planungen, die Schifffahrtsrouten für die Seekartierung zu vermessen? Wenn ja, bis wann sollen diese abgeschlossen sein, und wenn nein, warum nicht (bitte die jeweils betroffenen Anrainerstaaten nennen)? Die Anrainerstaaten sind für die Kartierung zuständig. Über deren zeitliche Planungen liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. d) Für welchen maximalen Schiffstiefgang ist aktuell die Nordost- bzw. die Nordwestpassage nach Kenntnis der Bundesregierung ausgelegt? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Informationen vor. 28. a) Wie kann nach Auffassung der Bundesregierung in arktischen Gewässern eine Ölbeseitigung bzw. Ölbekämpfung, etwa bei Schiffsunfällen oder Unfällen bei Ölbohrungen, sichergestellt werden? Das Vorgehen bei der Gefahrenvorsorge- und -abwehr für derartige Unfälle ist in den nationalen Regelwerken der jeweiligen Staaten festgeschrieben. Darüber hinaus beschäftigen sich zwei Arbeitsgruppen des Arktischen Rats, EPPR und Protection of the Marine Environment (PAME), intensiv mit dieser Thematik. Von beiden Arbeitsgruppen wurden umfassende Empfehlungen zur Gefahrenvorsorge - und -abwehr erarbeitet. Die vom Arktischen Rat eingesetzte Arctic Council Task Force on Oil Pollution Prevention (TFOPP) hat im November 2014 in Helsinki abschließend einen Rahmenplan erarbeitet, der die Zusammenarbeit der Anrainer-Staaten der Arktis im Bereich der Gefahrenvorsorge verbessern soll. Dieser soll im Jahr 2015 verabschiedet werden. Deutschland war in dieser Task Force vertreten. b) Welche Versorgungshäfen sind nach Kenntnis der Bundesregierung für die in Frage 28a genannten Vorfälle hinsichtlich Rettungs-, Bergungsund Schutzmaßnahmen vorbereitet bzw. für solche Vorfälle auf hoher See ausgestattet (etwa nach Erfahrungen des Ölunglücks Exxon Valdez)? Die Arbeitsgruppe des Arktischen Rats EPPR hat eine Vereinbarung zwischen den Staaten des Arktischen Rates veröffentlicht (Agreement on Cooperation on Marine Oil Pollution Preparedness and Response in the Arctic – Appendix IV Operational Guidelines), in der diese Versorgungshäfen verzeichnet sind. 29. a) Welche Vorteile bietet der im Jahr 2014 beschlossene IMO-Polar-Code nach Auffassung der Bundesregierung für die Umwelt bzw. für die Seeschifffahrt? Der Polar Code wird die Ausrüstung und Konstruktion von Schiffen regeln, die ab seinem Inkrafttreten die im Polar Code festgelegten Gebiete befahren und die international zertifiziert sind. b) Welchen Geltungsbereich (geographische bzw. politische Gebiete, Wirtschaftsbereiche) und welchen Status hat der IMO-Polar-Code nach Kenntnis der Bundesregierung, und ab wann tritt er in Kraft? Der Geltungsbereich erfasst alle polaren Gebiete, die auch von den bisherigen Richtlinien erfasst wurden (Verkehrsblatt 2012, S. 747). Er tritt voraussichtlich zum 1. Januar 2017 in Kraft. Drucksache 18/4605 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) Welche Teile des Polar-Codes werden nach Kenntnis der Bundesregierung verpflichtend sein, und welche werden freiwillig? Es gibt verpflichtende Teile sowohl zu Sicherheitsthemen als auch einen Umweltteil, der die Anlagen I, II, IV und V des MARPOL-Übereinkommens ergänzt. d) Welche weiteren internationalen Regelungen werden nach Kenntnis der Bundesregierung im Zuge des Polar-Codes angepasst (SOLAS und weitere)? Neben dem SOLAS-Übereinkommen werden mehrere Anlagen zum MARPOLÜbereinkommen um ein besonderes Kapitel zum Polar Code ergänzt. e) Welche weiteren Regelungen zur Schifffahrt in arktischen Gewässern gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung? Das VN-Seerechtsübereinkommen erlaubt Regelungen zum Schutz der Umwelt. Diese werden in der Regel für besonders sensible Meeresgebiete in Betracht gezogen , insofern Anrainer-Staaten diese nach IMO-Regeln anmelden. f) Können nach Auffassung der Bundesregierung durch den IMO-PolarCode zukünftige ökologische Probleme und Risiken vermieden bzw. verringert werden? Wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht? Der Polar Code ist mit dem Ziel einer nachhaltigeren Schifffahrt in polaren Gebieten erarbeitet worden. Deshalb hat sich Deutschland – unter anderem mit den Erfahrungen, die mit der Polarstern gesammelt wurden – eingebracht. g) Sind der Bundesregierung weitere Planungen zur Änderung bzw. Ergänzung des IMO-Polar-Codes bekannt? Wenn ja, welche und inwieweit unterstützt sie diese (bitte jeweilige Zeitpläne und Inkrafttreten benennen, sofern bekannt)? Derzeit ist die Umsetzung der im Polar Code enthaltenen Maßnahmen erforderlich . Im Lichte der Erfahrungen nach Inkrafttreten des Polar Code wird zu prüfen sein, ob es weiterer Maßnahmen bedarf. 30. a) Inwieweit ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Ballastwasserproblematik im neuen IMO-Polar-Code berücksichtigt? Da das Ballastwasser-Übereinkommen ohne geographische Grenzen gültig ist, sind zusätzliche Maßnahmen bisher nicht für erforderlich gehalten worden. b) Inwieweit findet nach Kenntnis der Bundesregierung ein Verbot von Schweröl im neuen IMO-Polar-Code Berücksichtigung, bzw. inwieweit ist ein solches Vorhaben geplant (bitte auch mögliche Emissionsbeschränkungen nennen)? Die bereits bestehenden Verbote der Nutzung von Schweröl werden durch den Polar Code gestärkt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333