Deutscher Bundestag Drucksache 18/4611 18. Wahlperiode 14.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Omid Nouripour, Tom Koenigs, Kordula Schulz-Asche, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4501 – Zur politischen und menschenrechtlichen Lage in Sri Lanka Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Präsidentschaftswahlen vom 8. Januar 2015 haben in Sri Lanka zu einem demokratischen Machtwechsel geführt, bei denen Maithripala Sirisena zum neuen Präsidenten gewählt wurde. Die politischen Herausforderungen bleiben jedoch weiter bestehen, vor allem die Lösung des Tamilenkonfliktes und die Umsetzung des vom UN-Menschenrechtsrat beschlossenen internationalen Untersuchungsverfahrens der Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen . Bisher genehmigte die sri-lankische Regierung diese internationale Aufarbeitung nicht, was die außenpolitischen Beziehungen Sri Lankas belastet. Die neue Regierung unter Präsident Maithripala Sirisena hat aber angekündigt, den Verdachten auf Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht und schweren Verletzungen der Menschenrechte mit einem einheimischen Untersuchungsverfahren nachzugehen. Weitere notwendige politische Reformen zur Demokratisierung des Landes sind die Abschaffung der exekutiven Vollmachten des Präsidenten, die Wiederherstellung einer unabhängigen Justiz sowie des Verfassungsrates und anderer unabhängiger staatlicher (Berufungs-)Kommissionen, etwa bei der Polizei. Ferner bedarf es in Sri Lanka Reformen im Bereich des parlamentarischen Ausschusssystems, eine transparente Regierungsführung und Partizipation sowie Konsultationen auch mit außerparlamentarischen Akteuren. Maithripala Sirisena ernannte den bisherigen Oppositionsführer Ranil Wickremesinghe zum neuen Premierminister und strebt eine Verfassungsreform an, für die er eine Zweidrittelmehrheit im Parlament benötigt. Für Ende April 2015 setzte Maithripala Sirisena deshalb vorgezogene Parlamentswahlen an. Die Zeitung „THE SUNDAY TIMES“ berichtet in ihrer Ausgabe vom 4. Februar 2015, dass der Außenminister Sri Lankas, Mangala Samaraweera, die erneute Teilnahme am EU-Zollpräferenzsystem GSP Plus anstrebt. Ebenso sollte Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 10. April 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. kurzfristig die Ausfuhrrestriktion bei Fischexporten aus Sri Lanka aufgehoben werden. Der Außenminister kündigte laut Zeitungsbericht außerdem an, dass die Joint Sri Lanka-EU Economic Commission wiederbelebt werden soll und dazu eine Visite der Europäischen Union (EU) für den 23. März 2015 geplant sei. Die Regierung Sri Lankas wird voraussichtlich wieder Angebote der staat- Drucksache 18/4611 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode lichen Entwicklungszusammenarbeit sowohl bilateraler Art als auch im Rahmen von EU-Programmen erhalten. Unbeschadet einer für südasiatische Verhältnisse gut beleumundeten sozialstaatlichen Sicherung gibt es in Teilbereichen der Gesellschaft nach wie vor Armut und Existenzrisiken. Die Rückblicke im Dezember 2014 auf die Tsunami-Katastrophe zehn Jahre davor brachten Daten und Einblicke in solch prekäre Lebenssituationen an die Öffentlichkeit. Lage der Menschenrechte Unter der Präsidentschaft Mahinda Rajapaksas hat sich die Lage der Menschenrechte in Sri Lanka verschlechtert (www.hrw.org, World Report 2015 zu Sri Lanka). Straflosigkeit war selbst bei schwersten Menschenrechtsverletzungen weit verbreitet. Im Rahmen der Anti-Terror-Gesetzgebung (Prevention of Terrorism Act; PTA) und der entsprechenden Maßnahmen wurde nicht nur die Arbeit von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern sowie Journalistinnen und Journalisten behindert oder sabotiert sowie sexuelle Gewalt begünstigt. Auch die Untersuchungen durch staatliche Kommissionen und die Veröffentlichung ihrer Ergebnisse unterblieb, wie etwa bei der Presidential Commission on human rights violations oder der Commission of Inquiry on Missing Persons. Unter der Vorgängerregierung des Ex-Präsidenten Mahinda Rajapaksa unterstanden Nichtregierungsorganisationen (NGOs) der Aufsicht des Verteidigungsministeriums mit daraus folgenden restriktiven Vorgaben des „NGO National Secretariat circulars“ bei der Registrierung, steuerrechtlichen Behandlung und finanztechnischen Aufsicht. Der geltende Prevention of Terrorism Act ermöglicht weitgehende und willkürliche Eingriffe in die Betätigung von NGOs. Das Büro des neu gewählten Präsidenten kündigte an, dass es zukünftig keine Einschränkungen mehr geben soll, zumindest wenn NGOs Workshops, Pressekonferenzen, Trainingsprogramme für Journalistinnen und Journalisten und andere ähnliche Aktivitäten durchführen und sich außerdem an die bestehenden Gesetze des Landes halten. Nach wie vor ist die Pressefreiheit in Sri Lanka unter Druck. Auch nach dem offiziellen Kriegsende im Jahr 2009 wurden Medienschaffende bedroht, inhaftiert und ermordet. Die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen gilt noch immer als tabu. Eine Vielzahl an Journalistinnen und Journalisten musste in den vergangenen Jahren aus Sri Lanka fliehen. Auch im Rahmen der diesjährigen Präsidentschaftswahlen kam es zu Kontrolle und Zensur von Medieninhalten (www.reporter-ohne-grenzen.de vom 7. Januar 2015 „Präsidentenwahl ohne freie Medien“). Insbesondere tamilische Journalistinnen und Journalisten wurden in ihrer Arbeit eingeschränkt; ausländischen Journalistinnen und Journalisten , die über die Wahl berichten wollten, wurde das Einreisvisum verweigert. Auf der aktuellen Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ ist Sri Lanka damit nur auf Platz 165 von 180 Ländern. 1. Welche Veränderungen in Bezug auf die a) allgemeine politische Lage, b) menschenrechtliche Lage erwartet die Bundesregierung durch den Regierungswechsel? Der Staatspräsident Maithripala Sirisena verfolgt seit seinem Amtsantritt am 9. Januar 2015 eine Agenda der umfassenden innenpolitischen Reform auf Grundlage eines 100-Tage-Programms, in dem alle wesentlichen Reformvorhaben aufgelistet werden. Die neue Regierung hat sich u. a. verpflichtet, die weitgehenden Machtbefugnisse des Präsidenten zu beschneiden und die Unabhängigkeit der Gremien, die für die Besetzung von Spitzenpositionen in der öffentlichen Verwaltung vorgesehen sind, zu garantieren. Die Regierung hat zudem mehr Transparenz in der Regierungsführung und ein Informationsfreiheits- gesetz („Right to Information Act“) in Aussicht gestellt. Diese Vorhaben sollen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4611 in einem Verfassungszusatz umgesetzt werden. Die unter Präsident Mahinda Rajapaksa erheblich eingeschränkte Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit wurde wiederhergestellt. Die neue Regierung hat unmittelbar nach Dienstantritt das Gespräch mit den Vereinten Nationen über die Untersuchung möglicher Kriegsverbrechen im Bürgerkrieg in Sri Lanka aufgenommen. Sie hat zudem vertrauensbildende Maßnahmen gegenüber der tamilischen Bevölkerungsgruppe getroffen. Anlässlich des Nationalfeiertags am 4. Februar 2015 betonte Präsident Maithripala Sirisena die Bedeutung einer Aussöhnung der Bevölkerungsgruppen für die zukünftige Entwicklung Sri Lankas. Für Staatspräsident Maithripala Sirisena kommt es nun darauf an, seinen Reformkurs bei den zu erwartenden Parlamentswahlen durch eine Mehrheit für die ihn stützenden Kräfte abzusichern. Viele Beobachter geben seinen Reformen und seiner Politik der Aussöhnung zwischen den ethnischen und religiösen Gruppen des Landes nur dann eine Chance, wenn es ihm und den ihn stützenden Reformkräften erneut gelingt, einen erheblichen Teil der ländlichen singhalesischen Wählerschaft des Südens für sich zu gewinnen, ohne dabei die Unterstützung der Tamilen, Christen und Muslime zu verlieren. In der singhalesischen Wählerschaft im Süden genießt sein Amtsvorgänger noch immer erhebliche Sympathien. 2. Für wie realistisch hält die Bundesregierung die Ankündigung Maithripala Sirisenas einer Verfassungsreform zur Stärkung des Parlaments (www.faz.net vom 9. Januar 2015 „Das Ende einer Ära des Triumphalismus“)? Kernpunkt des Wahlprogramms von Staatspräsident Maithripala Sirisena ist eine umfassende Verfassungsreform, durch die das Parlament gestärkt werden soll. Am 24. März 2015 hat die Regierung den 19. Verfassungszusatz in das Parlament eingebracht, mit dem sie Kernelemente des Wahlprogramms zur Verfassungsreform umsetzten möchte. Die geplanten Maßnahmen sind Gegenstand intensiver politischer Diskussion. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, über deren Ergebnis zu spekulieren. Fest steht: Das Parlament muss den Verfassungsänderungen mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen. 3. Wie schätzt die Bundesregierung die Chancen für den neuen Präsidenten ein, bei den von ihm angesetzten vorgezogenen Parlamentswahlen entsprechende Mehrheiten zu erzielen? Der Präsident Maithripala Sirisena wurde am 8. Januar 2015 für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt. Er hatte in seinem 100-Tage-Programm eine Auflösung des Parlaments für den 23. April 2015 angekündigt. Nach der Verfassung von Sri Lanka muss innerhalb einer Frist von drei Monaten ein neues Parlament gewählt werden. Mit einer Wahl im Juni bzw. Juli 2015 wird daher gerechnet. Bei den Parlamentswahlen werden die Sri Lanka Freedom Party (SLFP) Maithripala Sirisenas und die United National Party (UNP) voraussichtlich als Konkurrenten antreten. Es wird darauf ankommen, ob diese beiden Parteien nach der Wahl bereit sind, ihre Zusammenarbeit fortzusetzen. Drucksache 18/4611 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Für wie glaubwürdig hält die Bundesregierung die Pläne des neuen Präsidenten , die Korruption in Sri Lanka bekämpfen zu wollen (www.reuters.com vom 9. Januar 2015 „Machtwechsel in Sri Lanka – Wahlsieger will Korruption bekämpfen“)? Die Bekämpfung von Korruption ist, ebenso wie die Verfassungsreform, ein Schwerpunkt der neuen Regierung. Sie unterzieht große Infrastrukturprojekte der Vorgängerregierung einer Überprüfung. Gegen eine Reihe von Entscheidungsträgern der Vorgängerregierung wurden bereits Ermittlungen aufgrund von Korruptionsvorwürfen eingeleitet. 5. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung in Bezug auf die Bildung einer einheimischen Untersuchungskommission zur Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen und die Kriterien ihrer Arbeit? Die Regierung von Sri Lanka hatte im Mai 2010 die „Lessons Learnt and Reconciliation Commission“ eingesetzt, mit der Aufgabe, Menschenrechtsverletzungen während des Bürgerkrieges zu untersuchen. Diese Kommission legte am 15. November 2011 ihren Bericht vor. Internationale Beobachter kritisierten u. a., dass die Kommission mit einem limitierten Mandat eingesetzt wurde, sich nicht mit möglichen Menschenrechtsverletzungen seitens der Regierung befasst habe und dass es nach Veröffentlichung nicht zur Umsetzung der Empfehlungen kam. Die Bundesregierung ermutigt die neue Regierung von Sri Lanka, die im Bürgerkrieg von beiden Seiten begangenen Menschenrechtsverletzungen durch eine nationale Untersuchungskommission, untersuchen zu lassen, mit einem umfassenden , den internationalen Standards genügenden Mandat, unter Heranziehung internationalen Sachverstands und unter Mitwirkung aller betroffenen religiösen und ethnischen Gruppen des Landes. 6. Inwieweit unternimmt die Bundesregierung den Versuch, unter Umständen in Absprache mit der EU, den Untersuchungsauftrag durch den UN-Menschenrechtsrat zur Geltung zu bringen? Wenn ja, mit welchen Mitteln? Die Bundesregierung hat im VN-Menschenrechtsrat für die Resolution 25/1 vom 27. März 2014 gestimmt, mit der eine unabhängige Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen, die von beiden Seiten während des Bürgerkrieges begangen wurden, durch den VN-Hochkommissar für Menschenrechte mandatiert wurde. Die Bundesregierung weist in Gesprächen mit Regierungsvertretern immer wieder darauf hin, dass eine Untersuchung unumgänglich ist, um eine dauerhafte Aussöhnung zwischen den Volksgruppen zu erzielen. Diesen Standpunkt vertritt sie auch gemeinsam mit der EU. Die Bundesregierung begrüßt die Ankündigung der neuen Regierung von Sri Lanka, mit dem VN-Menschenrechtsrat zusammen zu arbeiten und die Untersuchung zu unterstützen. 7. Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass Opfer und Zeugen von Kriegsverbrechen in Sri Lanka, Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht und schweren Verletzungen der Menschenrechte, die sich in Deutschland aufhalten , hinreichend unterstützt werden? Opfer politischer Verfolgung sind in der Bundesrepublik Deutschland durch das Asylgrundrecht geschützt. Zeugen und Opfer von Kriegsverbrechen können als Flüchtlinge anerkannt werden, was in jedem Einzelfall vom Bundesamt für Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4611 Flüchtlinge und Migration (BAMF) zu prüfen ist. Personen, die nicht als Asylberechtigte oder Flüchtlinge anerkannt werden können, genießen Abschiebeschutz , wenn ihnen in ihrem Herkunftsstaat ernsthafte Gefahren drohen. Zeugen von Kriegsverbrechen können nach den dafür geltenden Vorschriften besonders geschützt werden. 8. Hat die Bundesregierung der neuen Regierung in Sri Lanka Unterstützung angeboten, um ein nationales Untersuchungsverfahren nach internationalen Kriterien durchzuführen? Falls ja, in welcher Form? Die Bundesregierung hat die Regierung von Sri Lanka zu einem eigenen Untersuchungsverfahren ermutigt und eine Zusammenarbeit mit dem VN-Hochkommissariat für Menschenrechte empfohlen. Eine Bitte der Regierung von Sri Lanka um Unterstützung liegt bislang nicht vor. 9. Ist die Bundesregierung im Dialog mit der neuen Regierung des Präsidenten Maithripala Sirisena über eine partielle Wiederaufnahme der Untersuchungen der Lessons Learnt and Reconciliation Commission? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. 10. Ist die Bundesregierung im Dialog mit der neuen Regierung des Präsidenten Maithripala Sirisena über eine Berücksichtigung der Ergebnisse aus dem UN Expert Panel vom 31. März 2011 (Report of the Secretary General ’s Panel of Experts on Accountability in Sri Lanka)? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. 11. Inwiefern plant die Bundesregierung, sich bei der Aufarbeitung dieser Vergangenheit insbesondere für eine aktive Beteiligung von Frauenorganisationen in Sri Lanka einzusetzen? Die Bundesregierung setzt sich stets für eine aktive Beteiligung von Frauen und Frauenorganisationen ein. Im Fall von Sri Lanka erscheint dies besonders wichtig , da im ehemaligen Bürgerkriegsgebiet ca. 80 000 Haushalte von Kriegswitwen geführt werden. 12. Wären die Bundesregierung oder die EU bereit, die forensischen Kapazitäten der öffentlichen Behörden, aber auch staatlich unabhängiger Einrichtungen auszubauen? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. Drucksache 18/4611 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Inwiefern haben die Bundesregierung oder die EU für den Übergangsprozess zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Justiz in Sri Lanka ihre Unterstützung angeboten? Falls ja, berücksichtigt die angebotene Unterstützung die Expertise und Empfehlungen einschlägiger UN Mechanismen, wie der a) Sonderverfahren (Special Procedures) des UN-Menschenrechtsrates, b) des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, c) des UN-Menschenrechtsausschusses (Committee on Human Rights – ICCPR)? Die Bundesregierung hat der neuen sri-lankischen Regierung, über die Deutsche Botschaft in Colombo, in Gesprächen ihre Unterstützung angeboten. Die sri-lankische Regierung betonte dabei, die Unabhängigkeit der Justiz aus eigener Kraft wiederherstellen zu wollen und verwies auf einen gut ausgebildeten Justizapparat . Mit der Einsetzung des neuen obersten Richters („Chief-Justice“) wurde bereits ein sichtbarer Schritt zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Justiz in Sri Lanka unternommen. 14. Inwieweit sind die Bundesregierung oder die EU bei der sri-lankischen Regierung vorstellig geworden, um darauf hinzuweisen, dass die Amtsenthebung eines Chefanklägers in Zukunft nach rechtsstaatlichen Grundprinzipien zu vollziehen und zu garantieren ist? Der Bundesregierung liegen keine Informationen über die Absetzung eines Chefanklägers vor. Im Januar 2013 wurde die oberste Richterin des Landes, Chief-Justice Shirani Bandaranayake, in einem rechtsstaatlich bedenklichen Verfahren ihres Amtes enthoben. Die Bundesregierung hatte in einer Demarche gegenüber der Regierung von Sri Lanka ihre tiefe Sorge um die Rechtsstaatlichkeit des Landes ausgedrückt . Ihr Nachfolger, Mohan Peiris, wurde am 28. Januar 2015 von der neuen Regierung wegen erheblicher Verstöße gegen verfahrensrechtliche Vorschriften bei der Amtsenthebung von Chief-Justice Shirani Bandaranayake abgesetzt . Deren Amtsenthebung sei daher von Anfang an unwirksam gewesen, ebenso wie die Einsetzung von Mohan Peiris. 15. Inwieweit will sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer diplomatischen Möglichkeiten im Kontext rechtsstaatlicher Verfahren (der o. g. Presidential Commission on human rights violations, Commission of Inquiry on Missing Persons und des Advisory Councils) engagieren, damit es zur Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse kommt? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. 16. Steht die Bundesregierung im Kontakt mit der neuen Regierung in Sri Lanka bezüglich des Prevention of Terrorism Act (PTA)? Inwiefern steht die Bundesregierung im Kontakt mit sri-lankischen zivilgesellschaftlichen Organisationen? Die Regierung von Sri Lanka hat sich zum Ziel gesetzt, Rechtsstaatlichkeit und die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger Sri Lankas wieder vollumfänglich zu gewährleisten. Angesichts der beabsichtigten Parlamentswahlen ist nicht zu erwarten, dass die Sonderregelungen des PTA noch von der gegenwärtigen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4611 Regierung abgeschafft werden. Die Bundesregierung würde es sehr begrüßen, wenn die nächste Regierung die Notwendigkeit des PTA überprüfen würde. Die Bundesregierung hat die Vorbehalte der Zivilgesellschaft gegen die Beibehaltung des PTA aufgegriffen und gegenüber der Regierung wiederholt angesprochen . Die deutsche Botschaft in Colombo steht in engem Kontakt mit der sri-lankischen Zivilgesellschaft. Auch der Beauftragte für Asien- und Pazifikpolitik des Auswärtigen Amtes hat sich anlässlich seines Besuchs in Sri Lanka im März 2015 intensiv mit Vertretern der Zivilgesellschaft ausgetauscht. 17. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag, die Folgen des PTA in Bezug auf sexuelle Gewalt entsprechend den Standards der UNKonvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) aufzuarbeiten und in einem (Straf-)Rechtsverfahren zu regeln? a) Welchen Beitrag würde sie gegebenenfalls leisten? b) Welche Rolle würde sie dabei unabhängigen Frauenrechtsorganisationen in Sri Lanka zumessen? Auf die Antwort zu Frage 16 wird verwiesen. 18. Sind die Bundesregierung oder die EU vorstellig geworden, um die Beendigung der Notstandsmaßnahmen unter dem PTA anzumahnen? Falls ja, was war das Ergebnis des Dialogs bzw. der Demarche? Auf die Antwort zu Frage 16 wird verwiesen. 19. Werden die Bundesregierung oder die EU die überdimensionierte Größe der militärischen Einrichtungen vor allem im Norden Sri Lankas zum Gegenstand politischer Gespräche machen (www.monde-diplomatique.de vom 11. Juli 2014 „Besatzer im eigenen Land“, www.taz.de vom 24. März 2012 „Ungleiche Brüder“)? Falls ja, würde die Bundesregierung Vorschläge zur Konversion unterbreiten ? Die Bundesregierung ist grundsätzlich bereit, ihre Erfahrungen mit Konversionsprozessen in Sri Lanka einzubringen und hat dies angeboten. 20. Will sich die Bundesregierung im Rahmen ihrer diplomatischen Möglichkeiten engagieren, um die Regierung des Präsidenten Maithripala Sirisena bei der Erarbeitung einer neuen NGO-Gesetzgebung zu unterstützen? a) Falls ja, gibt es bei der Bundesregierung konzeptionelle Überlegungen, wie eine zukünftige steuerrechtliche, finanztechnische, politische Aufsicht in Sri Lanka aussehen sollte? b) Inwiefern spielen die Empfehlungen aus der UN-Erklärung zu den Rechten von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern eine Rolle? Deutschland hat sich gegenüber der Regierung von Sri Lanka dafür eingesetzt, die Arbeitsbedingungen von Nichtregierungsorganisationen zu verbessern. Die neue sri-lankische Regierung bedauert die zurückliegenden Einschränkun- gen der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen. In Gesprächen mit dem Be- Drucksache 18/4611 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode auftragten für Asien- und Pazifikpolitik des Auswärtigen Amtes anlässlich dessen Besuch in Sri Lanka im März 2015 baten Regierungsvertreter darum, dass sich auch deutsche Nichtregierungsorganisationen, wie die deutschen Politischen Stiftungen, wieder stärker in Sri Lanka engagieren. Die Bundesregierung unterstützt dies nachdrücklich und hat erste Sondierungen in dieser Richtung vorgenommen. 21. Inwiefern fördert die Bundesregierung zivilgesellschaftliche Aktivitäten in Sri Lanka? Wird u. a. an Trainingsprogramme für Journalistinnen und Journalisten gedacht? Unter der vorangegangenen Regierung Mahinda Rajapaksas war es für Nichtregierungsorganisationen in Sri Lanka kaum möglich, sich zu engagieren. Nun liegen der Bundesregierung Anträge der „Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe , Köln – AGEH“ und von „Brot für die Welt, Berlin“ für Vorstudien für ein künftiges Projektengagement in Sri Lanka vor. Ein Trainingsprogramm für Journalistinnen und Journalisten ist derzeit im Rahmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit nicht vorgesehen. 22. Was wären aus Sicht der Bundesregierung Mindeststandards, die eine neue Vereinbarung zur GSP Plus-Konzession (GSP – Generalized System of Preferences) zwischen der EU und Sri Lanka beinhalten müsste, und in welchen Intervallen sollte nach Meinung der Bundesregierung eine Überprüfung der vertraglichen Umsetzung erfolgen? Die Standards für die Gewährung von Einfuhrzollpräferenzen durch die EU gemäß der Sonderregelung für nachhaltige Entwicklung und verantwortungsvolle Staatsführung und deren Überwachung sind in den einschlägigen Regelwerken der EU niedergelegt. Ab der GSP Plus-Gewährung überwacht die Kommission den Status der Ratifizierung der 27 einschlägigen internationalen Übereinkommen zu Menschen- und Arbeitnehmerrechten, Umwelt und verantwortungsvoller Staatsführung und deren tatsächliche Anwendung sowie die Zusammenarbeit mit den einschlägigen internationalen Organisationen. Die GSP Plus-Überwachung ist ein fortlaufender Prozess in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Land, dem GSP Plus gewährt wurde. 23. Wer sollte nach Meinung der Bundesregierung integraler Bestandteil eines Monitoringverfahrens der GSP Plus-Konzession sein? Auf die Antwort zu Frage 22 wird verwiesen. 24. Beabsichtigt die Bundesregierung, der neuen Regierung Sri Lankas die Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) anzubieten? Wenn ja, wie plant die Bundesregierung, menschenrechtliche Kriterien in die Zusammenarbeit einzubeziehen? Die Bundesregierung hat ihre entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Sri Lanka auch in den Jahren des Bürgerkriegs und unter der Vorgängerregierung fortgesetzt. Jedoch war und ist seit dem Jahr 2001 die Zusammenarbeit thematisch auf den einen Schwerpunkt „Konflikttransformation und Friedensförderung “, regional auf die ehemaligen Konfliktgebiete im Norden und Osten des Lands, konzentriert. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4611 Nach den Wahlen in Sri Lanka im Januar 2015 wird die geplante Zusage von 7 Mio. Euro in diesem Jahr leicht über den Zusagen der letzten Jahre liegen. Der Schwerpunkt der Förderung des Friedensprozesses wird weitergeführt. Menschenrechtliche Kriterien spielen in allen Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit eine maßgebliche Rolle. Zielgruppen des deutschen Engagements sind insbesondere sozial und wirtschaftlich benachteiligte Bevölkerungsgruppen (benachteiligt z. B. aufgrund von Gender, Kaste, Ethnie oder als Konfliktbeteiligte ). 25. Inwieweit spielen in den Vorüberlegungen der Bundesregierung die Bereiche Handwerk, Fischer, Gastronomie, Tourismus im Norden, kleinbäuerliche Familienbetriebe, kleinräumliche Energiegewinnung aus natürlichen Ressourcen und jeweils die aktive Förderung von Frauen eine Rolle? Die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit konzentriert sich aktuell und künftig auf folgende Bereiche: – Friedenserziehung, insbesondere Curricula-Entwicklung, mehrsprachiger Unterricht, Traumabehandlung. – Berufsbildung „German Tec North“: Das Vorhaben bietet den Jugendlichen der unterschiedlichen Ethnien eine bedarfsorientierte Aus- und Weiterbildung in der Nordprovinz an und trägt so zu einer friedenssichernden und sozial integrativen Entwicklung bei. Hierbei wir der Aufbau eines Berufsschulzentrums („Sri Lanka-German Training Institute“) in Kilinochchi im Norden Sri Lankas unterstützt. – Entwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU): Das Vorhaben hat zum Ziel, die in den früheren Konfliktgebieten ansässigen tamilischen und singhalesischen sowie muslimisch geführten Unternehmen in gleicher Weise zu fördern, damit der soziale Zusammenhalt gestärkt wird. – Rehabilitierung und Nationalpark- und Randzonenmanagement Wilpattu: Das Vorhaben, das auch der Entwicklung des Tourismus dienen soll, befindet sich momentan in Prüfung. Der Wilpattu-Park, an der Grenze zur Nordprovinz gelegen, wurde durch die Kampfhandlungen des Bürgerkrieges stark in Mitleidenschaft gezogen. Bei all diesen Vorhaben werden Frauen aktiv und gezielt gefördert. 26. Was müsste aus Sicht der Bundesregierung über die EZ hinaus an Wirtschaftsförderung in Sri Lanka geleistet werden? Die Bundesregierung hat sich gegenüber der Regierung von Sri Lanka für eine Verbesserung der rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen ausgesprochen , die für Exporte nach und Investitionen in Sri Lanka gelten. Sie ist zuversichtlich , dass die Regierung von Sri Lanka die dafür notwendigen Maßnahmen treffen wird, mit der Folge einer Intensivierung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen . Drucksache 18/4611 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 27. Wie bewertet die Bundesregierung die Lage der Pressefreiheit in Sri Lanka, insbesondere während des Wahlkampfes zur Präsidentschaftswahl ? a) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Lage tamilischer Journalistinnen und Journalisten? b) Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Einreiseverweigerungen gegenüber ausländischen Journalistinnen und Journalisten? Der Präsident Maithripala Sirisena hat sich ausdrücklich zu Presse- und Meinungsfreiheit bekannt. Seit Antritt der neuen Regierung hat die Meinungsvielfalt in den Medien zugenommen und eine neue offenere Kultur Einzug gehalten. Die Regierung hat zudem geblockte Internetseiten (z. B. die Seite des „Colombo Telegraph“) umgehend freigeschaltet, die unter Präsident Mahinda Rajapaksa exilierten Journalisten zur Rückkehr aufgefordert und ein Informationsfreiheitsgesetz angekündigt. Nach Informationen der Bundesregierung soll sich dadurch auch die Lage tamilischer Journalisten verbessert haben. Vor den Präsidentschaftswahlen vom 8. Januar 2015 ist es zu Einreiseverweigerungen gegenüber ausländischen Journalisten gekommen. Die Bundesregierung hat, da auch deutsche Journalisten davon betroffen waren, dies gegenüber der Regierung von Sri Lanka angesprochen und auf eine Änderung gedrungen. Seit dem Amtsantritt von Präsident Maithripala Sirisena können ausländische Journalisten problemlos einreisen. 28. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Fälle von Verschwindenlassen und insbesondere über den Fall des sri-lankischen Journalisten und Karikaturisten Prageeth Eknaligoda, der am 24. Januar 2010 im Vorfeld der damaligen Präsidentschaftswahlen verschwand (www.amnesty.de „Briefe gegen das Vergessen – Sri Lanka – Prageeth Eknaligoda“, Mai 2013)? Das Verschwinden von Prageeth Eknaligoda hatte die Bundesregierung im Jahr 2010 mit Bestürzung und großer Sorge zur Kenntnis genommen. Die Lage der Journalisten wurde im bilateralen Dialog mit der Regierung von Sri Lanka angesprochen . Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333