Deutscher Bundestag Drucksache 18/4634 18. Wahlperiode 16.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Ulla Jelpke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4522 – Maßnahmen der EU-Polizeiagentur Europol gegen sogenannte Illegale Immigration Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die EU-Polizeiagentur Europol ist mit immer mehr Maßnahmen zur Verfolgung „Illegaler Immigration“ befasst. Zwar ist hierfür eigentlich die EU-Grenzagentur Frontex zuständig; jedoch wird die kommerziell oder humanitär motivierte Fluchthilfe der „Organisierten Kriminalität“ zugerechnet, für deren Verfolgung die Kriminalpolizeien zuständig sind. Obwohl bei entsprechenden Polizeimaßnahmen in der Regel Geflüchtete festgestellt, festgenommen und/ oder anderen polizeilichen Maßnahmen unterzogen werden, werden sie in offiziellen Verlautbarungen der Agenturen mit illegalen Grenzübertritten, Menschenhandel , Drogen- und Waffenschmuggel in Verbindung gebracht. Im März 2015 hat Europol das gemeinsame Operationsteam („Joint Operational Team“, JOT) „Mare“ gestartet, um die „illegale Immigration“ mit Booten aus Nordafrika zu bekämpfen (Pressemitteilung Europol vom 17. März 2015). Bei Europol wurde hierfür ein „maritimes Aufklärungszentrum” eingerichtet. Die beteiligten Polizeien arbeiten dabei mit Frontex und der internationalen Polizeiorganisation Interpol zusammen. Zum Beginn der Operationen waren die Direktoren von Frontex und Interpol persönlich anwesend. 1. Was ist der Bundesregierung über die Einrichtung eines gemeinsamen Operationsteams Mare bekannt? Das Joint Operation Team (JOT) MARE ist ein europäisches Projekt zur Bekämpfung der schweren und organisierten internationalen Kriminalität auf dem Seeweg im Rahmen des EU Policy Cycle – EMPACT (Europäische multidisziplinäre Kooperationsplattform zur Bekämpfung der Bedrohungen durch internationale schwere und organisierte Kriminalität). Die Maßnahme steht unter Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. April 2015 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Leitung von Europol und beabsichtigt die Einrichtung eines Expertenteams bei Europol durch die Entsendung von nationalen Experten der Mitgliedstaaten. Drucksache 18/4634 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Worin bestehen die Ziele der Einheit? Die Maßnahme soll die schnelle Verfügbarkeit aller Erkenntnisse in Bezug auf kriminelle Organisationen, die für die Verbringung von Migranten auf dem Seeweg in die Europäische Union und die sich anschließende illegale Binnenmigration verantwortlich sind, gewährleisten. 3. Welche weiteren europäischen Teilnehmenden der Einheit bzw. der Operationen sind der Bundesregierung bekannt, und welchen Status (Leitende, Co-Leitende, Unterstützende, Teilnehmende, Beobachtende) haben diese? Europol hat nationale Experten zur Unterstützung des Projekts einberufen. Neben der Bundesrepublik Deutschland nehmen die Länder Italien, Spanien, Griechenland, Großbritannien und Frankreich teil. Eine zusätzliche Unterstützung soll durch Frontex und Interpol erfolgen. 4. Wie wurden die europäischen Teilnehmenden der Einheit JOT Mare nach Kenntnis der Bundesregierung bestimmt? Europol hat zur Umsetzung des JOT Mare Stellen für nationale Experten europaweit ausgeschrieben. Nach Eingang der Bewerbungen erfolgte die Auswahl nationaler Mitarbeiter im Rahmen eines Assessment-Centers. 5. Auf welche Weise bzw. mit welchem Personal und welchen Beiträgen nehmen welche deutschen Bundes- und nach Kenntnis der Bundesregierung auch Landesbehörden an JOT Mare teil? Im Rahmen der Beteiligung bei der EMPACT-Priorität „Illegale Migration“ nimmt die Bundespolizei als Vertreter der Bundesrepublik Deutschland durch die Entsendung eines nationalen Experten am JOT Mare teil. 6. Inwiefern wurde im Rahmen von JOT Mare nach Kenntnis der Bundesregierung eine Analysedatei bzw. ein Focal Point bei Europol eingerichtet? Das JOT Mare ist bei Europol an den Focal Point Checkpoint angebunden. 7. Welche Behörden welcher europäischen Länder gehören dieser Analysedatei bzw. diesem Focal Point nach Kenntnis der Bundesregierung an? Nach Kenntnis der Bundesregierung gehören dem Focal Point Checkpoint die EU-Mitgliedstaaten Österreich, Belgien, Bulgarien, Kroatien, Zypern, Tschechien, Dänemark, Frankreich, Finnland, Deutschland, Griechenland, Ungarn, Italien, Lettland, Litauen, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden und Großbritannien an. Die Teilnahme erfolgt in der Regel durch die vom Mitgliedstaat benannte Nationale Stelle nach Artikel 8 des Europol-Ratsbeschlusses 2009/371/JI. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4634 8. Inwiefern werden nach Kenntnis der Bundesregierung auch Behörden von Anrainern der Europäischen Union, etwa die Türkei oder Libyen, in die Operation Mare eingebunden (bitte diese benennen und kenntlich machen, ob die beteiligten Behörden militärischer oder ziviler Natur sind)? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die Einbindung von Anrainerstaaten der Europäischen Union vor. 9. Was ist der Bundesregierung über weitere Bestrebungen des US Immigration and Customs Enforcement (ICE) zur Teilnahme an Focal Points bei Europol bekannt (LATIN AMERICAN Herald Tribune vom 24. März 2015)? Der Bundesregierung sind keine weiteren Bestrebungen der US-Behörde „U. S. Immigration and Customs Enforcement“ (ICE) zur Teilnahme an Focal Points bei Europol bekannt. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 9a verwiesen. a) Welchen Focal Points ist die ICE seit Beginn des Jahres beigetreten? Die ICE ist nach Kenntnis der Bundesregierung seit Beginn des Jahres nur zum Focal Point Checkpoint assoziiert worden. b) Inwiefern beabsichtigen US-Behörden auch die Teilnahme an JOT Mare, und wie wird dies begründet? Der Bundesregierung ist die Pressemitteilung von Europol vom 24. März 2015 bekannt, wonach die ICE eine künftige Teilnahme an der JOT Mare erörtern will. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung derzeit keine Erkenntnisse über die Teilnahmeabsicht weiterer US-Behörden an der JOT Mare vor. 10. Welche weiteren Behörden welcher Drittstaaten gehören JOT Mare an, und welchen Status (Teilnehmende, Unterstützende, Beobachtende) haben diese? Erkenntnisse über eine Einbindung von Drittstaaten liegen der Bundesregierung derzeit nicht vor. 11. Inwiefern und auf welche Weise soll JOT Mare nach Kenntnis der Bundesregierung auch den Handel oder die Weitergabe von Booten bzw. Schiffen für die „illegale Immigration“ über das Mittelmeer unterbinden oder kontrollieren? Durch das Projekt sollen Erkenntnisse über kriminelle Organisationen gewonnen werden, welche für die illegale Verbringung von Migranten auf dem Seeweg in die Europäische Union verantwortlich sind. Für die Kontrolle und Überwachung der EU-Außengrenzen sind die jeweiligen EU-Mitgliedstaaten zuständig . Inwieweit potentielle Erkenntnisse des Projektes in die Seeaußengrenzüberwachung und anschließende Folgemaßnahmen einfließen werden, ist der Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt. 12. In welchen Fällen und nach welcher Maßgabe werden in JOT Mare auch Personendaten verarbeitet? Europol hat u. a. die Aufgabe, Informationen und Erkenntnisse zu sammeln, zu analysieren und auszuwerten und die EU-Mitgliedstaaten über die sie betreffen- Drucksache 18/4634 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode den Informationen zu unterrichten (Artikel 5 und 17 des Europol-Ratsbeschlusses 2009/371/JI). Europol hat keine eigene Ermittlungszuständigkeit. Sofern erforderlich , erfolgt die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen des Projektes auf Grundlage der jeweiligen nationalen Bestimmungen der EU-Mitgliedstaaten und im Einklang mit den einschlägigen europäischen Rechtsvorschriften , insbesondere dem Europol-Ratsbeschluss 2009/371/JI und dem Beschluss 2009/936/JI. 13. Inwiefern wird hierfür nach Kenntnis der Bundesregierung auch Satellitenaufklärung genutzt, wo wird diese verarbeitet, und wer ist daran beteiligt ? Die Bundesregierung hat hierüber keine Kenntnisse. 14. Was ist der Bundesregierung über eine etwaige zeitliche Befristung des JOT Mare bekannt, und inwiefern ist daran gedacht, diese in eine längerfristige Zusammenarbeit zu überführen? Das Pilotprojekt zum JOT MARE erfolgt mit einer Befristung für zunächst ein Jahr, mit der Option auf eine Verlängerung um ein weiteres Jahr bei Vorliegen einer operativen Notwendigkeit. 15. Im Rahmen welcher weiteren EU-Maßnahmen oder besonderen Operationen ist die Polizeiagentur Europol nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015 mit der Verfolgung „Illegaler Immigration“ befasst? Die Polizeiagentur Europol ist im Rahmen der EMPACT-Projekte in der Priorität „Illegale Migration“ beteiligt. Diese umfassen die Operationen „Hunting Ground“, „Falko“, das „JOT Compass“ sowie das Projekt „Identitätsbetrug“. 16. Worin bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung die Ziele der Maßnahmen oder besonderen Operationen? Ziel der Operation „Hunting Ground“ und „Falko“ ist die Intensivierung internationaler Ermittlungen wegen banden- und gewerbsmäßiger Einschleusung. Ziel des „JOT Compass“ ist die Bekämpfung von kriminellen Gruppierungen im Bereich der Sekundärmigration, ausgehend aus dem zentralen südeuropäischen Raum in Richtung Westeuropa. Das Projekt „Identitätsbetrug“ fokussiert eine Situationsanalyse zu den verschiedenen Modi Operandi des Identitätsbetrugs. 17. Welche der Maßnahmen oder besonderen Operationen werden von Europol als Leiterin, Co-Leiterin, Unterstützerin oder Teilnehmerin durchgeführt ? In allen in der Antwort zu den Fragen 15 und 16 genannten Maßnahmen unterstützt Europol die teilnehmenden Mitgliedstaaten. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4634 18. Welche weiteren Teilnehmenden der Maßnahmen oder besonderen Operationen sind der Bundesregierung bekannt, und welchen Status (Leitende, Co-Leitende, Unterstützende, Teilnehmende, Beobachtende) haben diese? „Operation Hunting Ground“/„Falko“ Leitung: Ungarn, Stellvertreter: Österreich Teilnehmer: Deutschland, Polen, Slowakei, Mazedonien, Griechenland, Kroatien , Slowenien, Rumänien, Bulgarien, Schweiz. „JOT Compass“ Leitung: Frankreich, Stellvertreter: Niederlande, Großbritannien Teilnehmer: Deutschland, Österreich, Schweiz, Dänemark, Schweden, Italien, Spanien, FRONTEX, Eurojust. Projekt „Identitätsbetrug“ Leitung: Frankreich, Stellvertreter: Großbritannien Teilnehmer: Deutschland, Spanien, Polen, Dänemark, Zypern, Portugal, Rumänien , Schweiz, Niederlande, FRONTEX. 19. Wann sind im Rahmen der Maßnahmen einzelne Operationen geplant? Zur konkreten Planung von Operationen liegen der Bundesregierung derzeit keine Erkenntnisse vor. 20. Auf welche Weise bzw. mit welchem Personal und welchen Beiträgen nehmen welche deutschen Bundes- und nach Kenntnis der Bundesregierung auch Landesbehörden an den Maßnahmen oder besonderen Operationen teil? a) An welchen der Maßnahmen war eine deutsche Teilnahme geplant, und an welchen nehmen deutsche Behörden tatsächlich teil? b) Welche Treffen haben bereits im Rahmen jener Maßnahmen stattgefunden , bei denen deutsche Behörden als Aktionsleiter oder CoAktionsleiter geführt sind (bitte Datum und Ort benennen)? Es wird auf die Antwort zu Frage 19 verwiesen. 21. Welche Bundes- bzw. nach Kenntnis der Bundesregierung auch Landesbehörden haben an der informellen „Sonderkonferenz der Innenminister“ am 23. März 2015 in Brüssel teilgenommen, zu der der bayerische Innenminister , Joachim Herrmann, in die Bayerische Vertretung einlud (Pressemitteilung Bayerische Staatsregierung vom 20. März 2015)? Wie bei der Innenministerkonferenz (IMK) üblich haben an der Sonderkonferenz am 23. März 2015 in Brüssel die Innenminister und -senatoren der Länder und das Bundesministerium des Innern als Gast teilgenommen. Eingeladen zu der Sonderkonferenz hat der IMK-Vorsitzende Roger Lewentz, Staatsminister des Innern, für Sport und Infrastruktur von Rheinland-Pfalz. Der Bayerische Staatsminister des Innern, für Bau und Verkehr, Joachim Herrmann, war Gastgeber . Drucksache 18/4634 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode a) Welche weiteren Teilnehmenden sind der Bundesregierung bekannt? Über weitere Teilnehmer kann die Bundesregierung nicht informieren. Die Innenministerkonferenz hat sich vorbehalten, über solche Informationen selbst zu entscheiden. b) Welche Vorträge wurden nach Kenntnis der Bundesregierung hinsichtlich der Themen „Terrorismusbekämpfung“, „Flüchtlingspolitik in Europa“, „Cybersicherheit“, „engere Zusammenarbeit der deutschen Länder, des Bundes und der EU“, „Vorratsdatenspeicherung“, „Kontrolle der EU-Außengrenzen“, „gewalttätige Ausschreitungen in Frankfurt bei der Neubaueröffnung der Europäischen Zentralbank“ gehalten , und welche Verabredungen wurden anschließend getroffen (bitte Inhalt bzw. Ausrichtung der Beiträge kurz umreißen)? Die Innenministerkonferenz hat sich auch vorbehalten, über die Tagesordnung und damit im Zusammenhang stehende Vorträge zu entscheiden. Der entsprechende Teil der Beschlussniederschrift ist nicht zur Veröffentlichung freigegeben . Zu den Ausschreitungen in Frankfurt am Main vom 18. März 2015 anlässlich der Demonstrationen zur Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank hat Hessen berichtet. Die Konferenz hat dazu einen Beschluss gefasst. Er ist der Antwort als Anlage beigefügt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4634 Freigegebener Beschluss der 201. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 23.03.15 in Brüssel Ausschreitungen in Frankfurt am Main vom 18.03.15 anlässlich der Demonstrationen zur Eröffnung des Neubaus der Europäischen Zentralbank Beschluss: 1. Die IMK verurteilt die Gewaltexzesse anlässlich der Demonstrationen in Frankfurt am Main am 18.03.15, bei denen 150 Polizeibeamtinnen und -beamte zum Teil schwer verletzt wurden, auf das Schärfste. Die gezielten Angriffe auf Polizeibeamte und Feuerwehrleute sind verabscheuungswürdig und weder entschuldbar noch zu tolerieren. Diese stehen in keinerlei Zusammenhang mit der Ausübung des Demonstrationsrechts und der Ausübung der Meinungsfreiheit. Die IMK spricht den eingesetzten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten von Bund und Ländern, den Helfern von Feuerwehr und den Rettungsdiensten ihre Anerkennung aus. 2. Die IMK beauftragt AK II und AK IV, die Erkenntnisse aus dem Einsatz zu analysieren und mögliche Schlüsse auf einsatztaktische Handlungserfordernisse für künftige Einsätze in Deutschland zu ziehen, insbesondere auch mit Blick auf den Einsatz beim G7-Gipfel und die Feierlichkeiten zum 25. Tag der deutschen Einheit. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333