Deutscher Bundestag Drucksache 18/4647 18. Wahlperiode 17.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Katrin Kunert, Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4320 – Rolle der Türkei im Bürgerkrieg in Syrien und Auswirkungen auf die NATO-Operation Active Fence Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Deutsche Bundestag hat am 14. Dezember 2012 erstmals der Entsendung bewaffneter Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO (Organisation des Nordatlantikvertrages) in der Türkei zugestimmt. Ziel der NATO-Operation „Active Fence Turkey“ (AF TUR) soll der Schutz der territorialen Integrität des NATO-Bündnispartners vor Angriffen aus Syrien sein. Die Türkei hatte diesbezüglich die NATO um Bündnisbeistand ersucht und beruft sich auf ihr Recht auf kollektive Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen. Den Grund für das Beistandsersuchen Ankaras bildete der fehlgeleitete Beschuss mit Mörsergranaten aus dem benachbarten Syrien, durch den auf türkischer Seite Zivilistinnen und Zivilisten getötet bzw. verletzt wurden. Allerdings hat selbst die türkische Regierung den grenzüberschreitenden Beschuss als nicht vorsätzlich und nicht gegen die Türkei gerichtet bewertet. Die Bundesrepublik Deutschland ist an der NATO-Operation AF TUR mit maximal 400 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr beteiligt. Der Deutsche Bundestag hat das Mandat zuletzt am 29. Januar 2015 um ein weiteres Jahr verlängert. Kern des deutschen Kontingents sind zwei Raketenabwehreinheiten der Luftwaffe. Ihr Einsatzort befindet sich ca. 100 Kilometer nördlich der türkisch-syrischen Grenze in Kahramanmaras. Das Bedrohungsszenario, mit dem der NATO-Einsatz weiterhin gerechtfertigt wird, muss aus Sicht der Fragesteller hinterfragt werden. Die Bundesregierung hat selbst eingeräumt, dass nach der zertifizierten Vernichtung der deklarierten syrischen Chemiewaffen das von Syrien ausgehende Angriffsrisiko erheblich gesunken ist und derzeit als niedrig eingestuft wird. Das Hauptbedrohungsrisiko stellen nach Auffassung der Bundesregierung vor allem die ballistischen Raketenbestände der syrischen Armee dar, deren Reichweite bis zu 700 KiloDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 14. April 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. meter beträgt sowie ferner eventuelle, nicht deklarierte Restbestände von Chemiewaffen (vgl. Bundestagsdrucksache 18/3698). Drucksache 18/4647 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Fragesteller teilen nicht die Einschätzung der Bundesregierung, wonach die Türkei „bislang besonnen auf Zwischenfälle an der syrisch-türkischen Grenze reagiert und von militärischen Alleingängen abgesehen“ habe (Bundestagsdrucksache 18/3698). Nach ihrer Ansicht ist die Türkei vielmehr eine eindeutige Interessenpartei im syrischen Bürgerkrieg. Ankara unterstützt die Aktivitäten der bewaffneten Opposition gegen die syrische Regierung auf vielfältige Weise. Militante dschihadistische Gruppen, darunter Glaubenskrieger des „Islamischen Staats“ und der Al-Qaida nahestehenden Al-Nusra-Front, können zum Beispiel die türkisch-syrische Grenze ungehindert überqueren und sich in türkischen Krankenhäusern medizinisch behandeln lassen (vgl. www. washingtonpost.com/world/how-turkey-became-the-shopping-mall-for-theislamic -state/2014/08/12/5eff70bf-a38a-4334-9aa9-ae3fc1714c4b_ story.html, abgerufen am 2. März 2015). Die Türkei stellt auch nach eigener Einschätzung der Bundesregierung „das maßgebliche Transitland für Dschihadisten (dar), die sich nach Syrien begeben wollen“ (Antwort zu Frage 31 auf Bundestagsdrucksache 18/1087). Hinzu kommen illegale Waffenlieferungen aus dem Ausland nach Syrien, die über das Territorium der Türkei abgewickelt und von den türkischen Behörden in mehreren Fällen aufgedeckt wurden (vgl. Bundestagsdrucksache 18/1087). Die türkische Gendarmerie stoppte darüber hinaus am 19. Januar 2014 in der Provinz Adana drei Lkw auf dem Weg nach Syrien, die mutmaßlich Waffen an Al-Qaida liefern wollten und offenbar von Mitarbeitern des türkischen Militärgeheimdienstes „MIT“ eskortiert wurden (vgl. www.spiegel.de/politik/ausland/ tuerkischer-geheimdienst-soll-waffen-an-al-qaida-geliefert-haben-a- 1013499.html, abgerufen am 2. März 2015). In der Nacht des 21. Februar 2015 marschierte das türkische Militär in einer großangelegten Kommandoaktion mit 572 Soldaten, 39 Panzern und 57 gepanzerten Fahrzeugen in Syrien ein, um die zum türkischen Hoheitsgebiet gehörende und für das osmanisch-türkische Kulturerbe bedeutsame Grabstätte von Süleyman Shah zu verlegen und das dortige militärische Bewachungspersonal zu evakuieren (vgl. www.foreignpolicy.com/2015/02/24/turkeys-tomb-raiders, abgerufen am 2. März 2015). Die syrische Regierung bezeichnete das Vorgehen Ankaras als Aggression gegen die Souveränität Syriens (vgl. www. sueddeutsche.de/politik/naechtlicher-militaereinsatz-tuerkei-evakuiertosmanische -grabstaette-in-syrien-1.2361779, abgerufen am 2. März 2015). Die Militäraktion erfolgte vor dem Hintergrund von wiederholten Äußerungen von ranghohen türkischen Politikern, wonach die Türkei die Errichtung einer „Pufferzone“ auf syrischem Territorium anstrebe, die mit einer Flugverbotszone für die syrische Luftwaffe verbunden sein solle (vgl. The New York Times vom 9. Oktober 2014: Turkey Seeks Buffer Zone On the Border With Syria, Hürriyet vom 7. Oktober 2014: Turkish President Erdogan says airstrikes not enough to save Kobane). Aus Sicht der Fragesteller benutzt die Türkei die Bündnissolidarität der NATO als militärische Rückendeckung für ihre interessengeleitete Einflussnahme im syrischen Bürgerkrieg. Dies schließt offenbar in wachsendem Maß auch die Bereitschaft Ankaras ein, militärische Aktivitäten im Nachbarland durchzuführen . Angesichts dessen muss das Verhalten des NATO-Verbündeten einer kritischen Überprüfung unterzogen und die Haltung der Bundesregierung zu den sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen des NATO-Einsatzes geklärt werden . 1. Wie haben sich die tatsächlichen Ist-Kosten bei den einsatzbedingten Zusatzausgaben für die deutsche Beteiligung an der NATO-Operation AF TUR im zurückliegenden Mandatierungszeitraum vom 1. Februar 2014 bis 31. Januar 2015 entwickelt, und wie verteilen sich die Ausgaben auf die einzelnen militärischen Fähigkeitsbereiche bei diesem Einsatz (bitte detailliert aufschlüsseln)? Die tatsächliche Entwicklung der einsatzbedingten Zusatzausgaben, finanziert aus Einzelplan 14 Kapitel 14 03 Titelgruppe 08, für die deutsche Beteiligung an Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4647 der NATO-Operation „Active Fence Turkey“ stellt sich für den zurückliegenden Mandatierungszeitraum vom 1. Februar 2014 bis 31. Januar 2015 wie folgt dar: 2. Wie teilen sich die geplanten einsatzbedingten Zusatzausgaben für die deutsche Beteiligung an der NATO-Operation AF TUR in Höhe von 20,5 Mio. Euro für den Mandatierungszeitraum vom 1. Februar 2015 bis 31. Januar 2016 auf die einzelnen militärischen Fähigkeitsbereiche bei diesem Einsatz auf (bitte detailliert aufschlüsseln)? Die Ausgabenplanung der einsatzbedingten Zusatzausgaben, finanziert aus Einzelplan 14 Kapitel 14 03 Titelgruppe 08, für die deutsche Beteiligung an der NATO-Operation „Active Fence Turkey“ stellt sich für den Mandatierungszeitraum 1. Februar 2015 bis 31. Januar 2016 wie folgt dar: 3. Wie haben sich die absoluten Ausgaben für die Operation AF TUR im Rahmen des Militärhaushalts für „NATO Command Structure, Entities and Programmes “ im zurückliegenden Kalenderjahr 2014 für die einzelnen NATOMitglieder nach dem fixen Kostenteilungsschlüssel entwickelt (bitte nach einzelnen Mitgliedsländern und in absoluten Beitragszahlen ausweisen)? Für „Active Fence Turkey“ trägt die NATO die Kosten für ihre Unterstützung (vornehmlich Führungs- und Kommunikationsleistungen) im Rahmen des regulären Betriebs der NATO-Kommandostruktur, ihrer Einrichtungen und Programme . Diese Kosten werden daher aus dem NATO-Militärhaushaltsanteil zu „NATO Command Structure, Entities and Programmes“ getragen. Im Kalenderjahr 2014 betrugen die diesbezüglichen Ausgaben 121 246 Euro. Der deutsche Beitrag wird aus Einzelplan 14 Kapitel 14 22 Titel 687 01 im Rahmen der regulären Zahlungsabrufe des gesamten Titels geleistet. Eine gesonderte Inrechnungstellung und Zahlung erfolgt nicht. Der Finanzierung des laufenden Betriebs der NATO-Kommandostruktur liegt eine fixe Kostenteilung zu Ausgabenbereich IST-Ausgaben Personalausgaben 4,93 Mio. € Nicht aufteilbare sächliche Verwaltungsausgaben 9,47 Mio. € Erhaltung von Wehrmaterial 4,06 Mio. € Militärische Beschaffungen 0,12 Mio. € Militärische Anlagen – Gesamt 18,58 Mio. € Ausgabenbereich Planung Personalausgaben 5,62 Mio. € Nicht aufteilbare sächliche Verwaltungsausgaben 10,06 Mio. € Erhaltung von Wehrmaterial 4,50 Mio. € Militärische Beschaffungen 0,24 Mio. € Militärische Anlagen 0,05 Mio. € Gesamt 20,47 Mio. € sämtlichen 28 NATO-Mitgliedern zugrunde. Drucksache 18/4647 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Aus dieser ergibt sich die folgende Aufteilung der o. g. Ausgaben: Anteil EURO Kostenteilungsschlüssel Albanien 105 0,0870% Belgien 2.470 2,0368% Bulgarien 394 0,3247% Dänemark 1.535 1,2663% Deutschland 17.755 14,6439% Estland 122 0,1006% Frankreich 13.299 10,9682% Griechenland 1.337 1,1029% Großbritannien 12.705 10,4790% Island 52 0,0430% Italien 10.579 8,7250% Kanada 7.386 6,0915% Kroatien 372 0,3066% Lettland 168 0,1383% Litauen 258 0,2132% Luxemburg 185 0,1525% Niederlande 3.964 3,2696% Norwegen 1.878 1,5486% Polen 3.194 2,6343% Portugal 1.151 0,9497% Rumänien 1.280 1,0553% Slowakei 549 0,4529% Slowenien 267 0,2200% Spanien 6.328 5,2190% Tschechische Republik 1.142 0,9421% Türkei 5.008 4,1305% Ungarn 847 0,6985% Vereinigte Staaten von Amerika 26.917 22,2000% Summe 121.246 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4647 4. Wie hat sich die Personalstärke und die Personalzusammensetzung des deutschen Einsatzkontingents im Rahmen von AF TUR im zurückliegenden Mandatierungszeitraum vom 1. Februar 2014 bis 31. Januar 2015 entwickelt (bitte nach Quartal, Fähigkeitsbereich bzw. Dienstgrad und Geschlecht aufschlüsseln)? Es wurden die durchschnittlichen Stärken der jeweiligen Quartale zugrunde gelegt . Offz = Offiziere, Uffz = Unteroffiziere, Msch = Mannschaften. 5. Wie hat sich die Personalstärke und die Personalzusammensetzung der anderen NATO-Einsatzkontingente im Rahmen von AF TUR im zurückliegenden Kalenderjahr 2014 entwickelt (bitte nach Quartal, Fähigkeitsbereich bzw. Dienstgrad und Geschlecht aufschlüsseln)? Zur Personalstärke und Personalzusammensetzung der anderen NATO-Einsatzkontingente liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 6. Mit welcher konkreten Begründung haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Niederlande ihr militärisches Personal aus dem NATO-Einsatz AF TUR abgezogen, und haben bei dieser Entscheidung nach Kenntnis der Bundesregierung insbesondere auch finanzielle Erwägungen eine Rolle gespielt ? Die Niederlande hatten die NATO und die Bundesregierung Ende August 2014 darüber informiert, dass aufgrund mangelnder militärischer Durchhaltefähigkeit die niederländischen PATRIOT-Einheiten im Januar 2015 zurückverlegt werden . 1. Quartal (Feb - Apr 2014) 2. Quartal (Mai - Jul 2014) 3. Quartal (Aug - Okt 2014) 1. Quartal (Nov - Jan 2015) Gesamt davon weiblich Gesamt davon weiblich Gesamt davon weiblich Gesamt davon weiblich Offz 51 5 54 6 46 3 44 5 Uffz 170 14 182 18 152 16 151 8 Msch 64 2 63 2 63 2 52 4 Gesamt 285 21 299 26 261 21 247 17 Drucksache 18/4647 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 7. Welche konkreten Aufgaben hatte nach Kenntnis der Bundesregierung das niederländische Einsatzkontingent zuvor im Rahmen von AF TUR übernommen , und durch welche anderen NATO-Staaten wurden diese Aufgaben nach Abzug des niederländischen Einsatzkontingents kompensiert? Der Auftrag des niederländischen Kontingents, das in Adana stationiert war, entsprach dem des deutschen Kontingents. Spanien hat Ende Januar 2015 den niederländischen Auftrag übernommen. 8. Wie viele Flugabwehrraketen des Typs Patriot (Phased Array Tracking Radar To Intercept On Target) sind derzeit aus Deutschland in der Türkei stationiert? Derzeit befinden sich 103 PATRIOT-Lenkflugkörper aus Deutschland in der Türkei. 9. Wie viele Patriot-Flugabwehrraketen aus anderen NATO-Staaten sind derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung in der Türkei stationiert? Zu den durch andere NATO-Staaten in nationaler Zuständigkeit stationierten PATRIOT-Lenkflugkörpern liegen der Bundesregierung keine detaillierten Erkenntnisse vor. 10. Inwieweit hat der Abzug der niederländischen Patriot-Einheiten nach Einschätzung der Bundesregierung die außensicherheitspolitische Bedrohungslage der Türkei beeinflusst? Spanien hat den Auftrag des niederländischen Kontingents nach dessen Abzug aus Adana übernommen. Sowohl die NATO als auch die Türkei haben den Einsatz des spanischen PATRIOT-Systems befürwortet. Im letzten turnusmäßigen Bericht bewertet der Alliierte Oberbefehlshaber der NATO die Bedrohung der Türkei als niedrig, aber weiterhin glaubhaft, insbesondere durch fehlgeleiteten Beschuss. 11. Wie viele militärische Sonderfahrzeuge aus der ABC-Abwehrtruppe der Bundeswehr befanden sich im zurückliegenden Mandatierungszeitraum vom 1. Februar 2014 bis 31. Januar 2015 in der Türkei, und für welche Aufgaben wurden diese im Rahmen von AF TUR in der Praxis eingesetzt (bitte nach Fahrzeugtyp, Stückzahl und Art des Einsatzes auflisten)? Im zurückliegenden Mandatszeitraum befanden sich bis zu 19 Sonderfahrzeuge der ABC-Abwehrkräfte in der Türkei (Kahramanmaraş). Diese schlüsselten sich wie folgt auf: Fahrzeugtyp Stück Art des Einsatzes Transportpanzer FUCHS KWS 2 ABC-Aufklärung Lkw mit Dekontaminationsrüstsatz TEP90 (Truppenentgiftungsplatz ) 4 Entstrahlung, Entseuchung, Entgiftung Lkw mit Dekontaminationsrüstsatz HEP70 (Hauptentstrahlungs , -entseuchungs, -entgiftungssatz) 4 Entstrahlung, Entseuchung, Entgiftung Einsatzfahrzeug Spezialisierte Kräfte MUNGO 6 Probenahme Quad 3 Probenahme Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4647 12. Wie viele sicherheitsrelevante Vorfälle haben sich im zurückliegenden Mandatierungszeitraum vom 1. Februar 2014 bis 31. Januar 2015 im Zusammenhang mit AF TUR insgesamt ereignet (bitte mit Datum und Art des Vorfalls auflisten)? 13. Wie viele sicherheitsrelevante Vorfälle waren davon im Hinblick auf die Patriot-Raketenabwehr von Bedeutung (bitte mit Datum und Art des Vorfalls auflisten)? Die Fragen 12 und 13 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Im zurückliegenden Mandatierungszeitraum, also bis einschließlich 31. Januar 2015, gab es zwei sicherheitsrelevante Vorfälle: einen IT-Sicherheitsverstoß am 12. Mai 2014 und eine Beschädigung eines Fahrzeuges am 17. Mai 2014. Diese Vorfälle hatten keine Auswirkung auf die Raketenabwehr. Zur anhaltenden Bedrohungseinschätzung durch den Alliierten Oberbefehlshaber wird auf die Antwort zu Frage 10 verwiesen. 14. Über wie viele ballistische Kurzstreckenraketen mit einer Reichweite bis zu 700 Kilometern verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung die syrischen Streitkräfte? Nach Schätzungen der Bundesregierung verfügt das syrische Regime über folgende ballistische Kurzstreckenraketen: ca. sieben Stück SCUD B, ca. 95 Stück SCUD C, ca. 56 Stück SCUD D, ca. 186 Stück SS-21, ca. 96 Stück M-600. a) An welchen Standortdepots innerhalb Syriens sind nach Kenntnis der Bundesregierung die ballistischen Raketen stationiert, und wie ist der Zugang zu diesen Waffensystemen gesichert? Die ballistischen Kurzstreckenraketensysteme sind an den Standorten Al Qutayfah , An Nasiriyah, Jibab und Hirjillah disloziert und werden durch syrische Streitkräfte gesichert. b) Befinden sich die ballistischen Kurzstreckenraketen nach Kenntnis der Bundesregierung unter vollständiger Kontrolle der syrischen Streitkräfte oder haben gegebenenfalls auch bewaffnete Oppositionsgruppen im Rahmen des Bürgerkriegs Zugang zu diesen Waffensystemen oder zu einzelnen Komponenten erlangt (bitte unter Angabe von Datum , Ort, bewaffneter Gruppe und Umfang erbeuteter Waffensysteme )? Die Raketenstandorte stehen unter Kontrolle des syrischen Regimes und werden vorrangig geschützt. Im Mai 2014 sollen dem Vernehmen nach einige M-600- Raketen vom bewaffneten syrischen Widerstand erbeutet worden sein. Startgeräte oder bei den syrischen Raketentruppen eingesetzten Startfahrzeuge wurden nach Kenntnis der Bundesregierung nicht erbeutet. c) Über wie viele und welche einsatzfähige/n ballistische/n Flugkörper verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung die syrischen Streitkräfte , die in technischer Hinsicht mit chemischen Kampfstoffen bestückbar sind und von der Patriot-Raketenabwehr zuverlässig abgefangen werden können? Die PATRIOT-Systeme sind grundsätzlich befähigt, ballistische Flugkörper mit einer Reichweite von bis zu 1 000 Kilometern abzufangen. Die in der Antwort zu Frage 14 aufgelisteten ballistischen Raketen können grundsätzlich mit Gefechtsköpfen bestückt werden, die auch mit chemischen Kampfstoffen befüllt Drucksache 18/4647 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode werden können. Über darüber hinausgehende Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung nicht. d) Stammen nach Kenntnis der Bundesregierung die derzeit vorhandenen ballistischen Kurzstreckenraketen primär aus syrischer Eigenproduktion , oder wurden diese Waffensysteme bzw. Teilkomponenten aus dem Ausland nach Syrien geliefert, und falls ja, von wem (bitte gegebenenfalls detailliert auflisten)? Syrien verfügt über eigene Produktionskapazitäten zur Herstellung ballistischer Raketensysteme. Die Produktionsstandorte wurden mit ausländischem Technologietransfer geplant und aufgebaut. Die genannten Raketensysteme wurden bis zum Ausbruch des Syrien-Konflikts in syrischer Eigenproduktion hergestellt, die Fertigung ist jedoch nachfolgend aufgrund von Embargo und Kriegswirren weitgehend zum Erliegen gekommen. Rohstoffe und schlüsseltechnologische Komponenten (wie martensitausgehärteter Stahl oder Navigationsgeräte) müssen nach wie vor im Ausland beschafft werden. 15. Welche konkreten Anhaltspunkte liegen der Bundesregierung dafür vor, dass die syrische Regierung möglicherweise nicht alle Chemiewaffenbestände deklariert haben könnte, worauf sich die Bundesregierung unter anderem in ihrer Begründung für die jüngste Mandatsverlängerung von AF TUR beruft (vgl. Bundestagsdrucksache 18/3698), und von welchen Bestandsgrößen nicht deklarierter Chemiewaffen wäre hierbei nach Kenntnis der Bundesregierung gegebenenfalls auszugehen? Die Informationen, die Syrien im Herbst 2013 gemäß Resolution 2118 (2013) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen und dem Chemiewaffen-Übereinkommen der Organisation für das Verbot von Chemischen Waffen (OVCW) vorgelegt hat, waren unvollständig. Syrien hat seitdem eine weitere Produktionseinrichtung und drei zusätzliche Forschungseinrichtungen für chemische Waffen nachdeklariert (vgl. C-19/DG.16 „Opening Statement by the DG to the Conference of the States Parties at its Nineteenth Session“ vom 1. Dezember 2014, www.opcw.org). Die Überprüfung der syrischen Erstdeklaration und der weiteren von Syrien vorgelegten Informationen durch die OVCW dauert an. 16. Welche eigenen Grenzbefestigungsmaßnahmen hat die Türkei nach Kenntnis der Bundesregierung im zurückliegenden Kalenderjahr 2014 durchgeführt, und welche mobilen oder stationären Waffensysteme hat sie – gegebenenfalls auch vorübergehend – an welche Abschnitte der türkisch -syrischen Grenze verlegt (bitte detailliert ausführen und nach Stückzahl pro Waffensystem auflisten)? 17. An welchen Abschnitten der türkisch-syrischen Grenze hat die Türkei hingegen nach Kenntnis der Bundesregierung bislang auf eigene Grenzbefestigungsmaßnahmen und die Verlegung von mobilen oder stationären Waffensystemen verzichtet? Die Fragen 16 und 17 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die 911 km lange Grenze der Türkei zu Syrien wird nach Angaben des türkischen Generalstabs auf einer Länge von ca. 350 km durch Gräben gesichert, die mit Stacheldraht verstärkt sind und nachts größtenteils ausgeleuchtet werden. Im Jahr 2013 wurde bei Nusaybin zusätzlich eine etwa drei Kilometer lange Mauer aus Betonelementen errichtet. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4647 Allen Grenzsicherungsmaßnahmen ist gemein, dass sie sich auf die Umgebung der bestehenden Grenzübergänge konzentrieren und primär im Südosten der Türkei angelegt sind. Die Grenze wird auf ihrer gesamten Länge durch Militärpatrouillen überwacht. Die Türkei hat in der Vergangenheit zusätzliches militärisches Gerät und Personal an die türkisch-syrische Grenze verlegt, wenn die Gefährdungslage dies erforderte. So wurden z. B. im Herbst 2014 Kampfpanzer in Grenznähe zu Ain-al Arab/Kobane verlegt. 18. Welche bewaffneten Gruppen bzw. militärischen Formationen kontrollieren nach Kenntnis der Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf syrischer Seite den Grenzübergang Tell Abiad (Syrien)/Akcakale (Türkei ), und wie sieht angesichts seiner hohen geostrategischen Bedeutung nach Kenntnis der Bundesregierung die aktuelle militärische Lage um die Stadt aus? Gemäß syrischen Oppositionsquellen ist Tell Abiad und sein Umland derzeit unter Kontrolle des Islamischen Staates im Irak und in Syrien (ISIS). Circa 20 bis 30 Kilometer östlich der Stadt verläuft demnach die Frontlinie zu den Stellungen der Kurdenmiliz YPG. 19. In welchem Ausmaß wird nach Kenntnis der Bundesregierung der Grenzübergang Tell Abiad (Syrien)/Akcakale (Türkei) zum gegenwärtigen Zeitpunkt für den Grenzverkehr von Personen und Waren genutzt? Der Grenzübergang Tell Abiad/Akçakale zwischen der Türkei und Syrien ist nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit für den Waren- und Personenverkehr geschlossen. Für humanitäre Notfälle ist ein Grenzübertritt in Richtung Türkei möglich. 20. Welche eigenen Maßnahmen zur verstärkten Luftraumüberwachung hat die Türkei nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien ergriffen, und in wie vielen Fällen ist die türkische Luftwaffe hierbei nach Kenntnis der Bundesregierung gegebenenfalls auch in den völkerrechtlichen Luftraum Syriens eingedrungen (bitte detailliert und mit Angabe des Vorfalls ausführen)? Neben der zivilen Luftraumüberwachung nutzt die Türkei zusätzliche militärische Mittel zur Luftraumüberwachung. Der Bundesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse über etwaige Verletzungen des syrischen Luftraums durch die türkischen Luftstreitkräfte vor. 21. Welche eigenen oder übermittelten Erkenntnisse – gegebenenfalls auch nachrichtendienstlicher Herkunft – hat die Bundesregierung hinsichtlich des mutmaßlich für Syrien bestimmten Lkw-Waffentransports vom 19. Januar 2014 und der hierbei von der türkischen Gendarmerie aufgefundenen Waffen (bitte nach Stückzahl und Waffenart bzw. Munition auflisten)? 22. Welche eigenen oder übermittelten Erkenntnisse – gegebenenfalls auch nachrichtendienstlicher Herkunft und unter besonderer Berücksichtigung der vor Ort bestehenden Lauftraumüberwachungskapazitäten der Bundeswehr – hat die Bundesregierung über den Eigentümer, den Herkunftsort und das anschließende Flugziel des Flugzeugs, mit dem die später in Lkw weiter transportierten Waffen in die Türkei gelangt sind (bitte detailliert ausführen)? Drucksache 18/4647 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 23. Welche eigenen oder übermittelten Erkenntnisse – gegebenenfalls auch nachrichtendienstlicher Herkunft – hat die Bundesregierung über eine mutmaßliche Begleitung des Lkw-Waffentransports durch Angehörige des türkischen Militärgeheimdienstes MIT? 24. Wurden im Zusammenhang mit dem Stopp dieser mutmaßlichen Waffenlieferung nach Kenntnis der Bundesregierung auch Personen in Untersuchungshaft genommen, und falls ja, handelt es sich bei diesen nach Kenntnis der Bundesregierung um Angehörige der Gendarmerie oder um Angehörige des Militärgeheimdienstes MIT bzw. von anderen türkischen Sicherheitsdiensten? Die Fragen 21 bis 24 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Der Bundesregierung sind Medienberichte zu dem in den Fragen 21 bis 24 angesprochenen Vorfall bekannt. Darüber hinaus liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf ihre Antwort vom 22. Januar 2015 auf die Schriftlichen Fragen 22 und 23 des Abgeordneten Thomas Nord auf Bundestagsdrucksache 18/3812. In Bezug auf die Fragen 23 und 24 wird klarstellend darauf hingewiesen, dass es sich beim MIT nicht um den Militärgeheimdienst, sondern um den zivilen Nachrichtendienst der Türkei handelt. 25. Welche Erkenntnisse – gegebenenfalls auch nachrichtendienstlicher Herkunft – hat die Bundesregierung zu – über den mutmaßlichen Waffentransport vom 19. Januar 2014 hinausreichenden – Bestrebungen der Türkei, Waffenlieferungen aus dem Ausland nicht nur über ihr Territorium zu dulden , sondern auch einzelne militärische Konfliktparteien in Syrien selbst mit Waffen zu beliefern? Am 19. Februar 2015 haben die Türkei und die USA nach mehrmonatigen Verhandlungen eine Verständigung darüber erzielt, moderate syrische Oppositionskämpfer auszubilden und auszurüsten. Diese Übereinkunft soll im Laufe der nächsten Monate umgesetzt werden. Darüber hinaus ist die Bundesregierung nach sorgfältiger Abwägung zu der Überzeugung gelangt, dass die Beantwortung der Frage nicht vollständig offen erfolgen kann. Die erbetenen Auskünfte sind geheimhaltungsbedürftig, weil sie Hinweise auf die Herkunft des nachrichtendienstlichen Aufkommens enthalten. Bei der Gewinnung von Erkenntnissen sind die Nachrichtendienste auf Nachrichtenzugänge angewiesen, die in besonderer Weise schutzwürdig sind. Sie stellen das wichtigste Instrument eines Nachrichtendienstes zur Informationsgewinnung dar und haben folglich eine überragende Bedeutung für die Erfüllung des gesetzlichen Auftrags. Dies betrifft sowohl die Zusammenarbeit mit menschlichen Quellen, als auch mit anderen Nachrichtendiensten. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist dabei die Geschäftsgrundlage für jede Kooperation . Eine öffentliche Bekanntgabe entgegen der zugesicherten Vertraulichkeit würde nicht nur die Nachrichtendienste des Bundes in grober Weise diskreditieren, sondern auch zu einem Rückgang von Informationen aus diesen Bereichen und damit zu einer Verschlechterung der Abbildung der Sicherheitslage durch die Nachrichtendienste des Bundes führen. Die Aufrechterhaltung einer solchen Vertrauensstellung ist mithin von hohem außenpolitischem Interesse. Aus den genannten Gründen würde eine Beantwor- tung in offener Form für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein. Daher ist die Antwort zu der genannten Frage als Verschlusssache ge- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/4647 mäß der VSA mit dem Geheimhaltungsgrad „VS – Vertraulich“ eingestuft und wird bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zur Einsicht hinterlegt .* 26. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung beim Einmarsch des türkischen Militärs zur Verlegung der Grabstätte von Süleyman Shah neben Kampfpanzern und gepanzerten Fahrzeugen auch F-16-Kampfjets der türkischen Luftwaffe in den völkerrechtlichen Luftraum Syriens eingedrungen, wie dies der türkischen Regierung nahestehende Medien berichtet haben (vgl. www.english.yenisafak.com/news/turkish-fighter-jets-fly-over-suleymanshah -tomb-2090880, abgerufen am 5. März 2015)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. a) Falls ja, mit wie vielen Kampfjets ist die Türkei nach Kenntnis der Bundesregierung in den völkerrechtlichen Luftraum Syriens eingedrungen ? Der Bundesregierung liegen hierzu keine eigenen Erkenntnisse vor. b) Wie hat die syrische Regierung auf den vorübergehenden Einmarsch des türkischen Militärs und die mutmaßliche Verletzung des syrischen Luftraums durch die Türkei nach Kenntnis der Bundesregierung reagiert ? Die syrische Regierung hat gegen die Verlegung der Grabstätte von Süleyman Shah öffentlich protestiert. Der ständige Vertreter Syriens bei den Vereinten Nationen hat die Maßnahme zudem in einem Brief an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als Völkerrechtsbruch qualifiziert. c) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Umstände, die bei der Militäraktion zum Tod eines türkischen Soldaten geführt haben (vgl. www.tagesspiegel.de/politik/angst-vor-terrormiliz-is-tuerkeirueckt -in-syrien-ein-und-bringt-wachsoldaten-in-sicherheit/ 11405626.html, abgerufen am 5. März 2015)? Nach Informationen der Bundesregierung kam ein türkischer Soldat ums Leben, als er die Verlegung fotografisch dokumentieren wollte und dabei von einem Fahrzeug erfasst und tödlich verletzt wurde. d) Inwieweit hat die Türkei nach Kenntnis der Bundesregierung zuvor versucht, ohne den Einsatz von Militär die Grabstätte zu verlegen bzw. zumindest vorab die Zustimmung der syrischen Regierung zu dieser Militäraktion einzuholen? Die türkische Regierung hat nach eigener Aussage per Verbalnote das syrische Generalkonsulat in Istanbul über das Vorhaben vorab informiert. e) Welche innersyrischen Konfliktparteien waren nach Kenntnis der Bundesregierung gegebenenfalls an der Militäraktion der türkischen Armee beteiligt oder haben diese unterstützt? Der Bundesregierung liegen hierzu keine über die Presseberichterstattung hinausgehenden glaubhaften Erkenntnisse vor. * Das Auswärtige Amt hat die Antwort als „VS – Vertraulich“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheim- schutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Drucksache 18/4647 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode f) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Kontakte bzw. Vorabsprachen zwischen der türkischen Regierung bzw. der türkischen Armee und militärischen Strukturen des „Islamischen Staats“, die dafür genutzt wurden, um die Grabstätte von Süleyman Shah ohne Kampfhandlungen mit dem türkischen Militär zu verlegen? Eine Beantwortung der Frage 26f kann aus Staatswohlgründen nicht offen erfolgen . Nach § 3 Nummer 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (Verschlusssachenanweisung – VSA) sind Informationen, deren Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein können, entsprechend einzustufen. Eine zur Veröffentlichung bestimmte Antwort der Bundesregierung auf diese Frage würde Informationen zu Nachrichtenzugängen eines Nachrichtendienstes einem nicht eingrenzbaren Personenkreis nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland zugänglich machen. Dies kann für die wirksame Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Nachrichtendienste und damit für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland nachteilig sein. Zudem können sich in diesem Fall Nachteile für die zukünftige Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten ergeben. Diese Informationen werden daher gemäß § 3 Nummer 4 VSA als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft und gesondert übermittelt.* g) Inwieweit ist das militärische Vorgehen des NATO-Bündnispartners Türkei zur Verlegung der Grabstätte nach Auffassung der Bundesregierung mit völkerrechtlichen Prinzipien, wie der Unverletzlichkeit von international anerkannten Staatsgrenzen und dem Schutz der staatlichen Souveränität, vereinbar (bitte mit Begründung)? Die Türkei hat ihr Vorgehen zur Evakuierung der Grabstätte von Süleyman Shah in ihrem Schreiben an den Sicherheitsrat mit dem Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der VN-Charta begründet. Der Bundesregierung ist eine abschließende Bewertung dieser Begründung mangels ausreichender Kenntnis der Lage vor Ort zum Zeitpunkt der Evakuierung nicht möglich. h) Inwieweit ermächtigt der Bündnisbeistand der NATO im Rahmen von AF TUR nach Ansicht der Bundesregierung die Türkei auch zu einseitigen militärischen Schritten (bitte mit Begründung)? Der NATO-Einsatz „Active Fence Turkey“ zur Verstärkung der Integrierten NATO-Luftverteidigung in der Türkei ist eine ausschließlich defensive Maßnahme zum Schutz der türkischen Zivilbevölkerung, die als Mittel militärischer Abschreckung verhindern soll, dass sich der Konflikt von Syrien auf die Türkei ausweitet. Er enthält keine darüber hinausgehende Ermächtigung militärischen Handelns. i) Welche konkreten Konsequenzen hat die Bundesregierung innerhalb der NATO aus diesem militärischen Vorgehen der Türkei gezogen, bzw. beabsichtigt sie gegebenenfalls noch zu ziehen? Die Bundesregierung verweist auf ihre Antwort vom 4. März 2015 auf die Schriftliche Frage 23 der Abgeordneten Katrin Kunert auf Bundestagsdrucksache 18/4246 sowie ihre Antwort vom 6. März 2015 auf die Schriftliche Frage 27 der Abgeordneten Sevim Dağdelen auf Bundestagsdrucksache 18/4296. * Das Auswärtige Amt hat die Anlage als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Anlage ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/4647 27. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung zum derzeitigen Standort des Grabes von Süleyman Shah auf dem völkerrechtlichen Staatsterritorium Syriens, und wie sehen nach Kenntnis der Bundesregierung die Pläne der türkischen Regierung zum endgültigen Verbleib der Grabstätte aus? Aussagen der türkischen Regierung zufolge befindet sich das Grab im syrischen Grenzdorf Eshme. Die türkische Regierung betont, dass die Verlegung des Mausoleums nur temporärer Natur sei und es nach einer politischen Lösung des Syrienkonflikts wieder an den ursprünglichen Standort zurückverlegt werden solle. Über weitergehende Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung nicht. 28. Aus welchen Gründen hat die Türkei nach Kenntnis der Bundesregierung das Grab von Süleyman Shah nicht auf ihr Staatsterritorium verlegt, und birgt die Inbesitznahme des für den vorübergehenden oder endgültigen Verbleib des Grabes vorgesehenen syrischen Territoriums aus Sicht der Bundesregierung ein zusätzliches konfliktverschärfendes Potenzial? Der Status des Grabs von Süleiman Shah ist im „Vertrag von Ankara“ vom 20. Oktober 1921 und späteren Vereinbarungen zwischen der Türkei und Syrien geregelt. Die türkische Regierung begründet die Verlegung an den neuen Standort auf syrischem Staatsgebiet mit der Absicht, den Anspruch nicht aufzugeben, der sich aus dem Abkommen aus dem Jahr 1921 und den späteren Vereinbarungen mit der syrischen Regierung ergibt. Nach türkischen Angaben erfolgte die Verlegung des Grabmals zum Schutz türkischer Soldaten vor einem Übergriff der Terrororganisation ISIS. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 27 verwiesen . 29. Welche aktuellen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Einsatz von unbemannten Luftfahrzeugen im syrischen Luftraum durch die Türkei , um den derzeitigen Standort des Grabes von Süleyman Shah aus der Luft zu überwachen, und inwieweit wurde nach Kenntnis der Bundesregierung die NATO von der Türkei über ihre etwaigen Luftraumüberwachungsaktivitäten über syrischem Hoheitsgebiet unterrichtet? Die türkische Delegation informierte die Alliierten im Rahmen der Sitzung des Nordatlantikrates am 25. Februar 2015 über die Verlegung des Grabmals. Zum Einsatz von unbemannten Luftfahrzeugen liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. 30. Wie beeinflussen die militärischen Aktivitäten der Türkei nach Einschätzung der Bundesregierung die Bedrohungslage des aus Sicht der Bundesregierung schutzbedürftigen NATO-Bündnispartners, wenn dieser mit einseitigen Maßnahmen auf dem Territorium des Nachbarlandes agiert und mit seinem Verhalten möglicherweise Gegenreaktionen der syrischen Regierung aktiv provoziert (bitte detailliert ausführen)? Die Verstärkung der Integrierten NATO-Luftverteidigung in der Türkei ist eine defensive Maßnahme, die als Mittel militärischer Abschreckung verhindern soll, dass sich der Konflikt von Syrien auf die Türkei ausweitet. Die Türkei verfügt über keine eigenen Fähigkeiten zur Abwehr ballistischer Raketen. Die Maßnahmen der Türkei zum Schutz türkischer Soldaten vor einem Übergriff der Terrororganisation ISIS und zur Verlegung der Grabstätte von Süleiman Shah beeinflussen die Bedrohungseinschätzung für die Türkei nicht. In seinem letzten turnusmäßigen Bericht hat der Alliierte Oberbefehlshaber der NATO die Bedrohung der Türkei unverändert als niedrig, aber weiterhin glaubhaft bewertet, ins- Drucksache 18/4647 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode besondere durch fehlgeleiteten Beschuss. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf ihre Antwort vom 6. März 2015 auf die Schriftliche Frage 27 der Abgeordneten Sevim Dağdelen auf Bundestagsdrucksache 18/4296. 31. Welche Konsultationsmechanismen und Verfahrensmodalitäten sind nach Kenntnis der Bundesregierung innerhalb der NATO vorgesehen, sofern ein Mitglied im Rahmen des Bündnisbeistands durch einseitige Handlungen möglicherweise grundlegende Bündnisprinzipien der NATO verletzt bzw. gegen internationale Völkerrechtsnormen verstößt, und in welcher Weise ist die NATO im Hinblick auf AF TUR nach Kenntnis der Bundesregierung diesbezüglich bislang aktiv geworden (bitte detailliert ausführen )? Als höchstes Organ der NATO ist der Nordatlantikrat das zuständige Gremium für politische Konsultationen der Alliierten. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 26, 28 und 29 verwiesen. 32. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über etwaige weitergehende Absichten der türkischen Regierung, auf syrischem Hoheitsgebiet eine Pufferzone inklusive einer Flugverbotszone für die syrische Luftwaffe zu beanspruchen, und welche Position vertritt die Bundesregierung innerhalb der NATO in dieser Frage? Die Türkei hält an ihrer Forderung nach lokalen „Sicherheitszonen“ auf nordsyrischem Territorium, geschützt durch eine Flugverbotszone, fest. Allerdings setzt die Umsetzung laut türkischer Regierung die Beteiligung der Koalitionsstaaten voraus, die an den Luftschlägen gegen ISIS beteiligt sind. Für die Umsetzung einer solchen Flugverbots- bzw. Pufferzone lässt sich nach wie vor keine internationale Bereitschaft erkennen. Im Übrigen verweist die Bundesregierung auf ihre Antwort vom 15. Oktober 2014 auf die Schriftliche Frage 13 des Abgeordneten Cem Özdemir auf Bundestagsdrucksache 18/2976 und auf ihre Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/3131 vom 11. November 2014. 33. Wo verläuft aus Sicht der Bundesregierung die Zumutbarkeitsgrenze, oberhalb derer die Türkei mit einseitigen Schritten den Grundsatz der Bündnissolidarität im Rahmen von AF TUR überstrapazieren bzw. verletzen würde, und mit denen aus Sicht der Bundesregierung die Beteiligung der Bundeswehr an dem NATO-Einsatz in Frage gestellt wäre (bitte detailliert ausführen)? Die Türkei bleibt auch über den NATO-Einsatz „Active Fence Turkey“ zur Verstärkung der Integrierten NATO-Luftverteidigung in der Türkei in den ordnungspolitischen Rahmen des Bündnisses eingebunden und hat bislang besonnen auf Zwischenfälle an der syrisch-türkischen Grenze reagiert. Im Übrigen nimmt die Bundesregierung zu spekulative Fragen nicht Stellung. Gesamtherstellung: H. 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