Deutscher Bundestag Drucksache 18/4661 18. Wahlperiode 20.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Annalena Baerbock, Dr. Julia Verlinden, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4545 – Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums zur CO2-Reduktion im Kraftwerkspark und zur Reform des Strommarktdesigns Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat am 19. März 2015 das Eckpunktepapier „Strommarkt“ der Öffentlichkeit vorgestellt. Im Papier werden Vorschläge für die Weiterentwicklung des Strommarktes, der Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), zur CO2-Minderung im Stromsektor sowie zum Netzausbau gemacht. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Das Eckpunkte-Papier vom 19. März 2015 enthält einen Vorschlag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) für die Einführung eines „Klimabeitrags“. Dieser Vorschlag wird derzeit innerhalb der Bundesregierung sowie mit den Ländern und den Marktakteuren diskutiert. Er ist ein mögliches Instrument, um den Beitrag des Stromsektors zu dem nationalen Klimaschutzziel von – 40 Prozent bis zum Jahr 2020 gegenüber dem Jahr 1990 zu erreichen. Die vorgeschlagene Ausgestaltung des Klimabeitrags basiert auf wissenschaftlichen Modellberechnungen. Die Wirkungszusammenhänge und die Annahmen der Modellierung sind im Internet auf der Homepage des BMWi einsehbar. 1. Auf welcher konkreten Berechnungsgrundlage kommt die Bundesregierung zum Ergebnis, dass „ca. 90% der fossilen Stromerzeugung den Klimabeitrag nicht leisten müssen“? Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 16. April 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Die in dem Eckpunkte-Papier des BMWi vorgeschlagene Ausgestaltung des Klimabeitrags basiert auf wissenschaftlichen Modellberechnungen für das Jahr 2020. Dabei haben die vom BMWi mit der Modellierung des Klimabeitrags beauftragten Gutachter in der Parametrisierung weitgehend die Annahmen des Projektionsberichts 2015 zugrunde gelegt (Projektionsbericht 2015 der Bundes- Drucksache 18/4661 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode regierung zur Entwicklung der Treibhausgasemissionen in Deutschland gemäß Verordnung 525/2013/EU). Den Aussagen der Gutachter zufolge werden 90 Prozent der fossilen Stromerzeugung im Jahr 2020 den zusätzlichen Klimabeitrag nicht leisten müssen. Der Grund dafür ist, dass die Kraftwerksbetreiber den Einsatz ihrer Kraftwerke betriebswirtschaftlich optimieren werden. Konkret werden die Betreiber danach bei einer nach der Modellierung betriebswirtschaftlich optimalen Vorgehensweise ihre Kraftwerke im Jahr 2020 so einsetzen, dass 90 Prozent der Stromerzeugung unterhalb der im Instrument vorgesehenen Freibeträge stattfinden wird. Für die durch diese Stromproduktion entstehenden Emissionen muss der Klimabeitrag nicht geleistet werden. 2. Auf welcher konkreten Rechtsgrundlage will die Bundesregierung Kraftwerke in den ersten 20 Betriebsjahren freistellen? Für die Freistellung der Kraftwerke in den ersten 20 Jahren bedarf es keiner Rechtsgrundlage. Durch den Vorschlag werden die Rechte der Kraftwerksbetreiber insoweit nicht berührt. Sie können wie bisher im Rahmen des bestehenden Rechtsrahmens CO2 emittieren. 3. Wie funktioniert nach den Plänen der Bundesregierung die pro Block zu löschende ETS-Zertifikate-Menge (ETS – Emissions Trading System) bei Überschreitung der Freigrenze angesichts der Tatsache, dass ETS-Zertifikate pro Kraftwerk ausgegeben werden? Nach der in dem Eckpunkte-Papier vorgeschlagenen Ausgestaltung des Klimabeitrags müssen die Kraftwerksbetreiber im Jahr 2020 ETS-Zertifikate im Wert von 18 bis 20 Euro für jede Tonne CO2, die oberhalb des Freibetrags des jeweiligen Kraftwerkblocks emittiert wird, zur Löschung abgeben. Es ist dabei unerheblich , woher die Kraftwerksbetreiber diese ETS-Zertifikate beziehen. Sie können sie ersteigern oder im Sekundärhandel kaufen. Im Übrigen werden die ETS-Zertifikate nicht „pro Kraftwerk“ ausgegeben, sondern im Fall des Stromsektors ausnahmslos versteigert. 4. Wie sollen nach den Plänen der Bundesregierung die zusätzlichen 18 bis 20 Euro/Tonne CO2 in ETS-Zertifikate-Einheiten erbracht werden? Es wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. 5. Welche Kraftwerksblöcke fallen nach Berechnung der Bundesregierung unter die Grenze von 20 Jahren (bitte einzeln aufschlüsseln), und wie viele CO2-Emissionen sind jeweils tangiert (bitte blockweise aufschlüsseln), und mit welchen Zahlungen in welcher Höhe kalkuliert die Bundesregierung jeweils ? Die Modellrechnungen der vom BMWi beauftragten Gutachter basieren auf der öffentlich verfügbaren Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur. Dieser können das Alter der deutschen Kraftwerksblöcke entnommen werden. Zudem haben die Gutachter eigene Daten zum Anlagenalter. Die Verteilung der Anlagen nach Alter kann Folie 20 der Präsentation vom Öko-Institut und Prognos vom 13. April 2015 entnommen werden (abrufbar auf der Homepage des BMWi). Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4661 Anlagen, die jünger als 21 Jahre sind, können auch nach Einführung des Klimabeitrags grundsätzlich unbeschränkt CO2 emittieren. Insoweit greift der Freibetrag nicht ein. 6. Auf welcher konkreten Berechnungsgrundlage schlägt das Bundeswirtschaftsministerium die sinkenden Freibeträge von 7 Millionen Tonnen CO2/ Gigawatt ab dem 21. Jahr auf 3 Millionen Tonnen CO2/Gigawatt im 41. Jahr vor? Die in dem Eckpunkte-Papier vorgeschlagene Ausgestaltung des Klimabeitrags sieht einen Freibetrag von 7 Millionen Tonnen CO2 je Gigawatt installierter Kraftwerksleistung für Anlagen mit 21 Betriebsjahren vor, um einen gleitenden Einstieg in das Instrument zu gewährleisten. Der Freibetrag von 3 Millionen Tonnen CO2 je Gigawatt installierter Kraftwerksleistung für Anlagen ab dem 41. Betriebsjahr ermöglicht es auch alten, emissionsintensiveren Anlagen, noch wirtschaftlich Strom produzieren zu können. 7. Welche Kraftwerksblöcke fallen nach Berechnungen der Bundesregierung in die Kategorien 21 bis 40 Jahre bzw. ab 41 Jahre (bitte einzeln aufschlüsseln ), wie viele CO2-Emissionen sind jeweils tangiert (bitte blockweise aufschlüsseln), und mit welchen Zahlungen in welcher Höhe kalkuliert die Bundesregierung jeweils? Zur Verteilung der Anlagen nach Alter wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen . Im Übrigen wird auf die Präsentation vom Öko-Institut und Prognos vom 13. April 2015 verwiesen, die auf der Homepage des BMWi abrufbar ist (siehe Vorbemerkung der Bundesregierung). 8. Wie definiert die Bundesregierung „grundlegende Modernisierungen, die wie ein Neubau wirken“ konkret? Die in dem Eckpunkte-Papier des BMWi vorgeschlagene Ausgestaltung des Klimabeitrags bestimmt den altersabhängigen Freibetrag grundsätzlich nach der ersten Inbetriebnahme des Kraftwerksblocks. Dem steht eine „grundlegende Modernisierung“ gleich. Eine solche „grundlegende Modernisierung“ sollte nach Auffassung des BMWi grundsätzlich gegeben sein, wenn bei einem bestehenden Block der Kessel ausgetauscht wird. 9. Welche Instrumente hat die Bundesregierung zum Schließen der Lücke von 22 Millionen Tonnen CO2 im Kraftwerkspark konkret geprüft? Neben dem vorgeschlagenen ökonomischen Instrument eines Klimabeitrags wurden zuvor auch andere Instrumente geprüft. Es wurden unter anderem die Festlegung von Anlagenbudgets und die nationale Versteigerung von Emissionsrechten geprüft. Die mengenbasierten Instrumente wurden aber im Ergebnis verworfen – aus qualitativen und quantitativen Gründen (administrative Komplexität; Eingriffsintensität, rechtliche Probleme, Strompreiseffekte). Drucksache 18/4661 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Mit welchen Maßnahmen wird die Bundesregierung auf eine ggf. steigende Klimaschutzlücke – beispielsweise durch kalte Winter – reagieren? 11. Soll das Instrument „Klimabeitrag“ auch über das Jahr 2020 hinaus bestehen bleiben, wenn ja, mit welcher Zielsetzung, und für wann ist eine Evaluation der Maßnahmenwirksamkeit vorgesehen? Die Fragen 10 und 11 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die in dem Eckpunkte-Papier des BMWi vorgeschlagene Ausgestaltung des Klimabeitrags sieht für den Zeitraum ab dem Jahr 2017 bis zum Jahr 2020 eine Einführungsphase mit einem gleitenden Anwachsen des Klimabeitrags vor. Der Klimabeitrag soll nach dem Vorschlag aus dem Eckpunkte-Papier im Grundsatz auch nach dem Jahr 2020 fortbestehen. Allerdings soll im Jahr 2020 im Lichte der Entwicklung des europäischen Emissionshandels eine Evaluierung des Instruments vorgenommen werden, die auch umfasst, ob das Instrument weiterhin benötigt wird. 12. Hat die Bundesregierung eine blockscharfe Berechnung für den „Klimabeitrag “ vorgenommen, und falls ja, kann sie die Liste dem Deutschen Bundestag zur Verfügung stellen, falls nein, warum nicht? Es wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. 13. Können sich nach Ansicht der Bundesregierung Veränderungen im ETS auf das vorgeschlagene Instrument auswirken, und wenn ja, in welcher Form? Der Klimabeitrag ist in dem Eckpunkte-Papier als eine Übergangslösung bis zum Wirksamwerden einer Reform des ETS angelegt, die jedoch erst in der Zeit nach dem Jahr 2020 ihre volle Wirkung entfalten wird. 14. Geht die Bundesregierung davon aus, dass ohne das im Eckpunktepapier vorgeschlagene Instrument das selbst gesteckte Klimaschutzziel nicht erreicht wird, und falls ja, welche Alternativen zur Erreichung des Klimaschutzziels erwägt die Bundesregierung? Die Bundesregierung hat am 3. Dezember 2014 das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 beschlossen. Darin wurden eine Reihe von Maßnahmen beschlossen , mit denen sichergestellt werden soll, dass Deutschland sein nationales Klimaschutzziel (40-Prozent-Reduktion der CO2-Emissionen gegenüber dem Jahr 1990 bis zum Jahr 2020) erreicht. 15. Geht die Bundesregierung davon aus, dass das vorgeschlagene Instrument Auswirkungen auf den Verkaufsprozess von Vattenfalls Braunkohlesparte hat, wenn ja, welche, und wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung kann keine Auskunft zu den Auswirkungen von geplanten politischen Maßnahmen auf betriebswirtschaftliche Vorgänge geben, deren genauer Stand der Bundesregierung nicht bekannt ist. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4661 16. Wie und nach welchen Kriterien (bitte einzeln aufschlüsseln) soll die im Eckpunkte-Papier genannte Kapazitätsreserve ausgestaltet sein? Die in dem Eckpunkte-Papier vorgeschlagene Ausgestaltung der Kapazitätsreserve stellt eine zusätzliche Absicherung des grundsätzlich funktionierenden Strommarktes bereit. Sie wird sich aus Kraftwerken zusammensetzen, die in einer Ausschreibung erfolgreich sind und die die Übertragungsnetzbetreiber im Bedarfsfall rechtzeitig aktivieren können. Die Anlagen stellen dann dem System zusätzlichen Strom bereit, wenn es nach den durchgeführten Auktionierungen an der Börse nicht zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage kommt. Sie speisen ausschließlich auf Anforderung der Übertragungsnetzbetreiber ein. Die Details der Reserve werden gegenwärtig erarbeitet. Leitlinie der Ausgestaltung ist dabei neben der Bereitstellung einer zusätzlichen Absicherung die Wahrung der Investitionssicherheit im Strommarkt. 17. Geht die Bundesregierung davon aus, dass in der Kraftwerksreserve auch moderne Gaskraftwerke enthalten sein werden, und wenn nein, warum nicht? 18. Besteht nach Ansicht der Bundesregierung die Möglichkeit, dass durch die Kapazitätsreserve die CO2-Emissionen steigen könnten, beispielsweise indem CO2-ärmere Erzeugungsarten in die Reserve gehen und durch CO2-intensivere ersetzt werden, und wenn ja, wie will sie gegensteuern ? Die Fragen 17 und 18 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die in dem Eckpunkte-Papier vorgeschlagene Zusammensetzung der Kapazitätsreserve ergibt sich aus der Ausschreibung. Teilnehmende Kraftwerke müssen sich dort im Wettbewerb durchsetzen. Dabei spielen zahlreiche Einflussfaktoren eine Rolle, so dass zum jetzigen Zeitpunkt eine Prognose über die Zusammensetzung nicht weiter möglich ist. Dies gilt insbesondere auch, da Details zum Ausschreibungsdesign gegenwärtig noch erarbeitet werden. 19. Von welchen Kostensteigerungen für die Stromkunden geht die Bundesregierung infolge der Implementierung einer Kapazitätsreserve von ca. 4 Gigawatt installierter Leistung aus? Die Kosten der Kapazitätsreserve ergeben sich als Ergebnis der Ausschreibung. Insoweit wird auf die Antwort zu den Fragen 17 und 18 verwiesen. 20. Wie sieht konkret der weitere Zeitplan für die Reformen im Rahmen des Strommarktdesigns vor (Weißbuch, Gesetzgebungsprozess etc.)? Auf der Grundlage mehrerer Studien und eingehender Diskussionen im Rahmen der Plattform Strommarkt hat das BMWi im Oktober 2014 ein „Grünbuch“ vorgelegt . Das Grünbuch hat eine Reihe von sog. Sowieso-Maßnahmen identifiziert sowie die Möglichkeiten für eine grundsätzliche Ausgestaltung des künftigen Strommarkts aufgezeigt. Nach Auswertung der rund 700 eingegangenen Stellungnahmen soll Anfang Juni 2015 ein „Weißbuch“ folgen. Dieses wird konkrete Vorschläge zur Umsetzung der „Sowieso-Maßnahmen“ und der weiteren Maßnahmen für das künftige Strommarktdesign enthalten. Für die gesetzgeberisch umzusetzenden Maßnahmen wird die Bundesregierung im Anschluss einen Gesetzentwurf vorlegen. Drucksache 18/4661 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 21. Von welchem elektrischen KWK-Ziel (KWK – Kraft-Wärme-Kopplung) geht die Bundesregierung unter den in den Eckpunkten genannten Fakten bis zum Jahr 2020 nun aus? Das konkrete KWK-Ziel ist auch nach Änderung der Bezugsgröße auf die Stromerzeugung aus thermischen Kraftwerken abhängig von der Entwicklung des energiewirtschaftlichen Umfeldes, insbesondere vom bis 2020 erreichten EE-Zubau, vom Umfang der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in dem Jahr sowie der dann erreichten KWK-Stromerzeugung. Dem in den Eckpunkten genannten Ziel liegt die Annahme einer KWK-Stromerzeugung von rund 115 TWh zugrunde. 22. Welche Bundesministerien und Abteilungen haben an der Erarbeitung der verschiedenen Vorschläge gearbeitet? Die Vorschläge wurden federführend vom BMWi entwickelt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333