Deutscher Bundestag Drucksache 18/4675 18. Wahlperiode 20.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4404 – Vermeintliches Störpotenzial von Windenergieanlagen bei Drehfunkfeueranlagen der Deutschen Flugsicherung am Beispiel des VORTAC Nörvenich Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Neuerrichtung oder das Repowering von Windenergieanlagen wird in vielen Teilen Deutschlands mit der Behauptung verhindert, Windenergieanlagen würden die Funktionstüchtigkeit von Flugsicherungsanlagen stören. Es gibt Schätzungen, dass hierdurch 4 000 Megawatt Windenergieleistung nicht errichtet werden können. Nach Jahren der Diskussion und Auseinandersetzung hat das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) jedoch jüngst zugestimmt , dass Windenergieanlagen mit besonderer Steuerungstechnik auch in der Nähe von Militärflughäfen gebaut werden dürfen. Die Deutsche Flugsicherung (DFS), ein Privatunternehmen, das im Auftrag des Bundes die Flugsicherung durchführt, ist leider noch nicht so weit. So wird nach Kenntnis der Fragesteller regelmäßig im Radius von 15 km um Flugsicherungseinrichtungen die Errichtung neuer oder das Repowering alter Windenergieanlagen von der DFS verhindert, ohne den Nachweis zu führen, dass die Windenergieanlagen die Anlagen der Flugsicherung tatsächlich stören. Fachleute bezweifeln, dass derart hohe Pauschalabstandsforderungen tatsächlich notwendig sind. So musste nach Informationen der Fragesteller die DFS zum Beispiel im Falle des VOR Weser (VOR – Very High Frequency Omnidirectional Radio Range) ihre pauschalen Abstandsforderungen erheblich reduzieren. In der Gemeinde Nörvenich (Kreis Düren, Nordrhein-Westfalen) betreibt die DFS gemeinsam mit der Bundeswehr eine VORTAC-Navigationseinrichtung für den zivilen und militärischen Flugverkehr. Auch hier lehnt die DFS seit Jahren im Umkreis von 15 km die Neuerrichtung oder das Repowering von Windenergieanlagen pauschal ab. Deshalb können mindestens ein halbes Dutzend Windparks in den umliegenden Gemeinden trotz guter Bedingungen und hoher Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 16. April 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Akzeptanz nicht errichtet werden. Nun kann nach Informationen der Fragesteller das VORTAC Nörvenich nicht auf der bisherigen Fläche weiterbetrieben werden und muss ggf. an einem anderen Standort neu errichtet werden. Der DFS wurde das Pachtverhältnis zum Drucksache 18/4675 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 31. Dezember 2015 gekündigt, das militärische Funkfeuer (TACAN – Tactical Air Navigation) ist von dieser Kündigung nicht betroffen. 1. Aus welchem Grund lehnt nach Kenntnis der Bundesregierung die DFS im Umkreis von 15 km eines VOR oder VORTAC die Errichtung neuer oder das Repowering vorhandener Windenergieanlagen ab? Die DFS Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) lehnt die Errichtung neuer oder das Repowering vorhandener Windenergieanlagen weder grundsätzlich noch pauschal ab. Entsprechend dem Anleitungsmaterial der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO (EUR DOC 015) hat der Anlagenschutzbereich einer VOR gegenüber Windenergieanlagen (WEA) einen Radius von 15 km. Innerhalb dieses Anlagenschutzbereiches erfolgt durch die Flugsicherungsorganisation in jedem Einzelfall eine Begutachtung, inwiefern durch die Errichtung von WEA Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können. 2. Welche wissenschaftlichen oder sonstigen Erkenntnisse stützen nach Kenntnis der Bundesregierung dieses Vorgehen der DFS? Die Berechnungen der DFS beruhen auf Studien der französischen ENAC (Ecole Nationale de l’Aviation Civile, Frankreich). Des Weiteren wird die Methode der DFS kontinuierlich mit Erkenntnissen der Flugvermessung und anderen Gutachten bzw. wissenschaftlichen Studien verglichen. 3. Sind der Bundesregierung andere Studien, Gutachten oder sonstigen Erkenntnisse bekannt, die den Betrieb von Windenergieanlagen – ggf. mit besonderen technischen Einrichtungen – innerhalb eines Radius von 15 km um ein VOR oder VORTAC als möglich erachten? Das Land Schleswig-Holstein hat Studien für das DVOR Michaelsdorf in Auftrag gegeben. Die erste Studie wurde von der ENAC und der Ohio University, USA, überprüft. Gegenwärtig wird die Studie überarbeitet. Im Forschungsvorhaben WERAN werden Wechselwirkungen von Windkraftanlagen mit D/VOR und Radar untersucht. Ein Ergebnis dieser Studie liegt noch nicht vor. 4. Wenn ja, was wird die Bundesregierung tun, damit diese Erkenntnisse in Stellungnahmen der DFS bei dem Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen in Zukunft eine Rolle spielen? Die Studien aus Schleswig-Holstein sowie das Forschungsvorhaben WERAN bilden einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion und zur etwaigen Überprüfung des derzeitig angewandten Bewertungssystem der DFS. Sobald neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, wird das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung im Rahmen seiner Rechts- und Fachaufsicht über Flugsicherungsorganisationen dafür Sorge tragen, dass diese von der DFS berücksichtigt werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4675 5. Gibt es technische Lösungen, die den Einflussradius bzw. Schutzradius auf 3 oder 5 km reduzieren? Wenn ja, welche? Der DFS sind keine Lösungen bekannt, die bezüglich der Errichtung von WEA eine Reduzierung des Anlagenschutzbereiches auf einen Radius von 3 km oder 5 km erlauben würden. 6. Erfahren Funknavigationsanlagen, wie sie bei VORTAC (bzw. VOR und TACAN) eingesetzt werden, eine Störung durch Windenergieanlagen aufgrund der rotierenden Flügel? Wenn ja, bis zu welcher Entfernung? Die derzeitig in den einschlägigen ICAO-Dokumenten (ICAO Annex 10, ICAO EUR DOC 015) zu findenden Beschreibungen der Wechselwirkung zwischen Windenergieanlagen und VOR-Anlagen gehen von einem maximalen Störpotenzial bei stehenden Rotoren und am Rande der betrieblich genutzten Überdeckung in niedrigen Höhen (Radiohorizont) aus. Die genauen Wechselwirkungen und dynamischen Effekte zwischen WEA und Flugsicherungsanlagen sind u. a. Gegenstand des Forschungsprogramms WERAN. 7. Tritt diese Störung bei stillstehenden Windrädern in gleicher Weise auf? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. 8. Wie unterscheiden sich stillstehende Windenergieanlagen in ihrem Störpotenzial für Funknavigationsanlagen von Gebäuden oder festen Einrichtungen ähnlicher Höhe (Gebäude, Strommasten etc.)? WEA unterscheiden sich gegenüber Gebäuden und festen Einrichtungen dahingehend , dass sich ihr Störpotenzial in Abhängigkeit von der Ausrichtung (Windrichtung ) und Rotorstellung ändert. WEA werden oft in größerer Anzahl bzw. mit größeren Bauhöhen errichtet, als dies bei anderen Gebäuden der Fall ist. Hierdurch entsteht dann auch eine kumulative Auswirkung der Störungen. 9. Stören sich bewegende oder stillstehende Braunkohlenbagger (rotierende Schaufelräder) oder Absetzer auf Halden das VORTAC (bzw. VOR oder TACAN)? Falls nein, warum nicht? Baugeräte wie Kräne, Bagger etc. können je nach Abstand, Anzahl, Bauhöhe, Orientierung und horizontaler Ausdehnung das VOR-Signal beeinträchtigen. Sie werden gemäß ICAO EUR DOC 015 innerhalb eines Anlagenschutzbereichs von 3 km betrachtet. 10. In welchem Abstand zum VOR Weser können mit Zustimmung der DFS neue Windenergieanlagen errichtet bzw. vorhandene repowert werden? Das VOR Weser hat wie andere VOR einen Anlagenschutzbereich mit einem Radius von 15 km, innerhalb dessen eine Einzelfallbetrachtung erfolgt, die so- wohl zur Zustimmung als auch zur Ablehnung führen kann. Drucksache 18/4675 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Aus welchem Grund werden nach Kenntnis der Bundesregierung im Falle des VOR Weser von der DFS keine Pauschalabstände von 15 km zu Windenergieanlagen verlangt? Auf die Antwort zu Frage 10 wird verwiesen. 12. Bei welchen weiteren VOR oder VORTAC hat die DFS nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten zwei Jahren neue oder das Repowering von Windenergieanlagen innerhalb eines Radius von 15 km genehmigt? Die DFS führt keine Statistik, die aussagt, in welchen Anlagenschutzbereichen WEA zugelassen wurden. Abschließende Entscheidungen erfolgen durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung auf Basis einer gutachterlichen Stellungnahme der DFS. 13. Aus welchem Grund ist eine Verlegung des militärischen Funkfeuers TACAN am Standort Nörvenich notwendig (Dürener Nachrichten „Die Windkraft und die Feuersicherung“), wenn das militärische TACAN an der bisherigen Stelle weiter betrieben werden kann? Das militärische TACAN kann an dem bestehenden Gelände nicht weiter betrieben werden, da der Nutzungsvertrag für seinen Standort gekündigt wurde. 14. Wird das vorhandene TACAN am Standort Nörvenich im Falle der Verlegung durch eine neue Navigationseinrichtung ersetzt oder wird das TACAN nur versetzt? Das vorhandene TACAN wird versetzt. 15. Soll die bisher militärisch und zivil genutzte Anlage VORTAC Nörvenich durch eine neue gemeinsame Navigationsanlage auf einem militärischen Gelände ersetzt werden? Ja, siehe hierzu auch die Antwort zu Frage 14. 16. Wenn ja, ist das konkrete militärische Gelände als besonders geschützter Sicherheitsbereich definiert? Ja, das Gelände befindet sich im militärischen Sicherheitsbereich. 17. Auf welcher Koordinate soll ggf. der neue Standort des TACAN entstehen ? 50° 49′ 21″ N, 6° 38′ 12″ E (WGS84). 18. Wird das TACAN nach der Versetzung von der Bundeswehr betrieben werden? Wenn nein, welcher andere Betreiber ist vorgesehen? Das TACAN wird weiterhin durch die DFS betrieben. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4675 19. Welchem rechtlichen Zulassungsverfahren unterliegt die Errichtung der geplanten Navigationsanlagen (bitte einzeln für die verschiedenen Fallkonstellationen auflisten: VORTAC, VOR, TACAN auf zivilem Gelände und auf militärischem Gelände)? Das Genehmigungsverfahren zur Errichtung einer Drehfunkanlage richtet sich nach allgemeinen baurechtlichen Vorschriften. Militärische Navigationsanlagen (hier: TACAN) werden nach militärischen Regeln errichtet, standortbezogen technisch und betrieblich freigegeben und betrieben . Dabei wird nicht zwischen einer Installation innerhalb und außerhalb militärischer Bereiche differenziert. 20. Unterscheiden sich die Zulassungsverfahren der zivilen von den Zulassungsverfahren einer militärischen Nutzung? Wenn ja, in welcher Weise? Auf die Antwort zu Frage 19 wird verwiesen. 21. In welcher zeitlichen Abfolge sind angesichts des Kündigungstermins des Pachtverhältnisses der Abbau der Altanlagen und die Neuerrichtung geplant ? Es ist geplant, die Inbetriebnahme der Anlagen am neuen Standort und die Abschaltung bzw. Demontage der Altanlagen am alten Standort nahtlos zu gestalten , um Betriebsunterbrechungen zu vermeiden. 22. Welcher Typ Navigationsanlage von welchem Hersteller soll die vorhandene Navigationsanlage der DFS ersetzen? Es ist geplant das VOR durch ein DVOR der Firma Thales zu ersetzen. 23. Kommen in Nörvenich bei der Neuerrichtung des VORTAC (bzw. VOR und/oder TACAN) technische Lösungen, die den Einflussradius bzw. Schutzradius auf 3 oder 5 km reduzieren, zum Einsatz? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht? Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. 24. Sind die Störungen von älteren Bestandswindenergieanlagen innerhalb des 15-km-Radius um das VORTAC Nörvenich so gering, dass das derzeitige oder ein neues VORTAC ohne Beeinträchtigung betrieben werden kann? Wenn ja, warum? Die Störungen durch die bisher im Anlagenschutzbereich von 15 km existierenden ca. 50 Windenergieanlagen sind so hoch, dass die VOR-Anlage nur noch für konventionelle, radiale Flugverfahren (insbesondere An- und Abflugverfahren) und nicht zur Flächennavigation genutzt werden kann. Eine entsprechende Einschränkung ist im Luftfahrthandbuch Deutschland veröffentlicht. Drucksache 18/4675 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Durch den geplanten Austausch der bestandenen konventionellen VOR-Anlage durch eine Navigationsanlage des Typs DVOR geht die DFS davon aus, dass diese Anlage am neuen Standort ohne Einschränkungen betrieben werden kann. 25. Warum können die Aufgaben des derzeitigen VORTAC nicht durch andere bereits vorhandene VORTAC, VOR bzw. TACAN-Anlagen an anderen Standorten übernommen werden? Im Bereich der VORTAC Nörvenich sind keine alternativen Navigationsfunkanlagen mit ausreichender Betriebsüberdeckung zur Unterstützung der An- und Abflugverfahren der betroffenen Flughäfen (insbesondere Köln/Bonn, Düsseldorf und Frankfurt/Hahn) vorhanden. Darüber hinaus dient die Anlage zur Anbindung der Verkehrsflughäfen an das konventionelle Streckennetz. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333