Deutscher Bundestag Drucksache 18/4715 18. Wahlperiode 23.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, Özcan Mutlu, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4427 – Bewertung und Umsetzung von Vorschlägen in der Einwanderungspolitik Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 4. Februar 2015 wurde der Antrag „Für ein modernes Einwanderungsgesetz “ (Bundestagsdrucksache 18/3915) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in erster Lesung im Deutschen Bundestag beraten. Darin heißt es unter anderem: „Die Gestaltung unserer Einwanderungsgesellschaft, von Einwanderung , gleichberechtigter Teilhabe und Integration aller gehört zu den großen Zukunftsaufgaben. Darüber muss ein intensiver Diskurs geführt und ein möglichst breiter Konsens zwischen den Fraktionen und allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen angestrebt werden.“ Die anderen Fraktionen im Deutschen Bundestag haben bislang keine parlamentarischen Initiativen zur Neugestaltung der Einwanderungspolitik eingebracht . Die SPD hat lediglich ein Eckpunktepapier vorgelegt; die Union hat bislang keine einheitliche Position entwickelt. Anfang März 2015 hat nun die Gruppe „CDU2017“ zehn Thesen zur Einwanderungsdebatte vorgelegt (www.cdu2017.de/einwanderung-zehn-thesen-zuraktuellen -debatte/). Dort heißt es: „Bei der Einbürgerung [sollte] das Modell des ‚Generationenschnittes ‘, nach dem die Mehrstaatlichkeit [sic!] für die ersten Generationen akzeptiert und dafür ab einer bestimmten Generation nicht mehr qua Geburt weitergegeben wird, ernsthaft geprüft werden“ (These 5). Bislang wird Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung grundsätzlich nicht hingenommen (vgl. § 10 Absatz 1 Nummer 4 des Staatsangehörigkeitsgesetzes). Die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN spricht sich – unter anderem in ihrem Antrag – für eine generelle Hinnahme der Mehrstaatigkeit aus. Auch wird gefordert: „Zudem sollten wir für junge Studenten, die ihr Studium abbrechen, etwa um sich selbständig zu machen oder um in eine Ausbildung zu wechseln, den Statuswechsel erleichtern und ohne derzeit notwendige vorherige Rückkehr ins Heimatland möglich machen“ (These 6b). Dies wird bisDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 22. April 2015 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. lang – abweichend von der Regelung in § 39 Nummer 1 der Aufenthaltsverordnung , nach der die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ohne vorherige Ausreise möglich ist, wenn der Antragsteller bereits eine Aufenthaltserlaubnis besitzt – mit der Regelung in §§ 16 Absatz 2, 17 Absatz 1 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes verhindert. Diese Regelung kritisiert die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN in ihrem Antrag. Drucksache 18/4715 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Ferner wird zur Debatte gestellt, „die Liste der Länder, aus denen jemand ohne Visum für drei Monate einreisen kann, um gegebenenfalls hier Ort einen längeren Aufenthaltsstatus anzustreben [,] … auf weitere entwickelte Länder [auszudehnen]“ (These 6c). In dem Thesenpapier entspricht die Aufzählung der Staaten, für deren Angehörige dies bereits jetzt möglich ist, zwar nicht der Rechtslage, inhaltlich geht es aber wohl um die Regelung in § 41 Absatz 1 der Aufenthaltsverordnung, nach der Staatsangehörige von Australien, Israel, Japan, Kanada, der Republik Korea, von Neuseeland und der Vereinigten Staaten von Amerika infolge einer visumsfreien Einreise einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen können. Dasselbe gilt für Staatsangehörige von Andorra , Brasilien, El Salvador, Honduras, Monaco und San Marino, wenn der Aufenthaltstitel nicht zum Zwecke der Erwerbstätigkeit erteilt wird (vgl. §§ 16, 41 Absatz 2 der Aufenthaltsverordnung i. V. m. der Verbalnote der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Brasilien vom 28. Juni 1956 und der Verbalnote der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in El Salvador vom 5. Mai 1959; s. auch Entwurf der Zwölften Verordnung zur Änderung der Aufenthaltsverordnung , Bundesratsdrucksache 40/15, Artikel 1 Nummer 9a). Außerdem wird angeregt, deutsche Institutionen im Ausland – etwa die GoetheInstitute , deutsche Auslandsschulen, Außenhandelskammern und politische Stiftungen – zu verpflichten, „qualifizierten jungen Menschen Perspektiven für ein Leben in Deutschland zu zeigen und mit einstellungswilligen deutschen Unternehmen zusammenzuarbeiten“ (These 7). Schließlich wird festgestellt, „dass viele der Menschen, die zu uns kommen und deren Asylanträge abgelehnt werden, so qualifiziert sind, dass sie wahrscheinlich auch auf anderem Wege, als einwandernde Arbeitskräfte, nach Deutschland hätten kommen können“ (These 8). Sofern sie aus vermeintlich „sicheren Herkunftsstaaten“ kommen und ihre Asylanträge infolgedessen regelmäßig als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden (§ 29a Absatz 1 des Asylverfahrensgesetzes), plant die Bundesregierung nun jedoch, ihnen auch bei freiwilliger Ausreise aus dem Bundesgebiet die erneute Einreise und den erneuten Aufenthalt in Deutschland zu verbieten (vgl. § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, Bundestagsdrucksache 18/4097). Ob dies mit den Vorgaben von Artikel 11 Absatz 1 Unterabsatz 1a der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 („Rückführungsrichtlinie“) vereinbar ist, ist zweifelhaft (vgl. Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 18/4262, Frage 4). 1. Beabsichtigt die Bundesregierung eine Umsetzung der Forderung ihrer Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration nach Hinnahme von Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung von „Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern “ der ersten Generation (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 26. Februar 2015), und wenn nicht, aufgrund welcher Erwägungen hält die Bundesregierung die Hinnahme der Mehrstaatigkeit bei „Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern “ der ersten Generation für bedenklich, während sie seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2014 für diejenigen Kinder ausländischer Eltern, die die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland erwerben , die Regel ist? Die Bundesregierung hält am Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit fest. In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU, CSU und SPD heißt es hierzu auf Seite 105: „Für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder ausländischer Eltern entfällt in Zukunft der Optionszwang und die Mehrstaatigkeit wird akzeptiert. Im Übrigen bleibt es beim geltenden Staatsangehörigkeitsrecht .“ In Umsetzung der Koalitionsvereinbarung werden durch das am 20. Dezember 2014 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes (BGBl. I S. 1714) diese Kinder ausländischer Eltern zukünftig von der Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4715 Optionspflicht befreit, wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind. Mit der Befreiung von der Optionspflicht und der dauerhaften Hinnahme von Mehrstaatigkeit wird der besonderen Situation der in Deutschland aufgewachsen Ius-soliDeutschen Rechnung getragen. Sie besitzen seit ihrer Geburt sowohl die deutsche , als auch die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern und sind mit beiden in Deutschland aufgewachsen. Ihnen soll die nicht immer leichte Entscheidung zwischen diesen Staatsangehörigkeiten erspart bleiben. Diese besondere Situation der Ius-soli-Deutschen ist bei ausländischen Staatsangehörigen , die sich um eine Einbürgerung in Deutschland bewerben, nicht gegeben . In diesen Fällen bleibt es daher auch in Zukunft bei dem geltenden Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit. Eine Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit ist hier unter den Voraussetzungen des § 12 des Staatsagehörigkeitsgesetzes (StAG) möglich. Bei älteren Personen, die die sonstigen Einbürgerungsvoraussetzungen erfüllen, wird gemäß § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 4 StAG auf die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit verzichtet, wenn die Entlassung auf unverhältnismäßige Schwierigkeiten stößt und die Versagung der Einbürgerung eine besondere Härte darstellen würde. 2. Beabsichtigt die Bundesregierung den aufenthaltsrechtlichen Statuswechsel ohne vorherige Ausreise für Studienabbrecher, die sich selbständig machen oder in eine Ausbildung wechseln, zu ermöglichen, und wenn nicht, aufgrund welcher wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Erwägungen hält die Bundesregierung an der Vorschrift in § 16 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes , die einen solchen Statuswechsel abweichend von der allgemeinen Regel in § 39 Nummer 1 der Aufenthaltsverordnung regelmäßig verhindert, fest? Drittstaatsangehörige Studierwillige erhalten – soweit sie die Voraussetzungen zur Aufnahme eines Studiums in Deutschland erfüllen – einen entsprechenden Aufenthaltstitel. Ziel des Studiums ist, einen entsprechenden Hochschulabschluss zu erlangen. Soweit Studierende das Studienfach oder den Studiengang wechseln wollen, steht dem nichts entgegen. Untypisch ist und nicht dem Regelfall entspricht es dagegen, das Studium abzubrechen und eine andere Ausbildung aufzunehmen oder sich selbständig zu machen. Die Bundesregierung prüft derzeit, unter welchen Bedingungen Ausländern, die einen Aufenthaltstitel zum Zweck des Studiums besitzen und das Studium, für den der Aufenthaltstitel erteilt wurde, abbrechen und kein anderes Studium an einer Hochschule aufnehmen, der Zweckwechsel zu einem Aufenthaltstitel zum Zweck der Erwerbstätigkeit oder Ausbildung erlaubt werden kann. 3. Beabsichtigt die Bundesregierung eine Ausweitung der Vorschrift in § 41 Absatz 1 der Aufenthaltsverordnung, nach der Angehörige bestimmter Staaten einen Aufenthaltstitel ohne vorgeschaltetes Visumverfahren im Bundesgebiet beantragen können, auf Angehörige weiterer Staaten, und wenn nein, aufgrund welcher wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Erwägungen hält die Bundesregierung daran fest, Angehörigen von Andorra, Honduras, Monaco, San Marino, Brasilien und El Salvador die Einholung einer Aufenthaltserlaubnis ohne vorgeschaltetes Visumverfahren nur dann zu ermöglichen , wenn sie nicht zum Zwecke der Erwerbstätigkeit erteilt wird? Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit nicht, die Angehörigen von Andorra, Honduras, Monaco, San Marino, Brasilien und El Salvador in § 41 Absatz 1 der Aufenthaltsverordnung aufzunehmen. Die geltende Rechtslage basiert – anders Drucksache 18/4715 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode als es die Formulierung der Frage es vermuten ließe – nicht auf aktuellen wirtschafts - oder arbeitsmarktpolitischen Erwägungen, sondern spiegelt insbesondere historisch gewachsene bilaterale Beziehungen wider. 4. Beabsichtigt die Bundesregierung, die politischen Stiftungen im Ausland dazu zu verpflichten, qualifizierten jungen Menschen Perspektiven für ein Leben in Deutschland zu zeigen und mit einstellungswilligen deutschen Unternehmen zusammenzuarbeiten, und wenn ja, inwiefern hält sie dies mit dem Grundsatz prinzipieller Zweckoffenheit als Ausfluss der Vereinigungsfreiheit für vereinbar (vgl. Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 72. Ergänzungslieferung 2014, Artikel 9 Rn. 38)? Die politischen Stiftungen sind von der Bundesregierung unabhängige Institutionen , die ihre Projekte und Maßnahmen im Ausland in eigener Verantwortung durchführen. Sie handeln nicht im Auftrag der Bundesregierung. Die Bundesregierung beteiligt sich daher nicht an der Konzeption, Vorbereitung und Durchführung von Stiftungsprojekten im Ausland. 5. Welche arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Erwägungen rechtfertigen es nach Auffassung der Bundesregierung, abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus den „sicheren Herkunftsstaaten“ Bosnien-Herzegowina , Mazedonien und Serbien für die Dauer von mindestens einem Jahr von den Möglichkeiten der legalen Einreise nach Deutschland auch dann auszuschließen, wenn sie infolge der Ablehnung ihres Asylantrags die Bundesrepublik Deutschland freiwillig verlassen haben? Mit dem von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung wird die Möglichkeit geschaffen, im Einzelfall bei missbräuchlicher Inanspruchnahme des Asylverfahrens ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anzuordnen. Dies kann beispielsweise Asylbewerber und Asylbewerberinnen aus sicheren Herkunftsstaaten betreffen, sofern deren Asylanträge rechtskräftig als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind. Damit wird der Praxis entgegen gewirkt, dass abgelehnte Asylbewerber immer wieder einreisen und neue aussichtslose Asylfolgeanträge stellen. Nach § 11 Absatz 7 Satz 1 des Gesetzentwurfs steht es im Ermessen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anzuordnen, dessen Dauer – anders als es die Formulierung der Frage unterstellt – bei der ersten Anordnung im Regelfall im Übrigen auf maximal ein Jahr beschränkt ist. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333