Deutscher Bundestag Drucksache 18/4716 18. Wahlperiode 20.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Christine Buchholz, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4547 – Forschungsgelder von US-Geheimdiensten für die RWTH Aachen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Nach Berichten des „WDR-Fernsehens“ erhält die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH Aachen) Forschungsgelder von USGeheimdiensten (WDR aktuell vom 17. März 2015). Konkret geht es dabei um die Programme „Babel“ und „Bolt“, die von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Lehrstuhls für Sprachverarbeitung und Mustererkennung am Institut für Informatik beforscht werden. Laut dem Verein „Aachener Friedenspreis “ sei es das Ziel von „Babel“, Aufnahmen in unterschiedlichen Sprachen in Text umzuwandeln und auf bestimmte Stichworte zu durchsuchen (Pressemitteilung vom 16. März 2015). „Bolt“ sei das Kürzel für „Broad Operational Language Translation“ und solle Mandarin Chinesisch und zahlreiche arabische Dialekte ins Englische übersetzen. Dabei gehe es um mitgeschnittene Unterhaltungen, abgefangene E-Mails oder Kurznachrichten. „Bolt“ laufe auf Tablet-Computern. Bei „Bolt“ handele es sich laut dem Verein offensichtlich um ein Nachfolgeprojekt von „Gale“ („Global Autonomous Language Exploitation “), das inzwischen als abgeschlossen ausgewiesen werde. Ziel war, Nachrichtensendungen , Textdokumente und andere Formen der Kommunikation aus dem Arabischen und Chinesischen automatisch ins Englische zu übersetzen und in Echtzeit verfügbar zu machen. Auftraggeber von „Babel“ sei laut dem Verein „Aachener Friedenspreis“ eine Forschungseinrichtung der „Intelligence Community“, einem Zusammenschluss von 17 US-Nachrichtendiensten, darunter auch die NSA und die CIA. Auftraggeber von „Bolt“ sei mit der Defence Advanced Research Projects Agency (DARPA) eine Forschungsbehörde des Pentagon. Die Projektbeschreibung der DARPA verdeutliche die militärische Zielrichtung des Projektes. Bis zum Ende des Jahres 2014 habe die DARPA einen Tablet-Prototypen erwartet, damit Truppen im Irak und Afghanistan von Übersetzern unabhängig würden. Laut einer Stellungnahme der RWTH Aachen würden die Forschungsprojekte Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 16. April 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. für Übersetzungssoftware zwar von amerikanischen Regierungsstellen gefördert , sie seien aber nicht geheim (WDR vom 20. März 2015). Dies hatte allerdings auch niemand behauptet. Darüber hinaus handele es sich um Grundlagenforschung , deren Ergebnisse sowohl im zivilen als auch im militärischen Drucksache 18/4716 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Bereich verwendet werden könnten. Bereits im Jahr 2013 war bekannt geworden , dass die RWTH Aachen im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums geforscht hatte (Aachener Zeitung vom 25. November 2013). In der öffentlich zugänglichen Datenbank der amerikanischen Regierung tauchten demnach drei RWTH-Projekte auf, die vom US-Verteidigungsministerium zwischen den Jahren 2009 und 2013 mit insgesamt 428 370 US-Dollar (316 000 Euro) gefördert wurden. Außer Aachen hätten auch Universitäten in Bochum und Wuppertal entsprechende Gelder erhalten. Laut dem 2013 erschienenen „Drohnenforschungsatlas“ der Tübinger Informationsstelle Militarisierung e. V. ist die RWTH Aachen auch in der deutschen wehrtechnischen Forschung überaus aktiv. So sei ein entsprechender Lehrstuhl , der gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für NaturwissenschaftlichTechnische Trendanalysen (INT) betrieben wird, mit einem herausragenden Wissenschaftler mit langer Bundeswehr- und Bundeswehruniversitätskarriere besetzt. Das Institut analysiere für die Bundeswehr technologische Trends und empfehle Forschungsthemen unter wehrtechnischen Aspekten. Im Bereich Drohnen werde an einer Reihe von Projekten geforscht. Erkenntnisse seien unter anderem auf einem Workshop der Rüstungsfirma Diehl Stiftung & Co. KG präsentiert worden. In einem Brief an den Rektor der RWTH Aachen Dr. Ernst Schmachtenberg kritisiert der „Aachener Friedenspreis“, die Abhörpraktiken, insbesondere der NSA, seien dank Edward Snowden inzwischen hinlänglich bekannt, trotzdem entwickelten Geheimdienste „ein geradezu bizarres Eigenleben ohne parlamentarische oder gar gesellschaftliche Aufsicht“. Wenn sich die RWTH Aachen von US-Geheimdiensten über Forschungsgelder dafür bezahlen ließe, aktiv einen Beitrag hierzu zu leisten, sei dies ethisch nicht zu rechtfertigen. Dies widerspreche auch der Freiheit der Forschung, denn diese Freiheit stoße „dort an ihre Grenzen, wo sie anderen ihre Freiheit nimmt“. Es sei erschreckend, festzustellen, in welchem Ausmaß die RWTH an Rüstungsforschung beteiligt ist. Die Hochschule solle sich aber bei der Drittmitteleinwerbung nicht mehr von den Bedürfnissen der US-Militärs für ihre weltweite Kriegsführung und den Bedürfnissen der US-Geheimdienste für ihre weltweiten schrankenlosen Ausforschungs- und Abhörpraktiken leiten lassen. Gefordert wird, umfassend offenzulegen, an welchen anderen Projekten für Rüstungskonzerne, Pentagon oder Geheimdienste durch die RWTH geforscht wird. Rektor Dr. Ernst Schmachtenberg solle sich mithilfe der Einführung einer Zivilklausel auf zivile Forschung verpflichten. 1. Was ist der Bundesregierung über Forschungsgelder von US-Geheimdiensten für die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH Aachen) zu den Bereichen Sprachverarbeitung, Sprecherkennung und Mustererkennung bekannt? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Hochschulen liegen im Zuständigkeitsbereich der Länder. 2. Wer ist nach Kenntnis der Bundesregierung der Auftraggeber für die jeweiligen Projekte? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Hochschulen liegen im Zuständigkeitsbereich der Länder. 3. Um welche Gelder, in welcher Höhe, für welche konkreten Projekte handelt es sich nach Kenntnis der Bundesregierung dabei? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Hochschulen liegen im Zuständigkeitsbereich der Länder. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4716 4. Inwiefern werden die Projekte nach Kenntnis der Bundesregierung auch aus deutschen Forschungsgeldern unterstützt? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Hochschulen liegen im Zuständigkeitsbereich der Länder. 5. Inwiefern erhalten auch Bundesbehörden Zugang zu den Forschungsergebnissen ? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Hochschulen liegen im Zuständigkeitsbereich der Länder. 6. Welche der Institute und Lehrstühle, die aktuell oder in der Vergangenheit für das US-Verteidigungsministerium und US-Geheimdienste geforscht haben, erhalten oder erhielten nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren Drittmittel aus Bundesministerien, Behörden oder Forschungsprogrammen des Bundes? Für Informationen über von der Bundesregierung geförderte Forschungsprojekte wird auf den öffentlich zugänglichen Förderkatalog verwiesen. Diese Datenbank beinhaltet mehr als 110 000 abgeschlossene und laufende Vorhaben, nach denen interaktiv und individuell im Datenbestand recherchiert sowie ausgewählte Statistiken abrufen werden kann. Dabei ist auch eine Suche nach bestimmten inhaltlichen Stichworten und Themen möglich. Der Datenbestand enthält derzeit Fördermaßnahmen (Vorhaben) der Bundesministerien für Bildung und Forschung (BMBF), für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), für Wirtschaft und Energie (BMWi), für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (www.foerderportal.bund.de/foekat/jsp/StartAction.do). 7. Inwiefern hält es die Bundesregierung für bedenklich oder unbedenklich, dass die Forschungen an der RWTH Aachen jene Abhörmaßnahmen der NSA verbessern könnten, von denen sie selbst mutmaßlich betroffen war oder sogar noch ist? Die Entscheidung, welche Forschungsprojekte durchgeführt werden, liegt im Rahmen der geltenden Vorgaben in der Entscheidung der jeweiligen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bzw. der jeweiligen Hochschule. Hochschulen liegen im Zuständigkeitsbereich der Länder. 8. Inwiefern hatten welche Bundesbehörden in der Vergangenheit bereits eigene Kontakte mit der beauftragenden „Intelligence Community“, einem Zusammenschluss von 17 US-Nachrichtendiensten, der die Forschungen an der RWTH Aachen beauftragte? 9. Welche Verabredungen wurden dort getroffen? Die Fragen 8 und 9 werden im Zusammenhang beantwortet. Die deutschen Nachrichtendienste unterhalten im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages und ihrer Zuständigkeit verschiedene Kontakte, im Einzelfall auch zum o. a. Zusammenschluss. Hierunter befanden sich allerdings keine Kontakte, die im Zusammenhang mit Forschungsaufträgen gegenüber der RWTH Aachen stehen. Drucksache 18/4716 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 10. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, inwiefern auch andere Hochschulen in Nordrhein-Westfalen Gelder des US-Verteidigungsministeriums bzw. von US-Geheimdiensten für Forschungen erhalten bzw. seit 2009 erhielten? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Hochschulen liegen im Zuständigkeitsbereich der Länder. 11. Welche eigenen Forschungen hat die Bundesregierung derzeit zur Sprachverarbeitung , Spracherkennung, Sprecherkennung und Mustererkennung beauftragt? a) Welche Gelder werden hierfür bereitgestellt? b) Welche Teilnehmer, Partner bzw. Endnutzer sind an den Projekten beteiligt, und welche konkreten Aufgaben werden von ihnen übernommen ? Das Kriminaltechnische Institut des Bundeskriminalamts führt derzeit ein Forschungsprojekt mit dem Titel „SemAut“ zum Thema der semi-automatischen Sprechererkennung durch, welches in Höhe von 39 270 Euro bundeshaushaltsfinanziert ist. Projektpartner ist das Institut für Phonetik der Universität Frankfurt . In Zusammenarbeit mit diesem Institut werden an laborerhobener und forensisch reeller Sprache durch wissenschaftliche Assistenten Sprachsegmente etikettiert und phonetische Parameter extrahiert bzw. korrigiert, die dann anschließend quantitativ modelliert und forensisch-statistisch verarbeitet und auf ihre Sprecherunterscheidungsleistung hin untersucht werden. Weiterhin werden zwei weitere, thematisch assoziierte kleinere Projekte bundeshaushaltsfinanziert , welche die Titel „PhoSt2“ (4 800 Euro) und „iVec“ (9 341 Euro) tragen. Projektpartner von PhoSt2 ist die School of Engineering & Telecommunications der University of New South Wales in Sydney, Projektpartner von iVec ist die Firma Oxford Wave Research in Oxford, Großbritannien . Von dem PhoSt2-Partner werden die semi-automatischen Merkmale mit den Methoden calibration, fusion und cross validation untersucht, von dem iVecPartner werden diese mit der Methode der i-Vektoren untersucht. Hierbei handelt es sich jeweils um Methoden, die in der forensischen Sprechererkennung verwendet werden bzw. aktuell Forschungsgegenstand sind. Darüber hinaus hat die Bundesregierung derzeit keine eigenen Forschungen zu den genannten Themen beauftragt. Für die allgemeine Förderung von Forschungsprojekten wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 12. Welche weiteren Forschungen übernahm die RWTH Aachen nach Kenntnis der Bundesregierung im Auftrag des US-Verteidigungsministeriums bzw. von US-Geheimdiensten? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Hochschulen liegen im Zuständigkeitsbereich der Länder. 13. Was ist der Bundesregierung darüber bekannt, an welchen Projekten im Zusammenhang mit unbemannten Systemen für Sicherheitsanwendungen an der RWTH Aachen geforscht wird? Das BMBF fördert im Rahmen des Programms „Forschung für die zivile Sicherheit “ das Forschungsprojekt „UAV-Assisted Ad Hoc Networks for Crisis Management and Hostile Environment Sensing (ANCHORS)“. Die RWTH Aachen ist mit dem Teilvorhaben „Robuste Missionssteuerung und -regelung für Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4716 autonomen Betrieb von unbemannten Flugsystemen bei Großschadenslagen“ an diesem Projekt beteiligt. 14. Welche der Projekte erfolgen im Auftrag der Bundesregierung, bzw. auf welche andere Art und Weise sind Bundesbehörden daran beteiligt? Die Bundesregierung hat derzeit keine Forschungen zu den genannten Themen beauftragt. 15. Wann und wo haben Bundesbehörden bereits an Präsentationen entsprechender Forschungsprojekte teilgenommen? Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes nehmen im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages regelmäßig an internationalen, europäischen und auch nationalen Fachtagungen, Fachkongressen u. a. teil. Es ist nicht auszuschließen, dass beispielsweise bei Fachtagungen zum Thema Multimedia- oder Sprachverarbeitung auch Repräsentanten der RWTH Aachen zu ihren Forschungsergebnissen vorgetragen haben. An dem zu Frage 13 aufgeführten laufenden Forschungsvorhaben ANCHORS ist das Bundesamt für Strahlenschutz als assoziierter Partner beteiligt. Das Projekt wurde auf Veranstaltungen wie dem zehnten Europäischen Bevölkerungsschutzkongress vorgestellt. 16. Inwiefern trifft es zu, dass die RWTH Aachen bzw. dort angesiedelte Institute für die Bundeswehr technologische Trends analysiert hätten und Forschungsthemen unter wehrtechnischen Aspekten empfohlen werden? Die RWTH Aachen hat keinen Auftrag, für die Bundeswehr technologische Trends zu analysieren oder wehrtechnische Forschungsthemen zu empfehlen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333