Deutscher Bundestag Drucksache 18/4745 18. Wahlperiode 21.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4506 – Dschihadisten in der Bundeswehr Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der Militärische Abschirmdienst (MAD) hat über 20 ehemalige Bundeswehrsoldaten identifiziert, die nachweislich ins Kampfgebiet nach Syrien und Irak gereist sind. Der Präsident des MAD, Dr. Christof Gramm, warnt nun davor, „dass die Bundeswehr als Ausbildungscamp für gewaltbereite Islamisten missbraucht werden kann“ (www.welt.de/politik/deutschland/article138183348/ Abschirmdienst-warnt-vor-Islamisten-in-Bundeswehr.html). Den Sicherheitsbehörden liegen nach Informationen des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ Hinweise vor, wonach islamistische Kreise versuchen wollen , Freiwillige bei der Bundeswehr unterzubringen. Diese könnten ihre dort erlernten Kenntnisse an der Waffe für Anschläge weltweit oder Angriffe auf ihre Kameraden nutzen (www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-willunterwanderung -von-islamisten-verhindern-a-1023391.html). Der MAD-Chef fordert nun weitergehende Handlungsmöglichkeiten für den MAD, um Bundeswehrbewerber bereits im Vorfeld einem Basischeck auf Verfassungstreue zu unterziehen. So soll verhindert werden, dass Personen, an deren Verfassungstreue Zweifel bestehen, an Kriegswaffen ausgebildet werden (www.welt.de/politik/deutschland/article138183348/Abschirmdienst-warnt-vorIslamisten -in-Bundeswehr.html). Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ gibt es im Bundesministerium der Verteidigung bereits konkrete Überlegungen, das bestehende Sicherheitsüberprüfungsgesetz durch einen Zusatz zu erweitern. Alle Soldaten, die eine Ausbildung an Kriegswaffen erhalten, würden umfangreich auf Verbindungen zu salafistischen Organisationen oder zum links- oder rechtsextremen Milieu überprüft. Bislang müssen Rekruten vor der Einstellung eine Erklärung zu Mitgliedschaften in politischen Organisationen und ein BeDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 17. April 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. kenntnis zur Verfassung ablegen. Einer genaueren Überprüfung werden nur diejenigen Soldaten unterzogen, die Zugang zu Geheimdokumenten und sensiblen Bereichen der Bundeswehr bekommen. Durch die geplanten Verschärfungen könnte die Bundeswehr Erkenntnisse des Verfassungsschutzes und anderer Sicherheitsbehörden über Rekruten anfordern (www.spiegel.de/politik/ deutschland/bundeswehr-will-unterwanderung-von-islamisten-verhindern-a- 1023391.html). Drucksache 18/4745 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Der im Jahr 2011 begonnene Aufstand gegen das Regime in Syrien ist in eine komplexe militärische Auseinandersetzung umgeschlagen. Die Entwicklung wird im gesamten dschihadistischen Spektrum mit hoher Aufmerksamkeit verfolgt . An Kämpfen in Syrien, aber auch im Irak, beteiligen sich längst nicht mehr nur Syrer und Iraker, sondern auch Kämpfer, die eigens zur Teilnahme an Kämpfen aus europäischen Staaten einreisen. Mehrere hundert Personen aus dem islamistischen Spektrum Europas sind inzwischen vor Ort. Seit dem Jahr 2012 sind islamistisch oder dschihadistisch motivierte Reisebewegungen von Deutschland nach Syrien verstärkt wahrzunehmen. Abhängig von der Lageentwicklung in Syrien und im Irak wird dort die Anzahl von Kämpfern aus Europa voraussichtlich weiter ansteigen. Die aus Deutschland und Europa stammenden radikalisierten Kämpfer sind zumeist militärisch nicht ausgebildet oder im Umgang mit Waffen nicht geübt. Die islamistische Propaganda ruft deshalb dazu auf, sich vor der Reise in die Kampfgebiete mit Waffen vertraut zu machen und schießen zu lernen. Personen mit militärischen Kenntnissen und Fähigkeiten werden aufgefordert, sich der islamistischen Bewegung anzuschließen. Die Bundeswehr bildet im Rahmen ihres Auftrages alle Soldatinnen und Soldaten in der Handhabung und im Gebrauch von Waffen aus. Daraus kann die Gefahr des Missbrauchs erwachsen, sollten nicht erkannte Dschihadisten, die in der Bundeswehr dienten, die dort erworbenen Fähigkeiten im Umgang mit Waffen dazu nutzen, Gewalttaten im In- oder Ausland zu verüben. 1. Wie viele ehemalige Bundeswehrsoldaten konnten bislang identifiziert werden, die nach Syrien oder in den Irak gereist sind, um sich dort dschihadistischen Kampfverbänden anzuschließen? a) Bei wie vielen dieser ehemaligen Soldaten handelt es sich um ehemalige Wehrpflichtige, um ehemalige Zeitsoldaten oder um ehemalige Berufssoldaten ? b) Wie viele dieser in den Irak oder nach Syrien gegangenen ehemaligen Bundeswehrsoldaten hatten in der Bundeswehr eine über die Grundausbildung an der Waffe hinausgehende Spezialausbildung erhalten, die auch für schwere staatsgefährdende Gewalttaten genutzt werden kann? c) Wann reisten die ehemaligen Bundeswehrsoldaten nach Kenntnis der Bundesregierung nach Syrien oder in den Irak? d) Welchen Kampfverbänden schlossen sie sich nach Kenntnis der Bundesregierung im Nahen Osten an? e) Wie viele dieser ehemaligen Soldaten waren nach Kenntnis der Bundesregierung auch an Kampfhandlungen beteiligt? f) Inwieweit gibt es Hinweise darauf, dass diese Personen bereits mit dem Vorsatz in die Bundeswehr eingetreten waren, die Ausbildung an Kriegswaffen anschließend für terroristische Ziele oder schwere staatsgefährdende Gewalttaten zu nutzen? g) Inwieweit liegen der Bundesregierung Kenntnisse darüber vor, dass diese Personen bereits während ihrer Bundeswehrzeit der islamistischen Szene angehörten oder zu dieser Kontakt hielten? Die Fragen 1, 1a bis 1g werden im Zusammenhang beantwortet. Nach Kenntnis der Bundesregierung reisten im Zeitraum zwischen den Jahren 2012 und 2015 25 ehemalige Soldaten nach Ausscheiden aus der Bundeswehr mit dem Reiseziel Syrien und Irak aus Deutschland aus. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4745 Zu einigen dieser Personen liegen unbestätigte Hinweise vor, dass sie sich islamistischen Gruppierungen wie dem „Islamischen Staat“ (IS) angeschlossen und an Kampfhandlungen beteiligt haben sollen. 2. Wie viele Bundeswehrsoldaten sind in der Vergangenheit oder gegenwärtig eigenmächtig abwesend oder fahnenflüchtig nach Syrien oder in den Irak gereist, um sich dort dschihadistischen Kampfverbänden anzuschließen? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass eigenmächtig abwesende oder fahnenflüchtige Soldaten nach Syrien oder in den Irak gereist sind, um sich dort dschihadistischen Kampfverbänden anzuschließen. 3. Aus welchem Grund und auf welcher rechtlichen Grundlage war und ist der MAD, dessen Aufgabe die Abschirmung der Bundeswehr ist, mit der Identifizierung ehemaliger Bundeswehrsoldaten in den Reihen dschihadistischer Verbände im Nahen Osten befasst? In allen genannten Fällen wandte sich das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) auf der Grundlage des § 19 Absatz 1 des Bundesverfassungsschutzgesetzes an den MAD, mit der Bitte um Prüfung, ob die betreffenden Personen Angehörige der Bundeswehr waren. 4. Welche konkreten Hinweise liegen der Bundesregierung vor, wonach Islamisten möglicherweise gezielt in die Bundeswehr gehen, um dort eine militärische Ausbildung zu erlernen? a) Welche konkreten Fähigkeiten werden bei der Bundeswehr vermittelt, die auch für schwere staatsgefährdende Gewalttaten genutzt werden können? b) Inwieweit findet bei der Bundeswehr eine Ausbildung an Kriegswaffensystemen statt, die nach Kenntnis der Bundesregierung auch von dschihadistischen Verbänden im Irak und Syrien genutzt werden, und um welche Waffensysteme handelt es sich dabei? c) Welchen Vorteil bringt nach Kenntnis der Bundesregierung eine Kampfausbildung bei der Bundeswehr für Angehörige des gewaltbereiten islamistischen Spektrums gegenüber einer Ausbildung bei einem diesem Spektrum vom Lebensstil und der Zielsetzung näherliegenden dschihadistischen Kampfverband? Die Fragen 4, 4a bis 4c werden im Zusammenhang beantwortet. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr erlernen zunächst grundlegende militärische Fertigkeiten. Hierzu zählen der Umgang mit Handwaffen sowie die Schieß- und Gefechtsausbildung. Für viele Verwendungen, auch außerhalb von Spezialkräften der Bundeswehr, sind weitergehende Schulungen im Orts- und Häuserkampf sowie im Umgang u. a. mit Maschinenwaffen, Panzerfäusten und Sprengmitteln erforderlich. Die Ausbildung erfolgt je nach Truppenzugehörigkeit an weiteren Waffen und Waffensystem der Bundeswehr. Eine solche professionelle militärische Ausbildung wäre für Angehörige des gewaltbereiten islamistischen Spektrums und für radikalisierte Einzeltäter von Nutzen. Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. Drucksache 18/4745 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, ob Angehörige des gewaltbereiten islamistischen Spektrums in anderen EU-Mitgliedstaaten gezielt in die Streitkräfte eintreten, um dort eine Kampfausbildung zu erhalten , und wie viele ehemalige Angehörige anderer EU-Streitkräfte befinden sich heute nach Kenntnis der Bundesregierung in den Reihen des sogenannten Islamischen Staats (IS/ISIS)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 6. Wie viele Angehörige der islamistischen bzw. dschihadistischen Szene wurden in den letzten fünf Jahren bei der Bundeswehr festgestellt? a) Wie viele dieser Personen waren bereits bei ihrem Eintritt in die Bundeswehr Salafisten bzw. Dschihadisten? b) In wie vielen Fällen wurden die betroffenen Personen vorzeitig aus der Bundeswehr entlassen? Die Fragen 6, 6a und 6b werden im Zusammenhang beantwortet. Der MAD ist in den vergangenen fünf Jahren in etwa 140 Fällen wegen des Verdachts islamistischer Bestrebungen tätig geworden. In acht Fällen lagen Behördenhinweise vor, die auf einen Verdacht hinwiesen. 18 Bundeswehrangehörige wurden eindeutig als Islamisten erkannt; sie dienen nicht mehr in der Bundeswehr . 7. Inwiefern hält die Bundesregierung eine genauere Überprüfung von Soldaten auf eine mögliche salafistische oder dschihadistische Gesinnung für zulässig, die die folgenden, vom MAD-Präsidenten Dr. Christof Gramm als Indikatoren für Salafismus genannten Verhaltensweisen zu Tage legen: „Sie betreten die Gemeinschaftsdusche nur noch bekleidet, benutzen Holzstäbchen statt Zahnbürsten, achten penibel darauf, dass der Teller nicht mit Schweinefleisch in Berührung kam“ (www.welt.de/politik/deutschland/ article138183348/Abschirmdienst-warnt-vor-Islamisten-in-Bundeswehr.html)? Auf die Antwort zu Frage 8 wird verwiesen. 8. Inwieweit und aus welchem Grund sieht die Bundesregierung Bedarf zur Erweiterung des bestehenden Sicherheitsüberprüfungsgesetzes für Angehörige der Bundeswehr? a) Gibt es nach Ansicht der Bundesregierung eine so starke Unterwanderung der Bundeswehr mit Personen, an deren Verfassungstreue Zweifel besteht, dass eine Erweiterung der Sicherheitsüberprüfungen verhältnismäßig wäre? b) Welche zusätzlichen Befugnisse sollte der MAD diesbezüglich nach Ansicht der Bundesregierung erhalten? c) Welche Soldaten oder Bewerber für einen Beitritt zur Bundesregierung sollen unter welchen Umständen wie auf ihre Verfassungstreue überprüft werden? d) Inwieweit befürwortet die Bundesregierung eine Regelanfrage der Bundeswehr beim Verfassungsschutz bezüglich ihrer Bewerber? Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4745 e) Wie ist die Einschränkung zu verstehen, dass alle Soldaten, „die an Kriegswaffen ausgebildet“ werden, vom MAD überprüft werden sollten ? Wie viele Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr werden nicht an Kriegswaffen ausgebildet? Die Fragen 8, 8a bis 8e werden im Zusammenhang beantwortet. Der MAD ist zuständig für die Extremismus-, Terrorismus-, Spionage- und Sabotageabwehr im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Bei der Erfüllung seiner Aufgaben arbeitet er mit den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zusammen. Um Personen mit extremistischen oder terroristischen Bestrebungen von vornherein von der Bundeswehr fernzuhalten, kommt dem Einstellungsverfahren eine besondere Bedeutung zu. Die Personalauswahl erfolgt deshalb auch unter diesem Aspekt mit besonderer Sorgfalt, Aufmerksamkeit und Umsicht. Angesichts der Gefahrenlage (siehe Vorbemerkung der Bundesregierung) werden derzeit weitere vorbeugende Maßnahmen erwogen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333