Deutscher Bundestag Drucksache 18/4750 18. Wahlperiode 23.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Höger, Wolfgang Gehrcke, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4508 – Völker- und Menschenrechtsverletzungen in der Westsahara Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die auf UN-Ebene (UN – Vereinte Nationen) anerkannte Unabhängigkeit der Westsahara bleibt auch Anfang des Jahres 2015 weiter aus. Die UN-Resolution 690 zur Abhaltung eines Referendums über die völkerrechtliche Zukunft der Westsahara ist nach wie vor nicht umgesetzt worden. Die UNO-Mission MINURSO zur Vorbereitung und Durchführung der Volksabstimmung ist seit dem Jahr 1991 ergebnislos geblieben. Im Gebiet der Westsahara finden weiterhin laufend Völker- und Menschenrechtsverletzungen statt. Unter Berücksichtigung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus dem Jahr 2013 (Bundestagsdrucksache 17/13602), ergeben sich weitere Fragen, insbesondere zum verminten Mauerstreifen , zu den mehrfach erhobenen Kinderfolter-Vorwürfen und den Aktivitäten deutscher Unternehmen in der Region. Zwischen dem marokkanisch besetzten und dem von der POLISARIO beherrschten Teil hat das Königreich Marokko in den Jahren 1980 bis 1987 eine 2 700 km lange Mauer im Sand (www.un.org vom 10. Oktober 2014) errichtet, zu deren Verstärkung circa sieben Millionen Landminen verlegt wurden. Jährlich sterben tausende Menschen durch explodierende Minen oder werden schwer verletzt. Damit verstößt das Königreich gegen die UN-Resolution 2625, der zufolge „das Hoheitsgebiet eines Staates […] nicht zum Gegenstand der Aneignung durch einen andren Staat als Ergebnis der Androhung oder Anwendung von Gewalt gemacht werden [darf]“. An der Grenze zwischen der Westsahara und Mauretanien werden mehrere Millionen Minen vermutet. Nach Informationen des Auswärtigen Amts unterstützt die Bundesregierung die Nichtregierungsorganisation „Norwegian People’s Aid“ (NPA) bei der Minen- und Kampfmittelräumung auf mauretanischer Seite. Ferner haben in den vergangenen Jahren Menschenrechtsorganisationen immer wieder auf die Missachtung der UN-Kinderrechtskonvention durch Marokko Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 21. April 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. hingewiesen, die es im Jahr 1993 unterzeichnet hat. Über mehrere Vorwürfe der Folter an Minderjährigen im von Marokko besetzten Gebiet hat bislang keine unabhängige Untersuchung stattgefunden, wie es unter anderem Amnesty International gefordert hatte (www.spsrasd.info/fr/content/six-sahraouis-dontun -enfant-tortur%C3%A9s-amnesty-international-appelle-%C3%A0-uneenqu %C 3%AAte-ind%C3%A9pendan). Drucksache 18/4750 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Nach Informationen der spanischen Tageszeitung „El País“ soll der saharauische Aktivist Hassanna Aalia in Kürze aus Spanien abgeschoben werden (www.politica.elpais.com/politica/2015/01/20/actualidad/1421768023_ 687243.html). Nach seiner Heimkehr in die Westsahara droht ihm lebenslange Haft in einem marokkanischen Gefängnis, weil er im Jahr 2011 an einer friedlichen Demonstration gegen die völkerrechtswidrige marokkanische Besatzung der Westsahara teilgenommen hatte. Fast zeitgleich zum Beschluss der spanischen Behörden, Hassanna Aalia abzuschieben , besuchte der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, gemeinsam mit einer Wirtschaftsdelegation und einigen Bundestagsabgeordneten die Länder des Maghreb, darunter auch Marokko. Seit über einem Jahr nehmen wieder Militärbeobachter der Bundeswehr an der bisher nach Auffassung der Fragesteller ergebnislosen UN-Mission MINURSO teil. Das Wüstengebiet der Westsahara ist sehr phosphatreich und eignet sich überdurchschnittlich gut für die Erzeugung von Solar- und Windenergie. Aus diesem Grund ist es für die marokkanische Wirtschaft – aber auch für Unternehmen aus anderen Staaten – von großem Interesse. Die Aneignung von Profit durch marokkanische und internationale Unternehmen, der aus wirtschaftlichen Aktivitäten auf dem Gebiet der Westsahara gewonnen wird, ist völkerrechtlich höchst umstritten. 1. Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Verlegung von Landminen entlang der 2 700 km langen Mauer im Sand, die das durch Marokko völkerrechtlich besetzte Gebiet von dem von der POLISARIO befreiten Gebiet trennt, in der Westsahara? Vor Inkrafttreten des von den Vereinten Nationen überwachten Waffenstillstandes im Jahr 1991 wurden entlang der Mauer in großem Ausmaß Landminen verlegt . Die fünf Kilometer breite Pufferzone der Mauer ist in weiten Teilen stark durch Minen belastet. 2. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Anzahl der Landminen , die an der Mauer sowie an der Grenze zwischen der Westsahara und Mauretanien angebracht sind? Aktuelle Schätzungen des Landmine Monitors, der vom NGO-Verbund International Campaign to Ban Landmines (ICBL) herausgegeben und unter anderem durch die Bundesregierung finanziell gefördert wird, gehen davon aus, dass ca. 292 Quadratkilometer mit Landminen kontaminiert sind (www.the-monitor.org/ custom/index.php/region_profiles/print_theme/3998). Darüber hinausgehende Informationen liegen der Bundesregierung nicht vor. 3. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Herkunft sowie die Art der Minen, die an der Mauer innerhalb der Westsahara sowie an der Grenze zwischen der Westsahara und Mauretanien liegen? Die der Bundesregierung vorliegenden Informationen beruhen auf Angaben aus dem Landmine Monitor. Gemäß dieser Publikation ergibt sich die folgende Auflistung von Minentypen, die geräumt und vernichtet wurden, sowie identifizierbar und einem Herkunftsland eindeutig zuordenbar waren: M-35 (Belgien); Type 58 (China); VS-50 (Italien); SB-33 (Italien); M966 (Portugal ); M 969 (Portugal); MAI75 (Rumänien); MI AP DV 59 (Frankreich); PMD-6 (UdSSR); PMD-6M (UdSSR); PMN (UdSSR); POMZ-2M (UdSSR); PRB M404 (Belgien); PROM-1 (Jugoslawien) (www.the-monitor.org/index.php/ cp/display/region_profiles/theme/3997). Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4750 4. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Minen, nichtexplodierte Geschosse und Munitionen auf dem Gebiet der Westsahara über die genannten Mauer- bzw. Grenzgebiete hinaus? Nach Kenntnis der Bundesregierung befinden sich Minen- und Kampfmittelrückstände sowohl in der Westsahara, als auch auf dem Staatsgebiet Marokkos. Insbesondere an der Grenze zu Mauretanien sind Minen- und Kampfmittelrückstände vorzufinden. Der Landmine Monitor gibt hierzu an, dass geschätzte 155 Quadratkilometer außerhalb des „Mauer- bzw. Grenzgebietes“ betroffen sind (www.the-monitor.org/custom/index.php/region_profiles/print_theme/3998). 5. Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der Opfer, die seit dem Jahr 1987 auf dem gesamten Gebiet der Westsahara durch Minen getötet oder schwer verletzt worden sind (bitte nach Regionen unterteilt aufführen)? Die genaue Zahl von Minenopfern ist unbekannt, da die Angaben zu Opferzahlen variieren und sich teilweise sehr stark widersprechen, abhängig von der jeweiligen Quelle. Schätzungen des Landmine Monitor gehen von 2 500 Opfern von Minen- und Kampfmittelrückständen seit dem Jahr 1975 aus. Zahlen über Verletzte oder eine regionale Unterteilung liegen nicht vor (www.the-monitor.org/ custom/index.php/region_profiles/print_theme/3998). 6. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Projekte humanitärer Minen- und Kampfmittelräumung auf dem Gebiet der Westsahara? Im Bereich des humanitären Minen- und Kampfmittelräumens sind nach Kenntnis der Bundesregierung sowohl der United Nations Mine Action Service (UNMAS) sowie Norwegian Peopleʼs Aid (NPA) aktiv als auch – für den Bereich der Opferfürsorge und Rehabilitation – das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK). 7. Inwieweit beteiligt sich die Bundesregierung an humanitärer Minen- und Kampfmittelräumung auf dem Gebiet der Westsahara? Die Bundesregierung fördert in diesem Jahr ein Programm des Special Mine Appeals des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) mit 800 000 Euro. Das geförderte Programm unterstützt die Minenopferfürsorge, insbesondere im Hinblick auf die Rehabilitation von Minenopfern. Darüber hinaus ist eine Förderung im Bereich des Minen- und Kampfmittelräumens über den United Nations Mine Action Service (UNMAS) geplant, die in der zweiten Jahreshälfte anlaufen und eine Laufzeit bis Ende des Jahres 2017 haben wird. 8. Inwieweit spielt die Minenproblematik eine Rolle in den bilateralen Gesprächen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko sowie zwischen der EU und Marokko? Die Westsaharafrage ist regelmäßiges Thema politischer Gespräche zwischen Deutschland und Marokko. Dabei spielt auch die Minen-Thematik eine Rolle. Die Existenz der Landminen wird im Rahmen der Vereinten Nationen bzw. von MINURSO regelmäßig thematisiert. In diesem Sinne hat die EU bisher von eigenen politische Initiativen abgesehen und unterstützt die Bemühungen der Vereinten Nationen bzw. von MINURSO in dieser Frage. Drucksache 18/4750 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Welche Rolle spielt die Europäische Union für das Mittelmeer bei der humanitären Minenräumung auf dem Gebiet der Westsahara? Welche Rolle sollte sie aus Sicht der Bundesregierung spielen? Kernaufgabe der Union für den Mittelmeerraum (UfM) ist die Förderung der wirtschaftlichen Integration und demokratischer Reformen. Es werden schwerpunktmäßig Maßnahmen und Projekte in den sechs in der Gründungserklärung festgelegten prioritären Projektbereichen (Wasser und Umwelt, Infrastruktur, Energie, Soziales, Bildung und Forschung, Unternehmensförderung) durchgeführt . Nach Kenntnis der Bundesregierung hat die UfM bisher keine Projekte oder Initiativen auf dem Gebiet der Humanitären Minenräumung in der Westsahara unterstützt. Die UfM hat sich als einzigartiges Regionalforum politischer Diskussion bewährt . Nach Auffassung der Bundesregierung ist es wichtig, dass die Mitglieder trotz teilweise sehr unterschiedlicher politischer Positionen (u. a. zur Westsahara ) ihre regionale Zusammenarbeit in den genannten Kernbereichen intensivieren . Politische Initiativen und Projektmaßnahmen sollten sich auch weiterhin im Rahmen der sechs in der Pariser Gipfelerklärung als prioritär festgelegten Bereiche bewegen. 10. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über Staaten, die beim Transport von Materialien zum Bau der 2 700 km langen Mauer im Sand in der Westsahara beteiligt waren? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 11. Welche Kenntnisse hat die die Bundesregierung über die Herkunft der Maschinen, die das Königreich Marokko beim Bau dieser Mauer eingesetzt hat? Kann die Bundesregierung ausschließen, dass auch deutsche oder andere europäische Unternehmen daran beteiligt waren? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 12. Wie beurteilt die Bundesregierung die Errichtung der Mauer im Sand unter dem Gesichtspunkt völkerrechtlicher Standards? Der völkerrechtliche Status der Westsahara ist ungeklärt. Deutschland unterstützt unverändert alle Bemühungen der Vereinten Nationen auf der Basis der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrates (zuletzt die Resolutionen 1979 (2011) und 2044 (2012)), zu einer friedlichen und einvernehmlichen Lösung des Konfliktes zu gelangen. Konstruktionen in diesem Gebiet können von der Bundesregierung daher nicht bewertet werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4750 13. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der von Amnesty International erhobenen Forderung nach Einsetzung einer unabhängigen Untersuchung über die Foltervorwürfe vom 17. Mai 2013, als sechs Häftlinge , darunter der minderjährige Hussein Abbah (17) in marokkanischer Polizeihaft gefoltert worden sein sollen (www.spsrasd.info/fr/content/sixsahraouis -dont-un-enfant-tortur%C3%A9s-amnesty-internationalappelle -%C3%A0-une-enqu%C3%AAte-ind%C3%A9pendan)? In dem genannten Fall aus dem Jahr 2013 hatten Anwälte der Angeklagten und die Marokkanische Menschenrechtsagentur (AMDH) ein medizinisches Gutachten zur Untersuchung der Folter- bzw. Misshandlungsvorwürfe während der Inhaftierung gefordert. Hierzu kam es nicht, da das Gericht die Forderung ablehnte und das Innenministerium die Foltervorwürfe in Abrede stellte. Der marokkanische Justizminister hat daraufhin im Mai 2014 angekündigt, dass in allen Fällen, in denen Inhaftierte Folter- und Misshandlungsvorwürfe erheben , eine staatliche Untersuchung (gerichtsmedizinisches Gutachten) erfolgen soll. Das Justizministerium hat marokkanische Menschenrechtsorganisationen aufgerufen, geeignete Rechtsmediziner vorzuschlagen. Die Medien haben über Fälle berichtet, in denen bereits einschlägige Untersuchungen durchgeführt wurden . Die Bundesregierung begrüßt diese Entwicklung. 14. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Behandlung der zwei Minderjährigen, die im Zuge einer Demonstration vom 29. Dezember 2012 in Marrakesch verhaftet und gemäß Amnesty International zu zwei Monaten Haft verurteilt worden sind (www.amnesty.org/fr/library/ asset/MDE29/004/2014/fr/ef5d6c2c-982e-4056-b8ee-0ad82e7dddd7/ mde290042014en. pdf)? Die Demonstration vom 29. Dezember 2012 ist der Bundesregierung bekannt. Die im Zuge der Demonstration festgenommenen Personen haben unterschiedlich lange Haftstrafen verbüßt. 15. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den von „Sahara Press Service“ gemeldeten Fall der drei minderjährigen Söhne des Sahrauis Mʼbarek Daoudi, die am 12. August 2013 im Klimime ohne rechtliche Grundlage verhaftet und vor der Familie geschlagen worden sind (www. spsrasd.info/fr/content/arrestation-de-trois-jeunes-sahraouis-dans-le-suddu -maroc)? Über die Umstände der Festnahmen liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 16. Hat nach Kenntnis der Bundesregierung eine Verurteilung Marokkos wegen Verletzung der Artikel 19, 37, 40 des Übereinkommens über die Rechte des Kindes aus dem Jahr 1989 durch ein UN-Organ stattgefunden, und wenn nicht, inwieweit hat die Bundesregierung eine Verurteilung gefordert? Zuständig für die Überwachung der Umsetzung des VN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention) durch die Vertragsstaaten ist der aus unabhängigen Experten zusammengesetzte Fachausschuss der Kinderrechtskonvention . Für VN-Mitgliedstaaten, einschließlich Deutschland, gibt es keine Möglichkeit, an den Fachausschuss Forderungen zu formulieren. Marokko wurde im Jahr 2014 vor dem Fachausschuss geprüft und erhielt in den Abschließenden Bemerkungen („Concluding Observations“) u. a. auch Emp- Drucksache 18/4750 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode fehlungen, die sich auf die Umsetzung der Artikel 19, 37 und 40 der Kinderrechtskonvention beziehen. 17. Wie beurteilt die Bundesregierung die von spanischen Behörden angekündigte Abschiebung des saharauischen Aktivisten Hassanna Aalia vor dem Hintergrund der Menschenrechtslage auf dem Gebiet der Westsahara? Die Entscheidung über die Gewährung von Asyl liegt in der EU in der Zuständigkeit der jeweiligen Mitgliedstaaten. Darüber hinaus geht die Bundesregierung davon aus, dass Spanien das Verbot der Abschiebung eines Flüchtlings in ein Land, in dem ihm ein empfindlicher Schaden droht, beachtet (Prinzip des „non-refoulement“ nach Artikel 33 der Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahr 1951 und Artikel 3 der UN-Antifolterkonvention sowie gleichgerichteter Grundsätze der EMRK (insbesondere Artikel 2, Recht auf Leben, und Artikel 3, Verbot von Folter). 18. Inwieweit hat die Bundesregierung ihren Einfluss auf EU-Ebene und in bilateralen Gesprächen mit der spanischen Regierung geltend gemacht, um die Abschiebung Hassanna Aalias zu verhindern? Die Abschiebung von Hassan Aalia war nicht Gegenstand bilateraler Gespräche zwischen der Bundesregierung und der spanischen Regierung und wurde auch auf EU-Ebene nicht erörtert. 19. Welche Ergebnisse hatte die Reise des Bundesministers des Auswärtigen , Dr. Frank-Walter Steinmeier, in der Woche vom 19. Januar 2015 in Marokko? Die Reise hat den beiderseitigen Willen bestätigt, die bilateralen Beziehungen auf Grundlage der „Erklärung von Rabat“ vom September 2013 umfassend auszubauen . Hierzu gehören neben dem politischen Dialog u. a. auch die Bereiche erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Landwirtschaft sowie die Zusammenarbeit in den Bereichen Hochschulen, Kultur- und Jugendförderung und interkultureller Dialog. Gemeinsames Ziel ist es, den politischen Dialog, die wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen sowie die persönlichen Kontakte zwischen den Menschen beider Länder zu vertiefen und die Marktwirtschaft, die Bekämpfung von Armut und Analphabetentum sowie nachhaltige Entwicklung zu fördern. Die Stärkung von demokratischen Strukturen, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechtsschutz und verantwortungsbewusstes staatliches Handeln sollen nach dem Willen beider Regierungen durch konkrete Projekte unterstützt werden . 20. Welche deutschen Wirtschaftsvertreterinnen und Wirtschaftsvertreter haben den Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, auf dieser Reise begleitet? Bei seinem Besuch in Marokko am 22./23. Januar 2015 haben Vertreter folgender deutscher Unternehmen den Bundesminister des Auswärtigen, Dr. FrankWalter Steinmeier, begleitet: ITS International Training & Support GmbH Fritz Dräxlmeier GmbH Siemens AG Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4750 Kirsch Pharma GmbH TUI AG Schott AG Rohde & Schwarz Vertriebs GmbH Giesecke & Devrient GmbH SMA Solar Technology AG ProTarget DDS Consult GmbH Robert Bosch GmbH Lahmeyer International. 21. Welche wirtschaftlichen Kooperationsvereinbarungen wurden zwischen Deutschland und Marokko getroffen? Beim Besuch des Bundesministers des Auswärtigen wurden keine wirtschaftlichen Kooperationsvereinbarungen getroffen. 22. Inwieweit waren Menschenrechte und Minenräumung auf dem Gebiet der Westsahara Teil der Gespräche mit der marokkanischen Regierung? Die Westsaharafrage einschließlich der Minen-Thematik ist regelmäßig Thema politischer Gespräche zwischen Deutschland und Marokko. Deutschland unterstützt unverändert alle Bemühungen der Vereinten Nationen auf der Basis der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrates (zuletzt die Resolutionen 1979 (2011) und 2044 (2012)), zu einer friedlichen und einvernehmlichen Lösung des Konfliktes zu gelangen. 23. Wie beurteilt die Bundesregierung die ökonomische Erschließung, Nutzung und Profitabschöpfung deutscher und anderer internationaler Unternehmen auf völkerrechtlich besetztem saharauischen Territorium unter dem Gesichtspunkt des ungeklärten Völkerrechtsstatus der Westsahara? Der völkerrechtliche Status der Westsahara ist ungeklärt. Verträge, die die Westsahara und die Rechte ihrer Einwohner berühren, dürfen den völkerrechtlichen Status der Westsahara nicht präjudizieren. Die Bundesregierung weist in ihren Kontakten mit der Wirtschaft auf diesen Sachverhalt hin. 24. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die wirtschaftlichen Aktivitäten deutscher Firmen in der völkerrechtswidrig besetzten Westsahara ? Der Bundesregierung liegen über eine Presseverlautbarung der Firma Siemens zum Windkraftwerk in Foum El Oued hinaus keine Informationen vor. Auf die Antwort zu den Fragen 23 und 27 wird verwiesen. Drucksache 18/4750 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 25. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die wirtschaftlichen Aktivitäten marokkanischer Firmen mit deutschen Beteiligungen im Gebiet der völkerrechtswidrig besetzten Westsahara? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 26. Welche Kenntnisse hat die Bunderegierung über die Aktivitäten internationaler Firmen mit deutschen Beteiligungen im Gebiet der völkerrechtswidrig besetzten Westsahara? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. 27. Inwiefern sieht die Bundesregierung einen Widerspruch zwischen ihren menschenrechtspolitischen Leitlinien, ihrem Einsatz fürs Völkerrecht und der Tatsache, dass das deutsche Unternehmen Siemens AG auf dem Gebiet der Westsahara in Partnerschaft mit der marokkanischen Industrieund Finanzgruppe Nareva Holding ein Windpark-Projekt in Foun El Qued, nahe El Ayoun, betreibt (www.gtai.de vom 4. März 2013 „Marokko treibt Windkraft voran“)? 28. Resultiert aus Sicht der Bundesregierung aus Vertragsabschlüssen zwischen deutschen und marokkanischen Unternehmen eine De-factoAnerkennung Marokkos als Gebietssouverän über den von ihm völkerrechtswidrig besetzten Teil der Westsahara? Die Fragen 27 und 28 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Auf die Antwort zu Frage 23 wird verwiesen. Die allgemeine privatwirtschaftliche Tätigkeit von Unternehmen ist nichtstaatlicher Natur und hat keinen Einfluss auf die Position der Bundesregierung zum Status der Westsahara. 29. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den aktuellen Stand der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen Marokko und der EU, und welche Rolle spielt die Situation im Gebiet der Westsahara dabei? Der Europäische Auswärtige Dienst und die Europäische Kommission haben bisher vier Verhandlungsrunden mit Marokko über den Abschluss eines Freihandelsabkommens (DCFTA) geführt. Die gegenwärtige, fünfte Verhandlungsrunde ist zurzeit ausgesetzt, um die Ergebnisse einer marokkanischen Zwischenbewertung abzuwarten. Die Verhandlungen sollen noch vor der Sommerpause weiter fortgesetzt werden. 30. Inwieweit würde nach Kenntnis der Bundesregierung das Inkrafttreten der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten (TTIP), des europäischkanadischen Freihandelsabkommens (CETA) und des transatlantischen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (TiSA) die Handelsbeziehungen zwischen Marokko und den EU-Staaten verändern? Eine vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung beim Ifo-Institut in Auftrag gegebene Studie stellt fest, dass allenfalls geringe negative Effekte auf einzelne Entwicklungsländer durch TTIP zu erwarten wären. Durch die Abkommen könnten demnach Entwicklungs- und Schwellenländer teilweise ihre Exportchancen durch eine gesteigerte Nachfrage aus der Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4750 EU und den USA oder Kanada verbessern, teilweise könnte es aber auch zu Handelsumlenkungen durch Präferenzerosion kommen. In Bezug auf Marokko hebt die oben genannte Studie hervor, dass Marokko stark in die Wertschöpfungsketten europäischer Automobilhersteller eingebunden ist. Marokko könnte gemäß der Studie zudem von TTIP profitieren, insbesondere wenn das Abkommen (bedingt durch regulatorische Konvergenz) die Handelskosten für marokkanische Exporteure senkt. Positive Effekte sind gemäß der Studie auch für den Dienstleistungssektor zu erwarten, wohingegen die Textilbranche verlieren könnte. Das plurilaterale Dienstleistungsabkommen TiSA (Trade in Services Agreement ) wird derzeit zwischen 24 WTO-Mitgliedstaaten (EU, Australien, Chile, Costa Rica, Hong Kong, Israel, Island, Japan, Kanada, Kolumbien, Korea, Mexiko, Norwegen, Neuseeland, Pakistan, Panama, Paraguay, Uruguay, Peru, Schweiz, Taiwan, Türkei, Liechtenstein, USA) verhandelt. Weitere interessierte Teilnehmer – und somit auch Marokko – haben die Möglichkeit, den TiSA-Verhandlungen beizutreten. Ziel von TiSA ist neben einer Verbesserung des Marktzugangs im Dienstleistungssektor vor allem auch, Impulse für die stockende Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) zu setzen und das plurilaterale Abkommen später möglichst in der WTO zu multilateralisieren. Dies bedeutet , dass die Ergebnisse von TiSA später allen anderen WTO-Staaten zugute kommen sollen, auch ohne dass diese dafür eigene Marktöffnungen vornehmen müssen. Dies würde auch für Marokko gelten, sofern es TiSA nicht schon vorher beitritt. 31. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass Produkte aus den völkerrechtswidrig besetzten Gebieten der Westsahara auf den europäischen Markt gelangen (z. B. Tomaten), ohne dass sie als solche erkennbar sind, sondern vom marokkanischen Landwirtschaftsministerium mit dem Etikett „Hergestellt in Marokko“ versehen werden und damit gegen eine der Schlüsseldirektiven der EU, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern zusichert, bezüglich des Herkunftslandes der Produkte wahrheitsgetreu informiert zu werden, verstößt (vgl. Western Sahara Ressource Watch – WSRW – vom 18. Juni 2012 „EU-Konsumenten unterstützen unwissentlich die Besetzung der Westsahara“)? Das am 1. Juli 2012 in Kraft getretene Freihandelsabkommen zwischen der EU und Marokko über landwirtschaftliche Erzeugnisse nimmt keine Änderungen an den in der EU für die Herkunftskennzeichnung allgemein geltenden Regelungen vor. Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von nachweislichen Missachtungen der einschlägigen Kennzeichnungsvorschriften bei der Einfuhr von Erzeugnissen im Anwendungsbereich des Abkommens aus Marokko nach Deutschland . 32. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die humanitäre Hilfe Kubas und Venezuelas für die Westsahara (www.amerika21.de/2013/11/ 92653/venezuela-kuba-west-sahara)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333