Deutscher Bundestag Drucksache 18/4751 18. Wahlperiode 22.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Tom Koenigs, Kordula Schulz-Asche, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4531 – Menschenrechtliche Situation und Wahlen in Burundi Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Burundi steht dieses Jahr vor einer wichtigen Zäsur. Die Vorbereitungen für die im Mai 2015 beginnenden Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen finden in einem Klima großer politischer Spannungen statt. Im Februar 2015 besuchte der VN-Sicherheitsrat (VN – Vereinte Nationen) Burundi und äußerte anschließend große Besorgnis angesichts von Berichten über Einschüchterungen und Schikanen, politische Gewalt, willkürliche Festnahmen und andere Verletzungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit. Die Möglichkeit einer dritten Amtszeit für Präsident Pierre Nkurunziza hat große Kontroversen ausgelöst, da die Verfassung eine Obergrenze von zwei Legislaturperioden für das Präsidentenamt vorsieht. Oppositionsführer beklagen die mangelnde Transparenz der Wahlkommission (CENI) und beschuldigen diese der Parteilichkeit sowie des Versuchs, die Wahl schon im Vorfeld im Sinne der Regierung zu beeinflussen. Verhaftungen von Oppositionellen und Menschenrechtsaktivisten, zuletzt des Journalisten Bob Rugurika, haben die Spannungen noch verstärkt und zu Demonstrationen geführt . Gleichzeitig wird die Sicherheitslage immer prekärer, wie sich an den Ereignissen in Cibitoke im Norden Burundis zwischen dem 30. Dezember 2014 und 3. Januar 2015 zeigt, als mindestens 47 Mitglieder einer unbekannten Rebellengruppe von Regierungskräften getötet wurden (Bericht von Human Rights Watch vom 12. Februar 2015, www.hrw.org/news/2015/02/12/burundisummary -executions-army-police). Berichte über eine Bewaffnung und gewalttätige Aktionen der Jugendorganisation der Regierungspartei CNDD-FDD, den Imbonerakure, häufen sich. Burundi ist auch von den Entwicklungen in den Nachbarländern direkt betrofDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 22. April 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. fen, insbesondere den andauernden Konflikten in der Demokratischen Republik Kongo. Die burundische Armee interveniert immer wieder jenseits der Grenze, wo auch burundische Rebellengruppen aktiv sind. Burundi ist gleichzeitig Aufnahmeland für Flüchtlinge aus dem Kongo (derzeit knapp 60 000), Drucksache 18/4751 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode aber auch einer der Umschlagsplätze für aus dem Ost-Kongo geschmuggelte Rohstoffe. Die politische Mission der Vereinten Nationen (BNUB) schloss Ende des Jahres 2014 ihre Arbeit in Burundi ab und wurde von einer Mission zur Vorbereitung und Beobachtung der Wahlen ersetzt (MENUB). Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich sie dieser Aufgabe nachgehen kann und inwieweit die burundische Regierung mit den Vereinten Nationen und anderen internationalen Partnern kooperieren wird. Auch die Bundesregierung stellte in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Situation in Burundi vom Mai 2014 (Bundestagsdrucksache 18/1421) „eine Zunahme von politischen Spannungen zwischen der Regierung und den Oppositionsparteien und eine Zunahme politisch motivierter Gewalt“ fest. Angesichts dieser innenpolitischen und regionalen Situation stellt sich die Frage, ob Burundi von seinen Partnerländern nicht gerade jetzt mehr Unterstützung in Bezug auf Krisenprävention, Menschenrechtsschutz und Konfliktbearbeitung benötigt. Die Bundesregierung hat in der oben genannten Antwort auf die Kleine Anfrage darauf hingewiesen, dass sie der burundischen Regierung im Rahmen der Regierungsverhandlungen im Mai 2014 ihre „Sorge über die aktuelle politische Lage in Burundi“ mitgeteilt habe. Eine Anpassung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Burundi sei allerdings zunächst nicht geplant – die Schwerpunkte Wasser- und Sanitärversorgung, Gesundheit und Dezentralisierung sollten beibehalten werden . Die Bundesregierung unterstütze aber im Rahmen der krisenpräventiven Projektförderung seit dem Jahr 2008 den Aufbau der burundischen Polizei. 1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage der Menschenrechte im Lichte der aktuellen politischen Situation in Burundi? Die Menschenrechtslage in Burundi bleibt nach Ansicht der Bundesregierung kritisch. Die staatliche Repression gegen Opposition und Kritiker des Systems ist hoch; politisch motivierte Gewalt und weitgehende Straffreiheit für die (zumeist staatlichen) Akteure sind an der Tagesordnung. Der Umgang der Regierung mit Menschenrechtsorganisationen ist problematisch. Zivilgesellschaftliche Vereinigungen sind regelmäßig Ziele von Einschüchterungen und Gewalttaten ; auch Verhaftungen und Einschüchterungen gegenüber Journalisten kommen häufig vor. Obwohl Anfang Juni 2013 gegen nationale und internationale Proteste (Vereinte Nationen, Europäische Union, Afrikanische Union) ein äußerst restriktiv gefasstes Pressegesetz in Kraft trat, das erhebliche Einschränkungen der journalistischen Tätigkeit ermöglicht, kann die Pressefreiheit derzeit noch als vergleichsweise groß angesehen werden. Journalisten nutzen noch vorhandene Spielräume. 2. Wie bewertet die Bundesregierung die Lage der politischen Opposition in Burundi wenige Monate vor den Wahlen, insbesondere im Hinblick auf die Meinungs- und Versammlungsfreiheit? Die Arbeit der Oppositionsparteien in Burundi unterliegt einer starken Reglementierung . Laut Wahlgesetz ist der Wahlkampf auf die beiden letzten Wochen vor den jeweiligen Wahlen begrenzt. Diese Begrenzung legt die Regierung restriktiv aus und versucht möglichst viele Parteizusammenkünfte zu verbieten. Auch die im Versammlungsgesetz festgelegte Möglichkeit, Versammlungen wegen Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu verbieten, nutzen örtliche Behörden restriktiv aus. Die Außenminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben ihre Besorgnis angesichts der zahlreichen Fälle strafrechtlicher Verfolgung von Führern der Oppositionsparteien und Vertretern der Zivilgesellschaft, die sich für die Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4751 Verteidigung der Menschenrecht einsetzen, in den am 16. März 2015 verabschiedeten Schlussfolgerungen ausgedrückt. Sie haben darauf hingewiesen, dass die Unterstützung der Wahlen seitens der Europäischen Union nur im Rahmen eines inklusiven und transparenten Wahlkampfs denkbar ist, der gerechterweise allen politischen Parteien und Akteuren offen steht. 3. Inwiefern hat sich die Bundesregierung, auch durch die deutsche Vertretung vor Ort, im letzten Jahr für die Meinungs- und Versammlungsfreiheit in Burundi eingesetzt? Die Bundesregierung steht bezüglich der Entwicklungen in Burundi in regelmäßigem Austausch sowohl mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) als auch mit Vertretern der Vereinten Nationen und den Ländern der Region. Mit ihren Partnern in der Europäischen Union stimmt die Bundesregierung sowohl die Besuchsfrequenz als auch ihre Botschaften an die burundische Regierung ab. Gemeinsam mit der EU setzt sie sich dafür ein, dass regelmäßig hochrangige Besuche erfolgen. So führte der Regionalbeauftragte für Subsahara -Afrika und Sahel im Auswärtigen Amt am 24. und 25. November 2014 Gespräche in Bujumbura; zuletzt reiste der Sonderbeauftragte der Europäischen Union für die Region der Großen Seen, Koen Vervaeke, Ende März nach Burundi. Vor Ort hat sich die Deutsche Botschaft in Bujumbura, sowohl bilateral als auch gemeinsam mit anderen vor Ort vertretenen Botschaften (vor allem Mitgliedstaaten der Europäischen Union) regelmäßig und bei zahlreichen Gelegenheiten für die Durchsetzung der Versammlungs- und Pressefreiheit eingesetzt. So wurden zum Beispiel der Menschenrechtsaktivist Pierre Claver Mbonimpa sowie der Journalist Bob Rugurika nach ihrer jeweiligen Verhaftung mehrmals in der Haft besucht; Letzterer im Februar 2015 auch gemeinsam mit Mitgliedern des Deutschen Bundestags, die sich zu Gesprächen in Burundi aufhielten. Auch bei verschiedenen anderen Prozessen (z. B. Manirumva, MSD) war die Botschaft im Gerichtssaal vertreten. Vertreter der Botschaft besuchen regelmäßig Veranstaltungen der Zivilgesellschaft bzw. von Menschenrechtsorganisationen. Auch werden deren Vertreter regelmäßig in die Botschaft eingeladen, z. B. anlässlich hochrangiger Besuche aus Deutschland. Die Arbeit der Menschenrechtsorganisation APRODH wurde im Jahr 2014 mit einer Zuwendung in Höhe von 61 500 Euro unterstützt; der entsprechende Vertrag wurde durch den Vorsitzenden Pierre Claver Mbonimpa und den deutschen Botschafter im August 2014 demonstrativ im Gefängnis unterschrieben . Im Dezember 2014 hat die Bundesregierung zum dritten Mal in Folge die Antikorruptionswoche der Nichtregierungsorganisation „Olucome“ finanziert. Ferner unterstützte die Bundesregierung die Eröffnung eines Länderbüros des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen mit 400 000 Euro. 4. Sind gegen Léonce Ngendakumana (Vorsitzender der Oppositionskoalition ADC-Ikibiri), Alexis Sinduhije (Vorsitzender der Oppositionspartei Mouvement pour la Solidarité et le Développement – MSD) und Agathon Rwasa (früherer Vorsitzender der Oppositionspartei Forces pour la Libération Nationale – FNL) noch Gerichtsverfahren anhängig, und wie wirkt sich dies auf die Wahlvorbereitung aus? Nach Kenntnis der Bundesregierung ist gegen Léonce Ngendakumana ein Berufungsverfahren anhängig. In erster Instanz war er zu einem Jahr Gefängnis ver- urteilt worden. Gegen Alexis Sinduhije laufen staatsanwaltschaftliche Ermitt- Drucksache 18/4751 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode lungen; ihm wird die Beteiligung an der Geiselnahme zweier Polizisten am 8. März 2014 in der Parteizentrale in Bujumbura vorgeworfen. In Bezug auf Agathon Rwasa prüft die Staatsanwaltschaft – auch auf Druck der Internationalen Gemeinschaft – seine Beteiligung an einem Massaker an 166 aus dem Osten der Demokratischen Republik Kongo stammenden Banyamulenge (ethnische Tutsi) im Jahr 2004. Ausgelöst wurde das Verfahren durch eine Klage von in Burundi lebenden Angehörigen der Getöteten vom 13. August 2013. Vorausgegangen war die Rückkehr Agathon Rwasas nach Burundi Ende Juli 2013; zuvor hatte er sich im Untergrund aufgehalten. Laut Aussage des Vorsitzenden der burundischen Wahlkommission sowie des burundischen Innenministers können sich die drei genannten Personen an den Wahlen beteiligen, denn es liege kein rechtskräftiges Urteil gegen sie vor. Gegen Alexis Sinduhije liegt allerdings wegen der Schwere der vorgeworfenen Tat ein gültiger Haftbefehl vor, was seine Teilnahme an den Wahlen nach Einschätzung der Botschaft unwahrscheinlich erscheinen lässt. 5. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bzw. die deutsche Vertretung vor Ort zur Lage der 21 Personen, die im März 2014 im Rahmen einer Demonstration der Oppositionspartei MSD in Bujumbura verhaftet und in einem eintägigen Prozess zu teilweise lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden? In dem genannten Gerichtsverfahren gegen Mitglieder der Oppositionspartei MSD wurden insgesamt 69 Personen angeklagt. Die Anklage lautete auf Widerstand gegen die Staatsgewalt, Aufruhr sowie Geiselnahme von zwei Polizisten. In einem Schnellverfahren wurden ohne Anhörung der Anwälte und ohne Akteneinsicht 21 Angeklagte zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen und weitere 24 Angeklagte, darunter drei Minderjährige, zu Freiheitsstrafen zwischen zwei und zehn Jahren verurteilt. Sie werden im Gefängnis von ihrer Partei sowie von zivilgesellschaftlichen Organisationen betreut. Die Bundesregierung fordert ebenso wie ihre Partner und die EU immer wieder die zügige Wiederaufnahme und Durchführung des Berufungsverfahrens, das nach Eindruck von Beobachtern von der Staatsanwaltschaft verschleppt wird. Der burundische Justizminister gab in einem Gespräch mit den in Bujumbura vertretenen Botschaftern der Europäischen Union Mitte April an, der Prozess verzögere sich, da nicht alle Personen vorgeladen werden könnten (weitere 24 frei gesprochene Personen haben zumeist sofort das Land verlassen). 6. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bzw. die deutsche Vertretung vor Ort zu den Ereignissen in Cibitoke Anfang Januar 2015, als Regierungssoldaten , Polizei und Imbonerakure laut Berichten (Human Rights Watch, 12. Februar 2015, www.hrw.org/news/2015/02/12/burundi-summaryexecutions -army-police) 47 Mitglieder einer unbekannten Rebellengruppe töteten? Schließt sich die Bundesregierung der Ansicht von Human Rights Watch an, dass diese als extra-legale Tötungen bewertet werden müssen? Der genannte Bericht von „Human Rights Watch“ ist der Bundesregierung bekannt . Über die darin enthaltenen Darstellungen hinausgehende eigene Erkenntnisse liegen der Bundesregierung nicht vor. Die burundische Regierung hat Mitte Februar eine Untersuchungskommission unter Führung des Generalstaatsanwalts eingerichtet, die bis Mitte März einen Bericht vorlegen sollte. Dieser Termin wurde jedoch auf Mitte April verschoben. Laut Aussage eines Vertreters des Justizministeriums anlässlich des Dialogs nach Artikel 8 des Cotonou-Vertrages am 15. April 2015 sei der Bericht am 13. April 2015 an die Regierung Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4751 übergeben worden. Vor einer Veröffentlichung werde er derzeit noch überarbeitet . Die Bundesregierung mahnt bei jeder Gelegenheit die Aufklärung der Ereignisse an (so gemeinsam mit den Partnern in der EU bei den regelmäßigen Gesprächen mit der burundischen Regierung nach Artikel 8 des Cotonou-Vertrages im Januar, März und April). Bereits am 9. Januar 2015 hatten sich die in Bujumbura vertretenen EU-Missionschefs, denen sich die USA und die Schweiz anschlossen, auch in einer öffentlichen Erklärung zu den Ereignissen geäußert, ihre tiefe Besorgnis ausgedrückt und rasche Aufklärung verlangt. 7. Wie bewertet die Bundesregierung die Chance auf freie und faire Wahlen in Burundi? Wie sind in diesem Zusammenhang die Chancen zur Umsetzung der Roadmap und des Verhaltenskodex für die Wahlen, die alle Akteure gemeinsam erarbeitet haben, zu sehen? Trotz wiederholt geäußerter Dialogbereitschaft der burundischen Regierung geht die Bundesregierung davon aus, dass diese vor allem die langfristige Festigung der eigenen Machtposition anstrebt. In der einvernehmlichen Festlegung des Wahlkalenders und der Annahme eines zwischen den politischen Parteien ausgehandelten Verhaltenskodex im Mai 2014 ebenso wie im mehrfach bekräftigen Willen der Oppositionsparteien, an den Wahlen teilnehmen zu wollen, sieht die Bundesregierung jedoch positive Schritte. Die Außenminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben anlässlich des Europäischen Rats für Auswärtige Angelegenheiten am 16. März 2015 Schlussfolgerungen verabschiedet, in denen sie an die burundischen staatlichen Stellen appellieren, weitere Anstrengungen zur Gewährleistung eines inklusiven , friedlichen und transparenten Wahlprozesses zu unternehmen. In ihren Gesprächen vor Ort fordert die Bundesregierung ebenso wie ihre Partner in der Europäischen Union und den Vereinten Nationen die politischen Akteure, v. a. aufseiten der Regierung, immer wieder dazu auf, sich an den im Mai 2014 vereinbarten Verhaltenskodex zu halten und glaubwürdige, transparente und inklusive Wahlen durchzuführen. Vertreter der Afrikanischen Union und einige afrikanische Staatschefs haben sich entsprechend geäußert. Im Austausch zwischen der Bundesregierung sowie der Europäischen Union mit der Afrikanischen Union und anderen Staaten in der Region ermutigt die Bundesregierung diese zu stärkerem eigenem Engagement in Bezug auf die Entwicklungen . 8. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bzw. die deutsche Vertretung vor Ort zur Wählerregistrierung, die im Jahr 2014 stattfand? Kann sie Berichte von Nichtregierungsorganisationen bestätigen, nach denen es verschiedene Unregelmäßigkeiten bei der Registrierung gab? Im Rahmen der Wählerregistrierung im Dezember 2014 kam es zu einigen Unregelmäßigkeiten, die von Opposition und Zivilgesellschaft beanstandet wurden. Nach eigenen Beobachtungen der in Bujumbura vertretenen EU-Botschaften in verschiedenen Einschreibebüros im ganzen Land hatten diese Unregelmäßigkeiten allerdings nicht das von der Opposition beklagte Ausmaß. Die zentrale Wahlkommission CENI erkannte im Dialog mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union einige Unregelmäßigkeiten an und setzte, auch aufgrund der Forderungen der Internationalen Gemeinschaft, eine Nacheinschreibefrist Drucksache 18/4751 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode im März an. Trotz einer entsprechenden Einladung zur Beobachtung hat sich keine der Oppositionsparteien an der Nacheinschreibung beteiligt. 9. Wie bewertet die Bundesregierung den politischen Dialog zwischen den Parteien im Vorfeld der Wahlen, und wie unterstützt sie diesen? Der Dialog der parlamentarischen sowie der außerparlamentarischen Opposition mit der burundischen Regierung gestaltet sich ausgesprochen schwierig. Die Freiheiten der Parteien erfahren laufend Einschränkungen; Parteiversammlungen und öffentliche Auftritte werden nahezu alle mit dem Argument der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit unterbunden. Die wichtigsten Parteien sind gespalten in von der Regierung „anerkannte“ und illegale Teile. Der Spielraum für Opposition wie Zivilgesellschaft tendiert gegen null. Die Bundesregierung hat sich zusammen mit ihren Partnern vor Ort sowohl durch den seit mehreren Monaten regelmäßig stattfindenden Dialog nach Artikel 8 des Cotonou-Vertrages als auch mittels der Organisation von Arbeitstreffen („workshops“), an denen alle politischen Akteure teilnahmen, für die Fortführung des politischen Dialogs eingesetzt. Nur auf diese Weise konnte die Vereinbarung der in Frage 7 genannten Roadmap und des Verhaltenskodex gelingen. 10. Wie bewertet die Bundesregierung die Auswirkungen einer möglichen dritten Kandidatur des Präsidenten Pierre Nkurunziza, während die Verfassung eine Obergrenze von zwei Legislaturperioden vorschreibt? Eine dritte Amtszeit von Präsident Nkurunziza ist nach Ansicht der Bundesregierung nicht mit dem Wortlaut der burundischen Verfassung vereinbar, da diese nur eine Wiederwahl des Staatsoberhaupts vorsieht. Zudem droht der Präsident durch eine dritte Amtszeit den innenpolitischen Kompromiss des Vertrags von Arusha aufzukündigen. Die Bundesregierung befürchtet ebenso wie große Teile der Internationalen Gemeinschaft, dass es mit der Verkündung einer erneuten Kandidatur von Präsident Nkurunziza zu Gewaltakten kommen könnte. Sie hat sich daher auch für die Verabschiedung von entsprechend deutlichen Ratsschlussfolgerungen beim Treffen der Außenminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 16. März 2015 eingesetzt. 11. Inwiefern unterstützt die Bundesregierung die Arbeit der neu etablierten Wahlmission der Vereinten Nationen in Burundi (MENUB)? Die Wahlbeobachtungsmission der Vereinten Nationen in Burundi (Mission d’observation électorale des Nations Unies au Burundi – MENUB) wurde durch Resolution 2137 (2014) des Sicherheitsrats zum 1. Januar 2015 eingerichtet. Gleichzeitig wurde das Mandat des Büros der Vereinten Nationen in Burundi (Bureau des Nations Unies au Burundi – BNUB) mit Wirkung zum 31. Dezember 2014 beendet. Die Mission MENUB wird aus dem regulären Haushalt der Vereinten Nationen finanziert. Der deutsche Anteil beträgt 7,141 Prozent. a) Wo werden die Schwerpunkte der Arbeit dieser Mission liegen? Gemäß Resolution 2137 (2014) soll MENUB den Wahlprozess in Burundi im Jahr 2015 begleiten und beobachten und an den Generalsekretär der Vereinten Nationen (VNGS) berichten. Der Generalsekretär soll dem Sicherheitsrat bis zum Abschluss aller Wahlen vor, während und nach den Wahlen Bericht erstatten . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4751 b) Was werden nach Meinung der Bundesregierung ihre kritischsten Aufgaben sein? Die größte Herausforderung für MENUB wird darin bestehen, dass ein freier, transparenter, glaubwürdiger, inklusiver und friedlicher Wahlprozess erfolgen kann. Berichte über politische Gewalt und Einschüchterung unterstreichen, dass hier noch Herausforderungen zu bewältigen sind. Der Sicherheitsrat hat in einer präsidentiellen Erklärung am 18. Februar 2015 seiner Besorgnis Ausdruck verliehen und die Regierung Burundis aufgefordert, Anstrengungen zu unternehmen , die erforderlichen Rahmenbedingungen für die bevorstehenden Wahlen zu schaffen (S/PRST/2015/6). c) Wie können die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und andere ihre Arbeit am sinnvollsten unterstützen? Die Europäische Union wird ab April 2015 eine eigene Wahlbeobachtermission nach Burundi entsenden, die den gesamten Wahlprozess in enger Absprache mit anderen Wahlbeobachtungsmissionen, auch der MENUB, kontinuierlich und umfassend bewerten soll. Dies ergänzt die erfolgte finanzielle Unterstützung in Höhe von 8 Mio. Euro durch Einzahlung in einen vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) verwalteten Korb. 12. Wie bewertet die Bundesregierung die Entwicklung der Imbonerakure, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung zu deren Ausbildung und Bewaffnung? Die verschiedenen Jugendorganisationen der Parteien stellen nach Ansicht der Bundesregierung eine große Gefahr für das fragile Gleichgewicht in Burundi dar, da sie alle als mehr oder weniger gewaltbereit einzustufen sind. Insbesondere die „Jugend“ der Regierungspartei, die „Imbonerakure“, ist milizartig organisiert und geht mit Duldung lokaler wie auch regionaler Behörden in willkürlichen Aktionen gegen zumeist politische Gegner, aber auch unbeteiligte Bürger vor. In einer Gesellschaft wie der burundischen, in der lange Konflikte gewaltsam ausgetragen wurden, birgt dies vor dem Hintergrund einer sich zunehmend verschlechternden wirtschaftlichen und sozialen Lage ein nicht zu unterschätzendes Eskalationspotential bei Konflikten. 13. Was sind die Schwerpunkte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Burundi, und plant die Bundesregierung, sich zumindest im Wahljahr verstärkt an Krisenprävention zu beteiligen? Die Schwerpunkte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Burundi sind Wasser- und Sanitärversorgung, reproduktive Gesundheit und Dezentralisierung . Zur Krisenvorbeugung tragen insbesondere folgende Maßnahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bei: – Programm des Zivilen Friedensdienstes (ZFD), – Unterstützung des Menschenrechtsbüros der Vereinten Nationen (OHCHR) sowie – Unterstützung des Sekretariats der Internationalen Konferenz der Großen Seen (ICGLR), deren Mandat Friedensförderung in der Region umfasst. Im Vorfeld der Wahlen in Burundi fördert die Bundesregierung Bemühungen zur Herstellung von Rahmenbedingungen, die Wahlen nach freien und demokra- tischen Standards ermöglichen und somit auch die innere Stabilität des Landes stärken. Der eingehende Appell an die Regierung Burundis, demokratische Drucksache 18/4751 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Wahlen zu organisieren, wird durch einen konkreten Unterstützungsbeitrag flankiert . Im Rahmen des geförderten Projekts soll ein einheitliches Wählerverzeichnis in Burundi erstellt werden. Die Wahlbehörde CENI wird in den Jahren 2014 und 2015 mit insgesamt bis zu 240 000 Euro unterstützt. 14. Wird die Fortführung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Burundi und die Zusammenarbeit im Bereich Polizeiausbildung an die Einhaltung menschenrechtlicher Standards geknüpft, und wie kann deren Einhaltung überprüft werden? Bei den Regierungsverhandlungen im Mai 2014 hat die Bundesregierung explizit betont, dass die Einhaltung der Menschenrechte sowie demokratischer und rechtsstaatlicher Prinzipien und die Entwicklungsorientierung staatlichen Handelns entscheidende Kriterien für Finanzierungsentscheidungen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sind, und dass eventuelle Neuzusagen von politischen Entwicklungen abhängen werden. Dies ist unverändert die Basis für Entscheidungen zur Entwicklungszusammenarbeit mit Burundi. Die burundische Regierung wird sich an diesen, auch von ihr akzeptierten Kriterien, messen lassen müssen. Das regionale „Polizeiprogramm Afrika“ wird mit Mitteln der Bundesregierung durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) seit dem Jahr 2008 auch in Burundi durchgeführt. Im Rahmen dieses Projekts wird in Burundi u. a. ein Fokus auf die Achtung der Menschenrechte, insbesondere Frauenrechte, Rechtsstaatlichkeit sowie Transparenz und Integrität in der burundischen Polizei gelegt. Die Einhaltung menschenrechtlicher Standards durch die Polizei in Burundi wird durch die Bundesregierung fortlaufend beobachtet. Über die Fortführung und Schwerpunktsetzung der Zusammenarbeit mit der Polizei wird in Abstimmung mit der GIZ auf Grundlage der vorliegenden Informationen entschieden. Zur Fortentwicklung und Überwachung der Umsetzung des Bereichs Frauenrechte soll im Rahmen des Projekts eigens ein „Genderbüro“ im Ministerium für öffentliche Sicherheit eingerichtet werden. 15. Wie bewertet die Bundesregierung die Wahl der Mitglieder der Wahrheitsund Versöhnungskommission durch das burundische Parlament im Dezember 2014? Das burundische Parlament hat die elf Mitglieder der Wahrheits- und Versöhnungskommission am zweiten Dezember 2014 gewählt. Die Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission ist eine zentrale Bedingung aus dem Vertrag von Arusha (beendete den in den Jahren 1993 bis 2003 andauernden Bürgerkrieg). Die Bundesregierung schätzt die Wahl als wichtigen und positiven Schritt ein. Insbesondere der Vorsitzende der Kommission, Msgr. Jean Louis Nahimana, ist als neutrale Persönlichkeit bekannt und leitete bereits die von der katholischen Bischofskonferenz eingerichtete kirchliche Friedens- und Versöhnungskommission . a) Plant die Bundesregierung, diese Kommission finanziell zu unterstützen ? Die Bundesregierung prüft für die Phase der Arbeitsaufnahme der Kommission eine eventuelle niederschwellige Unterstützung der Kommission durch einen Beratungseinsatz, nicht jedoch eine finanzielle Unterstützung. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4751 b) Inwieweit entspricht die Kommission nach Ansicht der Bundesregierung den Kriterien, die international für solche Kommissionen festgelegt wurden? Die elf Mitglieder der Wahrheits- und Versöhnungskommission wurden nach dem in der burundischen Verfassung festgelegten ethnischen Schlüssel (60 zu 40) unter Berücksichtigung von regionalen und Genderaspekten vom Parlament gewählt . Unter den Mitgliedern sind fünf Vertreter der christlichen Konfessionen und ein Vertreter des Islam. c) Hat sich die deutsche Vertretung vor Ort bemüht, auf die burundische Regierung dahingehend einzuwirken, dass die Kommission unabhängig arbeiten kann? Nach Bestätigung der Kommission durch Parlament und Senat, hat der deutsche Botschafter in Bujumbura den Außenminister in einem Gespräch darauf hingewiesen , dass die Bundesregierung großen Wert auf Unabhängigkeit der Kommission legt. Diese Botschaft wird auch bei anderen Gesprächen mit Vertretern der burundischen Regierung erneut betont werden. Die vor Ort vertretenen Partner verfahren entsprechend. Die Kommission selbst soll ihre Arbeit erst nach den anstehenden Wahlen aufnehmen . Derzeit diskutiert sie ihre Arbeitsbedingungen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333