Deutscher Bundestag Drucksache 18/4761 18. Wahlperiode 28.04.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Klaus Ernst, Susanna Karawanskij, Jutta Krellmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4469 – Gesamtwirtschaftliche Konzentrationsberichterstattung durch die Monopolkommission und die Informationsrechte des Deutschen Bundestages Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Ordnungspolitische Grundlage der sozialen Marktwirtschaft ist ein funktionsfähiger Wettbewerb der Unternehmen. Ihn zu schützen, ist die besondere Aufgabe des Bundeskartellamtes und der Monopolkommission über die Anwendung des Wettbewerbsrechts. Neben dem absoluten Kartellverbot und der präventiven Fusionskontrolle soll so präventiv die Vermachtung von Märkten durch externes Unternehmenswachstum verhindert und der Missbrauch wirtschaftlicher Macht bekämpft werden. Die Prävention ist von besonderer Bedeutung , weil die Entstehung marktbeherrschender Stellungen durch internes Unternehmenswachstum zunächst grundsätzlich hingenommen und das Verhalten marktmächtiger Unternehmen erst anlässlich einer Fusions- oder Missbrauchskontrolle nachträglich geprüft wird – wenn es für strukturelle Eingriffe und die Kompensation der verursachten Schäden oft zu spät ist. Um die wettbewerblichen Gefährdungstatbestände rechtzeitig zu erkennen, ist die Monopolkommission gemäß § 44 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung (GWB) verpflichtet, in ihren Hauptgutachten den Stand und die Entwicklung der Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik Deutschland regelmäßig zu beurteilen. Eine kollektive, oligopolistische Marktbeherrschung besteht nach § 18 Absatz 6 Nummer 1 GWB besonders dann, wenn drei oder weniger Unternehmen einen Marktanteil von 50 Prozent und mehr erreichen. Der Monopolkommission wurden gemäß § 47 Absatz 1 GWB vom Statistischen Bundesamt zur Begutachtung der Entwicklung der Unternehmenskonzentration über mehrere Jahre (zuletzt für das Jahr 2009) umfangreiche Angaben zur Verfügung gestellt. Danach erfüllten im Produzierenden Gewerbe (Abt. B und C) über 30 Prozent der rd. 250 marktnahen Wirtschafts- und Güterbereiche das kartellrechtliche Kriterium einer kollektiven, oligopolistischen Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 23. April 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Marktbeherrschung. Eine Ursache dafür ist die extreme Zunahme der Unternehmensverflechtungen , in deren Folge sich die Anzahl der Konzerne und sonstigen Unternehmensgruppen sowie die Anzahl der von ihnen durch eine mehrheitliche Kapitalbeteiligung kontrollierten deutschen Unternehmen seit dem Jahr 2005 bis zum Jahr 2009 nahezu vervierfacht hat. Diese Entwicklung Drucksache 18/4761 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode dürfte sich seither fortgesetzt haben, schlägt auf die Konzentration der Unternehmen , die unmittelbar betroffenen Märkte sowie marktübergreifend auch auf vor- und nachgelagerte Wirtschaftsstufen durch und gefährdet über anhaltend verkrustete Märkte einen funktionsfähigen Wettbewerb. Trotz der evidenten empirischen Befunde hat es die Monopolkommission in ihren letzten Hauptgutachten abgelehnt, diese zur Kenntnis zu nehmen und zu beurteilen. Sie hat nach Auffassung der Fragesteller vielmehr entschieden, die bisherige, gesamtwirtschaftlich orientierte, regelmäßige Konzentrationsberichterstattung mit dem im Jahr 2014 vorgelegten Zwanzigsten Hautgutachten 2012/ 2013 ersatzlos einzustellen. Das ist eine eindeutige Verletzung ihrer in § 44 Absatz 1 Satz 1 GWB in Verbindung mit der amtlichen Statistik gemäß § 47 Absatz 1 GWB bestehenden gesetzlichen Berichtspflicht. Damit fehlt der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag eine empirisch belastbare Informationsgrundlage für ordnungs- und wirtschaftspolitische Entscheidungen zum nationalen und multinationalen Verflechtungsnetzwerk, zum Konzentrations- und Wettbewerbsgrad der Unternehmen, einschließlich der Position des selbständigen Mittelstands, und nicht zuletzt zum Standort Deutschlands in einer globalisierten Welt. 1. Hat die Bundesregierung aus den vorangehenden Hauptgutachten sowie aus der Mitteilung der Monopolkommission vor dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie vom 31. Mai 2013 zur Kenntnis genommen, dass sich seit dem Jahr 2005 bis zum Jahr 2009 die Anzahl der Konzerne und sonstigen Unternehmensgruppen sowie die Anzahl der von ihnen über mehrheitliche Kapitalbeteiligungen kontrollierten Unternehmen in Deutschland annähernd vervierfacht hat, und welche Schlüsse zieht sie daraus? Die Bundesregierung kann die in der Frage angegebene Zunahme von Unternehmensgruppen nicht nachvollziehen. In ihrem Siebzehnten Hauptgutachten nennt die Monopolkommission für das Jahr 2005 einen Wert von insgesamt 145 090 Unternehmensgruppen (vgl. Monopolkommission, Siebzehntes Hauptgutachten , Rn. 165 und Tabelle I.7). Das Neunzehnte Hauptgutachten enthält hingegen keine Angabe zur Anzahl der Unternehmensgruppen. Das Statistische Bundesamt nennt für das Jahr 2009 die Zahl von rund 165 000 Unternehmensgruppen . 2. Hat die Bundesregierung aus den vorangehenden Hauptgutachten der Monopolkommission zur Kenntnis genommen, dass nach Angaben des Statistischen Bundesamtes zuletzt für das Jahr 2009 im Produzierenden Gewerbe von rd. 250 marktnahen Wirtschafts- und Güterklassen über 30 Prozent das Kriterium einer kollektiven, oligopolistischen Marktbeherrschung gemäß § 18 Absatz 6 Nummer 1 GWB erfüllen, d. h. sich auf die jeweils bis zu drei größten Einheiten ein Umsatz- bzw. Produktionsanteil von 50 Prozent und mehr konzentriert, und welche Schlüsse zieht sie daraus? Nach Auffassung der Bundesregierung sind die auf Wirtschaftszweigen beruhenden konzentrationsstatistischen Angaben kaum geeignet, Anhaltspunkte für kartellrechtlichen oder wettbewerbspolitischen Handlungsbedarf zu liefern. Ein Grund hierfür ist, dass sowohl bei der Berechnung der Konzentrationsraten auf Grundlage der Wirtschaftszweigklassifikation als auch auf Basis des Güterverzeichnisses der Produktionsstatistik nur Unternehmen mit Unternehmenssitz in Deutschland berücksichtigt werden. Tatsächlich werden die Wettbewerbsverhältnisse im Inland aber auch durch ausländische Unternehmen geprägt. Gerade aufgrund der Tatsache, dass die bisherige branchenbezogene Konzentrationsberichterstattung nur eine sehr geringe wettbewerbspolitische Aussagekraft hat, befürwortet die Bundesregierung die von der Monopolkommission vollzogene Neuausrichtung ihrer empirischen Erhebungen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4761 3. Hält es die Bundesregierung für ordnungspolitisch wünschenswert, mithilfe empirischer Verfahren, die aufgrund einer zunehmenden Verflechtung und Konzentration der Unternehmen und Anbieter wettbewerblich prekären Bereiche frühzeitig zu identifizieren und die dort herrschenden Verhältnisse näher zu untersuchen? Die Bundesregierung interpretiert die Frage dahingehend, ob der Aufbau eines umfassenden Indikatorensystems geeignet ist, als Fortentwicklung der bisherigen Konzentrationsberichterstattung potenzielle Wettbewerbsprobleme auf einzelnen Märkten aufzudecken. In diesem Kontext wird auf den umfassenden Abschnitt 9 (S. 137 ff.) des unter Frage 17 genannten Gutachtens des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) verwiesen. Das ZEW kommt zu dem Schluss, dass ein entsprechendes Indikatorensystem angesichts der niedrigen Erfolgsaussichten und des hohen Aufwands als nicht empfehlenswert einzuschätzen ist. Zudem wird darauf verwiesen, dass die vorhandenen personellen Kapazitäten der Monopolkommission für die Entwicklung und Umsetzung eines solch umfassenden Indikatorensystems bei Weitem nicht ausreichen würden. 4. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das Bundeskartellamt im Rahmen der präventiven Fusionskontrolle nur das sogenannte externe Unternehmenswachstum erfasst, während das daneben bestehende „interne“ Unternehmenswachstum erst nachträglich, im Fall von Missbrauchsvorwürfen kartellrechtlich aufgegriffen wird, wenn es für die Entflechtung marktmächtiger Unternehmen und Unternehmensgruppen möglicherweise bereits zu spät ist und es daher genuiner Sinn und Zweck des gesetzlichen Auftrags der Monopolkommission ist, rechtzeitig darauf hinzuweisen? Wenn ja, wie stellt sie diesen Auftrag sicher? Der Bundesregierung ist bewusst, dass nach dem GWB lediglich externes Unternehmenswachstum fusionskontrollpflichtig ist. Unternehmen, die aufgrund von internem Wachstum eine marktbeherrschende Stellung erreichen, unterliegen der Missbrauchsaufsicht. Die Feststellung, ob ein Unternehmen auf einem sachlich und räumlich relevanten Markt beherrschend ist und daher der Missbrauchsaufsicht unterliegt, obliegt den Kartellbehörden. Die auf Wirtschaftszweigen beruhende Konzentrationsberichterstattung gibt in diesem Zusammenhang keinen hinreichend verlässlichen Aufschluss über konkrete Wettbewerbsgefahren auf kartellrechtlich relevanten Märkten. 5. Welche Initiativen hat die Bundesregierung bisher ergriffen, die zunehmende wettbewerbspolitische Bedeutung des nationalen und multinationalen Verflechtungsnetzwerks und dessen Einfluss auf die Konzentration der Unternehmen und Märkte regelmäßig zu beobachten und näher zu untersuchen , um daraus struktur- und wettbewerbspolitische Konsequenzen zu ziehen? Die Bundesregierung begrüßt Untersuchungen der Monopolkommission, Verflechtungsbeziehungen zwischen Unternehmen über Ländergrenzen hinweg auf Grundlage einer umfassenden Stichprobe im Zeitverlauf nachzuzeichnen und die wettbewerblichen Wirkungen der Verflechtungsbeziehungen anhand geeigneter Kennzahlen empirisch zu analysieren. Drucksache 18/4761 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Sollte die Bundesregierung den Stand und die evidente Zunahme der Verflechtung und Konzentration der Unternehmen bisher nicht näher zur Kenntnis genommen haben, liegt dies möglicherweise an der Umstellung der gesamtwirtschaftlichen Konzentrationsberichterstattung auf marktbezogene , konzentrationsstatistische Analysen, obwohl § 44 Absatz 1 Satz 1 GWB der Monopolkommission verbindlich vorschreibt, dass „sie den Stand und die absehbare Entwicklung der Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik Deutschland beurteilt“? Die Bundesregierung widerspricht der Einschätzung der Fragesteller, die gesamtwirtschaftliche Konzentrationsberichterstattung sei eingestellt worden. Wie bereits ausgeführt (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage Bundestagsdrucksache 17/14629), untersucht die Monopolkommission auch weiterhin den Stand und die Entwicklung der Konzentration von Großunternehmen in Deutschland und führt seit dem Achtzehnten Hauptgutachten zusätzlich Untersuchungen zu den Verflechtungen europäischer Großunternehmen durch. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass eine rein nationale Konzentrationsberichterstattung auf Basis der innerdeutschen Produktion angesichts der fortschreitenden Globalisierung nicht mehr zeitgemäß ist. Die flächendeckende Konzentrationsberichterstattung in ihrer früheren Form weist sehr geringe wettbewerbspolitische Relevanz auf. Selbst sorgfältig berechnete Konzentrationsmaße verfügen vor dem Hintergrund der wettbewerbspolitisch relevanten Forschung nur über eine relativ geringe Aussagekraft. So lassen sich allein auf Basis der Konzentration von Marktanteilen keine gehaltvollen Aussagen hinsichtlich der Wettbewerbsintensität treffen. Auch können konzeptionelle Probleme bei der Marktabgrenzung selbst mit großem Aufwand nicht behoben werden. 7. Genügt es nach Auffassung der Bundesregierung, wenn die Monopolkommission die in § 44 Absatz 1 Satz 1 GWB rechtlich vorgeschriebene, regelmäßige Konzentrationsberichterstattung, den Stand und die absehbare Entwicklung der Unternehmenskonzentration in Deutschland zu begutachten , auf die jeweils 100 größten Unternehmen beschränkt? Die Monopolkommission untersucht auch nach der Neuausrichtung der Konzentrationsberichterstattung den Stand und die Entwicklung der Konzentration von Großunternehmen in Deutschland und hat diese Untersuchung seit dem Achtzehnten Hauptgutachten auf europäische Unternehmen ausgeweitet. Zusätzlich führt die Monopolkommission vertiefte konzentrationsstatistische Marktanalysen durch und wird auch damit ihrem gesetzlichen Auftrag gerecht. 8. Ist die Bundesregierung der Überzeugung, dass die auf die jeweils 100 größten Unternehmen beschränkte Analyse, die nur rd. 0,003 Prozent der etwa 3,6 Millionen Unternehmen bzw. rd. 0,06 Prozent der ca. 165 000 Konzerne und sonstigen kontrollierenden Unternehmensgruppen betreffen, wirtschaftspolitisch aussagekräftige und empirisch belastbare Ergebnisse zum Einfluss des Verflechtungsnetzwerks auf den Stand und die Entwicklung der Unternehmenskonzentration in Deutschland liefern kann, wie es das GWB in § 44 Absatz 1 Satz 1 vorschreibt? Die so genannte aggregierte Konzentration auf der Grundlage der inländischen Wertschöpfung zeigt, dass der Anteil der betrachteten 100 Großunternehmen im Zeitraum von 1978 bis 2012 bei etwa 18 Prozent lag und somit im langfristigen Durchschnitt knapp ein Fünftel der Gesamtwertschöpfung aller Unternehmen auf die 100 größten Unternehmen in Deutschland entfällt. Zu begrüßen sind weiterhin die Anstrengungen der Monopolkommission, im Rahmen ihres Hauptgutachtens personelle und kapitalmäßige Verflechtungs- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4761 beziehungen auf europäischer Ebene nachzuzeichnen. Einer Weiterentwicklung der Datenbasis und Methodik, die insbesondere eine Qualifizierung der Verflechtungsbeziehungen (horizontale und vertikale Verflechtungen) berücksichtigen , wird ein hoher Mehrwert für die Beurteilung der Motive und Wirkungen von Unternehmensverflechtungen beigemessen. 9. Welche konkreten wirtschafts-, kartell- und ordnungspolitisch relevanten Erkenntnisse hat die Bundesregierung bisher aus dem seit dem Ersten Hauptgutachten aus dem Jahr 1976 von der Monopolkommission fortgeschriebenen Ranking der jeweils 100 größten Unternehmen gewonnen und umgesetzt, wenn die Monopolkommission in ihrem Zwanzigsten Hauptgutachtachten aus dem Jahr 2014 selbst einräumt, dass hier kein Bezug zu konkreten wettbewerblich relevanten Märkten besteht (Kapitel II, Ziffer 395 ff.)? Die angesprochenen Untersuchungen leisten einen wichtigen Beitrag, um einen Überblick über die größten Unternehmen in Deutschland und ihre wirtschaftliche Bedeutung im Zeitverlauf zu gewinnen. Weiterhin können auf Grundlage der Erhebungen externe und interne Wachstumsvorgänge identifiziert und Verflechtungen zwischen einzelnen Akteuren analysiert werden. Die Untersuchungen dienen in ihrer aggregierten Form als erste wichtige Orientierungshilfe für eine weiterführende Analyse der speziellen Wettbewerbspositionen einzelner Unternehmen oder der Wettbewerbsbedingungen in spezifischen Märkten. Für konkrete wettbewerbspolitische Maßnahmen sind weitere detaillierte Informationen (z. B. die Marktpositionen und Aktivitäten von Unternehmen in den relevanten Märkten und der wesentlichen Konkurrenten im horizontalen und vertikalen Wettbewerb) zu berücksichtigen, die tiefergehende Analysen und Daten erfordern. Im Rahmen ihrer Sondergutachten sowie in ihren Hauptgutachten nimmt die Monopolkommission regelmäßig und detailliert Stellung zu den Wettbewerbsentwicklungen in ausgewählten Branchen (vgl. hierzu auch die Antwort zu Frage 8). 10. Wie beabsichtigt die Bundesregierung künftig ihren struktur- und wettbewerbspolitischen Informations- und Beratungsbedarf zu decken, wenn ihr über den Stand und die Entwicklung der Unternehmenskonzentration in Deutschland umfassende Informationen zu den einzelnen Wirtschaftsund Güterbereichen und den relevanten Märkten, zur Wettbewerbssituation von Unternehmen, insbesondere des selbständigen Mittelstandes, sowie zum Verflechtungsnetzwerk der Unternehmen unter Einbezug der Kapitalbeteiligungen des Staates oder des Auslandes und somit zum Standort Deutschland nach Auffassung der Fragesteller faktisch fehlen? Durch das Statistische Bundesamt erfolgt unabhängig von den Erhebungen der Monopolkommission die Erfassung von Unternehmensgruppen (Verordnung (EG) Nr. 177/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008). In der Vergangenheit hat die Monopolkommission im Rahmen ihrer bisherigen Konzentrationsberichterstattung basierend auf der Wirtschaftszweigklassifikation bzw. auf dem Güterverzeichnis der Produktionsstatistik ebenfalls auf die Daten des Statistischen Bundesamtes zurückgegriffen. Diese Daten stehen der Bundesregierung auch künftig zur Verfügung. Wie bereits dargestellt, sind diese Daten allerdings kaum geeignet, Anhaltspunkte für kartellrechtlichen oder wettbewerbspolitischen Handlungsbedarf zu liefern. Darüber hinaus veröffentlicht das Statistische Bundesamt Daten zu kleinen und mittleren Unternehmen bzw. dem Mittelstand sowie zu auslandskontrollierten Unternehmen („Inward Foreign Affiliates Statistics“ – Inward-FATS). Drucksache 18/4761 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Aussagen zu kartellrechtlich relevanten Märkten und der konkreten Wettbewerbssituation von Unternehmen enthalten die von der Monopolkommission im Rahmen von Haupt- und Sondergutachten vorgenommenen Marktanalysen. Daneben ist die Monopolkommission laut ihrem gesetzlichen Auftrag befugt, eingehende Untersuchungen einzelner Märkte und Wirtschaftszweige vorzunehmen und kommt diesem Auftrag regelmäßig nach. 11. Wie bewertet die Bundesregierung, dass die Monopolkommission seit dem Siebzehnten Hauptgutachten für die Jahre 2006 und 2007 die Datenbasis zum Verflechtungsnetzwerk der deutschen Unternehmen im Vergleich zu ihren Anforderungen und Ergebnissen im Sechzehnten Hauptgutachten für die Jahre 2004 und 2005 (Abbildung II.1; Statistischer Anhang, Tabellen nach Wirtschaftszweigen) ohne nachprüfbare Begründung (Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes, WD 5 – 3000-044/09, Nr. 3 f.) um über 50 Prozent reduziert hat, infolgedessen nach Auffassung der Fragesteller die empirischen Ergebnisse zur nationalen und multinationalen Verflechtung und Konzentration der Unternehmen und Märkte nicht der tatsächlichen Entwicklung entsprechen können, sich gegenseitig ausschließen , nicht den Definitionen der Europäischen Union zur Erfassung von Unternehmensgruppen genügen (vgl. die Artikel 2 und 3 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 177/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008, ABl. L 75 vom 21.3.2009, S. 11) und zudem die Berechnung von Konzentrationsmaßen für Kindergärten, Grundschulen , religiöse und gewerkschaftliche Vereinigungen u. a. (Monopolkommission , Siebzehntes bis Neunzehntes Hauptgutachten, Statistischer Anhang, Tabellen nach Wirtschaftszweigen) keinen Bezug zu der in § 44 Absatz 1 Satz 1 GWB vorgeschriebenen relevanten Erfassung der Konzentration in der Wirtschaft hat? Die Behauptung, die Reduzierung der herangezogenen privaten Datenbanken von zwei auf eine verfälsche die Ergebnisse der Konzentrationsberichterstattung , ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht zutreffend. Im Sechzehnten Hauptgutachten der Monopolkommission erfolgte eine Verknüpfung der amtlichen Daten der Investitions- und Produktionsstatistik mit den Daten zweier kommerzieller Datenbanken. Mit dem Siebzehnten Hauptgutachten wurde dieser Ansatz wieder aufgegeben. Eine von der Monopolkommission beauftragte und vom Statistischen Bundesamt erstellte Vergleichsrechnung kam zu dem Ergebnis , dass die vergleichsweise aufwändige Kombination der beiden privaten Datenbanken im Vergleich zur Nutzung nur einer kommerziellen Datenbank einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Konzentrationswerte ausübt. Die vorgenommene Änderung bei der Datengrundlage hat die Monopolkommission in ihrem Siebzehnten Hauptgutachten ausführlich erläutert. Die Bundesregierung sieht zudem keine Hinweise auf den pauschalen und nicht weiter konkretisierten Vorwurf „grober Rechenfehler“ in früheren Gutachten der Monopolkommission . Zudem wurden nach dem Verständnis der Bundesregierung Angaben zu den genannten Wirtschaftszweigen nur der Vollständigkeit halber mit ausgewiesen . Die Bundesregierung hat schließlich bereits ausgeführt (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu Frage 7 auf Bundestagsdrucksache 17/14629), dass diese Angaben – wie die branchenbezogene Konzentrationsberichterstattung insgesamt – nur eine geringe wettbewerbspolitische Relevanz besitzen und auf die Ankündigung der Monopolkommission hingewiesen, aus diesem Grund die klassischen Konzentrationstabellen, so wie sie im Neunzehnten Hauptgutachten zuletzt ausgewiesen wurden, künftig nicht mehr auszuweisen . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4761 12. Welche Konsequenzen, die in dem Entschließungsantrag (Bundestagsdrucksache 17/13109) angemahnt wurden, hat die Bundesregierung aus der Kritik des Bundestagspräsidenten Dr. Norbert Lammert in einem Schreiben vom 9. Oktober 2009 gezogen, der gestützt auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes (WD 5 – 3000-044/09), die Qualität und Nachprüfbarkeit der Konzentrationsberichterstattung der Monopolkommission kritisiert hat? Die Bundesregierung teilt die in dem angeführten Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages geäußerte Kritik an der Konzentrationsberichterstattung der Monopolkommission nicht. Im Übrigen hat der Präsident des Deutschen Bundestages in dem genannten Schreiben nicht die Qualität und Nachprüfbarkeit der Konzentrationsberichterstattung der Monopolkommission kritisiert. Vielmehr heißt es dort: „Das Gutachten erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Darstellung oder einer Bewertung der Arbeit der Monopolkommission, sondern beantwortet die im Auftrag formulierten Fragen . (…) Ohne Kenntnis des Kontextes der zugrundeliegenden Fragestellungen kann es durch die Darstellung und das Infragestellen einzelner Aspekte des Konzentrationsberichtes durchaus zu Irritationen im Hinblick auf die Arbeit der Monopolkommission kommen. Dies lag jedoch nicht in der Absicht des Gutachters . Die Veröffentlichung des Gutachtens erfolgte nicht durch den Deutschen Bundestag, sondern durch den auftraggebenden Abgeordneten.“ 13. Wann wird die Bundesregierung die im Ausschuss für Wirtschaft und Technologie am 5. Juni 2013 (Kurzprotokoll 17(9)107) in Aussicht gestellte eigenständige rechtliche Prüfung vorlegen, inwieweit die Umstellung der gemäß § 44 Absatz 1 Satz 1 GWB gesetzlich vorgeschriebenen Konzentrationsberichterstattung eine Verletzung geltenden Rechts ist, dessen Änderung nur durch eine Entscheidung des Deutschen Bundestages möglich wäre? Aus dem genannten Kurzprotokoll geht keine entsprechende Ankündigung seitens der Bundesregierung hervor. Aus Sicht der Bundesregierung bedarf die Neuausrichtung der Konzentrationsberichterstattung keiner Änderung des gesetzlichen Auftrags der Monopolkommission. Das GWB schreibt der Monopolkommission nicht konkret vor, wie sie ihren gesetzlichen Auftrag auszufüllen hat. § 44 Absatz 1 GWB regelt insofern lediglich: „Die Monopolkommission erstellt alle zwei Jahre ein Gutachten, in dem sie den Stand und die absehbare Entwicklung der Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik Deutschland beurteilt, die Anwendung der Vorschriften über die Zusammenschlusskontrolle würdigt sowie zu sonstigen aktuellen wettbewerbspolitischen Fragen Stellung nimmt.“ Als Ausdruck ihrer fachlichen Unabhängigkeit (§ 44 Absatz 2 Satz 1 GWB) verfügt die Monopolkommission über einen Beurteilungsspielraum, im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags die Inhalte ihrer Gutachten sowie die anzuwendenden Methoden selbst zu bestimmen. 14. Wird sich die Bundesregierung ohne eigene dezidierte sachliche und rechtliche Prüfung die Darstellung der Monopolkommission zu eigen machen , die gesamtwirtschaftliche Konzentrationsberichterstattung sei nicht „ersatzlos eingestellt“, sondern „modernisiert“ worden (Bundestagsdrucksache 17/14629 und Antwort auf die Schriftliche Frage 15 auf Bundestagsdrucksache 18/4246), obwohl die von ihr als „Neuausrichtung“ bezeichneten jeweiligen „themen- und marktbezogenen Wettbewerbsstudien“ Drucksache 18/4761 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gemäß § 44 Absatz 1 Satz 4 GWB bereits seit Bestehen der Monopolkommission zu deren Standardprogramm gehören? Die Bundesregierung hält diese Neuausrichtung für notwendig, weil die bisherige branchenbezogene Konzentrationsberichterstattung nur eine unzureichende wettbewerbspolitische Aussagekraft hatte. Wesentlicher Grund dafür ist, dass eine branchenbezogene Konzentrationsberichterstattung nicht auf Märkte im ökonomischen Sinn bezogen ist, wie sie etwa die Kartellbehörden abgrenzen. Dies wäre aber erforderlich, um zu wettbewerbspolitisch fundierten Aussagen zu gelangen (vgl. auch Frage 6). Zudem ist in der Wirtschaftstheorie heute anerkannt, dass neben der auf den relevanten Märkten bestehenden Anbieter- und Nachfragerkonzentration auch andere Faktoren, z. B. die Existenz von Markteintrittsbarrieren, eine wichtige Rolle spielen. Eine umfassende und flächendeckende Untersuchung aller relevanten Märke erscheint allein deshalb schon nicht sinnvoll, da auf vielen Märkten offensichtlich keine Wettbewerbsprobleme vorliegen. Zudem würde eine flächendeckende Analyse die knappen Ressourcen der Monopolkommission bei Weitem überfordern. Daher scheint es zielführend, dass sich die Monopolkommission auf Konzentrations- und Wettbewerbsanalysen auf Märkten fokussiert, bei denen Anhaltspunkte für das Bestehen von Wettbewerbsproblemen vorliegen . In diesem Kontext ist auf das Neunzehnte Hauptgutachten hinzuweisen, in dem die Monopolkommission eine umfassende Analyse der Wettbewerbsverhältnisse auf dem Endkundenmarkt für Strom unter besonderer Berücksichtigung der Marktstellung der örtlichen Grundversorger durchgeführt und sich im Rahmen des Sonderkapitels „Wettbewerb und Nachfragemacht im Lebensmitteleinzelhandel “ ausführlich mit der Frage der Wettbewerbssituation im Lebensmitteleinzelhandel sowie der Nachfragemacht von Handelsunternehmen befasst hat. 15. Wie begründet die Bundesregierung ihre unterschiedliche Auffassung, dass sie die gemäß § 44 Absatz 1 Satz 1 GWB vorgeschriebene, gesamtwirtschaftlich orientierte Konzentrationsberichterstattung in ihrem Auftragsgutachten (BMWi, Dienstleistungsauftrag 2009, Bearbeiternr.: ID4- 020815-65/09, Nr. 3a) einerseits als „zentralen Teil“ der Hauptgutachten der Monopolkommission bezeichnet, andererseits die von der Monopolkommission vollzogene Umstellung dieser Konzentrationsberichterstattung als deren „Modernisierung“ und „Neuausrichtung“ versteht? 16. Inwiefern ist die Interpretation einer „Modernisierung“ und „Neuausrichtung “ durch den Hinweis auf die alternative Behandlung von Einzelthemen inhaltlich gerechtfertigt und rechtssicher, da die gesamtwirtschaftliche Konzentrationsberichterstattung durch eben solche Einzelthemen gemäß § 44 Absatz 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Satz 4 GWB gerade nicht ersetzt werden kann, die die Monopolkommission ohnehin traditionell seit dem Ersten Hauptgutachten im Jahr 1976 nach eigenem Ermessen aufgreift ? Die Fragen 15 und 16 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Es wird auf die Antwort zu den Fragen 6 und 7 verwiesen. Die Bundesregierung hat deutlich gemacht, dass sie die Modernisierung der Konzentrationsberichterstattung für notwendig hält und dass der Gutachtenauftrag der Monopolkommission gemäß § 44 Absatz 1 Satz 1 GWB weiterhin erfüllt wird. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4761 17. Wodurch ist nach Auffassung der Bundesregierung der Auftrag von § 44 Absatz 1 Satz 1 GWB definiert und vom Deutschen Bundestag als ratio legis stets anerkannt worden, der der Monopolkommission verpflichtend vorschreibt, dass sie in ihren Hauptgutachten „den Stand und die absehbare Entwicklung der Unternehmenskonzentration in der Bundesrepublik Deutschland beurteilt“, gegenüber „sonstigen aktuellen wettbewerbspolitischen Fragen“ und Einzelthemen, zu denen die Monopolkommission nach freiem Ermessen gemäß § 44 Absatz 1 Satz 4 GWB Stellung nehmen kann? Es wird auf die Ausführungen zu Frage 6 verwiesen. 18. Aus welchen Gründen hat die Bundesregierung zur „Modernisierung“ der gesetzlichen Konzentrationsberichterstattung der Monopolkommission gemäß § 44 Absatz 1 Satz 1 GWB Ende 2011 ein Auftragsgutachten (Bearbeiternr.: ID4-020815-65/09) für rd. 200 000 Euro an das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW) vergeben und akzeptiert , obwohl die im Ausschreibungsverfahren verlangte Aufgabenstellung – insbesondere die Entwicklung eines „langfristig angelegten Grundlagenteils “ und „standardisierten Basisteils der Konzentrationsberichterstattung “ – durch das ZEW im Gutachten später als sachlich „irrelevant“ und ordnungspolitisch „unerwünscht“ abgelehnt wurde und der Auftrag nach Auffassung der Fragesteller damit gar nicht bearbeitet worden ist? Der genannte Kritikpunkt kann in keiner Weise nachvollzogen werden. Das ZEW kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass die bisherige Konzentrationsberichterstattung vor dem Hintergrund der neueren Wirtschaftstheorie keinen sinnvollen Indikator für die wettbewerbspolitische Beurteilung darstellt. Es konnten keine überzeugenden wettbewerbspolitischen Argumente identifiziert werden, die die Fortführung der Konzentrationsberichterstattung in ihrer herkömmlichen Form rechtfertigen. Stattdessen hatte das ZEW angeregt, dass die Monopolkommission verstärkt spezifische evidenzbasierte Analysen zur Konzentration und den Wettbewerbsverhältnissen auf einzelnen Märkten durchführt. Zur Veranschaulichung wurden in dem Gutachten des ZEW verschiedene Beispiele für marktbezogene Analysen aufgeführt. Gesamtherstellung: H. 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