Deutscher Bundestag Drucksache 18/4790 18. Wahlperiode 04.05.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4620 – Rechter Aufmarsch am 9. Mai 2015 vor dem Reichstagsgebäude Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Unter dem Motto „Generalmobilmachung: ReGIERung absetzen“ wird in sozialen Netzwerken für eine Kundgebung am 9. Mai 2015 – dem 70. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus – vor dem Plenarsaalgebäude des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude mobilisiert. So heißt es in einem Aufruf: „Hochverrat im Bundestag […] Wir zeigen am 9. Mai 2015 am Reichstag Gesicht […] An dem Tag rechnen wir mit der Regierung ab […] Wir sind das Volk […]“ Die Veranstaltung für „Heimat, Frieden und den Erhalt der Deutschen Kultur“ richtet sich laut Ankündigungen in sozialen Netzwerken gegen die „Islamisierung und Amerikanisierung“. Angekündigt wird ein „Sturm auf den Reichstag“. Bislang sollen 35 000 Menschen im Internet angekündigt haben, dem Aufruf zu folgen. Die „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus“ (MBR) geht allerdings von einer reellen Teilnehmerzahl im oberen dreistelligen Bereich aus. Gerechnet wird mit einem Teilnehmerspektrum von so genannten Reichsbürgern, rechten Esoterikern, Anhängern des rechten Flügels der „Montagsmahnwachen für den Frieden“ bis hin zum fremden- und moslemfeindlichen Pegida- bzw. Bärgida-Spektrum. Der Anmelder C. K. soll seit dem Jahr 2007 in der Reichsbürgerszene aktiv sein (www.neues-deutschland.de/artikel/967035.aufzug-vor-dem-reichstaggeplant .html). Die „Reichsbürger“ gehen davon aus, dass das Deutsche Reich in den Grenzen des Jahres 1937 weiter existiert und die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich illegal und juristisch nicht existent sei. Die „Reichsbürger“ sehen im Grundgesetz eine „Fortsetzung des Krieges gegen das Reich“ und die Bundesregierung als von „den westlichen Siegermächten aufgezwungenes Statut der Fremdherrschaft über das deutsche Volk“. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 29. April 2015 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Drucksache 18/4790 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Welche Informationen über einen für den 9. Mai 2015 geplanten Aufzug unter dem Motto „Generalmobilmachung: ReGIERung absetzen“ liegen der Bundesregierung vor? a) Von welchen Personenkreisen und Gruppierungen geht dieser Protest nach Kenntnis der Bundesregierung aus bzw. wird die Kundgebung unterstützt ? Zu einem geplanten Aufzug am 9. Mai 2015 unter dem Motto „Generalmobilisierung : ReGIERung absetzen“ ist bekannt, dass diese Versammlung insbesondere innerhalb sozialer Netzwerke im Internet beworben wird. Bei dem Personenkreis , der zur Mobilisierung aufruft, handelt sich um keine homogene Gruppe. Vielmehr entstammen diese Personen einem breit gefächerten Spektrum . b) Inwieweit gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Verbindungen des Anmelders bzw. des Organisatorenkreises ins rechtsextreme Milieu? Als Anmelder der Veranstaltung traten zwei Personen auf. Dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) liegen zu einer Person Erkenntnisse über Verbindungen in die rechtsextremistische Szene vor. Diese Person trat in der Vergangenheit bereits mehrmals als Teilnehmer an rechtsextremistischen Versammlungen in Erscheinung und gehört nach Erkenntnissen des BfV der „Nationaldemokratischen Partei Deutschland“ (NPD) an. c) Welche Anhaltspunkte oder Erkenntnisse hat die Bundesregierung über eine mögliche Beteiligung rechtsextremer Gruppierungen an dem Aufzug ? Der Bundesregierung liegen derzeit keine Erkenntnisse vor, die auf eine Beteiligung rechtsextremistischer Gruppierungen an der Veranstaltung hindeuten. Dennoch legen die im Internet angezeigten Teilnahmebekundungen nahe, dass sich auch Einzelpersonen aus dem aktions- und parteiorientierten Bereich des Rechtsextremismus, der „Reichsbürgerszene“ sowie aus dem Spektrum der Hooligans beteiligen könnten. d) Welche Erkenntnisse über welche erwartete Teilnehmerzahl an dem Aufzug liegen der Bundesregierung vor? Der Bundesregierung liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Eine Teilnahme im hohen dreistelligen bzw. niedrigen vierstelligen Bereich erscheint jedoch wahrscheinlich. e) Inwieweit ist nach Kenntnis der Bundesregierung mit einer überregionalen Teilnahme an dem Aufzug zu rechnen? Aufgrund der weiten Verbreitung des Mobilisierungsaufrufs über das Internet sowie zahlreicher Zusagen erscheint eine Teilnahme von Personen aus dem gesamten Bundesgebiet als wahrscheinlich. f) Wie viele und welche Internetseiten und Seiten in sozialen Netzwerken sind der Bundesregierung bekannt, auf denen für den Aufzug mobilisiert wird? Nach Kenntnis der Bundesregierung wird auf folgenden Facebook-Seiten für die Veranstaltung mobilisiert: ● „1.000.000 Stimmen gegen die Islamisierung und Amerikanisierung Europas “ Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4790 ● „1.000.000 Stimmen gegen die Islamisierung Europas“ ● „Sturm auf den Reichstag“ ● „Wir sind das Volk“ ● „Merkel Regime und die Bundesregierung müssen weg…“. g) Wurde der Aufmarsch im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) thematisiert, und wenn ja, wann und aus welchem Grund? Bislang erfolgte keine Thematisierung im GETZ-Rechts. 2. Inwieweit bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung bei Sicherheitsbehörden Befürchtungen, wonach es im Zusammenhang mit dem für den 9. Mai 2015 vor dem Reichstagsgebäude geplanten Aufzug zu Straftaten kommen kann? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die auf einen gezielt unfriedlichen Verlauf der in Rede stehenden Versammlungslage am 9. Mai 2015 hindeuten würden. a) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über geplante oder im Zuge der Mobilisierung bereits begangene Straftaten einschließlich Straftatbeständen wie Aufrufen zu Gewalttaten und Beleidigungen? b) Inwieweit sieht die Bundesregierung die Parole „Sturm auf den Reichstag “ dazu geeignet, mögliche Gewaltakte gegen das Reichstagsgebäude bzw. die Volksvertretung zu provozieren? c) Inwieweit ist die Parole „Regierung absetzen“ nach Einschätzung der Bundesregierung dazu geeignet, einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu provozieren? Die Fragen 2a bis 2c werden gemeinsam beantwortet. Im Hinblick auf eine im Internet beworben Veranstaltung mit dem Motto „Sturm auf den Reichstag“, wurden teils aggressive Äußerungen und Kommentare bekannt , die als strafrechtlich relevant bewertet wurden. Diesbezüglich wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 des Strafgesetzbuches (StGB) eingeleitet. Inwieweit diese Parole eine mobilisierende Wirkung ausüben, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht belastbar zu bewerten. 3. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Gründe der Verschiebung des Aufzugs vom 8. auf den 9. Mai 2015? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Drucksache 18/4790 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Sind nach Kenntnis der Bundesregierung für den 8. oder 9. Mai 2015 in anderen deutschen Städten Aufzüge aus dem rechten und rechtsextremen Spektrum geplant, und wenn ja, wo, von welchen Veranstaltern, mit welchem Inhalt und mit welcher angemeldeten bzw. erwarteten Teilnehmerzahl ? Der Bundesregierung liegen Hinweise zu folgenden geplanten Kundgebungen des rechtsextremistischen Spektrums vor: 5. Wie viele und welche Gegenkundgebungen gegen den rechten Aufmarsch am 9. Mai 2015 in Berlin sind nach Kenntnis der Bundesregierung geplant? Für den 8. und 9. Mai 2015 ist auf dem Platz der Republik bzw. Platz des 18. März in Berlin eine Veranstaltung durch den Initiator „Kampagne Zusammen handeln!“ unter dem Motto: „8./9. Mai – Tag des Sieges! Rechter und rassistischer Instrumentalisierung entgegentreten!“ mit 500 Teilnehmern angemeldet . Datum Land Ort Veranstalter Motto Angemeldete Teilnehmerzahl 08.05.2015 NW Duisburg „pro NRW“ „Gegen den Asylmissbrauch – Flüchtlings-Tsunami stoppen!“ 100 08.05.2015 NW Düsseldorf „pro NRW“ „Gegen den Asylmissbrauch – Flüchtlings-Tsunami stoppen!“ 100 08.05.2015 MV Demmin NPD „8. Mai 1945 – Kein Grund zum Feiern. Vergessen wir Tod, Leid und Besatzung nicht“ n. b. 09.05.2015 NW Dortmund „Die Rechte“ „Dorstfeld gedenkt den Opfern von Krieg, Terror und Vertreibung – Wir feiern keine Befreiung!“ 30–50 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333