Deutscher Bundestag Drucksache 18/4822 18. Wahlperiode 06.05.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Corinna Rüffer, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4663 – Gesetzliche Tarifeinheit – Umsetzung und Wirkung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Das Gesetz zur Tarifeinheit ist umstritten. Neben der Verfassungsmäßigkeit sind auch die Fragen, wie die Mitgliederzählung im Betrieb praktikabel und rechtlich umgesetzt werden kann und welche gewünschten und unerwünschten Wirkungen durch das Gesetz entstehen, nicht geklärt. Durch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Fragen zur gesetzlichen Tarifeinheit “ der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 18/4156) eröffnen sich diesbezüglich weitere Fragen. Umsetzung des Tarifeinheitsgesetzes 1. Was bedeutet die Antwort der Bundesregierung, laut der „die Tatsachengerichte dem geringeren Beweiswert mittelbarer Beweismittel durch eine besonders sorgfältige Beweiswürdigung und Begründung ihrer Entscheidung Rechnung tragen“ müssen (Bundestagsdrucksache 18/4156, Antwort zu Frage 39), insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Gewerkschaften bei der Mitgliederzählung ausschließlich die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder in einer notariellen Erklärung ohne „Vorgaben über einen erforderlichen Mindestinhalt der öffentlichen Urkunde“ (ebd., Antwort zu den Fragen 35 bis 37) vorlegen können, in der Konsequenz für die Arbeitsgerichte? a) Müssen die Arbeitsgerichte die Richtigkeit der Mitgliederzahl beurteilen , und wenn ja, auf welcher Grundlage? b) Wenn nein, warum nicht, und wer prüft dann die Mitgliederlisten? Nach dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme erfolgt die Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht. Ob in diesem Zusammenhang auch eine Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 4. Mai 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Beweisführung durch mittelbare Beweismittel ausreicht, ist eine Frage der freien Beweiswürdigung. Der Richter muss bei der freien Beweiswürdigung den geringeren Beweiswert des mittelbaren Beweismittels berücksichtigen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21. März 1994, 1 BvR 1485/93). Die Drucksache 18/4822 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Arbeitsgerichte bilden sich ihre Überzeugung aufgrund einer sorgfältigen Prüfung aller Indizien des Einzelfalls. Es erfolgt demnach eine einzelfallbezogene Gesamtschau. Der Regierungsentwurf sieht keine Verpflichtung zur Vorlage von Mitgliederlisten vor. 2. Wie sollen die Arbeitsgerichte unter Berücksichtigung der informationellen Selbstbestimmung der Gewerkschaftsmitglieder nach Ansicht der Bundesregierung eine „besonders sorgfältige Beweiswürdigung“ durchführen, und welche der nachfolgend skizzierten Möglichkeiten sieht die Bundesregierung in diesem Zusammenhang als rechtens und praktikabel an? a) Sind die Gewerkschaften dazu verpflichtet, dem Gericht weitere Informationen über die auf den Listen genannten Gewerkschaftsmitglieder offenzulegen? Wenn ja, – müssen die Gewerkschaften dazu bei allen Mitgliedern eine Genehmigung einholen, – wie wird mit Mitgliedern verfahren, die solch einer Genehmigung widersprechen , und – soll der Nachweis der Mitgliedschaft beispielsweise mithilfe von Mitgliedsbeiträgen auf Kontoauszügen erbracht werden? Die Möglichkeit der Beweisführung über eine notarielle Erklärung stellt sicher, dass die Gewerkschaft die Namen ihrer im Betrieb des Arbeitgebers beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Rahmen nicht nennen muss. Gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden damit in ihrer verfassungsrechtlich geschützten Rechtsposition aus Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes (GG) sowie in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Artikel 1 Absatz 1, Artikel 2 Absatz 1 GG geschützt (Bundestagsdrucksache 18/4062, S. 16). b) Sollen die Gerichte bei den Beschäftigten direkt die notwendigen Informationen für die Überprüfung der Mitgliederzahl einholen? Wenn ja, – in welcher Form sollen die Beschäftigten zu ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft befragt werden – telefonisch, schriftlich oder per Hausbesuch –, – sollen Mitgliedsbeiträge auf Kontoauszügen angefordert werden, oder – sollen die Beschäftigten eidesstattliche Versicherungen abgeben? c) Wie können die Gerichte die Mitgliederlisten überprüfen, wenn die Fragen 2a und 2b von der Bundesregierung verneint werden? Der Regierungsentwurf macht dazu keine Vorgaben. Schematische Vorgaben könnten die konkreten Umstände des Einzelfalls im Rahmen der Beweiserhebung und Beweiswürdigung nicht ausreichend abbilden. Durch die Vorlage einer notariellen Urkunde wird das Gericht in seiner Beweiserhebung nicht beschränkt . Nach § 83 Absatz 2 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) können zur Aufklärung des Sachverhalts Urkunden eingesehen, Auskünfte eingeholt, Zeugen , Sachverständige und Beteiligte vernommen und der Augenschein eingenommen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4822 3. Müssen die notariell beglaubigten Mitgliederlisten der Gewerkschaften nach Ansicht der Bundesregierung von den Gerichten aufgrund der geforderten „besonders sorgfältigen Beweiswürdigung“ komplett oder nur stichprobenhaft überprüft werden? a) Wenn Stichproben ausreichen, ab wie vielen festgestellten unrichtigen Angaben muss die gesamte Liste von den Gerichten geprüft werden? Wie in der Antwort zu Frage 2b ausgeführt, handelt es sich um Einzelfallentscheidungen des Gerichts. b) Mit welchem zeitlichen Aufwand der Gerichte rechnet die Bundesregierung für die Überprüfung von kleinen, mittleren und großen Betrieben mit durchschnittlichem Organisationsgrad der Beschäftigten? c) Wie hoch beziffert die Bundesregierung für diesen zeitlichen Aufwand (Frage 3b) die geschätzten durchschnittlichen Kosten für die Arbeitsgerichte und somit für die Bundesländer? Der Grundsatz der Tarifeinheit greift nur subsidiär, wenn eine autonome Verständigung der Gewerkschaften nicht gelingt. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Zahl möglicher Verfahren nach § 2a Absatz 1 Nummer 6 ArbGG-E nicht belastbar schätzen. Sowohl der zeitliche Aufwand bei Gericht als auch die Kosten für die Arbeitsgerichte sind zudem stark von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig und damit nicht belastbar vorhersehbar. 4. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Forderung des Bundes der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit , dass die notarielle Erklärung beinhalten muss, „auf welche Weise der Notar sich von der Richtigkeit des Inhalts seiner Erklärung überzeugt hat“ (Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Tarifeinheit), und sieht die Bundesregierung an diesem Punkt Änderungsbedarf beim Gesetzentwurf (bitte begründen)? Die Bundesregierung begrüßt es, dass der Bund der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit im Wege der Verbändeanhörung zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen hat. Ob und inwieweit Änderungsvorschläge gegenüber dem Regierungsentwurf in den Gesetzgebungsprozess Eingang finden sollen , liegt in der Verantwortung des Parlaments. 5. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Aussage des Bundes der Richterinnen und Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit , dass die Auslegung des Betriebsbegriffs „ohne gesetzliche Definition zu weiteren Streitfragen Anlass geben wird“ (Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Tarifeinheit), und wie sollen solche Streitigkeiten zukünftig gelöst werden, zumal die Bundesregierung in ihrer Antwort zu Frage 46 (Bundestagsdrucksache 18/4156) ausführt, dass ein besonderes Verfahren zur Klärung des Betriebszuschnitts nicht vorgesehen ist? Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung nicht. Der zugrunde zu legende Betriebsbegriff entspricht in seiner grundsätzlichen Ausrichtung dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff, der infolge seiner Konturierung durch die Rechtsprechung einen für die Praxis praktikablen Rahmen setzt. Danach ist ein Betrieb diejenige organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber mit seinen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt ver- folgt. Ein besonderes Verfahren zur Klärung des Betriebszuschnitts ist weder notwendig noch sinnvoll. Entsprechende Fragen können inzidenter als Vorfrage Drucksache 18/4822 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode im Rahmen der jeweiligen gerichtlichen Verfahren geklärt werden, in denen der anzuwendende Tarifvertrag nach der Tarifeinheitsregelung ermittelt werden muss. Wirkungen des Tarifeinheitsgesetzes 6. Welche positiven Auswirkungen erhofft sich die Bundesregierung durch das Tarifeinheitsgesetz auf die Branchen Gesundheitswesen, Luftverkehrsund Bahnbereich, in denen die Bundesregierung kollidierende Tarifverträge identifiziert hat (Bundestagsdrucksache 18/4156, Antwort zu Frage 1), und zwar konkret a) im Tarifbereich der Pilotinnen und Piloten, b) im Tarifbereich der Ärzteschaft, c) bei der Bahn und d) hinsichtlich der kollidierenden Tarifverträge beispielsweise im öffentlichen Dienst sowie im Bereich des Journalismus? e) Wie wird die Bundesregierung verhindern, dass in diesen Bereichen bestehende Kooperationen durch die einseitige Stärkung der Mehrheitsgewerkschaften aufgrund des Tarifeinheitsgesetzes aufgekündigt werden? Die Bundesregierung verfolgt mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Tarifeinheit keinen branchenbezogenen Ansatz. Die Bundesregierung geht davon aus, dass es branchenübergreifend eines sinnvollen Ordnungsrahmens bedarf, der tarifliche Zuständigkeitskonflikte subsidiär löst. Der Grundsatz der Tarifeinheit setzt deshalb einen Anreiz, dass Tarifkollisionen in den Betrieben durch Kooperationen und Absprachen der Gewerkschaften vermieden werden. Soweit es den Tarifvertragsparteien auf autonomem Wege nicht gelingt, eine Kollision ihrer Tarifwerke zu verhindern, findet im Betrieb nur der Tarifvertrag der Gewerkschaft Anwendung, die im Betrieb die meisten in einem Arbeitsverhältnis stehenden Mitglieder organisiert. 7. Bei welchen Tätigkeiten bzw. Berufen sieht die Bundesregierung konkret Fehlentwicklungen, die zu ihrer Aussage führen: „Die Verteilungsfunktion wird gestört, wenn ein Tarifabschluss nicht den Wert verschiedener Arbeitsleistungen innerhalb einer betrieblichen Gemeinschaft zueinander widerspiegeln “ (Bundestagsdrucksache 18/4156, Antwort zu Frage 10)? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass eine tarifliche Ordnung besser den Wert verschiedener Arbeitsleistung innerhalb einer betrieblichen Gemeinschaft zueinander widerspiegelt und nicht nur in erster Linie Ausdruck der jeweiligen Schlüsselpositionen der unterschiedlichen Beschäftigtengruppen im Betriebsablauf ist, wenn sie in den jeweiligen Betrieben von einem Mehrheitswillen getragen wird. a) Aus welchen Gründen geht die Bundesregierung davon aus, dass nicht auch Mehrheitsgewerkschaften gewisse Beschäftigtengruppen bei Tarifverhandlungen bevorzugen, weil sie z. B. streikrelevanter sind? Die Bundesregierung geht davon aus, dass eine Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Betrieb in der Regel nur einer solchen Tarifpolitik zustimmen wird, die die Interessen der verschiedenen Beschäftigtengruppen insgesamt angemessen berücksichtigt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4822 b) Wie will die Bundesregierung vor dem Hintergrund ihrer Aussage verhindern , dass Leiharbeitskräfte oft weniger verdienen als Stammbelegschaften ? Bei der Arbeitnehmerüberlassung handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) um einen eigenständigen Wirtschaftszweig, für den dementsprechend grundsätzlich auch eigenständig durch die Tarifvertragsparteien die Arbeitsbedingungen bestimmt werden können (BAG-Urteil vom 24. März 2004, 5 AZR 303/03). c) Beurteilt die Bundesregierung, dass gleiche Arbeitsleistung in einer Branche durch Tarifflucht immer ungleicher entlohnt wird, auch als Fehlentwicklung? d) Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Tarifbindung seit dem Jahr 1990 bis heute entwickelt, wie groß war die Lohndifferenz prozentual zwischen tariflich und nicht tariflich entlohnten Beschäftigten im Jahr 1990, und wie hoch ist sie heute, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen wird die Bundesregierung daraus ziehen? Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass eine hohe Bindungskraft der Tarifverträge für eine angemessene Beteiligung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am von den Unternehmen Erwirtschafteten förderlich ist. Daten zur Tarifbindung liegen der Bundesregierung nur auf der Basis des Betriebspanels des Institutes für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und nur für den Zeitraum der Jahre 1996 bis 2013 vor. Da es sich beim IAB-Betriebspanel um eine Stichprobenerhebung handelt, sind die Ergebnisse mit statistischen Unsicherheiten behaftet. Die Entwicklung der Tarifbindung ist folgender Tabelle zu entnehmen: Jahr Flächentarifbindung der Beschäftigten in Prozent Gesamtwirtschaft, West Gesamtwirtschaft, Ost 1996 70 56 1998 68 52 2000 63 47 2001 64 45 2002 63 44 2003 63 44 2004 61 42 2005 59 42 2006 57 41 2007 56 41 2008 55 40 2009 56 38 2010 56 37 2011 54 37 2012 53 36 2013 52 35 Drucksache 18/4822 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Daten zur Lohndifferenz zwischen tariflich und nichttariflich entlohnten Beschäftigten lassen sich der Gehalts- und Lohnstrukturerhebung bzw. Verdienststrukturerhebung (VSE) des Statistischen Bundesamtes entnehmen. Daten hierfür liegen jedoch nicht vor dem Berichtsjahr 1995 und nicht nach dem Berichtsjahr 2010 vor. Um Vergleichbarkeit herzustellen, war zudem eine Einschränkung auf das Produzierende Gewerbe erforderlich, denn vor dem Berichtsjahr 2006 wurde der Dienstleistungsbereich nur teilweise von der Erhebung abgedeckt . Demnach lag der Bruttomonatsverdienst ohne Sonderzahlungen für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) im Produzierenden Gewerbe im Jahr 1995 durchschnittlich um 14,9 Prozent niedriger, wenn der Betrieb nicht tarifgebunden war (2010: 21,2 Prozent). Mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz hat die Bundesregierung unter anderem Instrumente zur Stützung der Bindungskraft von Tarifverträgen fortentwickelt. Zum einen ist das Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf alle Branchen erweitert worden. Zum anderen ist das Institut der Allgemeinverbindlicherklärung an die heutigen Gegebenheiten insbesondere dadurch angepasst worden, dass das starre 50-Prozent-Quorum gestrichen worden ist. 8. Stimmt die Bundesregierung der Aussage zu, dass sich die Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften bzw. der Kampf um Mitglieder im Betrieb verschärft, wenn sich Berufsgewerkschaften als Konsequenz auf das Tarifeinheitsgesetz für andere Berufsgruppen öffnen? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Tarifvertragsparteien unter dem Grundsatz der Tarifeinheit ihrer Verantwortung für eine sinnvolle Ordnung des Arbeitslebens auch dadurch gerecht werden, dass sie im Wege autonomer Kooperationen und Absprachen Tarifkollisionen in den Betrieben vermeiden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass eine Gewerkschaft durch eine attraktive Tarifpolitik versucht, Mitglieder zu gewinnen. Daran ändert auch die Regelung zur Tarifeinheit nichts. Im Übrigen ist die Gewinnung von Mitgliedern schon immer dem Koalitionswettbewerb überantwortet gewesen. Dabei unterliegt es der Satzungsautonomie der Gewerkschaften, in welchen Bereichen sie unter den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern um Mitglieder werben möchten und den Abschluss von Tarifverträgen anstreben. 9. Warum sieht die Bundesregierung das Schutzkonzept von Flächen- bzw. Branchentarifverträgen nicht gefährdet, auch wenn diese in einzelnen Betrieben aufgrund der Mehrheitsverhältnisse verdrängt werden (Bundestagsdrucksache 18/4156, Antwort zu Frage 27), und widerspricht das nicht der Intention des Tarifautonomiestärkungsgesetzes, mit dem gerade Allgemeinverbindlicherklärungen gestärkt werden sollten? Einen Widerspruch der gesetzlichen Regelung der Tarifeinheit zur Intention des Tarifautonomiestärkungsgesetzes, insbesondere zur Reform der Allgemeinverbindlicherklärung , kann die Bundesregierung nicht erkennen. Die Allgemeinverbindlicherklärung zielt darauf ab, bei bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern den Rechtsnormen des Tarifvertrags zur Geltung zu verhelfen. Die Tarifeinheitsregelung betrifft hingegen Situationen, in denen der Arbeitgeber an mehrere Tarifverträge gebunden ist. Sie zielt darauf ab, Tarifkollisionen aufzulösen, wenn anderenfalls bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber für ein und dieselbe Arbeitnehmergruppe unterschiedliche tarifliche Regelungen zur Anwendung kämen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4822 10. Was passiert nach Ansicht der Bundesregierung mit Berufsgruppen, wenn aufgrund der Mehrheitsverhältnisse der Tarifvertrag einer Berufsgewerkschaft im Betrieb gilt, der jedoch für andere Berufsgruppen keine Regelungen enthält, und werden dann beispielsweise die Pflegekräfte in einem Krankenhaus aufgrund der Mehrheit des Marburger Bunds – Verband der angestellten und beamteten Ärztinnen und Ärzte Deutschlands e. V. – tariflos? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? Soweit der Tarifvertrag der Mehrheitsgewerkschaft für eine bestimmte Arbeitnehmergruppe keine Regelungen beinhaltet, kommt der Tarifvertrag der Minderheitsgewerkschaft weiterhin zur Anwendung. Insoweit liegt keine Tarifkollision vor, da sich die persönlichen Geltungsbereiche im Hinblick auf diese Arbeitnehmergruppe nicht überschneiden. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333