Deutscher Bundestag Drucksache 18/4847 18. Wahlperiode 07.05.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Jan Korte, Sevim Dağdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4667 – Musikveranstaltungen der extremen Rechten im ersten Quartal 2015 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bedeutung von Musik für die Szene der extremen Rechten ist in zahlreichen Studien nachdrücklich belegt worden. Als vermeintlich unpolitische „Einstiegsdroge“ bieten Rechtsrock und die verschiedenen, innerhalb der extremen Rechten verbreiteten Musikstile die Möglichkeit, vor allem Jugendliche anzusprechen und mit der extrem rechten Szene in Berührung zu bringen. Nicht erst seit dem Versuch von Kameradschaftsspektrum und NPD, mittels der so genannten Schulhof CD gezielt Jugendliche über das Medium Musik für ihre politischen Ziele zu interessieren, ist dieser Zusammenhang evident. Konzerte, der Austausch von CDs, das Eintauchen in ein von der extremen Rechten dominiertes Umfeld sind die ersten Berührungspunkte vieler Jugendlicher mit dieser Szene. Über die nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Texte werden wichtige Botschaften der extremen Rechten verbreitet. Die Durchführung von Musikveranstaltungen der extremen Rechten stellt somit eine aktive Werbung für die Ziele der Szene dar und lässt die extreme Rechte als attraktive Gestalterin jugendkultureller Freizeitangebote erscheinen. In zahlreichen Regionen der Bundesrepublik Deutschland stellen solche Veranstaltungen die herausragenden und deshalb besonders beliebten Möglichkeiten der Freizeitgestaltung dar. 1. Wie viele Musikveranstaltungen der extremen Rechten fanden im ersten Quartal 2015 im Bundesgebiet insgesamt statt? a) Wie viele dieser Konzerte wurden offen angekündigt, und wie stellt sich die Verteilung nach Bundesländern dar (bitte nach Bundesländern, Orten und Datum, Musikgruppen und Liedermachern aufschlüsseln)? b) Wie viele dieser Konzerte wurden konspirativ angekündigt, und wie Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 6. Mai 2015 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. stellt sich die Verteilung nach Bundesländern dar? Drucksache 18/4847 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Nach Kenntnis der Bundesregierung fanden von Januar bis März 2015 im Bundesgebiet 24 rechtsextremistische Musikveranstaltungen, davon zwölf Konzerte und zwölf Liederabende, statt. Zu folgenden elf Veranstaltungen liegen Informationen über eine offene Ankündigung bzw. Durchführung vor: Zu den weiteren 13 Musikveranstaltungen liegen den Verfassungsschutzbehörden vertrauliche Informationen darüber vor, dass diese konspirativ angekündigt oder vorbereitet wurden. Eine detaillierte Auflistung dieser Veranstaltungen kann nicht veröffentlicht werden, da die rechtsextremistische Szene daraus Rückschlüsse auf den Erkenntnisstand der Sicherheitsbehörden ziehen und ihre weitere Vorgehensweise gezielt danach ausrichten könnte. Zudem bestünde die Möglichkeit, in der Szene etwaig eingesetzte V-Personen zu identifizieren. Dabei ist zu beachten, dass sich V-Personen in einem extremistischen und gewaltbereiten Umfeld bewegen. Die Aufdeckung ihrer Identität könnte dazu führen , dass das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der jeweiligen betroffenen Personen gefährdet wäre. Aufgrund der Hochrangigkeit dieser Rechtsgüter, der möglichen Irreversibilität und der erhöhten Wahrscheinlichkeit ihrer Beeinträchtigung muss jede noch so geringe Möglichkeit des Bekanntwerdens zu Fragen des Einsatzes von V-Personen ausgeschlossen werden. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, der Gefährdung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verfassungsschutzbehörden sowie etwaiger hinweisgebender V-Personen folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre, ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der wehrhaften Demokratie und der Datum Ort Land Auftretende 17.01.2015 Kirchheim TH „Tätervolk“, „Killuminati“, „Frontfeuer“, „Thematik 25“, „Heiliger Krieg“ 24.01.2015 Suhl TH „Codex Frei“, „Unbeliebte Jungs“ 07.02.2015 Kirchheim TH „Kommando 192“, „12 Golden Years“, „Treueorden“, „Unbeliebte Jungs“, „Exzess“ 07.02.2015 Torgau SN „Kraft durch Froide“, „Skalinger“, „Thematik 25“, „Frontalkraft“ 09.02.2015 Halle a. d. Saale ST Michel Regener 21.02.2015 Hamm NW „Breakdown“, Liedermacher-Duo 28.02.2015 Werdau SN „Diggi & Klampfe“, „Freidenker“, „Brenner“ 07.03.2015 Kirchheim TH „Lunikoff-Verschwörung“, „Stonehammer“, „Radikahl“, „12 Golden Years“ 14.03.2015 Torgau SN „Bronson“, „Carpe Diem“, „Exzess“, „Prora“ 14.03.2015 Hambrücken BW Tobias Winter, Aria S. 24.03.2015 Kloster Veßra TH Michael Regener Bedeutung der betroffenen Grundrechtspositionen hält die Bundesregierung die Informationen der angefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4847 Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann. 2. Bei wie vielen der in Frage 1 aufgeführten Musikveranstaltungen trat die NPD oder eine ihrer Untergliederungen als Mitveranstalter bzw. Mitorganisator auf, und welche Kameradschaften traten als (Mit-)Veranstalter in Erscheinung ? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde keine der in der Antwort zu Frage 1 aufgeführten rechtsextremistischen Musikveranstaltungen von der NPD organisiert oder von neonazistischen Kameradschaften veranstaltet. 3. Bei welchen Veranstaltungen der NPD (Saalveranstaltungen, Kundgebungen , Aufmärsche etc.) kam es im ersten Quartal 2015 zu musikalischen Darbietungen , und welche Gruppen bzw. Einzelpersonen traten nach Kenntnis der Bundesregierung auf? Nach Kenntnis der Bundesregierung kam es bei drei Veranstaltungen der NPD, die nicht zu den in den Fragen 1 und 2 nachgefragten Musikveranstaltungen zählen , auch zu musikalischen Darbietungen: 4. Bei welchen Veranstaltungen der Partei „DIE RECHTE“ (Saalveranstaltungen , Kundgebungen, Aufmärsche etc.) kam es im ersten Quartal 2015 zu musikalischen Darbietungen, und welche Gruppen bzw. Einzelpersonen traten nach Kenntnis der Bundesregierung auf? Nach Kenntnis der Bundesregierung kam es bei einer Veranstaltung der Partei „DIE RECHTE“, die nicht zu den in den Fragen 1 und 2 nachgefragten Musikveranstaltungen zählt, im ersten Quartal 2015 zu musikalischen Darbietungen. Dabei handelte es sich um die Veranstaltung am 28. März 2015, in Dortmund (NW) mit Auftritt der Musikgruppe „Lunikoff-Verschwörung“ und „Renitenz“. 5. Von wie vielen Besuchern wurden die einzelnen Konzertveranstaltungen besucht (bitte nach Veranstaltungen aufschlüsseln)? Die in der Antwort zu Frage 1 genannten Musikveranstaltungen wiesen nach Kenntnis der Bundesregierung folgende Besucherzahlen auf: Die zwölf Konzerte wurden von insgesamt ca. 1 850 Personen besucht; das ergibt einen Durchschnitt von ca. 154 Personen. Bei einem Liederabend ist die Besucherzahl nicht bekannt. Die verbleibenden elf Liederabende wurden von insgesamt ca. 604 Personen besucht; das ergibt einen Durchschnitt von ca. 55 Personen. Datum Ort Land Auftretende 06.02.2015 Pirna SN Liedermacher „Piatmar“, Liedermacher „Jugendgedanken“ 07.02.2015 Eisenach TH Liedermacher „Raunijar“ 21.03.2015 Chemnitz SN Liedermacher „FreilichFrei“ Drucksache 18/4847 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Wie viele Konzerte in welchen Ländern und Städten wurden von deutschen Angehörigen der extremen Rechten im ersten Quartal 2015 im Ausland organisiert? Die deutschen Sicherheitsbehörden tauschen sich im Gemeinsamen Extremismus - und Terrorismusabwehrzentrum (GETZ) regelmäßig über Veranstaltungen im Ausland mit Bezug zu deutschen Rechtsextremisten aus. Erfahrungsgemäß werden Konzerte im Ausland aber nur im Einzelfall von deutschen Rechtsextremisten organisiert bzw. mitorganisiert. Nach Erkenntnissen der Bundesregierung wurde im ersten Quartal 2015 kein Konzert im Ausland von deutschen Rechtsextremisten organisiert bzw. mitorganisiert. 7. Wie viele Konzerte der extrem rechten Szene wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im ersten Quartal 2015 von der Polizei aufgelöst? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse hinsichtlich polizeilicher Konzertauflösungen für das erste Quartal 2015 vor. 8. Wie viele Konzerte der extrem rechten Szene wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im ersten Quartal 2015 im Vorfeld verboten? Nach Kenntnis der Bundesregierung wurde im ersten Quartal 2015 ein Konzert im Vorfeld verboten. Dabei handelte es sich um die geplante Veranstaltung am 21. März 2015 im Raum Grafschaft Bentheim/Emsland (NI). 9. Welche rechtsextremistischen Straftaten, insbesondere Gewalttaten, wurden im ersten Quartal 2015 in unmittelbarem Zusammenhang mit Musikveranstaltungen der extremen Rechten, im Vorfeld, nach den Veranstaltungen oder aus den Veranstaltungen heraus begangen (bitte nach Art der Straftaten auflisten)? Der Bundesregierung sind keine Straftaten im Sinne der Fragestellung mitgeteilt worden. 10. Hat es zu den in den Fragen 1 bis 9 abgefragten Sachverhalten Nachmeldungen für das vierte Quartal 2014 gegeben, und welche Nachmeldungen hat es im Einzelnen gegeben? Der Bundesregierung liegen ergänzend zu den in der bisherigen Antwort der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 18/3983 vom 9. Februar 2015) für das vierte Quartal 2014 aufgeführten Angaben, die nachfolgenden Meldungen vor: Nach Kenntnis der Bundesregierung fanden im vierten Quartal 2014 weitere fünf rechtsextremistische Musikveranstaltungen, davon drei Konzerte und zwei Liederabende statt. Zu den fünf Musikveranstaltungen liegen Informationen über eine offene Ankündigung bzw. Durchführung vor: Datum Ort Land Auftretende November 2014 Raum OstprignitzRuppin BB nicht bekannt 08.11.2014 Salchow MV „Schlachtruf Germania“, „Motor of Hate“, „Blue Eyed Devils“, „Tätervolk“, „Painful Awakening“ Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4847 Aufgrund der nachgemeldeten Veranstaltungen kommt es für das vierte Quartal 2014 zu folgenden geänderten Besucherzahlen. Die Angaben in der Klammer beziehen sich auf die Angaben aus der vorgenannten Bundestagsdrucksache. Zu drei der nunmehr 20 Konzerte (17) liegen nach wie vor keine Angaben zur Besucherzahl vor. Die verbleibenden 17 Konzerte wurden von insgesamt ca. 3 600 Personen besucht; das ergibt einen Durchschnitt von ca. 212 Personen. Die Zahl der Liederabende erhöht sich auf nunmehr 18 (16). Bei einem Liederabend ist weiterhin keine Besucherzahl bekannt. Die verbleibenden 17 Liederabende wurden von insgesamt ca. 890 Personen besucht; das ergibt einen Durchschnitt von ca. 52 Personen. 11. Wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Rahmen von Konzerten der extremen Rechten im ersten Quartal 2015 Tonträger von der Polizei beschlagnahmt, und wenn ja, welchen Inhalts waren diese Tonträger, und in welcher Stückzahl wurden sie beschlagnahmt (bitte nach Bundesländern , Ort und Datum auflisten)? Der Bundesregierung liegen keine Informationen zur Sicherstellung von Tonträgern im Rahmen von Konzertereignissen im fraglichen Zeitraum vor. 12. Welche sonstigen Beschlagnahmungen von Tonträgern der extremen Rechten gab es im ersten Quartal 2015, und welchen Inhalts waren diese Tonträger, bzw. in welcher Stückzahl wurden sie beschlagnahmt (bitte nach Bundesländern, Orten und Datum auflisten)? Der Bundesregierung liegen keine abschließenden Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor. Grund hierfür ist, dass eine dezidierte Meldepflicht der Länder über Sicherstellungen von Tonträgern und deren Inhalte aus dem Phänomenbereich der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) nicht besteht. Einzelerkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen der Bundesregierung jedoch immer dann vor, wenn die Länder im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK) Straftaten melden , die im Zusammenhang mit dem Tatmittel „Tonträger“ stehen, und diese Meldungen auch Erkenntnisse zu entsprechenden Sicherstellungen beinhalten. Im ersten Quartal 2015 liegen diese Informationen in einem Fall vor. 06.12.2014 Torgau SN „Act of Violence“, „Brutal Attack“, „Smart Violence“ 16.12.2014 Suhl TH Michael Regener 27.12.2014 Kirchheim TH „Heiliges Reich“, „Tätervolk“, „Exzess“, „Treueorden“, „Frontfeuer“ Datum Ort Land Stückzahl 10.03.2015 Neustrelitz MV 1 Datum Ort Land Auftretende Drucksache 18/4847 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Wie viele rechtsextremistische Tonträger wurden bisher im Jahr 2015 indiziert ? Handelt es sich dabei um Tonträger, die im Jahr 2015 produziert und veröffentlicht wurden, bzw. aus welchen Jahren stammen die im Jahr 2015 indizierten Tonträger? Im Zeitraum von 1. Januar bis 31. März 2015 hat die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien insgesamt zwölf Tonträger aufgrund Verherrlichung oder Verharmlosung des Nationalsozialismus und/oder aufgrund Verherrlichung oder Verharmlosung des Krieges und/oder aufgrund rassistischer Inhalte indiziert . Erkenntnisse darüber, wann diese Tonträger produziert und veröffentlicht wurden , liegen nicht vor. 14. Gegen wie viele der im Jahr 2015 indizierten und in Liste B eingetragenen rechtsextremistischen Tonträger, bei denen der Verdacht auf strafrechtlich relevante Inhalte besteht, lag im selben Jahr noch ein Beschlagnahmebeschluss vor? Zu keinem der indizierten und im Listenteil B eingetragenen Tonträger liegt ein Beschlagnahmebeschluss vor. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333