Deutscher Bundestag Drucksache 18/4888 18. Wahlperiode 12.05.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Matthias Gastel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4742 – Fragen zur Blocktrennung bei den Atomkraftwerken Gundremmingen B und C im Lichte einer meldepflichtigen Reaktorschnellabschaltung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Am 25. März 2015 ereignete sich im Atomkraftwerk (AKW) Gundremmingen C eine meldepflichtige Reaktorschnellabschaltung. Laut der online öffentlich zugänglichen Beschreibung des Zwischenfalls seitens der zuständigen Landesatomaufsichtsbehörde, des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV; vormals Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit), sollte eine Armatur des Steuerluftsystems des zu diesem Zeitpunkt stillstehenden Blocks B inspiziert werden. Diese Armatur befindet sich laut StMUV im Raum 0C04.44 des Hilfsanlagengebäudes und ist mit 20 YT06 S104 bezeichnet. In diesem Raum befindet sich auch das Steuerluftsystem von Block C mit der offenbar funktionsgleichen Armatur 30 YT06 S104. Durch eine Fehlhandlung wurde fälschlicherweise letztere Armatur geöffnet , also die zu (dem zu diesem Zeitpunkt im Leistungsbetrieb befindlichen) Block C gehörende, was zu dessen automatischen Schnellabschaltung führte. Der Vorfall ist insofern sicherheitstechnisch sehr bedeutsam, als durch ihn publik wird, dass die Trennung der Sicherheitssysteme bzw. ihrer sicherheitstechnisch wichtigen Hilfssysteme von Block B und denen von Block C aufgrund mangelnder räumlicher Trennung nicht uneingeschränkt gegeben ist. Anders gesagt, eine saubere Blocktrennung auf der Sicherheitsebene 3 ist nicht vorhanden . Wie das StMUV angibt, befinden sich die zum Sicherheitssystem gehörenden Armaturen beider Blöcke offenbar nicht nur in demselben Gebäude, sondern sogar in demselben Raum, und sind leicht verwechselbar gekennzeichnet. Damit erscheint auch eine auf Bundestagsdrucksache 17/14340 von der Bundesregierung wiedergegebene frühere Auskunft der zuständigen Landesatomaufsichtsbehörde als nicht nachvollziehbar: „Die zuständige Aufsichtsbehörde, Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 8. Mai 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit (StMUG), teilt hierzu mit, […] Die Systeme der Sicherheitsebene 3 seien jeweils separat und räumlich getrennt für die Blöcke B und C aufgebaut.“ Ferner wirft der Zwischenfall die Frage auf, inwiefern eine gegenseitige Blockstützung bei bestimmten Stör- oder Unfällen hinreichend zuverlässig ist, wenn Drucksache 18/4888 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sicherheitstechnisch wichtige Einrichtungen der beiden Blöcke in denselben Räumen untergebracht sind und falls sie aufgrund bestimmter Ursachen wie Fehlhandlungen des Personals, Innentäteraktionen, Brände oder Überflutungen gemeinsam ausfallen. Sollten aus Sicherungsgründen einzelne Frageaspekte zwingend nicht öffentlich beantwortet werden können, wird gebeten, diese Aspekte über die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages zu beantworten. 1. Was waren die Gründe bzw. Ursachen für die in der Vorbemerkung der Fragesteller erwähnte Personalfehlhandlung, durch die die Reaktorschnellabschaltung ausgelöst wurde? 2. Wieso gibt es keine Abhilfemaßnahmen im Arbeitsauftrags- bzw. Freischaltverfahren , die ein derartiges Fehlverhalten für die Zukunft ausschließen (vgl. hierzu den Abschnitt „Maßnahmen, Behebungen“ in der online öffentlich zugänglichen Mitteilung des StMUV zu dem meldepflichtigen Ereignis)? 3. Wurde vom Betreiber eine ganzheitliche Ereignisanalyse gefordert? Falls nein, warum nicht? Die Fragen 1 bis 3 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet . Gemäß vorläufiger Ereignismeldung des Kernkraftwerkes Gundremmingen, Block C, kam es im Rahmen eines Instandhaltungsauftrages für eine SteuerluftArmatur des Blockes B vor Ort zu einer Verwechslung. Fehlerhaft wurde das Gehäuse der im selben Raum befindlichen Armatur des Blockes C geöffnet. Nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz wird die auslösende Fehlhandlung einer ganzheitlichen Ereignisanalyse unterzogen. Erst nach Abschluss dieser Analyse können Vorkehrungen gegen Wiederholung festgelegt werden. 4. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass aufgrund der fehlenden räumlichen Trennung (siehe Vorbemerkung der Fragesteller) ein gemeinsamer Ausfall des Steuerluftsystems von Block B und des Steuerluftsystems von Block C nicht nur durch Personalfehlhandlungen, sondern auch gezielte Innentäteraktionen oder Einwirkungen von innen, wie Brände oder Überflutungen , nicht ausgeschlossen werden kann? 5. Entspricht diese fehlende räumliche Trennung a) dem Stand von Wissenschaft und Technik, und b) der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Schadensvorsorge (bitte mit Begründung)? 6. Entspricht diese fehlende räumliche Trennung dem erforderlichen Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (SEWD; bitte mit Begründung)? Die Fragen 4 bis 6 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet . Das Schnellabschaltsystem gehört zu den gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (SEWD) besonders zu schützenden Systemen eines Siedewasserreaktors . Die Schutzmaßnahmen gegen SEWD-Ereignisse haben das Ziel, bestimmte für den jeweiligen Anlagentyp definierte Anlagenzustände zu verhindern. Das Auslösen einer Reaktorschnellabschaltung durch gezielte Ein- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4888 wirkung eines Innentäters oder durch Personalfehlhandlungen verletzt die SEWD-Schutzziele nicht. Ein Ausfall des Steuerluftsystems eines Blocks führt durch den „fail-safe“-Aufbau auslegungsgemäß sicherheitsgerichtet zur jeweiligen automatischen Reaktorschnellabschaltung. 7. Welche weiteren Komponenten des Sicherheitssystems und von sicherheitstechnisch wichtigen Hilfssystemen von Block B und Block C befinden sich noch in jeweils denselben Räumen, und welche Räume sind dies (bitte vollständige Liste mit der Angabe der Systeme und ihrer Funktionen)? 8. Welcher Sicherheitsebene ordnet die Bundesregierung das Steuerluftsystem und vergleichbare Systeme zu? Die Fragen 7 und 8 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet . Nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz sind die Sicherheitseinrichtungen der Blöcke B und C des Kernkraftwerks Gundremmingen eindeutig blockzugeordnet und zur Gewährleistung ihrer Zuverlässigkeit innerhalb eines Blockes funktional und räumlich vollständig voneinander getrennt. Das in der Kleinen Anfrage angeführte Steuerluftsystem ist nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz nicht Bestandteil des Sicherheitssystems. Die sicherheitstechnisch wichtigen Komponenten , die von dem Steuerluftsystem versorgt werden, arbeiten nach dem sogenannten fail-safe-Prinzip. Ein Ausfall des Steuerluftsystems führt durch den „fail-safe“-Aufbau auslegungsgemäß sicherheitsgerichtet zur automatischen Reaktorschnellabschaltung. 9. Welche Einrichtungen der Sicherheitsebene 4 von Block B und C befinden sich in jeweils denselben Räumen, und welche Räume sind dies (diese Frage zielt auf eine Weiterführung und Konkretisierung zu den Fragen 7 und 8 in der Antwort der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/14340 bereits gemachten Angaben ab)? Nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz sind mit der Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 7 und 8 auf Bundestagsdrucksache 17/14340 alle Einrichtungen im Sinne der Fragestellung dieser Kleinen Anfrage erfasst. 10. Hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) zu dem Ereignis einen Bericht vom StMUV und die Stellungnahme des Sachverständigen des StMUV angefordert? Falls nein, warum nicht? Falls ja, welche wesentlichen Erkenntnisse hat das BMUB aus dem Bericht und der Stellungnahme gewonnen? 11. Wird das Ereignis bzw. die durch das Ereignis offenkundig gewordene fehlende räumliche Trennung von Komponenten der jeweiligen Sicherheits - bzw. Hilfssysteme der beiden Blöcke B und C von der Reaktor- Drucksache 18/4888 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Sicherheitskommission (RSK) oder dem thematisch zuständigen RSKFachausschuss bereits beraten oder beraten werden (falls nein, bitte Begründung angeben)? Die Fragen 10 und 11 werden aufgrund des Sachzusammenhanges gemeinsam beantwortet. Die Aufsicht bei meldepflichtigen Ereignissen liegt zunächst im Zuständigkeitsbereich der jeweiligen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde der Länder. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) lässt routinemäßig von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit prüfen, ob meldepflichtige Ereignisse auf andere Anlagen übertragbar sind und lässt dann ggf. eine Weiterleitungsnachricht erstellen. Ebenfalls routinemäßig befassen sich die Ausschüsse der Reaktorsicherheitskommission mit den Ereignissen, die thematisch in ihre Zuständigkeit fallen. Diese Vorgänge sind hinsichtlich des vorliegenden Ereignisses bislang nicht abgeschlossen . 12. Zur Beherrschung welcher Störfallszenarien bzw. -abläufe findet laut Betriebs- oder Sicherheitshandbuch eine Stützung des einen Blocks durch den anderen statt (bitte möglichst vollständige Angabe)? Welche Handmaßnahmen sind dabei notwendig, und werden sie an Systemen ausgeführt, die sich für beide Blöcke im selben Raum befinden? 13. Wie schätzt die Bundesregierung diese Handmaßnahmen hinsichtlich ihrer Zuverlässigkeit in Stresssituationen ein? 14. Bei welchen dieser Szenarien bzw. Abläufe wäre die Störfallbeherrschung bei einem gemeinsamen Ausfall von welchen derjenigen Einrichtungen der Sicherheits- bzw. Hilfssysteme der beiden Blöcke, die sich in denselben Räumen befinden, a) in welchem Ausmaß beeinträchtigt, und jeweils warum, und b) bei welchen sogar infrage gestellt, und jeweils warum? Die Fragen 12 bis 14 werden gemeinsam wie folgt beantwortet. Nach Auskunft des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz sind die Sicherheitseinrichtungen der Blöcke B und C des Kernkraftwerks Gundremmingen eindeutig blockzugeordnet und funktional und räumlich vollständig voneinander getrennt. Eine Stützung des einen Blockes durch den anderen Block ist zur Beherrschung von Störfallszenarien oder Störfallabläufen nicht erforderlich. 15. Welche Konsequenzen will das BMUB aus dem Zwischenfall ziehen? Auf die Antwort zu den Fragen 10 und 11 wird hinsichtlich des routinemäßigen Vorgehens des BMUB bei meldepflichtigen Ereignissen verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333