Deutscher Bundestag Drucksache 18/4995 18. Wahlperiode 22.05.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Monika Lazar, Christian Kühn (Tübingen), Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4819 – Beschlagnahme und zivilgesellschaftliche Weiterverwendung von durch rechtsextreme Gruppen und kriminelle Netzwerke genutzten Immobilien Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Immobilien spielen als Treffpunkte, Veranstaltungs-, Tagungs-, und Schulungsorte in rechtsextremen Milieus, ebenso wie in Milieus organisierter Bandenkriminalität oder der Mafias, eine wichtige strukturelle Rolle. Neonazis nutzen Immobilien häufig zielgerichtet zur Verbreitung und Vertiefung rechtsextremen Gedankenguts und zur Planung und Vorbereitung rassistischer Straftaten oder anderer rechtsextrem motivierter Delikte. Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden im Jahr 2013 insgesamt 260 Immobilien durch die rechtsextreme Szene regelmäßig genutzt (Bundestagsdrucksache 17/14635, S. 5). Es handelte sich dabei in rund einem Drittel der Fälle um Eigentum von Rechtsextremen und ansonsten um gemietete, gepachtete oder anderweitig zur Verfügung gestellte Objekte. Die solcherart bemakelten Objekte haben eine zentrale Funktion in den Einschüchterungsstrategien rechtsextremer Gruppen und tragen zur Prägung so genannte Angsträume („No-go-areas“) bei. Sie entfalten damit eine hohe Symbolkraft in den entsprechenden Sozialräumen. Diesem Zusammenhang trug beispielsweise das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr Rechnung, als es im Juli 2014 das neonazistische „Freie Netz Süd“ verbot. Dabei wurde das der Kameradschaft von Dritten zur Verfügung gestellte Grundstück samt Wohn- und Wirtschaftsgebäude in 95194 Regnitzlosau, Oberprex 47 beschlagnahmt und zugunsten des Freistaates eingezogen. Immobilien werden auch in Milieus der organisierten Bandenkriminalität (z. B. Rockerclubs) und der Mafias zu (kriminell-)wirtschaftlichen Zwecken verwendet . Dass Akteure der Milieus mitunter gemeinsame Ziele verfolgen und sich die Milieus überlappen, ist belegt. Der Bundesverfassungsschutz und das BunDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 20. Mai 2015 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. deskriminalamt (BKA) wiesen in einem „Lagebild zu Verbindungen zwischen der rechtsextremistischen Szene und Rockergruppierungen“ im September 2014 auf personelle Vernetzungen bzw. Überschneidungen zwischen Neonazis und Rockern hin. Beispielsweise finden konspirativ organisierte rassistische Drucksache 18/4995 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Neonazi-Konzerte seit einigen Jahren häufig in den durch Technik und Wachen geschützten Clubhäusern von Rockergruppen statt. Diese Entwicklung tritt seit dem Verbot der rechtsextremen Organisation Blood & Honour im Jahr 2001 verstärkt zutage. Auch Mafias und kriminelle Rockergruppierungen verbünden sich zunehmend. Beide sind u. a. stark im Rauschgifthandel und -schmuggel engagiert (BKA, Organisierte Kriminalität, Bundeslagebild 2013). Bekannt ist zudem, dass in Deutschland über mafiöse Strukturen in großem Stil Immobilien zum Zweck der Geldwäsche erworben werden. Das BKA hat die Problematik bereits im Jahr 2012 in der Fachstudie „Geldwäsche im Immobiliensektor in Deutschland“ beleuchtet und eine weithin unzureichende Sensibilisierung dafür konstatiert. Aufgrund des komplexen Zusammenwirkens der verschiedenen kriminellen Milieus sollten die verschiedenen Abteilungen der Ermittlungsbehörden besser vernetzt werden. Immobilien können hierbei ein konkreter Ansatzpunkt sowohl für Ermittlungen und Maßnahmen staatlicher Repression als auch für nachhaltige Präventionsmaßnahmen sein. Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Eigentum an Immobilien, die mit Straftaten in Verbindung stehen, auf den Staat übergehen. Solche Objekte könnten zur gemeinnützigen Neu- oder Weiternutzung verstärkt geeigneten Strukturen der demokratischen Zivilgesellschaft zur Verfügung gestellt werden, sodass sinnvolle Prävention genau dort ansetzt, wo Strafverfolgung endet. Dies hätte eine hohe symbolische und präventive Wirkung, insbesondere dann, wenn ein Bezug zwischen den mit der Immobilie verknüpften Straftaten und der Arbeit der zivilgesellschaftlichen Träger besteht. In Italien ist ein solches Vorgehen inzwischen gängige Praxis. Dort wurde im Jahr 2009 in der konfiszierten Villa eines Mafia-Bosses in Reggio Calabria ein Mafia-Museum („Osservatorio sulla ’Ndrangheta“) eingerichtet, in dem durch Projekte und Schulungen Aufklärung über die weltweit operierende, aus Kalabrien stammende ’Ndrangheta stattfindet. Seit nunmehr 20 Jahren arbeitet die Organisation Libéra erfolgreich daran, von Mafias beschlagnahmte Grundstücke und Immobilien an die Zivilgesellschaft zurückzugeben. Heute gilt Libéra als größtes Anti-Mafia-Netzwerk. Basis ihrer Aktivitäten ist ein durch eine Petition initiiertes Gesetz zur definitiven Beschlagnahmung von Mafia-Gütern. Die spezielle rechtliche Grundlage für Beschlagnahmungen von Immobilien und Vermögenswerten der Mafias in Italien hat die Europäische Union (EU) dazu veranlasst, mit der Richtlinie 2014/42/EU vom April 2014 den Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen Rahmenkatalog zur Erarbeitung einer einheitlichen europäischen Rechtspraxis in Bezug auf Beschlagnahmungen sowie die Veräußerung und Neunutzung konfiszierter Güter zur Verfügung zu stellen. Um in Deutschland wirksame und nachhaltige Arbeit gegen rechtsextreme Gruppen und andere kriminell operierende Netzwerke leisten zu können, müssen Immobilien stärker als bisher in den Fokus genommen werden. Die gängige Rechtspraxis in Bezug auf Beschlagnahmungen von Immobilien sollte näher untersucht werden. Eine Prüfung, wie viele solcher Fälle auf welcher Rechtsgrundlage es gibt, ist auch deshalb erforderlich, damit diese Gebäude gegebenenfalls zu Präventionszwecken einer Nutzung im Sinne der demokratischen Kultur zugeführt werden können. 1. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über Verbindungen, personelle Überschneidungen und Verflechtungen zwischen rechtsextremen Milieus, Milieus der organisierten Bandenkriminalität (insbesondere der Rockermilieus) und der Mafias? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über eine strukturelle oder strategisch angelegte Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern von Rockerclubs und der rechtsextremistischen Szene vor. Zwar gibt es auch öffentlich dokumentierte Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4995 gemeinsame Aktivitäten, diese beschränken sich jedoch in der Regel auf die Veranstaltung von Konzerten in Rockerclubs. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Verbindungen zwischen Angehörigen der neonazistischen Szene und Rockern bzw. Motorradclubs“ auf Bundestagsdrucksache 18/1185 verwiesen. Der Bundesregierung liegen darüber hinaus keine Erkenntnisse zu Verbindungen der italienischen Mafia zu Rockern bzw. Rechtsextremen vor. 2. Welche Erkenntnisse besitzt die Bundesregierung über Formen der Zusammenarbeit zwischen Rockermilieus und rechtsextremen Milieus im Hinblick auf den Erwerb oder die Nutzung von Immobilien? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zur Zusammenarbeit zwischen Rockermilieus und rechtsextremistischem Spektrum zum Erwerb von Immobilien vor. Immobilen von Rockerclubs werden seit Jahren vereinzelt Gruppierungen der rechtsextremistischen Szene für Musikveranstaltungen zur Verfügung gestellt. Hierbei steht der finanzielle Aspekt im Vordergrund. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung zu Frage 12 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Kooperation von Rechtsextremen und Rockerclubs“ auf Bundestagsdrucksache 17/9866 verwiesen. 3. Wie viele Immobilien befinden bzw. befanden sich nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2001 bis heute im Besitz von als rechtsextrem bekannten Personen und werden von der Rechtsextremen- und Neonaziszene (inkl. „Reichsbürgern“ und „völkischer Siedler“) regelmäßig genutzt (bitte nach Jahren und Bundesländern aufschlüsseln)? 4. Welche Informationen hat die Bundesregierung über Immobilien, die zu Veranstaltungszwecken und sonstigen Treffen der Rechtsextremen- und Neonaziszene genutzt werden, sich jedoch nicht im Besitz von als rechtsextrem bekannten Personen befinden, und welche Immobilien betrifft dies im Detail (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)? Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet. Eine bundesweite statistische Erfassung von Immobilien, die durch Rechtsextremisten genutzt werden, erfolgt gegenwärtig nicht. Insofern ist auch eine Aufschlüsselung nach einzelnen Bundesländern oder Jahren nicht möglich. Es kann davon ausgegangen werden, dass bundesweit rund 250 Objekte für rechtsextremistische Zwecke genutzt werden. Davon befinden sich ca. 60 Immobilien im Eigentum bzw. Besitz von Rechtsextremisten. In allen anderen Fällen erfolgte eine kurzzeitige Nutzung für einen bestimmten Anlass. 5. Zu welchem Prozentsatz stehen die in den Fragen 3 und 4 aufgeführten Immobilien unter Beobachtung des Verfassungsschutzes? Entsprechend dem gesetzlichen Auftrag sind Immobilien also solche nicht Gegenstand der Aufgabenwahrnehmung der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder. Insofern ist eine entsprechende Quantifizierung nicht möglich. Drucksache 18/4995 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Welche dieser Immobilien standen in den vergangenen zehn Jahren nach Kenntnis der Bundesregierung im Zusammenhang mit welchen a) rechtsextremen Straftaten, b) Straftaten aus dem Bereich organisierter Bandenkriminalität, bzw. c) Straftaten der Mafias? Die Erfassung von Straftaten erfolgt nicht objektbezogen. Zwar liegen zu einzelnen Objekten, wie beispielsweise dem „Nationalen Jugendzentrum“ und dem „Carl-Arthur-Bühring-Haus“ in Berlin, dem Bürgerbüro der NPD und dem „Thing-Haus“ in Mecklenburg-Vorpommern, dem „Nationalen Jugendblocks e. V.“, dem „Nationalen Zentrum“ der NPD und dem Vertrieb „PC Records“ in Sachsen, sowie dem Fachwerkhof Kutz in Thüringen Erkenntnisse über das Verwenden von verfassungswidrigen Kennzeichen, Volksverhetzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie Körperverletzung vor. Eine Gesamtauswertung der im Zusammenhang mit einer bestimmten Immobilie verübten Straftaten kann jedoch nicht vorgenommen werden. 7. In welcher Form fließen Informationen über solche mit Straftaten in Verbindung stehende Immobilien in die Lagebilder von BKA und Bundesverfassungsschutz ein? Das Bundeskriminalamt (BKA) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) beziehen auch Erkenntnisse zur generellen Nutzung von Immobilien durch rechtsextremistische Bestrebungen und herausragende Straftaten im Sinne der Fragestellung im Rahmen der Erstellung entsprechender Lagebilder ein. 8. Hält die Bundesregierung in räumlicher Nähe zu Immobilien, die mit rechtsextremen Straftaten in Verbindung standen oder stehen und deren Aktivitäten evtl. in die Lagebilder eingeflossen sind, eine Erhöhung der Polizeipräsenz für erforderlich? a) Wenn ja, inwiefern führt die Bundesregierung mit den Bundesländern strukturierte Dialoge, in denen diesbezügliche Erkenntnisse weitergegeben werden? b) Wenn nein, warum nicht? Die Beurteilung der polizeilichen Lage sowie die Festlegung präventivpolizeilicher Maßnahmen, obliegen der Zuständigkeit der Polizeidienststellen der Länder . Die Bundesregierung nimmt zu Maßnahmen der Länder keine Stellung. 9. In welchem Turnus gibt es innerhalb welcher Gremien einen fachlichen Austausch zwischen staatlichen Behörden und der demokratischen Zivilgesellschaft , um deren Erkenntnisse und Hinweise im Vorfeld von Straftaten und zu deren Abwendung einzubeziehen? 10. Welche finanziellen Mittel oder personelle Unterstützung stellt die Bundesregierung der Zivilgesellschaft für solche Dialoge zur Verfügung? Die Fragen 9 und 10 werden zusammen beantwortet. Die Bundesregierung tauscht sich im Forum gegen Rassismus (FgR) mit rund 55 Nichtregierungsorganisationen (NRO) regelmäßig zu Fragen und Möglichkeiten der politischen Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aus. Das zweimal jährlich nichtöffentlich tagende Forum ist im Jahr 1998 im Anschluss an das Europäische Jahr gegen Rassismus gegründet worden und Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4995 dient seither seinen Mitgliedern als interne Dialogplattform auf Augenhöhe. Vorsitz und Geschäftsstelle des FgR liegen beim Bundesministerium des Innern (BMI). Jüngere Themen waren z. B. die administrativen Abläufe des aktuellen Verfahrens aus NRO-Sicht vor dem UN-Antirassismusausschusses CERD sowie z. B. die Darstellung von Menschenrechtsbildung, Aufklärung über Rassismus in Aus- und Fortbildung in der Polizei am Beispiel der Landespolizei Berlin und die Fragestellungen zu „racial profiling“. Das FgR ist einvernehmlich mit den NRO nicht als exekutives Gremium konzipiert . Es fungiert daher nicht als Diskussionszirkel zur Gefahrenabwehr bzw. im Sinne der Fragestellung. 11. Wie viele Vereinigungen mit rechtsextremen Hintergrund wurden durch das Bundesministerium des Innern (BMI) sowie nach Kenntnis der Bundesregierung durch die Innenministerien der Länder seit dem Jahr 1990 verboten (bitte Namen, Bundesländer und Verbotsjahre auflisten)? Das BMI hat seit dem Jahr 1990 im Rahmen seiner Zuständigkeit zehn rechtsextremistische Vereine verboten. Eine entsprechende Übersicht ist im Verfassungsschutzbericht des Bundes für das Jahr 2013 enthalten. Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen haben die Länder seit dem Jahr 1990 insgesamt 32 rechtsextremistische Vereine verboten: Organisation Bundesland Jahr „Deutscher Kameradschaftsbund Wilhelmshaven“ (DKB) Niedersachsen 1992 „Nationaler Block“ (NB) Bayern 1993 „Heimattreue Vereinigung Deutschlands“ (HVD) Baden-Württemberg 1993 „Freundeskreis Freiheit für Deutschland“ (FFD) Nordrhein-Westfalen 1993 „Nationale Liste“ (NL) Hamburg 1995 „Direkte Aktion/Mitteldeutschland“ (JF); hervorgegangen aus dem „Förderwerk Mitteldeutsche Jugend“ (FMJ) Brandenburg 1995 „Skindheads Allgäu“ Bayern 1996 „Kameradschaft Oberhavel“ Brandenburg 1997 „Heide-Heim e. V.“/„Heideheim e. V.“ Niedersachsen 1998 „Hamburger Sturm“ Hamburg 2000 „Skinheads Sächsische Schweiz“ (SSS) Sachsen 2001 „Bündnis nationaler Sozialisten für Lübeck“ Schleswig-Holstein 2003 „Fränkische Aktionsfront“ (F.A.F.) Bayern 2004 „Berliner Alternative Süd-Ost“ (BASO) Berlin 2005 „Kameradschaft Tor Berlin“ mit der „Mädelgruppe Kameradschaft Tor Berlin“ Berlin 2005 „Kameradschaft Hauptvolk“ mit der Jugendorganisation „Sturm 27“ Brandenburg 2005 Drucksache 18/4995 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Wie viele Rockerclubs (Motorcycle Clubs) wurden seit dem Jahr 1990 durch das BMI oder nach Kenntnis der Bundesregierung durch die Innenministerien der Länder verboten (bitte Namen, Bundesländer und Verbotsjahre auflisten)? Das BMI hat seit dem Jahr 1990 im Rahmen seiner Zuständigkeiten zwei Rockerclubs verboten. Im Einzelnen handelt es sich um das Verbot des Regionalverbandes „Gremium Motorcycle Club (MC) Sachsen“ einschließlich seiner Teilorganisationen „Gremium MC Dresden“, „Gremium MC Chemnitz“, „Gremium MC Plauen“, „Gremium MC Nomads Eastside”, „Härte Plauen“ im Jahr 2013 und „Satudarah MalukuMC“ im Jahr 2015. Darüber hinaus wurden 16 Verbote gegen Rockergruppierungen von den Ländern verfügt: „Alternative Nationale Strausberger DArt Piercing und Tattoo Offensive“ (ANSDAPO) Brandenburg 2005 „Schutzbund Deutschland“ Brandenburg 2006 „Sturm 34“ Sachsen 2007 „Mecklenburgische Aktionsfront“ (M.A.F.) MecklenburgVorpommern 2009 „Frontbann 24“ Berlin 2009 „Freie Kräfte Teltow-Fläming“ (FKTF) Brandenburg 2011 „Kameradschaft Walter Spangenberg“ Nordrhein-Westfalen 2012 „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg “ Brandenburg 2012 „Kameradschaft Aachener Land“ (K-A-L) Nordrhein-Westfalen 2012 „Kameradschaft Hamm“ Nordrhein-Westfalen 2012 „Nationaler Widerstand Dortmund“ Nordrhein-Westfalen 2012 „Besseres Hannover“ Niedersachsen 2012 „Nationale Sozialisten Döbeln“ Sachsen 2013 „Nationalen Sozialisten Chemnitz“ Sachsen 2014 „Freies Netz Süd“ (FNS) Bayern 2014 „Autonome Nationalisten Göppingen“ Baden-Württemberg 2014 Organisation Bundesland Jahr „Hells Angels MC Düsseldorf“ Nordrhein-Westfalen 2000 „Chicanos MC Barnim“ Brandenburg 2009 „Bandidos MC Neumünster“ Schleswig-Holstein 2010 „Hells Angels MC Flensburg“ Schleswig-Holstein 2010 Organisation Bundesland Jahr „Mongols MC Bremen“ Bremen 2011 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4995 13. In wie vielen der in den Fragen 11 und 12 aufgeführten Verbotsfälle wurden nach Kenntnis der Bundesregierung Immobilien nach dem Vereinsgesetz beschlagnahmt, eingezogen bzw. waren von einer Verfallsanordnung betroffen (bitte nach Bundesländern und Namen der Organisation auflisten )? Im Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung wurden seit dem Jahr 1990 im rechtsextremistischen Bereich infolge des Verbots des „Collegium Humanum e. V.“ sowie seiner Teilorganisation „Bauernhilfe e. V.“ eine Immobilie in Vlotho (Nordrhein-Westfalen) und im Bereich der organisierten Kriminalität infolge des Verbots des Regionalverbandes Gremium MC Sachsen und seiner Teilorganisationen Gremium MC Dresden, Gremium MC Chemnitz, Gremium MC Plauen, Gremium MC Nomads Eastside sowie Härte Plauen eine Immobilie in Chemnitz (Sachsen) beschlagnahmt und eingezogen bzw. die Einziehung angeordnet . Zum Zuständigkeitsbereich der Länder hat die Bundesregierung – über den bereits in der Vorbemerkung der Fragesteller genannten Fall hinaus – keine Erkenntnisse. „Hells Angels MC Borderland in Pforzheim“ Baden-Württemberg 2011 „Hells Angels MC Frankfurt“ und „Hells Angels MC Westend in Frankfurt“ Hessen 2011 „Hells Angels MC Kiel“ Schleswig-Holstein 2012 „Bandidos MC Aachen“ sowie Unterstützerclubs „Chicanos MC Aachen“ „Chicanos MC Alsdorf“ „Chicanos MC Düren“ „X-Team Aachen“ „Diablos MC Heinsberg“ Nordrhein-Westfalen 2012 „Hells Angels MC Cologne“ sowie Unterstützerclub „Red Devils MC Cologne“ Nordrhein-Westfalen 2012 „Hells Angels Berlin City“ Berlin 2012 „Hells Angels MC Bremen“ Bremen 2013 „Red Legion“ sowie Jugendorganisation „Red Nation“ Baden-Württemberg 2013 „Hells Angels Oder City“ Brandenburg 2013 „Schwarze Schar MC Wismar“ sowie Unterstützerclub „Schwarze Jäger MC Wismar“ MecklenburgVorpommern 2014 „Hells Angels Göttingen“ Niedersachen 2014 Organisation Bundesland Jahr Drucksache 18/4995 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 14. Wie viele Immobilien wurden nach Kenntnis der Bundesregierung darüber hinaus in den vergangenen zehn Jahren im gesamten Bundesgebiet beschlagnahmt, eingezogen bzw. waren von einer Verfallsanordnung betroffen (bitte nach Bundesländern und nach angewandten Verfahren und Begründung aufschlüsseln nach a) Verfall nach § 73 des Strafgesetzbuches – StGB (inklusive sogenanntem erweiterten Verfall), b) Einziehung von Tatmitteln und Tatprodukten, auch zur Gefahrenabwehr nach § 74 StGB, c) Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nach § 5 des Opferentschädigungsgesetzes und § 81a des Bundesversorgungsgesetzes, d) Vollstreckung einer Anordnung des Verfalls oder der Einziehung eines anderen Staates nach §§ 48, 49 ff. des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen, e) sonstige Verfahren und Begründungen)? 15. In wie vielen der in Frage 14 aufgelisteten Fällen gilt ein Zusammenhang mit a) rechtsextremen Milieus, b) Milieus organisierter Bandenkriminalität, bzw. c) der Mafias als erwiesen? Die Fragen 14 und 15 werden zusammen beantwortet. Im Bereich des Internationalen Extremismus wurde in den vergangenen zehn Jahren infolge des Verbots der „Internationalen Humanitären Hilfsorganisation e. V.“ (IHH) nach dem Vereinsgesetz eine Immobilie in Frankfurt a. M. (Hessen) beschlagnahmt und eingezogen. Darüber hinaus existiert in Bezug auf Maßnahmen der Vermögensabschöpfung bislang nur eine bundesweite Jahresstatistik Vermögenssicherung, die alle vorläufigen Sicherungsmaßnahmen der Polizeidienststellen der Länder, der Bundespolizei , des BKA und der Zollfahndungsämter abbildet, die im Rahmen der dort geführten Ermittlungsverfahren vorbereitet bzw. begleitet wurden. Erhebungskriterium in dieser Statistik ist u. a. die Art der vorläufig gesicherten Vermögenswerte , untergliedert nach Bargeld, sonstige bewegliche Sachen, Immobilien und Forderungen mit den jeweiligen Sicherungssummen. Eine Verknüpfung dieser Kriterien mit dem Delikt ist nicht vorgesehen. Eine statistische Erfassung der betroffenen Immobilien nach Stückzahlen liegt nicht vor. Da bundesweit keine statistischen Zahlen zu justiziellen Entscheidungen vorliegen , können zu dieser Frage keine Angaben gemacht werden. Der Bundesregierung liegen auch keine Angaben in Bezug auf Maßnahmen nach dem Bundesversorgungsgesetz bzw. dem Opferentschädigungsgesetz vor, da deren Durchführung durch die Länder erfolgt. 16. In welchen Fällen konnte nach Kenntnis der Bundesregierung dabei auch eine gemeinsame Nutzung von Immobilien zwischen dem rechtsextremen Milieu und den Rockerclubs nachgewiesen werden? Auf die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4995 17. Welcher weiteren Verwendung wurden nach Kenntnis der Bundesregierung die von Beschlagnahmung, Einzug bzw. Verfall betroffenen Immobilien zugeführt (bitte wie folgt aufschlüsseln nach a) Verbleib bei der Justizkasse oder anderen staatlichen Stellen, b) Veräußerung oder Vermietung an Unternehmen, c) Veräußerung oder Vermietung an Privatpersonen, d) Nutzung durch Trägerorganisationen der demokratischen Zivilgesellschaft , z. B. für Zwecke der Prävention gegen Rechtsextremismus, Opferschutz oder Empowerment für Migranten, e) Sonstiges)? Die im Zusammenhang mit dem Vereinsverbot der „Collegium Humanum e. V.“ und seiner Teilorganisation „Bauernhilfe e. V.“ beschlagnahmte und eingezogene Immobilie wurde an eine Privatperson, die weiterhin vorhandenen Naturschutzflächen wurden an den Kreis Herford verkauft. Im Übrigen sind die in der Antwort zu Frage 13 angeführten Anordnungen der Beschlagnahme und Einziehung noch nicht rechtskräftig. 18. Welche Strategien verfolgt die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Ländern, um die Bildung von Ersatzorganisationen von verbotenen Vereinen sowie eine Weiternutzung von zuvor eingezogenen Immobilien durch Einzelpersonen oder Personenzusammenschlüsse, die den verbotenen Vereinen angehörten, zu unterbinden? Die bundesweite Einhaltung der mit dem Verbot ausgesprochenen Untersagung der Gründung von Ersatz- und/oder Nachfolgeorganisationen sowie der öffentlichen Verwendung der Kennzeichen zählt zu den Aufgaben der Sicherheits- und Polizeibehörden des Bundes und der Länder. Hinweise auf Verstöße hiergegen werden verfolgt und strafrechtlich geahndet. Die eingezogenen Immobilien dürfen nicht an namentlich bekannte Personen bzw. Personenzusammenschlüsse, die dem verbotenen Verein angehörten, verkauft werden. Ergänzend enthalten die Kaufverträge hinsichtlich der weiteren Nutzung bzw. Weiterveräußerung umfangreiche Schutzvorkehrungen. 19. Welche gesetzgeberischen Aktivitäten hat die Bundesregierung zur Umsetzung des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD, in dem sie sich zur Vereinfachung des Rechts der Vermögensabschöpfung, der vorläufigen Sicherstellung von Vermögenswerten sowie der nachträglichen Vermögensabschöpfung verpflichtet, bereits ergriffen bzw. sind zukünftig geplant? Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat eine Projektgruppe zur Umsetzung dieser Vorgaben im Koalitionsvertrag eingerichtet, die sich intensiv mit der komplexen Materie befasst. 20. In welchen Fällen und mit welchen Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung Kommunen und die Zivilgesellschaft vor Ort, wenn von den benannten Immobiliennutzungen ein Klima der Einschüchterung und Bedrohung , z. B. gegenüber zivilgesellschaftlichen Akteuren oder Anwohnerinnen und Anwohnern, ausgeht? Im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus , Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ des Bundesministeriums für Drucksache 18/4995 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Familie, Senioren, Frauen und Jugend ermöglicht der Förderbereich der „Partnerschaften für Demokratie“ Akteuren vor Ort u. a. regionale Konflikte und Probleme zu analysieren und partizipativ Konzepte für eine lebendige, demokratische Gesellschaft und zivilgesellschaftliches Engagement vor Ort zu erarbeiten. In diesem Bereich werden auch Konzepte entwickelt, die geeignet sind einem Klima der Einschüchterung und Bedrohung, welches von einer Immobiliennutzung z. B. Rechtsextremer ausgeht, zu begegnen. Hierbei werden ganz konkret Gegenmaßnahmen initiiert, die nicht nur dazu dienen, den Sozialraum von Einschüchterung und Bedrohung zu befreien, sondern die Gewähr dafür bieten, dass durch Aufbau einer der rechtsextremen Infrastruktur entgegengesetzten demokratischen Infrastruktur ein Klima von Einschüchterung und Bedrohung nicht zu entstehen bzw. sich nicht auszubreiten vermag. 175 Partnerschaften für Demokratie wurde bereits eine Förderung durch das Bundesprogramm bewilligt. 44 Partnerschaften für Demokratie befinden sich derzeit in der Antragsstellung. Im Programmbereich der Demokratiezentren gibt es eine zielorientierte, passgenaue , anlassorientierte, zeitnahe mobile Beratung, deren Träger jeweils fallbezogen ein Beratungsteam zusammenstellen, das über die für den Einzelfall erforderlichen Beratungskompetenzen verfügt und vor Ort aktiv wird. Der Auf- und Ausbau von Demokratiezentren soll vor allem auf eine Stärkung der demokratischen Kultur in dem jeweiligen Bundesland und damit in der Gesellschaft hinwirken . Mobile Beratungsteams agieren in unterschiedlichen Handlungsfeldern wie z. B. Schule, Jugendhilfe, Verwaltung und Wirtschaft und entwickeln ortsbezogene Strategien, z. B. gegen die Dominanz rechtsextremer Gruppierungen. In diesem Zusammenhang wurden in den letzten Jahren u. a. zur Immobiliennutzung rechtsextremer Veranstaltungen durchgeführt, Broschüren mit herausgegeben und Strategien aufgezeigt, die eine Bekämpfung der in der Frage beschriebenen Phänomene der Einschüchterung und Bedrohung zum Gegenstand haben. Auch die Beratung von Opfern findet in diesem Kontext statt. 21. Welche Strategien verfolgt die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit den Bundesländern, den Kommunen und der Zivilgesellschaft, um präventiv zu erschweren, dass Immobilienkäufe bzw. Miet- und Pachtvertragsabschlüsse durch bekannte Rechtsextreme, Personen aus dem Bereich der organisierten Bandenkriminalität bzw. der Mafias oder deren Vertreterinnen und Vertreter für kriminelle Aktivitäten und Netzwerke genutzt werden können? Durch die Partnerschaften für Demokratie im Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ wird eine demokratische Infrastruktur geschaffen, die nicht nur einen Gegenpol zur rechtsextremistischen Infrastruktur selbst schaffen soll, sondern die den Akteuren vor Ort auch durch Sensibilisierung Indikatoren mit an die Hand gibt, die eine Identifizierung rechtsextremistischer und krimineller Strukturen leichter ermöglicht . Die an die Demokratiezentren im Bundesprogramm angegliederten mobilen Beratungsteams unterstützen die jeweiligen Akteure vor Ort zunächst bei der Entwicklung von individuellen Handlungsstrategien. Hierbei geht es zuallererst um eine Sensibilisierung im Hinblick auf etwaige Anzeichen für eine geplante Ausweitung rechtsextremistischer Infrastruktur, wie z. B. Immobilienkäufe oder Anmietungen durch die beschriebenen Personengruppen, und das Aufzeigen des – soweit bestimmbar – typischen Vorgehens dieser Gruppen. Im nächsten Schritt werden konkrete Möglichkeiten erörtert, wie solche Immobilienübernahmen verhindert werden können. Konkret wird beispielsweise die Verwendung von Klauseln in Mietverträgen empfohlen, die bei Anmietung von Ladengeschäften Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/4995 den Verkauf von mit der rechtsextremistischen Szene in Verbindung stehenden Marken untersagen oder bei der Anmietung von Veranstaltungsräumen die rechtsextremistische und fremdenfeindliche Agitation verbieten. Dies gewährleistet zumindest einen Sekundärrechtsschutz. Auch für private Mietverträge wird eine Aufnahme solcher Klauseln empfohlen. Im Hinblick auf den Immobilienerwerb von Rechtsextremisten werden insbesondere die Kommunen sensibilisiert , so dass diese zumindest die Möglichkeit erhalten, den Ankauf von Immobilien insoweit zu verhindern, als sie ein in vielen Gemeinden zugunsten der Kommune bestehendes dingliches Vorkaufsrecht ausüben. Die kommunalen Verwaltungen werden zudem von den Polizeidienststellen der Länder sowie den Landesämtern für Verfassungsschutz beratend unterstützt, z. B. durch die Erstellung von entsprechenden Informationsmaterialien. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333