Deutscher Bundestag Drucksache 18/4996 18. Wahlperiode 22.05.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Peter Meiwald, Steffi Lemke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4853 – Lichtverschmutzung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Lichtverschmutzung hat im vergangenen Jahrhundert drastisch zugenommen . Dabei handelt es sich um die Beeinträchtigung des natürlichen nächtlichen Lichts durch künstliches Licht vor allem von Straßenbeleuchtungen, Wohnhäusern, Fahrzeugen, Skybeamern, Lichtreklame, Flutlichtanlagen auf Park- und Sportplätzen sowie Beleuchtungseinrichtungen an Gewerbe- und Industriegebieten . Problematisch ist dabei vor allem der große nach oben abgestrahlte oder reflektierte Teil des Lichts, durch den die so genannten Lichtglocken über den Städten entstehen. Aber auch unter Wasser ist die nächtliche Beleuchtung ein Problem, Küstenregionen sind von künstlichem Licht aus Häfen, Städten oder dem Fischereibetrieb betroffen (Meer: Lichtmüll unter Wasser, DIE ZEIT vom 29. April 2015). Lichtverschmutzung beeinflusst bestehende Ökosysteme in erheblichem Maße und hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen und Tiere. Jährlich gibt es einen weltweiten Zuwachs von Kunstlicht von etwas 6 Prozent mit starken regionalen Unterschieden. Das gesamte Ausmaß dieser Problematik ist bisher noch nicht erforscht (Der Himmel, der nie dunkel wird, Frankfurter Rundschau vom 30. März 2015). Die UN-Generalversammlung hat das Jahr 2015 als „Internationales Jahr des Lichts“ ausgerufen. 1. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über das Ausmaß der Lichtverschmutzung in Deutschland (inklusive der Küstenregionen) und dessen Auswirkungen auf Mensch und Natur? Aus dem interdisziplinären Forschungsvorhaben „Verlust der Nacht“ (Förderkennzeichen 033L038 A-H) haben sich folgende Ergebnisse gezeigt: Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 21. Mai 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Über Labor- und Feldversuche mit den Fischarten Barsch und Plötze wurden neue Erkenntnisse gewonnen zum Einfluss verschiedener nächtlicher Licht- Drucksache 18/4996 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode niveaus auf Hormone, die einem Tag-Nacht-Rhythmus unterliegen (z. B. Melatonin ) oder unter einem saisonalen Einfluss stehen (Reproduktionshormone). Es wurde die Smartphone-App „Verlust der Nacht“ entwickelt, mit der die Himmelshelligkeit anhand der Sichtbarkeit der Sterne bestimmt werden kann. Im Rahmen des Citizen-Science-Projekts „GLOBE at Night“ bestimmen Menschen auf der ganzen Welt die Himmelshelligkeit. Daraus entstehen Karten, die die Helligkeitsverteilung und ihre Entwicklung über die Jahre zeigen. Die Daten dienen auch als Grundlage, um mögliche Zusammenhänge mit Gesundheit, Biodiversität , Energieverbrauch und vielen anderen Faktoren zu untersuchen. In der Wissenschaft bilden Lichtverschmutzung, Energieeffizienz und die Bedeutung des Lichts als urbanem Gestaltungsmittel vergleichsweise junge Forschungsbereiche . In den Kulturwissenschaften etwa wird die elektrische Beleuchtung häufig als Sinnbild der Moderne thematisiert, wohingegen Kritik an und Kontroversen um künstliche Beleuchtung kaum Erwähnung finden. Es konnte gezeigt werden, dass Fragen um die Steuerung von künstlichem Licht für Kommunen allmählich wieder an Bedeutung gewinnen. Im Zentrum stehen dabei die Aspekte Klimaschutz und Ressourcenschonung, Energieeffizienz und Kosteneinsparung, sowie die Aufwertung des Stadtbildes. Ergänzend wird auf die Antwort zu Frage 7 verwiesen. 2. Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Lichtverschmutzung in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren entwickelt (bitte jeweils als relativen Wert zum Vorjahr aufschlüsseln)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine Daten vor, die eine quantitative Bewertung der Lichtverschmutzung über die vergangenen zehn Jahre erlauben. 3. Welche bundeseigenen Gebäude werden nachts angestrahlt, welche Lampen werden dafür verwendet, und wie hoch sind der Energieverbrauch und die Kosten für diese Beleuchtung? Sollten der Bundesregierung zum Energieverbrauch und zu den Kosten keine konkreten Zahlen vorliegen, auf welche Höhe schätzt die Bundesregierung den Energieverbrauch und die Kosten? Eine gebäudebezogene Aufstellung aller nächtlich angestrahlten Liegenschaften der über 3 000 zivilen Dienstliegenschaften inklusive Nennung der verwendeten Lampen ist nicht möglich. Aufgrund der sukzessiven Übernahme von Bestandsgebäuden in das einheitliche Liegenschaftsmanagement ist zudem davon auszugehen , dass deutschlandweit verschiedene Leuchtmittel verwendet werden. Eine systemseitige Unterstützung ist nicht vorhanden. Daher bedürfte eine solche Aufstellung eines erheblichen personellen sowie zeitlichen Aufwandes von circa einem halben bis dreiviertel Jahr. Eine Aussage über den Gesamtenergieverbrauch und die Gesamtkosten kann durch die baulichen Gegebenheiten, bei denen in der Regel keine separate Messeinrichtung für den Energieverbrauch der Beleuchtung vorgesehen sind, nicht getroffen werden. 4. Wie haben sich die in Frage 3 angesprochenen Kosten in den letzten zehn Jahren entwickelt (wenn möglich nach Kalenderjahren aufschlüsseln; wenn nicht möglich, bitte die der Bundesregierung bekannten Daten der letzten zehn Jahre nennen)? Wie bereits in der Antwort zu Frage 3 dargelegt, ist eine explizite Nennung der Kosten für die nächtliche Beleuchtung von bundeseigenen Gebäuden aktuell Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4996 und auch rückwirkend nicht möglich. Eine Aussage zu den Energiekosten kann daher nur bezüglich des allgemeinen Stromverbrauchs getroffen werden. Aufgrund der sukzessiven Übernahme von Liegenschaften in das Eigentum und die Bewirtschaftung der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben erfolgte erstmals für die bundesweite Belieferung mit elektrischer Energie zum 1. Januar 2012 eine zentrale Ausschreibung. Um eine Tendenz der Kostenentwicklung abzubilden , wird folgend der durchschnittliche reine Arbeitspreis in Cent/kWh der letzten vier Jahre dargestellt. Dabei setzt sich der Arbeitspreis aufgrund der getroffenen Ausschreibungsstrategie aus gemittelten Börsenpreisen zuzüglich einem Verwaltungsaufschlag des Versorgers zusammen. Der Durchschnittspreis ergibt sich aus der Summe der Arbeitspreise je Losgruppe durch die Anzahl aller Losgruppen. 5. Wie werden dabei der Energieverbrauch und die Lichtverschmutzung, z. B. durch reduzierte Beleuchtungsstärke, insektenfreundliches Licht, begrenzte Beleuchtungsdauer, reduziert? Im Rahmen der Bewirtschaftung der zivilen Dienstliegenschaften des Bundes wird die Beleuchtung von Außenanlagen (auch aus Gründen der Energieeffizienz und des Ressourcenschutzes) unter Beachtung bestehender Verkehrssicherungspflichten (Verkehrsflächenbeleuchtung im Außenbereich) gemäß Eigentümer/Betreiberverantwortung sowie der zu priorisierenden dienstlichen Belange (Sicherheits- und Bereitschaftsbeleuchtung) zur Her- und Sicherstellung des Dienstbetriebes auf das notwendige Mindestmaß beschränkt. 6. Inwieweit werden bei der Außenbeleuchtung von bundeseigenen Gebäuden die Artenschutzbelange berücksichtigt? Eine direkte Berücksichtigung von Artenschutzbelangen findet bislang nicht statt, die Erstellung eines Leitfadens entsprechend der Hinweise der Bund/Länder -Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz (LAI) zu schädlichen Einwirkungen von Beleuchtungsanlagen auf Tiere, insbesondere auf Vögel und Insekten und der Vorschläge zu deren Minderung wird jedoch geprüft. Sekundäre positive Effekte auf der Basis der in der Antwort zu Frage 5 geschilderten Ausgangslage sind ausdrücklich erwünscht. 7. Welche Forschungsvorhaben zum Thema „Lichtverschmutzung“ hat die Bundesregierung bisher finanziell unterstützt, und zu welchen Erkenntnissen sind diese gekommen (bitte detailliert aufschlüsseln)? Die Bundesregierung hat das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Handlungsleitfaden zur Bewältigung negativer Effekte von künstlichem Licht im Rahmen von Eingriffen“ vergeben. Dieses hat eine Laufzeit vom Jahr 2014 bis zum Jahr 2017. Sie hat das interdisziplinäre Forschungsvorhaben „Verlust der Nacht“ (Förderkennzeichen 033L038 A-H) mit insgesamt 3 096 757 Euro gefördert. Laufzeit des Verbundvorhabens war vom 1. Mai 2010 bis zum 31. Dezember 2013. Jahr 2015 2014 2013 2012 Arbeitspreis Ct/kWh 4,562 4,801 5,749 6,107 Drucksache 18/4996 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode In dem Verbundvorhaben wurde ein breit angelegter Forschungsansatz verfolgt, um erstmalig aus einer Gesamtperspektive die verschiedenen Aspekte der Lichtverschmutzung zu untersuchen. Betrachtet wurden sowohl die ökologischen und chronobiologischen als auch die kulturellen und sozioökonomischen Ursachen und Auswirkungen der zunehmenden Beleuchtung in der Nacht in aquatischen und angrenzenden terrestrischen Lebensräumen. Als Fallbeispiel diente der Untersuchungsraum Berlin-Brandenburg. Um dem umfassenden Forschungsansatz gerecht zu werden, waren Forschungsinstitute aus den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Fachrichtungen beteiligt, die von der Ökologie, Chronobiologie, Meteorologie, Astronomie über die Stadtplanung, Arbeitsphysiologie und Lichttechnik bis hin zur Sozioökonomie, Kultur- und Sozialgeschichte reichen. Gefördert wurden folgende acht Forschungseinrichtungen: – Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), – Technische Universität Berlin, – Leibniz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS), – Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), – Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH (UFZ), – Freie Universität Berlin, – Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie (INP Greifswald), – Forschungsgesellschaft für Arbeitsphysiologie und Arbeitsschutz. Die Untersuchungsthemen der 14 Teilprojekte sind auf der Homepage des Forschungsverbundes „Verlust der Nacht“ zu finden: www.verlustdernacht.de/ Projekte.html. Zu den Ergebnissen des Forschungsvorhabens wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 8. Welche Forschungsvorhaben mit welchen inhaltlichen Schwerpunkten sind von der Bundesregierung geplant, um den Forschungsbedarf auf diesem Gebiet abzudecken (bitte detailliert aufschlüsseln)? Zum Thema Lichtverschmutzung sind derzeit keine weiteren Forschungsvorhaben seitens der Bundesregierung geplant. 9. Welche rechtlichen und sonstigen Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits ergriffen bzw. sind von der Bundesregierung geplant, um die Lichtverschmutzung zu reduzieren (bitte detailliert aufschlüsseln)? 10. Unterstützt die Bundesregierung den Erlass einer „Technischen Anleitung Licht“ (TA Licht) nach dem Vorbild der TA Luft und TA Lärm, um Lichtemissionen besser zu regeln? Wenn ja, welche Schritte hat sie diesbezüglich bereits unternommen (bitte detailliert aufschlüsseln)? Wenn nein, warum nicht? Die Fragen 9 und 10 werden gemeinsam beantwortet. Licht gehört zu den Emissionen und Immissionen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG). Zur Konkretisierung des Begriffs „schädliche Umwelteinwirkungen“ im Sinne des BImSchG hat die Bund/Länder-Arbeitsge- meinschaft Immissionsschutz (LAI) Hinweise zur Messung, Beurteilung und Minderung von Lichtimmissionen verabschiedet. Deren Überarbeitung ist von Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4996 der LAI am 13. September 2012 beschlossen worden. In ihrem Anhang enthält sie auch Angaben über schädliche Einwirkungen von Beleuchtungsanlagen auf Tiere, insbesondere auf Vögel und Insekten, sowie Vorschläge zu deren Minderung . Eine „Technische Anleitung Licht“ nach dem Vorbild der TA-Luft und der TA-Lärm wird nicht befürwortet, da angesichts der LAI-Lichthinweise für den Vollzug des BImSchG kein weiterer Bedarf für eine Konkretisierung der Anforderungen nach dem BImSchG gesehen wird. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333