Deutscher Bundestag Drucksache 18/4999 18. Wahlperiode 21.05.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan van Aken, Wolfgang Gehrcke, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/4739 – Handfeuerwaffen der Bundeswehr Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Der am 17. April 2015 vom Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) vorgelegte Bericht zum G36 wirft weitere Fragen zu Mängeln beim G36 und anderen Waffen der Bundeswehr auf. Im Sinne einer umfassenden Aufklärung bitten die Fragesteller, zusätzlich zum üblichen Antwortformat bei Kleinen Anfragen auch die relevanten Dokumente ihrer Antwort beizufügen. Falls die Beschaffung der umfassenden Dokumentensammlungen länger dauern sollte, regen die Fragesteller an, zunächst die Kleine Anfrage im üblichen Format im Rahmen der üblichen Zeitvorgaben zu beantworten und die Dokumente innerhalb einer angemessenen Zeit nachzuliefern. Im Folgenden wird der Begriff G36 für alle Modellvarianten („kurz“, „lang“ etc.) des Sturmgewehrs verwendet. Gleiches gilt für die Bezeichnungen der anderen Handfeuerwaffen der Bundeswehr. 1. Hat das Schießausbildungszentrum KSK (Kommando Spezialkräfte) bzw. die Gruppe Weiterentwicklung des KSK oder eine andere Stelle des KSK seit dem Jahr 2002 Meldungen über Probleme bzw. unerwartete Kampferfahrungen mit dem G36 oder anderen Gewehren bzw. Handwaffen im Einsatz bei der Task Force 47 oder anderen Sonder- und Spezialeinheiten erhalten oder selbst erstellt (wenn ja, bitte nach Meldedatum, Verfasser und Empfänger der Meldung, Inhalt der Meldung aufschlüsseln; bitte alle Meldungen und Folgemeldungen übergeordneter Dienststellen als Dokument beifügen)? Über Vorkommnisse aus der Schießausbildung wurde seitens des KSK-Schießausbildungszentrums am 27. März 2013 eine „Sofortmeldung Waffenschaden G36k“ abgesetzt. Demnach wiesen im Rahmen eines Schießlehrganges des Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums der Verteidigung vom 19. Mai 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. KSK im März 2013 zwei Waffen Schäden auf, die auf Materialermüdung aufgrund des Alters und der Schussbelastung der Waffen nach Überschreitung der Drucksache 18/4999 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Lebensdauer der betroffenen Waffen zurückzuführen seien und bei denen kein konstruktiver Mangel vorliege (Beilagen 1-4 und 1-5).* Am 7. April 2014 hat der Leiter des Bereiches Weiterentwicklung des Kommandos Spezialkräfte (KSK) in einem Schreiben an die Abteilung Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung im BMVg eine Stellungnahme zu Erfahrungen und Anforderungen des KSK mit Anlagen übermittelt (Beilagen 1-1, 1-2 und 1-3).* 2. Welche staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gab es nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2009 gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMVg, der Bundeswehr, des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr oder anderer dem BMVg nachgeordneter Dienststellen im Zusammenhang mit dem G36 (bitte nach Name, Dienstgrad und Funktion, Datum von Aufnahme und Abschluss der Ermittlungen, Grund für die Ermittlungen und Ergebnis der Ermittlungen aufschlüsseln)? Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat – ausgelöst durch eine anonyme Anzeige – im Zusammenhang mit der Beschaffung von Sturmgewehren G36 für die Spezialkräfte in Afghanistan und im Rahmen des Beschaffungsvorhabens „Infanterist der Zukunft (IdZ)“ durch das damalige Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue gegen einen Referatsleiter des BMVg (Az. 2050 Js 25248/12) geführt. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat dieses Verfahren mit Verfügung vom 20. Februar 2014 gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt . Unter dem Aktenzeichen 558 UJs 210/14 P ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn gegen Unbekannt wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses im Zusammenhang mit der Veröffentlichung interner Dokumente der Wehrtechnischen Dienststelle für Waffen und Munition (WTD 91). Den Ermittlungen, die sich auf den Geschäftsbereich des BMVg erstrecken, liegt eine Strafanzeige der Fa. Heckler & Koch zugrunde. Am 25. April 2012 hatten mehrere Medien – unter anderem die BILD Zeitung – Ergebnisse der WTD 91 aus deren Unterlagen zitiert, die erst später in zwei Berichten der WTD 91 vom 30. Juli 2012 (Abschlussbericht „Weitere Untersuchungen am Gewehr G36“ (VS-Vertraulich)) und vom 7. September 2012 (Zwischenbericht „G36 – Effekte bei heiß geschossener Waffe“ (VS – Vertraulich )) abschließend von der WTD 91 vorgelegt wurden. Unter dem Aktenzeichen 558 UJs 225/14 P ermittelt die Staatsanwaltschaft Bonn gegen Unbekannt wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses im Zusammenhang mit der Veröffentlichung eines vertraulichen Berichts des Bundesrechnungshofes (BRH) über mögliche Probleme mit dem Gewehr G36. Den Ermittlungen , die sich auf den Geschäftsbereich des BMVg und den BRH erstrecken, liegt ebenfalls eine Strafanzeige der Fa. Heckler & Koch zugrunde. * Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Beilagen als „VS – Nur für den Dienstgebrauch “ eingestuft. Sie sind im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und können dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/4999 3. War auch die Führungsebene des BMVg über einige oder mehrere dieser staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren informiert (wenn ja, bitte aufschlüsseln , wann welche Ministerinnen und Minister, Staatssekretärinnen und Staatssekretäre und/oder Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter über welches Verfahren wie informiert wurden)? Über die Einstellung des zu Frage 2 zuerst benannten Verfahrens wurde die Leitung am selben Tag des Eingangs der Einstellungsinformation mit Vorlage an den Staatssekretär bei der Bundesministerin der Verteidigung Gerd Hoofe vom 27. März 2014 informiert. Mit Schreiben vom 14. Januar 2015 hat sich die Staatsanwaltschaft Bonn an das BMVg gewendet und um Mitteilung gebeten, ob im Strafverfahren gegen Unbekannt (Az. 558 UJs 210/14 P, siehe Antwort zu Frage 2) die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt werde. Mit Vorlage vom 22. Januar 2015 schlug das Referat R I 5 des BMVg der Leitung des BMVg vor, die Ermächtigung zu erteilen. Der Staatssekretär Gerd Hoofe paraphierte diese Vorlage am 26. Januar 2015. Mit Schreiben vom 14. Januar 2015 (Eingang Anfang Februar 2015) hat sich die Staatsanwaltschaft Bonn an das BMVg gewendet und um Mitteilung gebeten, ob im Strafverfahren gegen Unbekannt (Az. 558 UJs 225/14 P, siehe Antwort zu Frage 2) die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt werde. Mit Vorlage vom 13. Februar 2015 schlug das Referat R I 5 des BMVg der Leitung des BMVg die Ermächtigung zu erteilen. Der Staatssekretär Gerd Hoofe paraphierte diese Vorlage am 16. Februar 2015. 4. Hat die Wehrtechnische Dienststelle (WTD) 91 seit dem Jahr 2008 bei Tests von Pistolen des Typs P8 Mängel, Probleme oder Abweichungen festgestellt ? Wenn ja, wann wurde was festgestellt und durch wen an wen gemeldet (bitte alle entsprechenden Meldungen der WTD 91 und Folgemeldungen übergeordneter Dienststellen als Dokument beifügen)? Die WTD 91 hat bei Tests an der Pistole P8 keine Mängel, Probleme oder Abweichungen festgestellt. Im Jahr 2008 untersuchte sie im Auftrag des BWB Verbesserungen , die zu einem neuen Konstruktionsstand der Pistole P8A1 führten. Mit den konstruktiven Änderungen wurde auf Schadensmeldungen der Nutzer, wie z. B. Verschlussrisse, reagiert, die mit dem Überschreiten der Lebensdauergrenze der Pistole im Zusammenhang stehen. Im Rahmen des Änderungsprozesses konnte die Lebensdauer der Pistole insgesamt verdoppelt werden. WTD 91 hat im Jahr 2012 einen Beitrag zur Sicherheitserklärung vorgelegt. Für die Pistole P8A1 existiert seit 2012 eine Genehmigung zur Nutzung. Die vom Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) erstellte „Chronologie Pistole P8 (Verschlussrisse) bis zur Einführung P8A1“ listet die entsprechenden Vorgänge seit dem Jahr 2006 auf (Beilage 4-1).* * Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Beilagen als „VS – Nur für den Dienst- gebrauch“ eingestuft. Sie sind im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und können dort von Berechtigten eingesehen werden. Drucksache 18/4999 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Hat die WTD 91 seit dem Jahr 2008 bei Tests von Maschinengewehren des Typs MG3 Mängel, Probleme oder Abweichungen festgestellt? Wenn ja, wann wurde was festgestellt und durch wen an wen gemeldet (bitte alle entsprechenden Meldungen der WTD 91 und Folgemeldungen übergeordneter Dienststellen als Dokument beifügen)? Das MG3 weist Probleme bei der Verwendung in Waffenstationen auf. Aufgrund der Einbausituation entsteht ein erhöhter Verschleiß des Maschinengewehrs . Im Jahr 2013 stellte die WTD 91 fest, dass die Systemverträglichkeit des MG3 mit der Hartkernpatrone DM151 nicht gegeben ist. Aufgrund des bei Nutzung dieser Munition auftretenden erhöhten Rohrverschleißes wird die Waffe mit dieser Munition im Einsatz nur eingeschränkt, d. h. nur mit vor Antritt der Operation geprüften und freigegebenen Rohren, genutzt. Bestimmte Ersatzteile für das Maschinengewehr MG3 werden in Deutschland nicht mehr gefertigt. Im Jahr 2013 wurde festgestellt, dass die im Ausland gefertigten Ersatzteile zum Teil erhebliche Abweichungen aufwiesen. Im Rahmen der Prüfung konnten Montagefehler des Gehäuseherstellers nachgewiesen werden. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse wurde der Gehäusehersteller zur Nachbesserung des Produktes und Verbesserung der Qualitätssicherung verpflichtet. Zudem wurden Gewährleistungsansprüche geltend gemacht (Beilage 5-1).* 6. Hat die WTD 91 seit dessen Beschaffung bei Tests von Maschinengewehren des Typs MG5 Mängel, Probleme oder Abweichungen festgestellt? Wenn ja, wann wurde was festgestellt und durch wen an wen gemeldet (bitte alle entsprechenden Meldungen der WTD 91 und Folgemeldungen übergeordneter Dienststellen als Dokument beifügen)? Das Maschinengewehr MG5 befindet sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht in der Nutzungsphase. Alle bisher an der WTD 91 durchgeführten Untersuchungen am MG5 wurden im Rahmen der Projektierungsphase bzw. der Integrierten Nachweisführung durchgeführt. Diese Untersuchungen dienten der Eignungsfeststellung und Risikominimierung. Dabei festgestellte Mängel, Probleme oder Abweichungen wie z. B. Gehäuserisse, Beständigkeit gegenüber Salzwasser, Verschuss von Hartkernmunition, wurden mit Anpassungen des Konstruktionsstandes bzw. an den Einsatz angelehnten organisatorischen Maßnahmen (z. B. geänderte Gurtung, anderes öfter anzuwendendes Waffenfett) in Übereinstimmung mit dem Bedarfsträger beseitigt. Aufgrund der festgestellten Überschreitung des vertraglich vereinbarten Abstandes des Mittleren Treffpunktes von Wechselrohren zueinander erfolgte eine Vertragsanpassung mit Preisreduzierung . Das Gesamtergebnis der Untersuchung ist im Abschlussbericht vom 8. Dezember 2014 zusammengefasst. Das BMVg wurde durch das BAAINBw K6.2 im Verlauf der Integrierten Nachweisführung über die Ergebnisse informiert (Beilagen 6-1 bis 6-11).* * Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Beilagen als „VS – Nur für den Dienstgebrauch “ eingestuft. Sie sind im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und können dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/4999 7. Hat die WTD 91 seit dem Jahr 2008 bei Tests von Gewehren des Typs G22 Mängel, Probleme oder Abweichungen festgestellt? Wenn ja, wann wurde was festgestellt und durch wen an wen gemeldet (bitte alle entsprechenden Meldungen der WTD 91 und Folgemeldungen übergeordneter Dienststellen als Dokument beifügen)? Die WTD 91 untersuchte im Jahr 2009 im Auftrag des BWB (später: BAAINBw) Waffenrohre des Gewehrs G22, auch von Alternativherstellern. Grund waren Unregelmäßigkeiten bei der Ersatzteilversorgung, die vom Hersteller zu verantworten waren. Die WTD 91 identifizierte ein geeignetes Waffenrohr . Gewährleistungsansprüche bestanden nicht, da es sich um erwartbare Abnutzung im Lebenszyklus handelt. Zusätzlich fanden im Rahmen des Obsoleszenz-Managements Untersuchungen mit Systemkomponenten (z. B. Teile der Schulterstütze, Magazin, Gehäuse, Mündungsbremse, Signaturdämpfer) statt, deren Ergebnisse auch in einen geplanten Modellwechsel (G22A2) einfließen. 8. Wann genau wurde das MG5 erstmals in welcher Stückzahl zu welchem Preis beschafft? Am 10. Juli 2013 wurde ein Vertrag mit der Firma Heckler & Koch über die Lieferung von 65 Maschinengewehren MG5 zum Zweck der Integrierten Nachweisführung geschlossen. Die Gesamtkosten für diesen Auftrag betrugen 2 756 460 Euro. Mit der Bestellung vom 17. März 2015 werden erstmals 1 215 Maschinengewehre MG5 für die Nutzung beschafft. Die Gesamtkosten für diesen Auftrag betragen 20 437 527 Euro. Der Lieferzeitraum ist für Juni bis Dezember 2015 vorgesehen . 9. Ist die Information der Fragesteller zutreffend, dass in der ersten Ausschreibung für das MG5 vom Hersteller eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis bzw. eine andere formale Sprengstoffbefähigung verlangt wurde, und wenn ja, worin lag bzw. liegt der sachliche Grund dieser Bedingung? Es ist zutreffend, dass in der Auftragsbekanntmachung MG5 vom 9. November 2012 die Zulassung zum Umgang mit Explosivstoffen nach § 7 des Sprengstoffgesetzes verlangt wurde. Der sachliche Grund liegt in der Notwendigkeit des Umgangs mit Munition bei den vertraglich vereinbarten Maßnahmen zur Qualitätssicherung beim Auftragnehmer. 10. Wie viele und welche deutschen Hersteller von Maschinengewehren besaßen zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis bzw. eine andere formale Sprengstoffbefähigung? Alle Firmen, die sich zum Teilnahmewettbewerb gemeldet haben, legten eine amtliche Erlaubnis zum Umgang mit Sprengstoff vor. Drucksache 18/4999 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Ist die Information der Fragesteller zutreffend, dass mindestens ein anderer Hersteller gegen die Anforderung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis protestiert bzw. geklagt hat? Wenn ja, welcher Hersteller hat nach Kenntnis der Bundesregierung was mit welchem Ergebnis unternommen? Nach aktuellem Kenntnisstand und der Nachfrage im BAAINBw ist der Bundesregierung kein Protest bzw. keine Klage eines Herstellers bekannt. 12. Sind dem BMVg bzw. der Bundesrepublik Deutschland durch dieses oder andere Verfahren im Zusammenhang mit der Beschaffung des MG5 wirtschaftliche Schäden entstanden (bitte unter Angabe der ggf. entstandenen Kosten bzw. Schäden)? Bezug nehmend auf die Antworten zu den Fragen 9 bis 11 wird diese Frage verneint . 13. An welchem genauen Datum ist die Beschaffungsentscheidung für das G3 DMR gefallen? Die Beschaffungsentscheidung für das Gewehr G3 DMR ist gemäß Beschaffungsverfügung am 8. Dezember 2010 gefallen. 14. Wann wurde erstmals im BMVg, bei der Bundeswehr und/oder nachgeordneten Dienststellen über ein Nachfolgemodell für das G36 diskutiert? Wer war an diesem Treffen beteiligt, und was war der Auslöser für dieses Treffen (bitte Protokolle beifügen)? Im Zusammenhang mit den Ergebnissen erster Versuche an der WTD 91 mit Schadwaffen G36 sind seitens der Beteiligten weitere Beschaffungen von Gewehren G36 erstmalig infrage gestellt worden. In einem Vortrag der WTD 91 mit Stand Dezember 2011 wurde in der Schlussfolgerung die Möglichkeit aufgezeigt, im Rahmen der Vergleichserprobung „Scharfschützengewehr, kurze Reichweite“ ein Nachfolgemodell für das Gewehr G36 zu ermitteln (Beilage 14-4).* Darüber hinaus wurde im Rahmen des Integrierten Projektteams (IPT) „G36 in Nutzung“ unter Leitung von BAAINBw K6.2 am 7. August 2013 das grundsätzliche Vorgehen bezüglich des Gewehrs G36 diskutiert (vgl. Antwort zu Frage 15). Auslöser für die IPT-Besprechung waren noch offene Arbeitsaufträge , die aus den Untersuchungsergebnissen der WTD 91 und des Wehrwissenschaftlichen Instituts für Werk- und Betriebsstoffe (WIWeB) zum Warmverhalten des Gewehrs G36 aus dem Jahr 2012 resultierten, z. B. die Änderungen der Ausbildungsvorschriften. Die durch das Heer bevorzugte Möglichkeit einer Produktverbesserung (PV) und eine ggf. erforderliche Neubeschaffung wurden angesprochen, konkrete Nachfolgemodelle wurden nicht thematisiert. * Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Beilagen als „VS – Nur für den Dienstgebrauch “ eingestuft. Sie sind im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und können dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/4999 Ebenfalls Thema in dieser Sitzung war der Aspekt, dass die gemäß TaktischTechnischer Forderung aus dem Jahr 1993 geforderte Nutzungsdauer von 20 Jahren für das System Gewehr G36 in Kürze auslaufe und daher neue Forderungen , basierend auf den Erkenntnissen aus der bisherigen Nutzung, zu identifizieren und für ein zukünftiges System Sturmgewehr zu formulieren seien. Anwesend bei dieser Sitzung waren Vertreter des BAAINBw, des Planungsamtes der Bundeswehr (PlgABw) und der militärischen Organisationsbereiche (MilOrgBer). Die Teilnehmer dieser Besprechung sind dem Teilnehmerverzeichnis zu entnehmen (Beilagen 14-1 bis 14-3).* 15. Existieren im Ergebnis dieses Treffens oder anderer Treffen und Diskussionen allgemeine oder konkrete Anforderungen an ein zu beschaffendes Sturmgewehr, dass das G36 ersetzen soll (bitte Anforderungsprofile oder andere entsprechende Dokumente in allen Variationen und Änderungsversionen beifügen)? In der zu Frage 14 genannten IPT-Sitzung am 7. August 2013 wurde über die erforderliche Vorgehensweise zur Verifizierung möglicher Probleme mit dem Gewehr G36 und ggf. erforderliche Folgemaßnahmen diskutiert. Im Entwurf der in Rede stehenden Initiative „Gewehr G36 Produktverbesserung“ vom 21. Januar 2014 wurden erstmals Präzisionsforderungen bei schussinduzierter Erwärmung und geänderten klimatischen Bedingungen aufgenommen (Beilage 15-1).* Weitere Details zur Initiative sind der Antwort zu Frage 17 zu entnehmen. Ein weiteres aktuelles Dokument, das „Konzept Handwaffen der Bundeswehr“ formuliert aus konzeptioneller Sicht allgemeine Vorgaben zu Handwaffen, einschließlich Sturmgewehren (Beilage 15-2).* 16. Sind im Ergebnis dieses Treffens oder anderer Treffen und Diskussionen Kontakte zu Rüstungskonzernen aufgenommen worden (bitte unter Angabe der Kontakte und Beifügung der entsprechenden Protokolle bzw. Schriftwechsel)? Über Kontakte zu Rüstungskonzernen in dieser Phase liegen dem PlgABw und den MilOrgBer keine Erkenntnisse vor. Laut BAAINBw wurden dort basierend auf dem Entwurf der Initiative „Gewehr G36 Produktverbesserung“ keine Kontakte zu Rüstungskonzernen aufgenommen . 17. Wo steht der Prozess für die Beschaffung eines Sturmgewehrs als Ersatz für das G36 heute? Am 8. Oktober 2013 beauftragte das Kommando Heer (Kdo H) – Federführer zur Erstellung der Initiative gemäß IPT „G36 in Nutzung“ vom 7. August 2013 – das Amt für Heeresentwicklung (AH Entwg) mit der Erstellung einer sogenannte Initiative (Chronologie – Ch –, 8. Oktober 2013 Kdo Heer). Die Beauftragung durch das Kommando Heer lautete: „AHEntwg wird gebeten eine Initiative mit Federführung, unter Beteiligung der Teilstreitkräften/Organisationsbereichen (TSK/OrgBer), mit hoher Priorität, unter Beachtung der Vorgaben zu * Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Beilagen als „VS – Nur für den Dienstgebrauch “ eingestuft. Sie sind im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und können dort von Berechtigten eingesehen werden. Drucksache 18/4999 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode erarbeiten und bis zum Termin 22. November 2013 bei Kdo H II 1 2 vorzulegen . Kdo H II 1 3 ist nachrichtlich zu beteiligen.“ Diese Initiative wurde im Rahmen einer Besprechung im BMVg am 14. November 2013 (Ch 14. November 2013 BMVg) auf eine Initiative zur Produktverbesserung G36 fokussiert. Der Integrierte Planungsprozess (IPP) sieht vor, dass in dem Dokument ‚Initiative ‘ Forderungen definiert werden, die dann auf Ebene des PlgABw organisationsbereichsübergreifend harmonisiert werden. Am 31. März 2014 legte Kdo H die „Initiative G36 Produktverbesserung (PV)“ beim PlgABw zur weiteren Bearbeitung vor (Beilagen 17-1 und 17-2)*. Hier erfolgte eine Erstbewertung der Initiative. Im Juni 2014 wurde mit Hinweis auf die laufenden Untersuchungen der AG „G36 in Nutzung“ die Bearbeitung der Initiative durch das PlgABw angehalten. Unter Berücksichtigung der zurückliegenden Untersuchungen zum Gewehr G36 waren die Ergebnisse des nunmehr vorliegenden Abschlussberichts zu Fragen der Folge von schussinduzierter Erwärmung sowie einer Treffpunktverlagerung aufgrund klimatischer Veränderungen zunächst abzuwarten, um die Forderungen an ein Sturmgewehr bewerten zu können. Auf der Grundlage des nun vorgelegten „Abschlussberichts der weiteren Untersuchung am Gewehr G36“ erfolgte die Beauftragung eines CPM-Dokuments „Fähigkeitslücke und Funktionale Forderung“ (FFF). Nach Vorliegen der Forderungslage erfolgt bei Neubeschaffung ein Teilnehmerwettbewerb mit Vergleichserprobung. Diesem folgt die Integrierte Nachweisführung mit dem Ziel der Genehmigung zur Nutzung. Für den Gesamtprozess muss mit einem Zeitbedarf von drei bis vier Jahren gerechnet werden. 18. Inwieweit wurde im BMVg, bei der Bundeswehr und/oder nachgeordneten Dienststellen bereits über ein Nachfolgemodell für das G36 diskutiert, und wenn ja, waren Hinweise auf mögliche oder tatsächliche Probleme beim G36 ein Grund dafür? Zur Beantwortung dieser Frage wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. 19. Inwieweit wurde im BMVg, bei der Bundeswehr und/oder nachgeordneten Dienststellen Verkäufe und/oder Länderabgaben und/oder Schenkungen des G36 bereits diskutiert, und wenn ja, waren Hinweise auf mögliche oder tatsächliche Probleme beim G36 ein Grund dafür? Als Hilfeleistung im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ im Norden des Iraks wurden den kurdischen Peschmerga neben weiteren Ausrüstungsgegenständen und Fahrzeugen bislang 8 000 Gewehre G36 und Munition geliefert. Hinweise auf mögliche oder tatsächliche Probleme beim G36 waren nicht der Grund für die Überlassung der Gewehre, sondern die von den Peschmerga erbetene Ausstattungshilfe . * Das Bundesministerium der Verteidigung hat die Beilagen als „VS – Nur für den Dienstgebrauch “ eingestuft. Sie sind im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und können dort von Berechtigten eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/4999 20. Inwieweit wurde die Beschaffung eines Sturmgewehrs als Ersatz für das G36 bereits beschleunigt in Angriff genommen, und wenn ja, haben die im Bericht vom 17. April 2015 zusammengefassten Erkenntnisse dazu geführt ? Auf die Antwort zu Frage 17 wird verwiesen. 21. Gab es zu irgendeinem Zeitpunkt Untersuchungen bzw. Ermittlungen des Militärischen Abschirmdienstes wegen einer Weitergabe amtsinterner Informationen mit G36-Bezug an Dritte (wenn ja, bitte angeben, wann und wie lange und aufgrund welchen Vorfalls; bitte die jeweils illegal weitergegebenen Informationen als Dokument beifügen)? Der Militärische Abschirmdienst hat im Kontext der G36-Thematik keine Ermittlungen oder Untersuchungen durchgeführt oder war an solchen beteiligt. 22. Sind jemals Beschaffungsvorhaben für das G36 – in welcher Variation auch immer – angehalten, zurückgestellt, verändert oder infrage gestellt worden, weil es Hinweise auf mögliche Mängel, Probleme bzw. Auffälligkeiten gegeben hat? Im Zusammenhang mit den Ergebnissen erster Versuche an der WTD 91 mit Schadwaffen G36 im Jahr 2011 (siehe auch die Antwort zu Frage 25) sind seitens der Beteiligten Beschaffungsvorhaben zu Gewehren G36 erstmalig infrage gestellt worden. In einem Vortrag der WTD 91 mit Stand Dezember 2011 wurde in der Schlussfolgerung die Möglichkeit aufgezeigt, im Rahmen der Vergleichserprobung „Scharfschützengewehr, kurze Reichweite“ ein Nachfolgemodell für das Gewehr G36 zu ermitteln (siehe auch die Antwort zu Frage 14). Die weiterführende Beantwortung dieser Frage ergeht aus der Antwort zu Frage 23. 23. Wenn ja, wann wurden durch wen welche konkreten Vorhaben (unter Angabe der genauen Bezeichnung, des Datums, des Beschaffungswertes und der Beschaffungszahl) aufgrund welcher Meldungen bzw. Erkenntnisse in welcher Form angehalten, zurückgestellt, verändert oder infrage gestellt? Nach Vorliegen erster Erkenntnisse aus den Untersuchungen der WTD 91 hat das BWB, Referat K6.2, Ende des Jahres 2011 die Absicht erklärt, die auf Grundlage einer gebilligten Zwischenentscheidung geplante Beschaffung des „G36k Basis“ (Variante A4, kurz, 3 951 Waffen) sowie das Projekt G36 Basis (Variante A4, lang, Umrüstung von 3 326 Waffen) nicht umzusetzen und nicht zum Haushalt 2013 anzumelden. 24. Wurde jemals eines dieser ggf. angehaltenen, zurückgestellten, veränderten oder infrage gestellten G36-Beschaffungsprojekte danach doch wieder auf den Weg gebracht? Die seinerzeit hoch priorisierten Planungen zur Beschaffung von Gewehren G36 wurden weitergeführt. Bei den bestellten Gewehren G36 handelt es sich um 3 770 Waffen der Version G36k A4, vorgesehen für Spezialkräfte und spezialisierte Kräfte. Da der Hauptbedarfsträger KSK Gewehre G36 mit kurzem Rohr schon in Nutzung hatte und diese sich grundsätzlich bewährt hatten, wurde die Beschaffung schließlich mit Vertragsabschluss vom 5. August 2013 über 3 770 Gewehre G36k A4 nach den geltenden Verfahren eingeleitet. In erster Linie wurden Än- Drucksache 18/4999 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode derungen zur besseren Handhabbarkeit und der Möglichkeiten des Anbringens von Zubehör insbesondere zur Verbesserung der Nachtkampffähigkeit umgesetzt . Die Umrüstung von 5 870 Gewehren G36 A4 (lang) unterliegt derzeit dem in der 18. Sitzung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages am 2. Juli 2014 ausgesprochenen Beschaffungsvorbehalt. 25. Wenn ja, aufgrund welcher neuen Erkenntnisse geschah dies, und wer genau hat jeweils die Entscheidung zur Wiederaufnahme dieser Beschaffungen gefällt? Da der Hauptbedarfsträger KSK Gewehre G36 mit kurzem Rohr schon in Nutzung hatte und diese sich grundsätzlich bewährt hatten, wurde das BWB durch den damals zuständigen Referatsleiter im BMVg angewiesen, die seinerzeit mit hoher Priorität versehenen Beschaffungsplanungen des BWB weiterzuführen . Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333