Deutscher Bundestag Drucksache 18/5075 18. Wahlperiode 08.06.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden), Markus Tressel, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4767 – Kritik der europäischen Flugaufsichtsbehörde am Luftfahrt-Bundesamt Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Europäische Agentur für Flugsicherheit EASA hat offenbar im Jahr 2014 den Personalmangel beim Luftfahrt-Bundesamt (LBA) beanstandet (vgl. Zeit Online vom 8. April 2015 „EU-Kommission rügte Deutschland 2014 wegen Pilotenaufsicht“). Diese Personalmängel sind nach Erkenntnissen der Fragesteller nicht neu. Bereits im Jahr 2011 hat die Europäische Kommission das LBA wegen „Mangel an qualifiziertem Personal“ gerügt (vgl. www.focus.de „EU rügt mangelnde Luftaufsicht in Deutschland“, 20. April 2011). Weitere Unzulänglichkeiten wurden offenbar bei flugmedizinischen Tauglichkeitsprüfungen und der Aufsicht über die Ärzte, die sie durchführen, sowie bei der „Pseudonymisierung“, also dem Unkenntlichmachen von Namen in Berichten über die tatsächliche Gesundheit der Piloten identifiziert (vgl. www. derwesten.de, „Seit längerem Mängel bei Flugmedizinchecks in Deutschland“, 1. April 2015). Bislang gibt es auch keine Pflicht zur Vorlage der Pilotenlizenz beim Fliegerarzt (behördlich durch LBA gestellter Arzt; vgl. DIE WELT, 13. April 2015, S. 11). Diese und weitere Mängel wurden letztes Jahr dem LBA in einem Audit mitgeteilt . Sowohl der Mängelbericht der EASA als auch die deutsche Antwort darauf sind bis heute nicht öffentlich. Laut Europäischer Kommission befinde sich ein deutscher Plan zur Mängelbehebung gerade bei der Europäischen Kommission in der Bewertung (vgl. www.wsj.com, 4. April 2015). 1. Wie viele Stellen sind beim LBA derzeit unbesetzt? Beim LBA sind derzeit insgesamt 49,75 Stellen frei besetzbar. Bis Ende des JahDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 5. Juni 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. res sollen freie Stellen sukzessive besetzt werden. Drucksache 18/5075 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 2. Wie viele Stellen mit Leitungsfunktion (Abteilungsleiter u. a.) sind derzeit unbesetzt oder werden nur kommissarisch ausgeübt (bitte die Stellen mit Bezeichnung tabellarisch auflisten)? Zurzeit ist die Leitung des Referats S 1 unbesetzt. 3. In welchem Umfang fand in den letzten fünf Jahren ein Personalaufwuchs beim LBA statt (bitte nach Jahr tabellarisch darstellen)? Der Personalaufwuchs in den letzten fünf Jahren umfasst 203 Vollzeitkräfte, nach Einzeljahren: 32 Planstellen im Jahr 2011; 91,5 Planstellen im Jahr 2012; 40,5 Planstellen im Jahr 2013; 30 Planstellen im Jahr 2014; 9 Planstellen im Jahr 2015. Dies zeigt einen Personalaufwuchs beim LBA in einem bislang nicht gekannten Maße. 4. Was hat die europäische Luftaufsichtsbehörde EASA in ihrem Audit aus dem Jahr 2014 im Einzelnen beanstandet? Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) hat Beanstandungen in den Bereichen Flugmedizin, Luftfahrttechnik und Lizenzierung von Luftfahrtpersonal vorgebracht. 5. Was konkret hat die EASA in ihrem Audit aus dem Jahr 2014 hinsichtlich des deutschen Systems der flugmedizinischen Tauglichkeitsprüfungen beanstandet ? Die Beanstandungen der EASA vom 11. Juli 2014 bezogen sich auf die Rechtslage vor Inkrafttreten der Änderungsverordnung zur Verordnung über Luftfahrtpersonal (LuftPersV). Sie betrafen insbesondere die Anwendung der Verfahrensregeln für die Zulassung oder Wiederzulassung von flugmedizinischen Sachverständigen und Zentren und die Gewährleistung einer wirksamen Aufsicht über die flugmedizinischen Sachverständigen und Zentren, die Verfahren bei der Zweitüberprüfung in grenzwertigen und strittigen Fällen sowie die Übermittlung von Daten durch die flugmedizinischen Sachverständigen und Zentren an das LBA. 6. Ist es zutreffend, dass die EASA kritisiert hat, dass im LBA Personal davon abgehalten wird, medizinische Unterlagen zu prüfen (vgl. Report Mainz vom 14. Februar 2015), und wenn ja, mit welcher Begründung? 7. Ist es zutreffend, dass die EASA kritisiert hat, dass es beim LBA kein Verfahren gibt, um Tauglichkeitszeugnisse zu überprüfen und ungültig zu machen (vgl. Report Mainz vom 14. Februar 2015), und wenn ja, mit welcher Begründung? 8. Ist es zutreffend, dass die EASA kritisiert hat, dass das LBA nicht die not- wendige Kompetenz hat, um seine Verantwortung im Rahmen der Sicherstellung der Flugtauglichkeit der lizenzierten Flugzeugführer zu erfüllen Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5075 (vgl. Report Mainz vom 14. Februar 2015), und wenn ja, mit welcher Begründung ? Die Fragen 6 bis 8 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die EASA hat die genannten Punkte angesprochen. Eine Begründung erfolgte jeweils nicht. 9. Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus den Beanstandungen der EASA im Einzelnen gezogen? Was hat das LBA der EASA auf die Beanstandungen erwidert? Bei der Erstellung der Änderungsverordnung zur LuftPersV, mit der die nationalen Zuständigkeiten und Verfahren zur Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 festgelegt werden, wurden Beanstandungen der EASA berücksichtigt . Auch wurde die Personalsituation im LBA weiter verbessert. Das LBA hat schon während der Inspektion der EASA im Juli 2014 einzelne Beanstandungen fachlich erläutert und das nationale Vorgehen begründet. 10. Liegt eine Antwort der EASA auf diese Stellungnahme vor, und welchen Inhalt hat diese? Die Antwort bezog sich auf einen vom LBA vorgelegten Korrekturplan in Bezug auf die Flugmedizin und die Bitte um eine Konkretisierung der Abhilfemaßnahmen und einen Zeitplan zur Umsetzung. 11. Welche Fragen hat die Europäische Kommission der Bundesregierung aufgrund des EASA-Berichts gestellt? Es wurden keine Fragen gestellt. 12. Hat die Europäische Kommission aufgrund des EASA-Berichts ein Aufforderungsschreiben an Deutschland geschickt, und wenn ja, wegen Verstoßes gegen welche Verordnung bzw. gegen welche Verordnungen? Wann wurde dieses Schreiben verschickt? Ja. Das Schreiben wurde am 7. Oktober 2014 übermittelt und beinhaltete den Hinweis auf Verstöße gegen die Verordnungen der Kommission (EU) Nr. 748/ 2012 über Lufttüchtigkeitszeugnisse, (EU) Nr. 2042/2003 über die Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit und (EU) Nr. 1178/2011 in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt. 13. Wann hat die Bundesregierung der Europäischen Kommission zu diesen aufgeworfenen Fragen eine Antwort übermittelt? Welche Antworten hat die Bundesregierung der Europäischen Kommission konkret übermittelt? Die Bundesregierung hat der Europäischen Kommission am 1. Dezember 2014 eine Antwort übermittelt. Neben dem Hinweis auf die geänderten Rechtsvorschriften nahm die Bundesregierung auch Stellung zu der Personalsituation. Drucksache 18/5075 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 14. Seit wann gilt die Verordnung zur Anpassung luftrechtlicher Bestimmungen in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt an die Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates in Deutschland? Die Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 gilt in der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf die flugmedizinischen Anforderungen seit dem 9. April 2013. 15. Wann wurde die Anpassung der nationalen Rechtsverordnungen an die Vorgaben der EU Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates in Deutschland vorgenommen, und was ist abgeändert worden? Die am 24. Dezember 2014 in Kraft getretene Änderungsverordnung zur LuftPersV hat die unmittelbar geltende Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 im Hinblick auf die nationalen Zuständigkeiten und Verfahren konkretisiert. 16. Welche Störungen müssen zur abschließenden Tauglichkeitsentscheidung vom Fliegerarzt an das LBA seit April 2013 verwiesen, also abgetreten werden? Die Anlässe, bei denen die Entscheidung über die Tauglichkeit an das LBA verwiesen werden muss, sind seit dem 24. Dezember 2014 in § 21 Absatz 3 LuftPersV festgelegt. 17. Gelten Sondergenehmigungen für die Tauglichkeit eines Piloten, die Fliegerärzte vor April 2013 ausgesprochen haben, auch für den Zeitpunkt danach? Aus welchen Gründen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung in diesen Fällen keine medizinischen Gutachten zur aktuellen Flugtauglichkeit eingeholt? Ja. Der Bundesregierung liegen keine entsprechenden Erkenntnisse vor, da die Flugmediziner abschließend entscheiden. 18. Besteht eine Pflicht zur Vorlage der Pilotenlizenz beim Fliegerarzt? Wie beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Absturzes der Germanwings-Maschine eine Sicherstellung der Information der untersuchenden Fliegerärzte im Hinblick auf alle Inhalte der Pilotenlizenz? Eine Vorlage der Pilotenlizenz beim Flugmediziner ist nach der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 nicht vorgesehen. 19. Wie bewertet die Europäische Kommission nach Kenntnis der Bundesregierung die Tatsache, dass dem LBA nur ein „pseudonymisierter“ Bericht Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5075 der ärztlichen Flugtauglichkeitsuntersuchung, die einem Piloten nicht persönlich zugeordnet werden kann, übermittelt wird? Der Bundesregierung liegt keine Bewertung der Europäischen Kommission zur Pseudonymisierung vor. 20. Welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem in Schweden angewendete System, in dem alle behandelnden Ärzte von Piloten den Behörden Bericht erstatten und diese Daten von der Behörde gebündelt werden (www.swr.de vom 15. April 2015 „Fragwürdige Flugtauglichkeitsuntersuchungen: Warum sich Deutschland gegen mehr Transparenz wehrt)? Inwieweit ist nach Auffassung der Bundesregierung ein derartiges System geeignet, das Risiko eines solchen Absturzes zu reduzieren? Die Beratungen der vom Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) eingesetzten Task Force sind noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung wird aus den Ergebnissen der Beratungen die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen. 21. Ist es nach Kenntnis der Bundesregierung zutreffend, dass europäische Länder die Übernahme deutscher Flugtauglichkeitszeugnisse in ihrem Zuständigkeitsbereich mittlerweile verweigern, und wenn ja, aus welchen Gründen? Welche Länder sind das? Welche Konsequenzen beabsichtigt die Bundesregierung daraus zu ziehen ? Nein. 22. Wie wird die Lizenzvergabe für flugmedizinische Sachverständige beaufsichtigt , und wie soll sichergestellt werden, dass Piloten nicht nach einer negativen Beurteilung den Fliegerarzt wechseln („doctor hopping“)? Die flugmedizinischen Sachverständigen werden nicht lizenziert, sondern vom LBA anerkannt und beaufsichtigt. Gemäß Absatz MED.A.035 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 müssen die Bewerber für eine Verlängerung oder Erneuerung des Tauglichkeitszeugnisses vor Beginn der entsprechenden Untersuchungen das Tauglichkeitszeugnis vorlegen und der Flugmediziner hat nach Beendigung der Untersuchung einen Bericht zu erstellen. 23. Wie beabsichtigt die Bundesregierung die Unterstützung der Piloten sicherzustellen , die unter psychischen Krankheiten oder Suchterkrankungen leiden, damit das Eingestehen einer solchen Krankheit für die Piloten nicht das Ende ihrer wirtschaftlichen Existenz bedeutet? Nach Auffassung der Bundesregierung ist es vorrangig Aufgabe der jeweiligen Arbeitgeber, Piloten mit psychischen Krankheiten oder Suchterkrankungen in ihrer wirtschaftlichen Existenz zu stützen. Drucksache 18/5075 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 24. Was sind die Ziele der vom Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Alexander Dobrindt angekündigte Task Force zu diesem Thema? Die Task Force wurde am 2. April 2015 unter dem Dach des BDL einberufen. Die Task Force beschäftigt sich im Schwerpunkt mit Verfahren zur Regelung des Cockpit-Zugangs und mit der flugmedizinischen Untersuchung. 25. Wer gehört der Task Force an, und bis wann sollen Ergebnisse vorliegen? Neben dem BDL, den deutschen Fluggesellschaften als dessen Mitgliedern und den Behörden nimmt auch die Pilotengewerkschaft Cockpit teil, bei den Erörterungen des Cockpit-Zugangs zusätzlich auch die Flugbegleiter-Gewerkschaft (UFO). Im Bereich Flugmedizin nehmen auch Flugmediziner sowie psychologische und psychiatrische Sachverständige an den Beratungen teil. Ein Termin, bis wann Ergebnisse vorliegen sollen, wurde nicht festgelegt, da die Ergebnisse vom weiteren Verlauf der Flugunfalluntersuchung abhängig sind. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333