Ko rre ktu r Korrektur Deutscher Bundestag Drucksache 18/5166 18. Wahlperiode 12.06.2015 K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 1 , C ha rly Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 10. Juni 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulle Schauws, Özcan Mutlu, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/4903 – Deutsche Kolonialgeschichte in Namibia Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 1883 erwarb der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz von dem NamaCaptain Joseph Fredericks große Gebiete um die Bucht von Angra Pequena (Lüderitzbucht). Adolf Lüderitz wollte in Südwestafrika eine deutsche Kolonie gründen. Reichskanzler Otto von Bismarck erklärte im Jahr 1884 Südwestafrika zum deutschen Schutzgebiet. Im Jahr 1889 wurde die erste deutsche Schutztruppe nach Südwestafrika entsandt. In den Folgejahren drangen immer mehr deutsche Händler und Farmer ins Land ein, die Erschließung von Deutsch-Südwestafrika schritt voran und erste Konflikte brachen aus. Die Einheimischen mussten immer mehr um Weiden und Wasser fürchten. Im Jahr 1904 brach der Herero-Aufstand aus, der schnell auf das gesamte Herero-Gebiet übergriff. Generalleutnant Lothar von Trotha, dem das Oberkommando über die deutschen Truppen übertragen worden war, wollte das Volk der Herero ein für alle Mal vernichten. In der Schlacht vom Waterberg im August 1904 ließ Lothar von Trotha Tausende von Herero einkesseln und trieb das Volk der Herero in die Wüste. Drei Viertel aller Hereros verloren dabei ihr Leben. In der Gewissheit eines ähnlichen Schicksals erhoben sich nun auch die Nama gegen die Deutschen und führten einen erbitterten Guerillakrieg gegen die koloniale Fremdherrschaft. Allein von den Herero wurden bis zum Jahr 1907 weitere 20 000 bis 30 000 Menschen ermordet. Allen Herero und Nama wurde das Recht auf Land- und Viehbesitz genommen, die Stammesgebiete und eventueller Besitz wurden eingezogen . Männer, Frauen und Kinder wurden in Konzentrationslager getrieben , wo Tausende an den klimatischen Bedingungen, an Hunger und Entkräftung elendig zu Grunde gingen, Überlebende wurden in Reservaten „angesiedelt “. Nach dem Jahr 1907 waren die Gemeinschaften der Nama und Herero so gut wie vernichtet. Damit vollzog sich nach der Auffassung von Historikern nach heutigen Maßstäben der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts. Der Genozid wurde durch die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1948 beschlossene Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes als Völkermord anerkannt. V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur Drucksache 18/5166 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 2 Am 14. August 2004 hielt die damalige Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, eine Rede anlässlich der Gedenkfeierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Herero-Aufstände in Okakarara (Namibia). In dieser Rede bekannte sie sich zu der historischpolitischen , moralisch-ethischen Verantwortung und zu der Schuld, die Deutsche damals auf sich geladen haben, und erklärte, dass das Gedenkjahr 2004 zum Jahr der Versöhnung werden soll. Während der Bundestagsdebatte am 1. März 2012 zum Thema „Die deutschen Kolonialverbrechen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika als Völkermord anerkennen und wiedergutmachen“ musste die Bundesministerin a. D. feststellen, dass die Bundesregierung es in den Jahren zuvor verpasst hat, die von ihr geforderte Versöhnungsinitiative in die Praxis umzusetzen und eine nachhaltige finanzielle Entwicklungszusammenarbeit für Namibia bereitzustellen. Darüber hinaus merkte sie an, dass die namibische Delegation beim Besuch im September 2011 bei der Übergabe der Gebeine ihrer verschleppten Vorfahren durch die Bundesregierung völlig instinkt- und perspektivlos behandelt wurde und somit die Beziehung beider Länder schwer belastet wurde. Die Verbrechen des Kolonialismus sind eines der dunkelsten Kapitel in der deutschen Geschichte, das in der Erinnerungskultur noch immer viel zu wenig Beachtung findet und Gefahr läuft, vergessen zu werden. Nicht zuletzt zeigt sich die mangelnde Aufmerksamkeit für dieses Thema darin, dass die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte in den Schulen so gut wie keinen Raum einnimmt . Das demokratische Deutschland hat aber die moralische Verpflichtung, seine Kolonialgeschichte angemessen aufzuarbeiten. 1. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Einschätzung von Historikerinnen und Historikern und der Bundesministerin a. D. Heidemarie Wieczorek-Zeul, dass die Gewalttaten der Jahre 1904 bis 1908 als Vernichtungskrieg und damit als Völkermord an den Herero und Nama bezeichnet werden können (www.sueddeutsche.de vom 2. Mai 2015, „Dieser Schritt ist unvermeidlich“, www.windhuk.diplo.de vom 14. August 2004)? Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, und seine namibische Amtskollegin, Netumbo Nandi-Ndaitwah, haben bei ihrer Begegnung am 2. Juni 2014 in Berlin einen Dialogprozess begonnen. Dieser umfasst erstmals auch die Suche nach einer gemeinsamen Haltung und einer gemeinsamen Sprache in Bezug auf den grausamen Kolonialkrieg der Jahre 1904 bis 1908. Dabei fließt der Stand der öffentlichen Debatten in Deutschland und Namibia mit ein. Die Gespräche sind dabei gut vorangekommen, aber noch nicht abgeschlossen. Beide Seiten möchten die notwendigen Schritte gemeinsam gehen , denn Aufarbeitung der geteilten Geschichte und Versöhnung können nur gemeinsam gelingen. 2. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen, um in Deutschland an die kolonialen Gewalttaten der so genannten Schutztruppe in den ehemaligen deutschen Kolonien zu erinnern? 3. Inwiefern gab es gesonderte und konkrete Maßnahmen, um an die besonders gravierenden Kriegs- und Menschenrechtsverbrechen der deutschen Kolonialmacht gegenüber den Herero und Nama zu erinnern? Die Fragen 2 und 3 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung befürwortet einen offenen Diskurs zur deutschen Kolonialvergangenheit und eine würdige Aufarbeitung der in diesem Kontext geschehenen Gewalttaten. Die Bundesregierung ist dabei bestrebt, im Rahmen ihrer Förderprogramme (z. B. Kulturerhalt-Programm und „Aktion Afrika“ des Auswärtigen Amts, Kleiner Kulturfonds der Botschaften, TURN-Fonds der V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/5166 K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 3 Bundeskulturstiftung, Programmarbeit des Goethe-Instituts e. V.) im In- und Ausland Projekte und Maßnahmen mit Bezug zur Kolonialgeschichte zu unterstützen . Die Einzelprojekte unterliegen dem jeweiligen Antragsverfahren. Beispielhafte Maßnahmen, die in jüngerer Zeit im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik gefördert wurden, sind: – Im Rahmen des aus Mitteln der „Aktion Afrika“ des Auswärtigen Amts ge- förderten Literaturfestival der „Bayreuth International Graduate School for African Studies“ (Universität Bayreuth), das unter dem Motto „Literatures of/and Memory – 1884, 1904, 1914“ vom 26. bis zum 28. Juni 2014 stattfand, widmete sich am 28. Juni 2014 ein Round Table dem Kolonialkrieg im damaligen Deutsch-Südwestafrika (1904 bis 1908). Eine szenische Lesung mit Vortrag zum Thema „Afrikanische Stimmen des Widerstands gegen den deutschen Kolonialismus“ fand am gleichen Tag statt. – Im Rahmen der ebenfalls aus Mitteln der „Aktion Afrika“ geförderten Filmreihe zu zeitgenössischem afrikanischen Kino des Africavenir e. V. fand am 25. März 2015 im Hackesche Höfe Kino Berlin die Deutschlandpremiere des Films „Waterberg to Waterberg – In den Fußstapfen von Samuel Maharero“ (Regie: Andrew Bottell) statt. Der Film widmet sich dem Leben Samuel Mahareros, der den Widerstand der Herero gegen die deutsche Kolonialadministration im heutigen Namibia mit anführte. Im Fokus steht dabei neben den Kämpfen am Waterberg sowie der Flucht der Herero durch die Omaheke vor allem das anschließende Exil Samuel Mahareros im heutigen Botsuana und Südafrika. – Im Rahmen des Kulturerhalt-Programms des Auswärtigen Amts wurde im Jahr 2008 die Restaurierung des „Memorial Park Cemetery“ bei Swakopmund -Kramersdorf im heutigen Namibia gefördert. Der „Memorial Park Cemetery “ versteht sich als Gedenkstätte und dient der Versöhnung. Eine neue Umfriedung vereint symbolisch die vormals durch eine Mauer getrennten Gräber der (meist anonymen) Opfer der deutschen Kolonialherrschaft mit Gräbern der „weißen“ Bevölkerungsminderheit. – Aus Mitteln des Kleinen Kulturfonds des Auswärtigen Amts wurde im Jahr 2014 die Publikation des Kinderbuchs „Jahohora und der Erste Tag“ von Mari Serebrov, der Adoptivtochter des verstorbenen „Paramount Chief“ Kuaima Riruako, unterstützt. Das Buch ist in den Sprachen Otjiherero, Englisch und Deutsch erschienen und erzählt auf kindgerechte Weise den Entstehungsmythos des Herero-Volkes. – In den Jahren 2001 bis 2011 unterstützte die Bundesregierung im Rahmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit das Nationalarchiv der Republik Namibia mit insgesamt rund 1,3 Mio. Euro beim Aufbau eines Dokumentationszentrums zur Aufarbeitung der Geschichte des namibischen Widerstands und des Befreiungskampfes. Dabei wurden Materialien des antikolonialen Widerstands gesichert, durch Forschungen ergänzt und die Ergebnisse in die politische Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit eingebracht. Durch diese Maßnahme wurde ein sichtbarer Beitrag zur offenen Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialvergangenheit in Namibia geleistet. Eine vollständige Übersicht über alle Maßnahmen mit Bezug zur deutschen Kolonialgeschichte liegt der Bundesregierung nicht vor. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 sowie 15 bis 17 verwiesen. V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur Drucksache 18/5166 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 4 4. In welcher Form bekennt sich die Bundesregierung zur historisch-politischen sowie zur moralisch-ethischen Verantwortung für das Unrecht, das von 1904 bis 1908 an den Herero und Nama begangen wurde? Die Bundesregierung hat sich wie auch der Deutsche Bundestag vor dem Hintergrund unserer geteilten Geschichte wiederholt zur besonderen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Republik Namibia und allen ihren Bürgerinnen und Bürgern bekannt, einschließlich der Gemeinschaften der Herero, Nama, Damara und San, die unter der Kolonialherrschaft des Deutschen Reiches über Südwestafrika in den Jahren 1884 bis 1915 besonders zu leiden hatten. Im Bewusstsein der historischen Verantwortung Deutschlands hatte sich die Bundesregierung bereits seit den 70er-Jahren für die Unabhängigkeit der Republik Namibia, die schließlich im Jahr 1990 erreicht wurde, eingesetzt und treibt seither den Aufbau einer umfassenden bilateralen Partnerschaft mit dem noch jungen namibischen Staat voran. Dabei besteht Einigkeit zwischen der Bundesregierung und der namibischen Regierung, dass die offizielle deutschnamibische Zusammenarbeit auch den innernamibischen Versöhnungsprozess unterstützen soll. 5. Warum wurde in der offiziellen schriftlichen Übersetzung der im Jahr 2004 in Namibia auf Englisch gehaltenen Rede der Bundesministerin a. D. Heidemarie Wieczorek-Zeul die Aussage „The atrocities, the murders, the crimes committed at that time – are today termed genocide“ nach Auffassung der Fragesteller unvollständig und im Konjunktiv mit „Die damaligen Gräueltaten waren das, was heute als Völkermord bezeichnet würde“ übersetzt und wiedergegeben? Es wurden damals eine deutsche und eine englische Version der Rede erarbeitet, wobei die deutsche Version zuerst vorlag und der Sprachendienst des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hierzu eine englische Übersetzung anfertigte. Der schriftliche englische Text lautete: „The atrocities committed at that time would today be termed genocide.“ 6. Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung seit der „Entschuldigungsrede “ der Bundesministerin im Jahr 2004 in Namibia unternommen, um die Opfer und deren Nachkommen um Vergebung zu bitten? Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass die politischen und militärischen Entscheidungsträger, die für die Gewaltexzesse während der Kolonialherrschaft des Deutschen Reiches über Südwestafrika verantwortlich waren, eine schwere Schuld auf sich geladen haben. Dieses historische Erbe belastet die Beziehungen zwischen unseren Völkern bis heute. Gleichzeitig ist der Wille zur politischen Aufarbeitung und Bewältigung der Vergangenheit von beiden Seiten immer wieder bekräftigt worden. Die Bundesregierung wird auch weiterhin mit ihren namibischen Partnern nach Wegen suchen, um den Prozess der Vergebung und Versöhnung gemeinsam voranzubringen. Im Übrigen wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 4 verwiesen. 7. Welche Position hat die Bundesregierung zur offiziellen Unterstützung der Herero- und Nama-Forderungen nach „restorative justice“ und deutschen Wiedergutmachungsleistungen außerhalb der Entwicklungszusammenarbeit durch das namibische Parlament im Jahr 2006? Die Bundesregierung sieht keine völkerrechtliche Grundlage für namibische Reparationsforderungen gegen die Bundesrepublik Deutschland. Diese Ein- V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/5166 K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 5 schätzung gilt unabhängig davon, welche namibischen Institutionen oder Interessengruppen solche Forderungen erheben. 8. Welche Maßnahmen wurden seit dem Jahr 2004 unternommen, um die „Partnerschaft auf allen Ebenen“ zwischen Namibia und Deutschland weiter auszubauen? Die Partnerschaft zwischen Deutschland und Namibia umfasst u. a. die diplomatischen Beziehungen, die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, eine besonders intensive Entwicklungszusammenarbeit, die Außenwirtschaftsförderung, die wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit, Maßnahmen im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative der Bundesregierung, lehrgangsgebundene Ausbildung im Rahmen der Militärischen Ausbildungshilfe sowie Projekte im Rahmen des Ausstattungshilfeprogramms der Bundesregierung für ausländische Streitkräfte. Eine Darstellung sämtlicher Aktivitäten und Einzelvorhaben , an denen die Bundesregierung seit dem Jahr 2004 beteiligt war, ist an dieser Stelle nicht möglich. Charakteristisch für die deutsch-namibischen Beziehungen ist zudem ein dichtes Netz von Kooperationen zwischen Kommunen, Kirchen, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Privatpersonen. 9. In welchem Stadium befindet sich die von Bundesministerin a. D. Heidemarie Wieczorek-Zeul im Jahre 2004 angekündigte „Versöhnungsinitiative “ (www.ag-friedensforschung.de vom 13. August 2004, „Bundesentwicklungsministerin Wieczorek-Zeul in Namibia – Ihre Rede und ein Kommentar“)? In der Folge ihrer Namibia-Reise im Jahr 2004 kündigte die damalige Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, zwei politische Schritte an: Erstens eine Verdoppelung der Leistungen der Entwicklungszusammenarbeit innerhalb von fünf Jahren und zweitens eine Sonderinitiative zur Unterstützung der nationalen Versöhnung in Namibia. Für die Sonderinitiative wurden zusätzliche Mittel der Finanziellen Zusammenarbeit in Höhe von insgesamt 31 Mio. Euro bereitgestellt. Die Mittel sind vorgesehen für Maßnahmen der Kommunalentwicklung in den Siedlungsgebieten der Gemeinschaften der Herero, Nama, Damara und San, die in besonderer Weise unter der deutschen Kolonialherrschaft gelitten hatten. Die Maßnahmen sollen die Lebensbedingungen in diesen Gebieten verbessern und können wirtschaftliche , soziale und kulturelle Ziele verfolgen. Sie kommen allen Menschen in diesen Gebieten zu Gute und unterstützen damit die namibische Politik der nationalen Versöhnung. Insgesamt handelt es sich um fast 200 Einzelmaßnahmen. Sie bestehen z. B. aus der Rehabilitierung und dem Ausbau von Schulinfrastruktur (Klassenräume, Sportplätze etc.) und dem Bau von örtlichen Kulturzentren. Die Sonderinitiative setzt ausdrücklich auf einen in die Zukunft gerichteten Entwicklungsprozess . In ihr werden Aspekte der Armutsbekämpfung und der Mitbestimmung sowie der Begegnung und Verständigung miteinander verknüpft. So wurden z. B. zur Stärkung kleiner und mittlerer Unternehmen, die Baumaßnahmen lokal ausgeschrieben. Die Umsetzung erfolgt eigenverantwortlich durch die Nationale Planungskommission der Republik Namibia. Die Mittel werden voraussichtlich bis Ende des Jahres 2015 vollständig ausgezahlt sein. Von Juni bis August 2015 findet eine von der namibischen Regierung beauftragte und aus Programm-Mitteln finanzierte Evaluierung der Sonderinitiative durch namibische Gutachterinnen und V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur Drucksache 18/5166 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 6 Gutachter statt. Die namibische Regierung und die Bundesregierung streben an, die Erkenntnisse aus der Evaluierung anschließend gemeinsam auszuwerten. 10. Wurde die unter Bundesministerin a. D. Heidemarie Wieczorek-Zeul angekündigte Verdoppelung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia (www.spdfraktion.de vom 21. März 2012, „Versöhnungsinitiative mit Namibia muss [vorangetrieben] werden“) inzwischen umgesetzt ? Wenn nein, warum nicht? Die Höhe der Zusagen, die die Bundesregierung in den vergangenen Jahren im Rahmen der offiziellen bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit der Republik Namibia getätigt hat, können der folgenden Tabelle entnommen werden: Die nächsten entwicklungspolitischen Regierungsverhandlungen mit der Republik Namibia werden voraussichtlich in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 in Berlin stattfinden. 11. Inwiefern wurden die Mittel aus der Entwicklungszusammenarbeit zur Entwicklung in den Gebieten eingesetzt, in denen die heutigen Nachfahren der Volksgruppen leben, die besonders unter den deutschen Enteignungen und Unterdrückungsmaßnahmen leiden mussten? Von der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit soll nach Auffassung der Bundesregierung grundsätzlich die gesamte Republik Namibia mit allen ihren Bürgerinnen und Bürgern profitieren. Zu speziellen Maßnahmen, die im Rahmen der Sonderinitiative in den Hauptsiedlungsgebieten der Herero, Nama, Damara und San durchgeführt werden, wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen . 12. Wurden in anderen Ländern, die ehemalige Kolonien des deutschen Reiches waren, Finanzmittel für die Entwicklungszusammenarbeit zur Kompensation der Kolonialzeit bereitgestellt (bitte nach Ländern, Jahren und Höhe der Aufwendungen aufschlüsseln)? Eine Bereitstellung von Mitteln im Sinne der Fragestellung erfolgte in anderen Ländern nicht. Die in der Antwort zu Frage 9 erläuterte Sonderinitiative ist auf die Republik Namibia beschränkt. Jahr der entwicklungspolitischen Regierungsverhandlungen Finanzielle Zusammenarbeit (in Mio. Euro) Technische Zusammenarbeit (in Mio. Euro) 2001 15 9,8 2003 16 7,8 2005/06 52 8,8 2007 55,1 12,8 2009 143 17,8 2011 93 34,8 2013 108 43,4 V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/5166 K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 7 13. Welche konkreten Maßnahmen hat die Bundesregierung unternommen, um den im Rahmen der Landreform vorgesehenen Rückkauf des den Herero und Nama sowie anderen Volksgruppen von deutschen Siedlern geraubten Landes zu unterstützen? Namibia ist auch 25 Jahre nach seiner Unabhängigkeit mit Problemen konfrontiert , die sich aus der ungleichen Landverteilung ergeben. 52 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen werden als kommerzielles Farmland genutzt. Die namibische Regierung verfolgt zwei Ansätze, um Land an Angehörige ehemals benachteiligter Bevölkerungsgruppen umzuverteilen: Zum einen werden aufgelassene Farmen an neue Eigentümer aus ehemals benachteiligten Bevölkerungsgruppen verkauft; diese können dabei auf staatliche Förderkredite zurückgreifen . Zum anderen erwirbt die namibische Regierung Farmen und teilt sie als Pachtland in Größen zwischen 1 000 und 3 000 Hektar auf. Die Bundesregierung unterstützt die namibische Regierung beim Aufbau der Katasterämter und bei der Festlegung von Nutzungsrechten für bestimmte Flächen . Daneben werden Neufarmerinnen und Neufarmer ausgebildet sowie mit Methoden der angepassten Landnutzung vertraut gemacht. 14. Sind die vom deutschen Kolonialismus besonders betroffenen Herero und Nama in die Gestaltung der „Versöhnungsinitiative“ mit einbezogen worden? Wenn ja, in welcher Form? Projektträger auf namibischer Seite ist die Nationale Planungskommission. Die Leitung dieser Behörde hat die Sonderinitiative zu Beginn des Programms vor Ort der Bevölkerung vorgestellt. Die Bundesregierung und die namibische Regierung haben im Rahmen der Umsetzung der Sonderinitiative ein Konsortium von Beratungsfirmen als Projektmanagementteam damit beauftragt, die Förderkriterien zu erarbeiten, die Auswahl- und Beteiligungskriterien zu entwickeln und die Umsetzung eng zu begleiten. Die einzelnen Gemeinden haben entsprechend ihrer Bedürfnisse die in der Antwort zu Frage 9 dargestellten Maßnahmen gegenüber der Nationalen Planungskommission vorgeschlagen. 15. Inwieweit gedenkt die Bundesregierung dafür Sorge zu tragen, dass das neu eingerichtete Goethe-Institut in Windhoek die Aufarbeitung des Massakers als kulturpolitischen Auftrag zur Versöhnung zwischen der deutschsprachigen Minderheit und der einstmals kolonisierten Bevölkerungsmehrheit versteht und umsetzt? Gemäß geltendem Rahmenvertrag aus dem Jahr 2004 führt das Goethe-Institut e. V. die ihm übertragenen Vertragsaufgaben der Förderung der Kenntnis der deutschen Sprache, der Pflege der internationalen kulturellen Zusammenarbeit sowie der Vermittlung eines umfassenden Deutschlandbildes durch Vermittlung von Informationen über das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben im Rahmen der Richtlinien des Auswärtigen Amts, aber in eigener Verantwortung aus. Der Generalsekretär des Goethe-Instituts e. V., Johannes Ebert, betonte in Gesprächen mit der namibischen Regierung am 28. und 29. Januar 2015 in Windhuk ausdrücklich, dass die kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialvergangenheit und das Ziel der Versöhnung für die Arbeit des GoetheInstituts e. V. in Namibia von besonderer Bedeutung sein werden. Die Bundesregierung begrüßt dies ausdrücklich. V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur Drucksache 18/5166 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 8 16. Wie könnte die Arbeit des Goethe-Instituts in Windhoek gestärkt und finanziell gesichert werden? Die Bewilligung zusätzlicher Haushaltsmittel für die institutionelle Förderung des Goethe-Instituts e. V. für das Haushaltsjahr 2015 im Rahmen des parlamentarischen Haushaltsverfahrens ermöglichte die seit längerem angestrebte Umwandlung des bisherigen, nach der Bundeshaushaltsordnung nur über Projektmittel förderfähigen Goethe-Zentrums in Windhuk in ein Goethe-Institut als fester Bestandteil des Netzes der Goethe-Auslandsinstitute. 17. In welcher Weise trägt die Bundesregierung zur Stärkung einer postkolonialen Erinnerungskultur und zur stärkeren Verbreitung des Wissens über Kolonialismus und den mit ihm verbundenen Rassismus in der Öffentlichkeit , in den Schulen und Universitäten bei? Die Bundesregierung unterstreicht die Bedeutung einer würdigen Kultur des Erinnerns und Gedenkens an die Kolonialzeit in Deutschland sowie der damit verbundenen Folgen für politische, kulturelle und wirtschaftliche Entwicklungen in der globalisierten Welt. Sie setzt sich aktiv für einen postkolonialen Diskurs in der deutschen Öffentlichkeit sowie an deutschen Bildungsstätten ein. Dabei sollten jedoch neben der innerdeutschen Debatte auch die teils divergenten Erinnerungskulturen in den ehemaligen deutschen Kolonialgebieten gewürdigt werden , da die Verständigung über Wert und Bedeutung der gemeinsamen Geschichte nur in einem offenen Dialog zwischen den Gesellschaften erreicht werden kann. Die vom Bund geförderte Stiftung Deutsches Historisches Museum in Berlin informiert in ihrer Dauerausstellung und durch das gemeinsam mit der bundesgeförderten Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und dem Bundesarchiv betriebene Online-Portal LeMO (Lebendiges Museum Online ) über die Geschichte des deutschen Kolonialismus. Die Stiftung Deutsches Historisches Museum wird voraussichtlich ab Oktober 2016 die Sonderausstellung „Deutsche Kolonialgeschichte“ zeigen. Das Auswärtige Amt sieht vor, mehrmonatige Residenzen zweier afrikanischer Wissenschaftler zu bezuschussen , die im wissenschaftlichen Beirat der Ausstellung deren Konzept mitentwickeln sollen. Im Jahr 2014 wurde aus Mitteln der „Aktion Afrika“ des Auswärtigen Amts das Literaturfestival der „Bayreuth International Graduate School for African Studies “ (Universität Bayreuth) gefördert, das unter dem Motto „Literatures of/and Memory – 1884, 1904, 1914“ (3. bis 6. Juni 2014) Kontinuitäten und Brüche in der Geschichte entlang der drei Daten Berliner Afrika-Konferenz (1884 bis1885), Kolonialkrieg im heutigen Namibia (1904 bis 1908) und Erster Weltkrieg (1914 bis 1918) behandelte. Über den Jahreswechsel 2014/2015 wurde ebenfalls aus Mitteln der „Aktion Afrika“ des Auswärtigen Amts die Veranstaltungsreihe „We are tomorrow – Visionen und Erinnerung anlässlich der Berliner Konferenz 1884“ am Ballhaus Naunynstraße Berlin gefördert, die sich mit einhundertdreißigjährigem Abstand über den historischen Zeitraum der Berliner Afrikakonferenz (November 1884 bis Februar 1885) hinweg mit den Spätfolgen der Konferenz für die afrikanischen Gesellschaften sowie die afrikanische Diaspora auseinander setzte. Neben Literaturlesungen, Tanz-, Theater- und Filmaufführungen wurden im Rahmen von „We are tomorrow“ auch postkoloniale Stadtführungen durch Berlin organisiert . Im Übrigen wird auf die Antwort zu den Fragen 2 und 3 verwiesen. V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/5166 K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 9 18. Welche Initiativen und Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen oder gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um mit den Bundesländern gemeinsam dem Thema deutsche Kolonialgeschichte und dem verursachten Unrecht einen größeren Schwerpunkt in den Rahmenplänen und Schulbüchern einzuräumen? Die Bundesregierung begrüßt Initiativen, die zur kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte im Rahmen des schulischen Unterrichts beitragen. Die Zuständigkeit für Lehrpläne und den Inhalt von Schulbüchern liegt jedoch ausschließlich bei den Ländern. Diese stimmen sich, u. a. in der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, autonom ab. 19. Inwieweit unterstützt die Bundesregierung Aktivitäten auf kommunaler Ebene, die Straßennamen und Denkmäler von Kolonialverbrechern durch die (namentliche) Würdigung von Kolonialopfern und Persönlichkeiten des antikolonialen Widerstands ersetzen wollen (zum Beispiel im Afrikanischen Viertel im Bezirk Berlin-Mitte)? Die Bundesregierung begrüßt die auf vielen Ebenen und an vielen Orten stattfindende kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte des deutschen Kolonialismus in Afrika. Sie ist grundsätzlich bereit, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Zuständigkeiten die Schaffung und Erhaltung von Erinnerungs- und Gedenkorten zu unterstützen. Für Straßennamen und Denkmäler sind grundsätzlich die Kommunen und in der Bundeshauptstadt Berlin die Bezirke zuständig. 20. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, ob auf Bundesebene eine kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialvergangenheit durch Stiftungen unterstützt und finanziert wird? Die Stiftung Deutsches Historisches Museum sowie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sind Beispiele für Stiftungen mit Bundesfinanzierung bzw. Bundesbeteiligung , die sich u. a. kritisch mit der deutschen Kolonialvergangenheit auseinandersetzen . Eine vollständige Übersicht über relevante Stiftungsaktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland liegt der Bundesregierung nicht vor. 21. Inwieweit würde sich der Bund engagieren, wenn eine Stiftung zu diesem Zweck gegründet werden würde? Zu hypothetischen Fragestellungen nimmt die Bundesregierung nicht Stellung. 22. Hat es in der Bundesregierung Überlegungen gegeben, die Gründung einer Stiftung zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit zu initiieren ? Wenn ja, zu welchem Ergebnis ist die Bundesregierung gekommen? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung begrüßt, dass eine Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit bereits dezentral durch eine Vielzahl von Museen und Sammlungen , wissenschaftliche Einrichtungen, aber auch durch zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen und Organisationen geschieht, die teilweise eine Förderung durch die öffentliche Hand erhalten. Konkrete Überlegungen der Bundesregierung, diese vielfältigen Aktivitäten in einer Stiftung zu konzentrieren , gibt es derzeit nicht. V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur Drucksache 18/5166 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 1 0 23. Gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, eine unabhängige deutschnamibische Historiker-/-innenkommission zur Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte einzusetzen? Die Bundesregierung hat der namibischen Regierung vorgeschlagen, eine gemeinsame Kultur des Erinnerns und Gedenkens auch durch konkrete gemeinsame Projekte verstärkt zu fördern. Eine vertiefte Erörterung und Abwägung möglicher Maßnahmen ist Gegenstand laufender Gespräche. Hierzu wird auch auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 24. Welche Position vertritt die Bundesregierung zur Errichtung einer Dokumentations - und Begegnungsstätte in der Hauptstadt Berlin zur Erinnerung an die Opfer des von Berlin ausgehenden Kolonialismus? Der Bundesregierung sind zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreten Pläne zur Errichtung einer Dokumentations- und Begegnungsstätte in der Hauptstadt Berlin zur Erinnerung an die Opfer des von Berlin ausgehenden Kolonialismus bekannt . Entsprechenden Initiativen steht die Bundesregierung prinzipiell aufgeschlossen gegenüber. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 29 verwiesen. 25. Wie viele beziehungsweise welche Objekte aus „kolonialen Unrechtskontexten “ sowie aus „Raubgrabungen“ in den umfangreichen Beständen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz – Staatliche Museen zu Berlin (SMB) sind seit dem Jahr 1990 ermittelt worden, und wie viele davon sind an ihre Herkunftsgesellschaften beziehungsweise Herkunftsländer zurückgegeben worden? Nach Kenntnis der Bundesregierung arbeitet die Stiftung Preußischer Kulturbesitz kontinuierlich und in den letzten Jahren verstärkt an der Erfassung und Aufarbeitung der Provenienzen der Objekte in ihren Sammlungen. Dazu gehört auch der Austausch zwischen allen Beteiligten einschließlich Vertreterinnen und Vertretern der Herkunftsgesellschaften, soweit diese bekannt sind. Rückgaben an Herkunftsgesellschaften auf dem Gebiet ehemaliger deutscher Kolonien sind durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz seit dem Jahr 1990 nicht erfolgt. 26. Wie wird die Bundesregierung im Falle von Objektsammlungen vorgehen, die in der Datenbank SMB-digital (SMB – Staatliche Museen zu Berlin) unter dem Stichwort „Kriegsbeute“ zu finden sind? Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es keine Objektsammlungen, die in der Datenbank SMB-Digital als „Kriegsbeute“ gekennzeichnet sind. Vielmehr sind in diese Datenbank auch historische Aktenbestände aufgenommen worden. In diesen historischen Dokumenten wird das Stichwort „Kriegsbeute“ verwendet, das bei der Erschließung der Akten für die Datenbank als Suchbegriff übernommen wurde. Es gehört zur Aufgabe der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, bei der Provenienzforschung den Inhalt dieser historischen Erwerbsakten mit dem tatsächlichen Objektbestand abzugleichen und deren Inhalt auch im Kontext weiterer Unterlagen und Erkenntnisse zu bewerten. Dieser Ermittlungs- und Auswertungsprozess ist noch nicht abgeschlossen. 27. Mit welchen konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung sicherstellen , dass Bestände aus „kolonialen Unrechtkontexten“ und aus früheren V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/5166 K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 1 1 „Raubgrabungen“ zeitnah ermittelt und den Herkunftsgesellschaften bzw. Herkunftsländern gegebenenfalls zur Rückgabe angeboten werden? Wie wird sie diesbezüglich auf andere Museumssammlungen in Deutschland einwirken? Die Bundesregierung begrüßt, dass viele Museen und Sammlungen in Deutschland bezüglich ihrer Bestände aus der Kolonialzeit inzwischen aktiv Provenienzforschung betreiben und im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit diesem historischen Erbe nach kreativen Lösungen suchen. Dazu können die Einbeziehung der Herkunftsgesellschaften in die Museumsarbeit, gemeinsame Ausstellungsprojekte mit afrikanischen Partner-Institutionen, Leihgaben und Dauerleihgaben an afrikanische Museen, aber durchaus auch Rückgaben gehören . Die Bundesregierung setzt sich für die Rückgabe von Kulturgütern aus kolonialem Kontext ein, wenn deren Rückführung von den Herkunftsstaaten gefordert wird und die Objekte rechtswidrig in deutsche Sammlungen und Museen gelangt sind. Dabei ist zu beachten, dass auch unter Expertinnen und Experten die Frage, was unter den Bedingungen einer Kolonialherrschaft als rechtmäßig bzw. rechtswidrig erlangt anzusehen wäre, noch zu klären bleibt. 28. In welcher Form werden nach Kenntnis der Bundesregierung die Ergebnisse der Provenienzrecherchen für das Humboldt-Forum veröffentlicht und den Herkunftsgesellschaften zugänglich gemacht? Was geschieht mit den Objekten, deren rechtmäßiger Erwerb nicht nachweisbar ist? Wird auch hier eine Veröffentlichung der Daten angestrebt? Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz strebt nach Kenntnis der Bundesregierung größtmögliche Transparenz bei der Veröffentlichung der Ergebnisse ihrer Provenienzforschung an, nicht nur spezifisch für Bestände, die zukünftig im Humboldt -Forum präsentiert werden, sondern als generellen Beitrag für die internationale Erforschung der Kolonialzeit. Dies wird aktuell durch die bereits erfolgte Publikation von Einzelstücken wie auch der historischen Archivunterlagen in der Datenbank SMB-digital belegt. Aufgrund der hohen Anzahl der Objekte und der teilweise sehr bruchstückhaften Datenlage benötigen die Forschungen ausreichend Zeit und Ressourcen. 29. Welche Rolle sollen nach Auffassung der Bundesregierung das Ausstellungskonzept und das kulturelle Programm im Humboldt-Forum bei der Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte einnehmen, und welche Konzepte liegen hierfür schon vor? Eine wichtige Aufgabe des Humboldt-Forums wird der Umgang mit ethnologischen und kunstgeschichtlichen Sammlungen vor dem Hintergrund postkolonialer Diskurse sowie das Zusammenspiel mit den anderen Partnern des Humboldt -Forums aus den Bereichen Wissenschaft, Bibliothek und Veranstaltungen unterschiedlicher Genres sein. Die Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit ist elementarer Bestandteil des Konzepts der Ausstellungsmodule der Sammlungen , die sich auf ehemalige deutsche Kolonialgebiete beziehen (insbesondere die Afrika-Sammlungen). Zudem wird in der Studiensammlung, die Teil der Ausstellung im Humboldt-Forum wird, spezifisch die Geschichte der Sammlung thematisiert. Dies schließt die ausführliche Behandlung der Zusammenhänge zwischen Sammlungsentstehung und Kolonialismus mit ein. Im Humboldt-Forum wird der Multiperspektivität als einem leitenden Prinzip eine hohe Bedeutung beigemessen. Dabei geht es darum, Ausstellungsobjekte, V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur Drucksache 18/5166 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 1 2 Sammlungen und Sachverhalte aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und damit die Sichtweisen der Ursprungsländer und -gemeinschaften angemessen und nachvollziehbar einzubeziehen. Es werden die verschiedenen Bedeutungsschichten offengelegt und dieser Prozess in der Ausstellung für das Publikum nachvollziehbar gemacht. Mit diesem Ansatz bewegt sich das Humboldt -Forum im Umgang mit der materiellen Kultur auf dem aktuellen Stand der Forschungsdebatten und der Museumspräsentation, auch für den Bereich Kolonialismus . Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter Steinmeier, hat bereits mehrfach, zuletzt am 22. Februar 2015 bei einer Veranstaltung im kenianischen Nationalmuseum in Nairobi gemeinsam mit dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Prof. Dr. Dr. Hermann Parzinger, dem Präsidenten des Goethe-Instituts e. V., Prof. Dr. Klaus-Dieter Lehmann, dem Direktor für Forschung und Sammlung des kenianischen Nationalmuseums, Dr. Geoffrey Mwachala, sowie weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmern, auf die Notwendigkeit eines gemeinsam mit internationalen, besonders aber mit afrikanischen Partnerinnen und Partnern zu erarbeitenden Ansatzes für das Humboldt-Forum hingewiesen. Hierfür wird sich das Auswärtige Amt weiterhin mit Nachdruck einsetzen. 30. Wie wird die Bundesregierung die transparente Provenienzrecherche für die verbleibenden – im kolonialen Gewaltkontext erworbenen – menschlichen Gebeine der Luschanschen Schädel-Sammlung des ehemals Königlichen Museums für Völkerkunde (heute Ethnologisches Museum Berlin) der Stiftung Preußischer Kulturbesitz – Staatliche Museen zu Berlin sicherstellen ? Nach Kenntnis der Bundesregierung wird die Stiftung Preußischer Kulturbesitz am Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin, wo der heute noch vorhandene Bestand der sogenannten S-Sammlung von Felix von Luschan seit kurzem betreut wird, ein langfristiges Drittmittelprojekt zur Provenienzforschung einrichten, über das regelmäßig durch Publikationen und begleitende Kolloquien und Workshops berichtet werden wird. Einberufen wird dazu auch ein internationaler Fachbeirat mit Kompetenz aus Frankreich, Österreich, England, den USA und mehreren Ländern Afrikas sowie aus Deutschland. Alle Anfragen zu dem o. g. Sammlungsbestand werden vom Museum für Vor- und Frühgeschichte transparent und so umfänglich beantwortet, wie es der jeweilige Forschungsstand zulässt. 31. Wann wird die nächste Rückgabe von menschlichen Gebeinen aus Namibia , die während der Kolonialzeit zu rasseanthropologischen Forschungen nach Deutschland verschleppt wurden, erfolgen? Nach Kenntnis der Bundesregierung liegen der Botschaft der Republik Namibia zur Zeit wissenschaftliche Gutachten zur Provenienz von etwa 20 Gebeinen vor, die aus drei deutschen Sammlungen sowie in einem Fall aus Privatbesitz stammen und jederzeit nach Namibia zurückgeführt werden können. Mindestens fünf weitere Einrichtungen haben ebenfalls Bereitschaft zur Mitwirkung am laufenden Rückführungsprozess erklärt und bereits mit der erforderlichen Provenienzforschung begonnen. Die Bundesregierung ist auch in Zukunft bereit, Rückführungen menschlicher Überreste aus kolonialem Kontext nach Namibia zu unterstützen. Ein Termin für die nächste Rückführung ist noch nicht vereinbart worden. V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/5166 K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 1 3 32. Wie wird die Bundesregierung sicherstellen, dass diese Übergabe in einem angemessenen und würdevollen Rahmen sowie in Anwesenheit von Vertretungen der Opferverbände und Nachfahren der Verstorbenen erfolgt? Die Bundesregierung stimmt sich mit der namibischen Regierung über das weitere Vorgehen ab. An einem angemessenen und würdevollen Rahmen ist beiden Seiten gelegen. Über die Zusammensetzung der namibischen Delegationen, die im Rahmen des Rückführungsprozesses nach Deutschland reisen, sowie an Veranstaltungen , die im Rahmen des Rückführungsprozesses in Namibia stattfinden , ist auf namibischer Seite zu befinden. Die Provenienzforschung kann Anhaltspunkte dafür liefern, welche Gemeinschaften im Einzelfall von einer geplanten Rückführung betroffen sind. 33. Wie setzt sich die Bundesregierung für die Rückführung von menschlichen Gebeinen aus Namibia und anderen „kolonialen Unrechtskontexten“ ein, die sich zurzeit im Besitz der privaten Berliner Gesellschaft für Anthropologie , Ethnologie und Urgeschichte befinden (Rudolf-Virchow-Sammlung )? Die Bundesregierung unterstützt den laufenden Dialog zwischen der Botschaft der Republik Namibia und der Berliner Gesellschaft für Ethnologie, Anthropologie und Urgeschichte e. V. (BGAEU) durch Kontakte zu beiden Seiten. Die BGAEU hat der Botschaft der Republik Namibia versichert, dass sie bereits mit der notwendigen Provenienzforschung begonnen habe. Die Bundesregierung begrüßt die zunehmend konstruktive und kooperative Haltung der BGAEU und ist zuversichtlich, dass diese nach Abschluss der laufenden Provenienzforschung den Beispielen anderer betroffener Einrichtungen folgen und Bereitschaft zur Rückgabe jener Teile der Rudolf-Virchow-Sammlung erklären wird, für die eine Herkunft aus dem damaligen Südwestafrika mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann. 34. Befinden sich nach Kenntnis der Bundesregierung in der durch Felix von Luschan angelegten Sammlung die in der Datenbank „SMB-digital“ aufgeführten Gebeine von fünf Menschen aus Kamerun (S. 397–398, S. 828– 830), von 17 Menschen aus Togo (S. 462/463, S. 710–718, S. 765–770) und von 36 Menschen aus dem heutigen Tansania (S. 260–277, S. 279–281, S. 490–497, S. 776–778, S. 844–847), und wenn ja, werden diese den Herkunftsgemeinschaften bzw. Herkunftsstaaten zur Rückgabe angeboten, wie es der Code of Ethics des Internationalen Museumsrates und die UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker verlangen? Nach Kenntnis der Bundesregierung befinden sich die in der Frage genannten menschlichen Überreste zum Teil in der Obhut des Museums für Vor- und Frühgeschichte in Berlin, zum Teil noch im Charité – Universitätsklinikum Berlin, zum Teil ist ihr Verbleib unbekannt. Die aus der Sammlung der Charité in die Zuständigkeit des Museums für Vor- und Frühgeschichte überführten menschlichen Überreste werden im Rahmen eines umfassenden Projekts hinsichtlich ihrer Provenienz wissenschaftlich zu untersuchen sein. Hierzu wird auf die Antwort zu Frage 30 verwiesen. Ob die Ethischen Richtlinien für Museen des Internationalen Museumsrats (ICOM) und die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte indigener Völker einschlägig sind und welche Konsequenzen sich daraus ergeben können, ist heute noch nicht absehbar. V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 1 4 V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 1 5 V or ab fa ss un g - w ird d ur ch d ie le kt or ie rt e V er si on e rs et zt . Ko rre ktu r Korrektur K :\P ub lis hi ng \P ro du kt io n\ B T\ Pr od uk tio n\ 07 _F ah ne \1 80 51 66 \1 80 51 66 .fm , 1 9. Ju ni 2 01 5, S ei te 1 6 Gesamtherstellung: H. 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