Deutscher Bundestag Drucksache 18/532 18. Wahlperiode 14.02.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Thomas Lutze, Sabine Leidig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/346 – Aufklärung von Gewaltdelikten in Bahnwagen und Zügen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die polizeiliche Bearbeitung von Gewaltdelikten in Bahnwagen bzw. Zügen obliegt grundsätzlich der Bundespolizei (BPol) gemäß dem Gesetz über die Bundespolizei (BPolG). Insgesamt erstreckt sich die Zuständigkeit der BPol auf ein ca. 34 000 Kilometer langes Streckennetz mit ca. 5 700 Bahnhöfen und 3 600 Haltepunkten. Die Deutsche Bahn AG, die sich kürzlich erst mit dem Bund auf einen massiven Ausbau der Videoüberwachung auf deutschen Bahnhöfen geeinigt hat, überwacht derzeit 640 Bahnhöfe mit 4 800 Videokameras. Darüber hinaus seien nach Bahnangaben aktuell rund 18 000 Kameras in den Zügen der Deutschen Bahn installiert (vgl. FOCUS Online vom 30. August 2013). Während die Deutsche Bahn AG nach Angaben der „BILD“ täglich im Schnitt 40 Körperverletzungsdelikte auf Bahnsteigen und Bahnhöfen in Deutschland verzeichne (vgl. ebd.), liegen für Gewaltdelikte in den Zügen der Bahn keine entsprechenden Zahlen vor. Demgegenüber existieren zum Nahverkehr vieler Großstädte, wo die Gewaltdelikte seit Jahren zurückgehen, entsprechende Statistiken: So sank z. B. die Zahl der Delikte in den Berliner U-Bahnen, Straßenbahnen, Bussen und Bahnhöfen von 3 897 (2011) auf 3 183 (2012) deutlich (vgl. DER TAGESSPIEGEL vom 4. April 2013). Auch im Hamburger Nahverkehr gingen die Gewaltdelikte im vergangenen Jahr um 20 Prozent zurück (vgl. Hamburger Abendblatt vom 23. Juli 2013). Seit Jahren müssen, unabhängig vom Steigen oder Sinken der Anzahl der Gewalttaten , stets relativ schwer zu bewertende Zahlen dafür herhalten, um die Forderung nach einer Ausweitung der Videoüberwachung (VÜ), speziell nach mehr VÜ in Zügen und Bahnhöfen, zu begründen. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Hinsichtlich der Videoüberwachung und -aufzeichnung auf dem Gebiet der Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 10. Februar 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Bahnanlagen der Eisenbahnen des Bundes wird auf die Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksachen 17/14796 vom 25. September 2013, 17/13071 vom 16. April 2013 Drucksache 18/532 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode und 17/2750 vom 13. August 2010) und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 17/12318 vom 11. Februar 2013) verwiesen. Zum öffentlichen Personennahverkehr im Zuständigkeitsbereich der Länder können seitens der Bundesregierung keine Angaben gemacht werden. Dieser obliegt den zuständigen Behörden der Länder. 1. Kann die Bundesregierung die in den Medien (siehe Vorbemerkung der Fragesteller ) kolportierten Zahlen bestätigen, bzw. kennt sie die empirischen Grundlagen dieser veröffentlichten Zahlen? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 2. Wie viele Züge der Deutschen Bahn AG sind derzeit nach Kenntnis der Bundesregierung mit wie vielen Videokameras ausgestattet, und um wie viel Prozent der Gesamtanzahl an Zügen handelt es sich dabei? Die Verantwortung für den Eisenbahnbetrieb und die Gestaltung der Eisenbahnfahrzeuge , wozu auch der Einbau entsprechender Videokameras gehört, liegt allein bei der Deutschen Bahn AG (DB AG). Vor diesem Hintergrund liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse über den Einsatz von Videokameras in Eisenbahnfahrzeugen der DB AG vor. Im Übrigen wird auf die Entscheidung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zur Abgrenzung der Zuständigkeiten Bund/ Deutsche Bahn AG/Länder infolge der Bahnreform (Anlage 1 auf Bundestagsdrucksache 13/6149 vom 18. November 1996), die in der 194. Sitzung des Deutschen Bundestages am 1. Oktober 1997 angenommen wurde, sowie die Entscheidung zur Stärkung des parlamentarischen Fragerechts (Bundestagsdrucksache 16/8467 vom 10. März 2008) verwiesen. 3. Führen die Bundespolizei und/oder die Deutsche Bahn AG nach Kenntnis der Bundesregierung eine Statistik über die in Zügen bzw. Bahnwagen der Deutschen Bahn AG und/oder anderer Bahngesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland verübten Gewaltdelikte und/oder andere Straftaten? Die Bundespolizei erfasst für ihren Zuständigkeitsbereich die in Zügen begangenen und bekannt gewordenen Straftaten. 4. Wenn ja, a) nach welchen Kategorien wird diese Statistik (bzw. werden diese Statistiken ) jeweils von wem geführt, In der bundespolizeilichen Statistik werden die in den Zügen festgestellten Gewaltdelikte getrennt nach Körperverletzungs- und Raubdelikten erfasst. Die jeweiligen Erhebungen werden dabei untergliedert nach Feststellungen in a) den Zügen des Fernverkehrs, b) den Zügen des Nahverkehrs, c) den S-Bahn-Zügen. b) welche Daten liegen der Statistik (bzw. diesen Statistiken) zugrunde, In die Statistik fließen die der Bundespolizei bekannt gewordenen Straftaten ein. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/532 c) wie viele Gewaltdelikte wurden seit dem Jahr 2002 registriert (bitte nach Jahr, und wenn möglich, nach Bundesland aufschlüsseln), Die Gesamtstatistik der Bundespolizei unterscheidet nicht nach Ländern. Die bundespolizeiliche Statistik (Polizeiliche Eingangsstatistik) weist seit dem Jahr 2002 insgesamt folgende Zahlen für Körperverletzungs- und Raubdelikte in Zügen /Bahnwagen aus: Eine weitere deliktische Aufschlüsselung erfolgt nicht. d) werden die Taten auch „streckenspezifisch“ erfasst, bzw. lassen sich auf bestimmten Strecken deutlich mehr oder weniger Straftaten feststellen, Nein. e) wird erfasst, ob die Gewaltdelikte in Zügen mit oder ohne VÜ erfolgten, Eine statistische Erfassung der Gewaltdelikte nach dem Kriterium „Züge mit oder ohne Videoüberwachung“ erfolgt nicht. f) lässt sich eine Kausalität zwischen der Anzahl von Gewaltdelikten und einer erfolgten oder nicht erfolgten VÜ feststellen, und wenn ja, in welcher Form? Nein. 5. Wenn die Daten auch streckenspezifisch erfasst werden, wo, und auf welcher Bahnverbindung wurden seit dem Jahr 2009 wie viele Delikte dieser Art registriert (bitte nach Jahr, Ort, Bahnverbindung, Anzahl der beteiligten Personen und Art des Gewaltdelikts aufführen)? Auf die Antwort zu Frage 4d wird verwiesen. Jahr Körperverletzung Raub 2002 1 503 216 2003 1 679 192 2004 1 603 183 2005 1 763 166 2006 1 960 164 2007 1 867 171 2008 1 956 137 2009 1 923 156 2010 2 657 163 2011 3 031 162 2012 2 463 178 2013 2 505 178 Drucksache 18/532 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 6. Wie viele dieser Delikte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung aufgeklärt ? Die Aufklärungsquote der Bundespolizei für Körperverletzungs- (§§ 223 bis 227, 229, 231 des Strafgesetzbuchs – StGB) und Raubdelikte (§§ 249, 250 StGB) lag – bezogen auf die Tatörtlichkeit Eisenbahn (Zug), S-Bahn und sonstiges Schienenfahrzeug – laut Polizeilicher Kriminalstatistik im Jahr 2012 bei 75,1 Prozent. 7. Wenn auch erfasst wird, ob die Gewaltdelikte in Zügen mit oder ohne VÜ erfolgten, wie viele Gewaltdelikte wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem Jahr 2002 in Bahnwagen mit und ohne VÜ registriert, und wie viele dieser Delikte wurden jeweils aufgeklärt (bitte jeweils nach Jahr, und wenn möglich, nach Bundesland aufschlüsseln)? Auf die Antwort zu Frage 4e wird verwiesen. 8. Wie lange werden die Daten (über die Delikte selbst, über die Aufklärung, über die Ermittlungsverfahren oder die Verurteilungen) aufgrund welcher Rechtsgrundlage jeweils gespeichert, und wer überwacht in welcher Form die jeweilige Löschung? Für die Videoaufzeichnung in den Zügen gelten die jeweiligen bereichsspezifischen Regelungen. Dies umfasst auch die Dauer der Aufzeichnung und die Löschung der aufgezeichneten Daten. 9. Ist nach Kenntnis der Bundesregierung bei Ausschreibungen des Schienenpersonennah - und Fernverkehrs eine Videoüberwachung aller Wagen obligatorisch , und welche Mehrkosten entstehen dadurch jeweils pro Wagen? Die Zuständigkeit für den Schienenpersonennahverkehr liegt bei den Ländern. 10. Sind der Bundesregierung vergleichende Studien oder Projekte bekannt, die die Wirksamkeit von mehr Personal(-präsenz) und Videoüberwachung systematisch untersucht haben, und was spricht aus Sicht der Bundesregierung gegen die Durchführung solcher Studien oder Projekte der Bundespolizei ? Zur Evaluation der Wirksamkeit polizeilicher Videoüberwachungsmaßnahmen in Deutschland zeigt sich kein einheitliches Bild. Vielfach waren die Untersuchungszeiträume der öffentlich zugänglichen Studien zu kurz und/oder die Fallzahlen in den einzelnen Deliktsbereichen zu gering, um fundierte Aussagen über die Wirksamkeit der Videoüberwachung in präventiver bzw. repressiver Hinsicht treffen zu können. Die Berichte von vier Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen führen insgesamt dennoch zu der Schlussfolgerung, dass sich die polizeiliche Videobeobachtung als unterstützendes Einsatzmittel im Rahmen eines Gesamtkonzeptes im Bereich der Gefahrenabwehr bewährt hat. Die Videobeobachtung sei deshalb mit anderen Maßnahmen, insbesondere mit einer unmittelbaren polizeilichen Präsenz im Umfeld des Kriminalitätsbrennpunktes, zu verknüpfen. Hierbei sei vor allem die Zusammenarbeit im Rahmen lokaler Ordnungspartnerschaften hervorzuheben . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/532 Videoüberwachungsmaßnahmen können gleichzeitig zu einer Steigerung der Fallzahlen im Sinne einer Aufhellung des Dunkelfeldes beitragen. So heißt es in der Wirksamkeitsstudie einer Überwachungsmaßnahme für die Hamburger Bürgerschaft : „Die vermehrte Feststellung von Körperverletzungsdelikten wird ihre wichtigsten Gründe in der Möglichkeit des schnelleren Einschreitens auf Grund der Videoüberwachung und der gegenüber dem Jahr ihrer Einführung deutlich gestiegenen Polizeipräsenz im öffentlichen Raum haben. Durch das Zusammenspiel von Videoüberwachung und erhöhter Polizeipräsenz hat auch die Videoüberwachung mit zur Aufhellung des Dunkelfeldes im Bereich der Reeperbahn beigetragen.“ Es besteht weithin Einigkeit in der Bewertung, dass Videoüberwachung nur im Zusammenwirken mit anderen (polizeilichen und gesellschaftlichen) Maßnahmen zum dauerhaften Rückgang der Kriminalität führen wird. Insofern sind Polizeipräsenz und Videoüberwachung auch nicht grundsätzlich als Gegensatzpaar (Personal- oder Technikeinsatz) zu betrachten. Das Bundeskriminalamt untersucht derzeit im Rahmen einer Sekundäranalyse den Forschungsstand in Bezug auf die Wirksamkeit der Videoüberwachung. Das Projekt zielt darauf ab, den Wissensstand zur Thematik anhand nationaler und international öffentlich zugänglicher Literatur aufzubereiten und in Bezug auf ihre Ergebnisse zu bewerten. Der Schwerpunkt der Auswertung soll auf der Erstellung eines umfassenden Überblicks über den aktuellen Forschungsstand aufgrund öffentlich zugänglicher Quellen liegen. Dabei soll untersucht werden, wie sich die Wirksamkeit der Videoüberwachung des öffentlichen Raumes in Deutschland und in anderen ausgewählten europäischen Ländern anhand des aktuellen Forschungsstandes darstellt. Dabei wird auch die methodische Vorgehensweise der vorliegenden Studien untersucht. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/2750 vom 13. August 2010, Seite 13, zu Frage 35, verwiesen. 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