Deutscher Bundestag Drucksache 18/61 18. Wahlperiode 18.11.2013 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan Korte, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/23 – Aufnahme syrischer Flüchtlinge in den EU-Mitgliedstaaten und der Bundesrepublik Deutschland Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die unveränderte Lage in Syrien treibt immer mehr Menschen in die Flucht. Mit Stand Anfang Oktober 2013 waren 6,35 Millionen Menschen vertrieben oder geflüchtet, 2,1 Millionen davon befanden sich in den Nachbarstaaten Syriens. Sie leben dort in Flüchtlingslagern oder haben andere Formen der Aufnahme gefunden. Die insbesondere für den Libanon und Jordanien entstehenden Belastungen durch die Flüchtlingsaufnahme sind immens. Ägypten, das lange Zeit eine Politik der offenen Grenzen für die syrischen Flüchtlinge betrieben hatte, hat nach der faktischen Machtübernahme des Militärs und der Absetzung von Präsident Mohammed Mursi diese Politik beendet und eine Visumpflicht für syrische Staatsangehörige eingeführt. Die im Land lebenden ca. 100 000 syrischen Flüchtlinge fürchten zudem, dass ihre Aufenthaltserlaubnisse durch die neuen Machthaber nicht mehr verlängert werden. In der Öffentlichkeit werden sie als Unterstützer von Mohammed Mursi bzw. der Muslimbruderschaft gebrandmarkt und müssen in Teilen des Landes mit Diskriminierungen rechnen. In einem am 17. Oktober 2013 veröffentlichten Bericht prangerte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International an, dass syrische Flüchtlinge inhaftiert und in andere Staaten der Region, auch nach Syrien selbst, abgeschoben würden. Von den Maßnahmen seien selbst Kleinkinder und unbegleitete Minderjährige betroffen. In der Folge könnten sich vermehrt syrische Flüchtlinge veranlasst sehen, von Ägypten aus mit Booten auf die gefährliche Überfahrt in die Europäische Union begeben. Doch auch daran werden sie von der ägyptischen Marine gehindert . Der Amnesty-International-Bericht dokumentiert 13 Fälle, in denen Boote mit insgesamt 946 syrischen Flüchtlingen gestoppt wurden, 724 Flüchtlinge wurden inhaftiert. Damit wird den Flüchtlingen einer der irregulären Wege in die Europäische Union abgeschnitten. Legale Möglichkeiten, in die Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 14. November 2013 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Europäische Union zu gelangen, gibt es nur in wenigen Ausnahmefällen. Immer mehr syrische Flüchtlinge sterben aufgrund dieser Politik bei dem Versuch , illegal in die Europäische Union einzureisen, um sich in Sicherheit zu bringen. Drucksache 18/61 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Eine legale und gefahrlose Einreise wäre syrischen Flüchtlingen allerdings möglich, wenn die Richtlinie der Europäischen Union zum vorübergehenden Schutz im Falle eines „Massenzustroms von Vertriebenen“ (2011/55/EG vom 20. Juli 2001) angewandt würde. Diese sieht für den Fall einer gesteigerten Zufluchtsuche aus einer bestimmten Region die Möglichkeit vorübergehenden Schutzes vor; notwendig ist ein entsprechender Beschluss des Rates mit qualifizierter Mehrheit. Die Mitgliedstaaten sind dann verpflichtet, Kontingente für die Aufnahme von Flüchtlingen zu benennen, die jederzeit aufgestockt werden können. Die Aufnahme wird mit Mitteln der Europäischen Union unterstützt. Erforderliche Visa sollen möglichst unkompliziert und kostenlos erteilt werden . Staaten, die durch spontane Einreisen von Flüchtlingen besonders betroffen sind, sollen zusätzlich unterstützt werden. Durch einen Solidaritätsmechanismus soll die Aufnahme bzw. ihre Finanzierung unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Union gerecht verteilt werden. Seit ihrem Inkrafttreten im August 2001 ist die Richtlinie der Europäischen Union noch in keinem Fall angewendet worden. Vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse ist dies nur schwer nachvollziehbar. 1. Wie viele syrische Staatsangehörige leben nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland, die a) seit Anfang 2011 eingereist sind (bitte nach Aufenthaltstitel und Jahr der Einreise auflisten), Ausweislich des Ausländerzentralregisters (AZR) zum Stichtag 30. September 2013 stellt sich die Situation wie folgt dar: b) aufgrund des Aufnahmebeschlusses von Bund und Ländern vom Mai 2013 aufgenommen wurden, wie viele von ihnen sind selbsttätig eingereist , wie viele wurden (beispielsweise wegen schwerer Verletzungen u. Ä.) einzeln aufgenommen, und wie viele kamen bislang gruppenweise im Rahmen einer organisierten Einreise (bitte Einzelheiten auflisten ), Gemäß der Aufnahmeanordnung von Bund und Ländern vom Mai dieses Jahres sind nach jetzigem Stand 986 Personen in Deutschland angekommen, davon sind nach hier vorliegenden Erkenntnissen 598 Personen selbständig eingereist. Seit Mitte September 2013 sind 388 Flüchtlinge aus Beirut/Libanon per Charterflug nach Deutschland gebracht worden. Darunter befanden sich auch 30 sogenannte medizinische Schwerstfälle. 2011 2012 2013 Summe aufhältige Syrer, ab 2011 eingereist 4 184 9 002 10 141 23 327 darunter mit: Niederlassungserlaubnis 21 20 12 53 Aufenthaltserlaubnis 3 516 6 916 2 566 12 998 Duldung 77 155 224 456 sonstiges (z. B. Aufenthaltsgestattung, Antrag auf Aufenthaltstitel gestellt) 570 1 911 7 339 9 820 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/61 c) aus besonderen politischen Interessen auf Grundlage von § 22 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) aufgenommen wurden, Zum Stichtag 30. September 2013 waren im AZR 78 syrische Staatsangehörige mit einer Aufenthaltserlaubnis aufgrund § 22 des Aufenthaltsgesetzes als aufhältig erfasst. d) im Rahmen der Aufnahmeanordnungen der Länder zu in Deutschland lebenden Verwandten nach individueller Verpflichtungserklärung nachziehen konnten, Die deutschen Auslandsvertretungen haben zum Stichtag 31. Oktober 2013 insgesamt 140 Visa nach § 23 Absatz 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes auf der Grundlage der jeweiligen Anordnungen der Bundesländer erteilt. e) seit Anfang 2011 im Rahmen des regulären Familiennachzugs einreisen durften, Von den seit dem Jahr 2011 eingereisten und zum Stichtag 30. September aufhältigen syrischen Staatsangehörigen hatten 2 294 Personen eine Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen. f) einen Aufenthaltstitel auf anderer Rechtsgrundlage erhalten haben, nachdem ihr ursprünglicher Aufenthaltstitel (beispielsweise zum Zwecke eines Studiums) ausgelaufen ist bzw. nicht verlängert werden konnte? Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor, da aufgrund der Fragestellung keine validen statistischen Daten aus dem Ausländerzentralregister ermittelt werden können . Zum Teil haben syrische Studenten, deren Lebensunterhalt nicht mehr gesichert war, im Anschluss an ihre ursprüngliche Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Absatz 1 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes auf der Grundlage von entsprechenden Aufnahmeanordnungen der Länder erhalten . Eine Länderumfrage zum Stand 30. Juni 2013, auf die zwölf Länder geantwortet haben, hat ergeben, dass bis zu dem genannten Stichtag 133 syrischen Studenten eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde. 2. Welche anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und ggf. weitere europäische Staaten, für die die Dublin-II-Verordnung Anwendung findet, haben nach Kenntnis der Bundesregierung bislang a) die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen im Rahmen eines Aufnahmeprogramms verbindlich zugesagt, b) ein solches Aufnahmeprogramm in Aussicht gestellt (bitte mit beschlossenen bzw. geplanten Aufnahmezahlen auflisten)? Folgende Ankündigungen zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge sind der Bundesregierung zurzeit bekannt: Finnland 500 Personen im Jahr 2014; Schweden 400 Personen im Jahr 2013 im Rahmen der jährlichen Resettlementquote; Österreich 500 Personen für eine dauerhafte Aufnahme; Norwegen: 1 000 Personen ; Frankreich: 500 Personen; Luxemburg: 60 Personen und Ungarn: 10 Personen . Drucksache 18/61 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 3. Gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung Überlegungen bei der Europäischen Kommission oder bei einzelnen Mitgliedstaaten, die „Richtlinie zur vorübergehenden Aufnahme im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen und Maßnahmen zur Förderung einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen , die mit der Aufnahme dieser Personen und den Folgen dieser Aufnahme verbunden sind, auf die Mitgliedstaaten“ (Richtlinie 2001/55/ EG) zur Anwendung zu bringen (bitte ausführen)? Zu Überlegungen der Europäischen Kommission oder einzelner Mitgliedstaaten , die Richtlinie 2001/55/EG zur Anwendung zu bringen, liegen keine Erkenntnisse vor. 4. In welchem Rahmen wurden solche Überlegungen geäußert, und wie waren die Positionen der Mitgliedstaaten bzw. insbesondere der Vertreter der Bundesrepublik Deutschland? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 5. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die formellen Voraussetzungen für die Anwendung der Richtlinie erfüllt sind, insbesondere der Umstand , dass es eine „große Zahl Vertriebener“ aus einem bestimmten Land bzw. Gebiet gibt, aus dem sie wegen der dort herrschenden Lage fliehen mussten und nicht sicher dorthin zurückkehren können (vgl. Artikel 1, 2 und 5 der Richtlinie, bitte ausführen)? Die Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG setzt einen aktuellen oder bevorstehenden Massenzustrom von Vertriebenen aus Drittländern in die Europäische Union voraus, die in ihr Herkunftsland nicht sicher und dauerhaft zurückkehren können. Dabei ist das Verfahren „vorübergehender Schutz“ nur ausnahmehalber vorgesehen, insbesondere wenn auch die Gefahr besteht, dass das Asylsystem von Mitgliedstaaten diesen Zustrom nicht ohne Beeinträchtigung seiner Funktionsweise und ohne Nachteile für die betroffenen Personen oder andere um Schutz nachsuchende Personen auffangen kann. Vorrangig ist staatlicher Schutz durch nationale Asylverfahren zu gewähren, auch im Fall einer Flüchtlingskrise. Die Bewertung der Anwendung der Richtlinie lässt sich nicht allein auf das Merkmal „Massenzustrom“ im Sinne der Fragestellung von „große Zahl Vertriebener “ reduzieren. Bei einer Bevölkerung von rd. 22 Millionen Menschen der Arabischen Republik Syrien sind mittlerweile über zwei Millionen Syrer in Anrainerstaaten geflohen . Zudem haben im Jahr 2012 nach Angaben von Eurostat rd. 24 000 syrische Staatsangehörige Schutz in der Europäischen Union gesucht, davon rd. 8 000 Personen in Deutschland, und in den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 rd. 17 000 syrische Staatsangehörige in der Europäischen Union, davon rd. 5 000 Personen in Deutschland. Anhand dieser Zahlen kann man zwar von einer massenhaften Flucht aus Syrien sprechen, allerdings nicht von einem „Massenzustrom“ in Richtung der Europäischen Union. Die Kommission der Europäischen Union hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Situation in Krisenländern im Hinblick auf die Anwendung der Richtlinie 2001/ 55/EG zu beobachten (vgl. Antwort der Kommission der Europäischen Union vom 5. Juli 2011 auf eine parlamentarische Anfrage aus dem Europäischen Parlament – P-005637/2011*). * www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?type=WQ&reference=P-2011-005637&language=DE. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/61 6. Wie steht die Bundesregierung zur Frage der Anwendung der Richtlinie in Bezug auf die Aufnahme syrischer Flüchtlinge, und würde ihre Anwendung nicht insbesondere eine solidarische und gerechte Aufnahme in der Europäischen Union ermöglichen, wie von vielen politisch Verantwortlichen gefordert (bitte mit Benennung von Vor- und Nachteilen ausführen )? Die Bundesregierung setzt sich bereits seit März dieses Jahres für eine gesamteuropäische Hilfsmaßnahme zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen ein und ist mit der Entscheidung zur Aufnahme von 5 000 besonders schutzbedürftigen syrischen Flüchtlingen mit gutem Beispiel vorangegangen. Ob die Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG nach der Fragestellung „insbesondere eine solidarische und gerechte Aufnahme in der Europäischen Union ermöglichen würde“, vermag die Bundesregierung als hypothetisch nicht zu beurteilen. Jedenfalls würde die Anwendung der Richtlinie nicht automatisch zu einer ausgewogenen Verteilung der Belastungen führen. Es bliebe jedem Mitgliedstaat überlassen, wie viele Flüchtlinge er aufnimmt (Artikel 25; doppelte Freiwilligkeit des Mitgliedstaates und der Betroffenen). 7. Ist die Bundesregierung bereit oder erwägt sie, einen nach Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie möglichen Antrag zu stellen, wonach die Kommission dem Rat einen Vorschlag zur Anwendung der Richtlinie machen soll (bitte ausführen), und welche Aufnahmekapazitäten nach Artikel 5 Absatz 3c der Richtlinie würde sie in etwa angeben? Die Bundesregierung erwägt zurzeit nicht, einen Antrag nach Artikel 5 der Richtlinie 2001/55/EG zu stellen. 8. Sind zur möglichen Anwendung der Richtlinie zur vorübergehenden Aufnahme Treffen, Konferenzen etc. auf Ebene der Europäischen Union geplant oder bereits in Vorbereitung, und wie sähe nach Auffassung der Bundesregierung das genaue Verfahren und die Umsetzung der Richtlinienvorgaben im Detail aus? Zu Treffen auf Ebene der Europäischen Union zu einer möglichen Anwendung der Richtlinie 2001/55/EG liegen keine Erkenntnisse vor (siehe auch Antwort zu Frage 3). Das Verfahren zur Anwendung und Umsetzung der Richtlinie 2001/55/ EG ergibt sich aus Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie selbst in Verbindung mit dem Vorschlag der Europäischen Kommission, die nach Prüfung der Angelegenheit ggf. einen Vorschlag dem Rat unterbreitet. 9. Wie könnte oder sollte nach den Vorstellungen der Bundesregierung insbesondere ein „Solidaritätsmechanismus“ aussehen, der nach dem Erwägungsgrund 20 der Richtlinie geschaffen werden sollte, um Belastungen der Aufnahme ausgewogen auf die Mitgliedstaaten zu verteilen (sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Bezug auf die Aufnahme selbst, bitte ausführen )? 10. Wie lange würde das Verfahren zur Anwendung der Richtlinie nach Einschätzung der Bundesregierung in Anspruch nehmen, einschließlich der erforderlichen Abgabe von Erklärungen zur Höhe der nationalen Aufnahmekontingente und der Klärung der Fragen zur (finanziellen) Unterstützung besonders belasteter Mitgliedstaaten, und welche Schwierigkeiten in der Anwendung der Richtlinie sieht die Bundesregierung? Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. Drucksache 18/61 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. Hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren erwogen, der Kommission und den Mitgliedstaaten vorzuschlagen, die Richtlinie im Lichte der fortschreitenden Harmonisierung der nationalen Asylsysteme und der Erweiterung der Europäischen Union zu überarbeiten, und was war ggf. das Ergebnis dieser Erwägungen respektive darauf folgender Initiativen? Die Bundesregierung hat in den vergangenen Jahren nicht erwogen, der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten vorzuschlagen, die Richtlinie 2001/55/EG zu überarbeiten. Für die Bundesregierung standen vielmehr die umfangreichen Verhandlungen an den Rechtsakten für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) im Vordergrund. 12. Wie beurteilt es die Bundesregierung und welche Erklärung hat sie dafür, dass die Richtlinie seit ihrem Inkrafttreten niemals angewandt wurde und dass nicht einmal angesichts der aktuellen Flüchtlingskatastrophe im Zusammenhang mit Syrien ihre Anwendung auch nur öffentlich diskutiert wird? Handelt es sich um bloß symbolisches Recht oder ist dies Ausdruck dafür, dass die Europäische Union zur Aufnahme von Flüchtlingen selbst in besonderen Notsituationen nicht bereit ist und einmal geschaffene Regelungen deshalb ungenutzt lässt (bitte ausführen)? Die Richtlinie 2001/55/EG ist vor dem Hintergrund der Erfahrungen der 90erJahre in der Europäischen Union mit dem sehr starken Zustrom von Bevölkerungsgruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien in die Europäische Union, die auf der Flucht vor Kampfhandlungen ihre Heimat verlassen haben, verhandelt worden. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union waren erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg unmittelbar von erzwungenen Bevölkerungsbewegungen betroffen, die weder quantitativ noch qualitativ mit den bis dahin bekannten Flüchtlingsströmen vergleichbar waren. So betrugen die Asylbewerberzahlen 1993 in Deutschland rd. 440 000 Personen (Erst- und Folgeanträge). Im Übrigen beteiligt sich die Bundesregierung nicht an Spekulationen zum rechtlichen Wert einer Richtlinie der Europäischen Union bzw. zur Motivation der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten, Flüchtlinge aufzunehmen. 13. Welche Szenarien für die Anwendung einer solchen Richtlinie hatten die Bundesregierung und die anderen Mitgliedstaaten damals vor Augen, welche Positionen, Vorstellungen und Ziele hatte die Bundesrepublik Deutschland bei der Erarbeitung und Verabschiedung der Richtlinie, und welche Vorstellungen wurden von den anderen Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission damals verfolgt? Es wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen sowie auf die Begründung des Vorschlags der Europäischen Kommission zur Richtlinie 2001/55/EG hingewiesen (KOM(2000) 303 endgültig vom 24. Mai 2000). 14. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung, dass aufgrund der hohen Anforderungen an die Einkommen der aufnehmenden Haushalte die von 14 Bundesländern erlassenen Anordnungen zur Aufnahme syrischer Verwandter bei in Deutschland lebenden Angehörigen weitgehend leerlaufen werden (bitte begründen), und welche Möglichkeiten für einheitlichere und deutlich erleichterte Voraussetzungen für die Aufnahme von Verwandten sieht die Bundesregierung? Die Bundesregierung teilt diese Befürchtung nicht. Die Bundesregierung sieht in den Aufnahmeprogrammen der Länder eine sinnvolle Ergänzung des Bundes- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/61 aufnahmeprogramms, die den Ländern auch gewisse Anwendungsspielräume lassen. Das Bundesministerium des Innern hat daher folgerichtig auch sein Einvernehmen zu den von den Ländern vorgelegten Aufnahmeanordnungen erteilt. Neben den humanitären Kriterien wird in den Aufnahmeprogrammen auch das Vorhandensein verwandtschaftlicher Beziehungen nach Deutschland berücksichtigt . Angehörige der Kernfamilie, also Ehegatten und Kinder, haben ohnehin regelmäßig einen Anspruch auf Nachzug. 15. Inwieweit ist die Bundesregierung bereit, angesichts der zunehmenden Flüchtlingsnot und der enormen Belastungen der Nachbarländer Syriens, eine weitere „Kontingent-Aufnahme“ nach § 23 Absatz 2 AufenthG in welcher Größenordnung vorzusehen (bitte ausführen)? Das derzeit laufende Aufnahmeprogramm des Bundes ist noch nicht abgeschlossen . Daher ist zum jetzigen Zeitpunkt keine Notwendigkeit für den Erlass einer zweiten Aufnahmeanordnung durch den Bund ersichtlich. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Bundesrepublik Deutschland allein seit Ausbruch des Konflikts – völlig unabhängig von jedwedem Aufnahmeprogramm – mehr als 20 000 syrischen Schutzsuchenden Schutz gewährt. Derzeit kommen monatlich mehr als 1 500 syrische Asylbewerber nach Deutschland. Die Aufnahme von 5 000 besonders schutzbedürftigen syrischen Flüchtlingen ergänzt das deutsche Engagement in der Krisenregion. 16. Inwieweit ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse (alleine über 360 Tote bei einem Schiffsunglück vor Lampedusa am 3. Oktober 2013) dazu bereit, sich auf der Ebene der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass Schutzsuchende einen sicheren und legalen Zugang zur Europäischen Union erhalten müssen, und wenn nicht, warum will sie trotz zehntausender Toten an den Außengrenzen der Europäischen Union in den letzten Jahrzehnten an den bestehenden Regelungen festhalten und keine Änderungen vornehmen (bitte begründen und ausführen)? Die Europäische Union hat in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen , eine einheitliche und menschenwürdige Flüchtlings- und Migrationspolitik aufzubauen. Deutschland hat sich hieran aktiv beteiligt. Erst Mitte dieses Jahres sind neugefasste Regelungen zu einem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem (GEAS) in Kraft getreten, die die Asylzuständigkeit der Mitgliedstaaten , das Asylverfahren als solches und die Aufnahmebedingungen betreffen . Das Ziel sind faire und schnelle Verfahren mit hohen Schutzstandards, Missbrauch wird entgegengetreten. Nun ist es an allen Mitgliedstaaten, diese Regelungen möglichst einheitlich in ihre staatliche Praxis umzusetzen und in der Praxis auch durchgängig zu beachten. Hier ist nicht zuletzt die Kommission der Europäischen Union „als „Hüterin der Verträge“ in besonderer Weise gefordert. Im Jahr 2012 haben in der Europäischen Union über 335 000 Menschen einen Asylantrag gestellt. 70 Prozent der Asylanträge entfielen auf die fünf Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Schweden, Großbritannien und Belgien. Allein in Deutschland wurden rd. 78 000 Asylanträge gestellt. Für dieses Jahr erwartet die Bundesregierung deutlich über 100 000 Anträge. Forderungen nach einem sicheren und legalen Zugangs von Schutzsuchenden zur Europäischen Union müssen sich der Realität stellen. Weltweit geht der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen von rd. rund 45 Millionen Menschen aus. Eine Abschaffung aller Instrumente der Migrationssteuerung einschließlich der Abschaffung der Grenzkontrollen ist kein gangbarer Weg und Drucksache 18/61 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode wird auch weder vom internationalen noch vom Unionsrecht gefordert. Die PullEffekte wären groß, der Migrationszustrom unkontrollierbar. Der richtige Weg ist es vielmehr, die Fluchtursachen vor Ort zu verbessern und das kriminelle Schlepperunwesen konsequent zu bekämpfen. Zur Flüchtlingstragödie im Mittelmeer haben die Innenminister der Mitgliedstaaten am 8. Oktober 2013 die Einrichtung einer Task Force beschlossen, die auf der Grundlage der bestehenden internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten kurzfristig u. a. Maßnahmen zur verbesserten Seenotrettung, der vertieften Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitstaaten, der Unterstützung besonders betroffener Mitgliedstaaten, einer glaubwürdigen EU-Rückkehrpolitik und der Bekämpfung von Schleusern und Menschenhändlern initiieren soll. 17. Inwieweit ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse dazu bereit, entsprechend der Forderungen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit besonders vom Migrationsgeschehen betroffenen Außengrenzen der Europäischen Union nach einer grundlegenden Änderung der Dublin-Regelungen zuzustimmen, da das geltende System nach Ansicht der Fragesteller einen Anreiz zur verstärkten Abschottung darstellt und keinen fairen Ausgleich zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union beinhaltet (bitte ausführen)? Für eine „grundlegende Änderung“ des EU-Asylzuständigkeitssystems besteht aus Sicht der Bundesregierung kein Bedarf. Vielmehr darf das sog. Dublin-Verfahren , mit dem grundsätzlich der Ersteinreisestaat als zuständiger Staat für das Asylverfahren vorgesehen ist, nicht allein gesehen werden. Denn für eine effektive EU-Flüchtlingspolitik stehen bereits zahlreiche Strategien und EU-Finanzinstrumente zur Verfügung: Die Rechtsakte des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS), das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) auf Malta, das die Mitgliedstaaten wie z. B. Griechenland seit dem Jahr 2011 und Italien seit Juni diesen Jahres in Flüchtlingsfragen organisatorisch unterstützt; künftig der Asyl-, Migrations-, Integrations- und Rückkehrfonds im Mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 mit einem Volumen von über 3 Mrd. Euro; und nicht zuletzt der strategische EU-Gesamtansatz Migration und Mobilität (GAMM), der vielfältige Maßnahmen zur Förderung von regulärer Migration , Eindämmung illegaler Einreisen, Aufbau von Flüchtlingsschutz in Herkunfts - und Drittstaaten sowie eine enge Verzahnung von Migration und Entwicklung vorsieht. Die Solidarität der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten untereinander zeigt sich in einer Reihe von erheblichen personellen, finanziellen und organisatorischen Maßnahmen, bei der das Dublin-Verfahren nur ein Teil ist. So standen Außengrenzstaaten wie z. B. Italien von 2007 bis 2013 rd. 480 Mio. Euro an Finanzmittel der Europäischen Union für die Bereiche Außengrenzen, Flüchtlinge , Integration und Rückkehr zur Verfügung. Deutschland setzt sich dafür ein, dass dieser weitgespannte Rahmen von Instrumenten und Strategien der EU-Flüchtlingspolitik von allen Mitgliedstaaten möglichst einheitlich und zeitnah in die Praxis umgesetzt und angewendet wird. Die Zuständigkeit und Verantwortung des Ersteinreisestaates für das Asylverfahren nach der Dublin-Verordnung ist ein wichtiger Baustein des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und hat sich grundsätzlich bewährt. Das Ersteinreiseland innerhalb der Europäischen Union wird – auch nach einer Einreise ohne Genehmigung – angehalten, gestellte Asylanträge entsprechend seiner eingegangenen internationalen und unionsrechtlichen Verpflichtungen zu prüfen und ggf. internationalen Schutz zu gewähren. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/61 Deutschland hatte im vergangenen Jahr rund 23 Prozent der in der EU registrierten Asylanträge zu bewältigen, Italien dagegen nur etwa 5 Prozent. Gemessen am Verhältnis der Zahl der Asylanträge in 2012 pro eine Million Einwohner (relative Zahl) bedeutet das nach Eurostat-Angaben z. B. für Deutschland eine Rate von 945 Asylbewerbern, für Italien dagegen nur eine Rate von 260 Asylbewerbern . Die am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind nach relativen Zahlen Malta (4 980) als Insel in einer Sonderrolle, Schweden (4 625), Luxemburg (3 905), Belgien (2 353), Österreich (2 065), Zypern (1 985) als Insel ebenfalls in einer Sonderrolle, Dänemark (1 085), Deutschland (945), Frankreich (925) und Griechenland (850). 18. Wie bewertet die Bundesregierung die aktuelle Lage der syrischen Flüchtlinge in Ägypten, und wie sind ihre Prognosen bezüglich einer Weiterflucht der Flüchtlinge in die Europäische Union, u. a. mit Booten über das Mittelmeer? In Ägypten sind nach Angaben des UNHCR 126 000 Flüchtlinge registriert oder befinden sich im Registrierungsprozess (Stand: 29. Oktober 2013). Die Lage der syrischen Flüchtlinge ist nach Einschätzung des UNHCR seit dem 30. Juni 2013 signifikant erschwert. Trotz der Bekräftigung der ägyptischen Regierung, dass ihre Haltung gegenüber der syrischen Bevölkerung unverändert sei, sehen sich viele syrische Flüchtlinge offener Feindseligkeit der Bevölkerung und Druck zur Ausreise seitens der Sicherheitsbehörden ausgesetzt. Am 8. Juli 2013 führte die ägyptische Regierung die Visumspflicht für Syrer ein, zahlreichen Syrern wird die Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert. Als ursächlich hierfür bewertet der UNHCR die von vielen Ägyptern wahrgenommene enge Assoziation der syrischen Flüchtlinge mit den Muslimbrüdern. Nach Angaben von UNHCR sind erschwerte Formalitäten für den Grenzübertritt sowie eine zunehmende Zahl an Festnahmen und Inhaftierungen syrischer Flüchtlinge durch ägyptische Behörden zu beobachten. UNHCR zufolge befinden sich rund 600 syrische Flüchtlinge in Gewahrsam. UNHCR ist darum bemüht, Zugang zu dieser Gruppe zu erhalten, um die genaue Zahl zu verifizieren und Unterstützung zu leisten. Die Maßnahmen der ägyptischen Regierung, wie etwa die Öffnung ägyptischer Schulen auch für syrische Flüchtlingskinder, sind für eine grundlegende Verbesserung der Lage nicht ausreichend. Der steigende Druck zur Ausreise auf syrische Flüchtlinge führt laut UNHCRAngaben zu zunehmenden Migrationsströmen von der ägyptischen Mittelmeerküste nach Europa, insbesondere mit dem Ziel Sizilien. Laut UNHCR sind zwischen Januar und Ende September mindesten 7 557 Syrer und Palästinenser an der Küste Italiens angekommen. Im Vergleich dazu waren es 2012 rund 350 Syrer. 19. Hat die Bundesregierung Kenntnis von den Abfangaktionen der ägyptischen Marine gegen syrische Flüchtlinge, die Ägypten in Richtung Europa verlassen wollen, handelt die ägyptische Regierung hierbei gänzlich aus eigenem Antrieb oder bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung mit europäischen Staaten oder Institutionen Verabredungen oder Vereinbarungen mit Ägypten betreffend die Migrationskontrolle und die Bekämpfung illegaler Migration in die Europäische Union? Berichte über Abfangaktionen der ägyptischen Marine sind der Bundesregierung bekannt. Zur Frage, ob diese Aktionen mit Europäischen Staaten oder Ins- titutionen abgestimmt sind, liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Drucksache 18/61 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 20. Wie weit sind nach Kenntnis der Bundesregierung Planungen gediehen, Ägypten als Drittstaat in die Kooperationsstrukturen von EUROSUR (Europäisches Grenzüberwachungssystem) einzubinden? Die Einbindung Ägyptens in die Kooperationsstrukturen von EUROSUR erfolgt unter Beachtung der Vorgaben des Artikels 20 der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems (EUROSUR). Die Verhandlungen hierfür werden in enger Abstimmung mit der Europäischen Kommission durch Spanien – unterstützt durch Italien, Frankreich, Zypern, Malta und Portugal – geführt. Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zum Stand der Verhandlungen vor. 21. Wie beurteilt die Bundesregierung die Lage in Jordanien, im Libanon und in der Türkei, insbesondere im Hinblick auf Faktoren, die die Weiterflucht syrischer Flüchtlinge in die Europäische Union auslösen oder verstärken könnten? Die meisten Flüchtlinge aus Syrien halten sich weiterhin in den Nachbarländern Jordanien, Türkei, Libanon und auch Irak auf. Von den mittlerweile beinahe 2,2 Millionen registrierten beziehungsweise zur Registrierung vorgesehenen Syrern, die in die Nachbarländer geflohen sind, sind beinahe 806 000 im Libanon, über 540 000 in Jordanien, über 600 000 in der Türkei (davon rund 200 000 in 21 Zelt- bzw. Containerlagern untergebracht) und beinahe 200 000 im Irak vermerkt. In den genannten Ländern leben die Flüchtlinge in teilweise katastrophalen Verhältnissen. Der Zustrom von Flüchtlingen stellt die Nachbarländer vor immer stärker werdende Probleme. Daher ist nicht auszuschließen, dass diese Flüchtlinge, um den schwierigen Umständen zu entgehen , in steigendem Maße auch in Richtung Europäische Union weiter wandern werden. 22. Welches sind nach Kenntnis der Bundesregierung die von syrischen Flüchtlingen benutzten Fluchtrouten und Vorgehensweisen bei einer (zunächst irregulären) Einreise in die Europäische Union, und welche Prognosen liegen zur weiteren Entwicklung auf diesen Routen bis Ende des Jahres 2013 vor (bitte so weit wie möglich Zahlen zu Asylanträgen, festgestellten irregulären Grenzübertritten, Zurückweisungen an der Grenze, festgestellte Fluchthelfer bzw. Schleuser etc. nach Monaten für die Jahre 2012 und 2013 mit Bezug zu den einzelnen Fluchtrouten angeben)? In Anbetracht der anhaltenden Krisensituation versuchen immer mehr Syrer in die Europäische Union einzureisen. Die Hauptroute verläuft dabei nach wie vor über die Türkei nach Griechenland, Italien oder auch Bulgarien. Schleusungen auf der einstigen Hauptroute – dem Landweg von der Türkei nach Griechenland – finden aufgrund verstärkter griechischer Kontrollmaßnahmen gegen Schleusungsaktivitäten und illegale Migration nur noch verhältnismäßig selten statt. Stattdessen werden aktuell vermehrt der Seeweg nach Griechenland sowie direkt nach Italien und der Landweg von der Türkei nach Bulgarien gewählt. An Bedeutung hat der Seeweg von Ägypten nach Italien gewonnen. Die Anlandungszahlen syrischer Migranten in Italien sind gestiegen. Ebenfalls werden verstärkt Schleusungen auf Luftrouten, u. a. aus den syrischen Nachbarstaaten, aber auch nordafrikanischen Ländern festgestellt. Eine valide Prognose zu weiteren Entwicklungen auf diesen Routen ist nicht möglich. Erfahrungsgemäß erfolgt im Winterhalbjahr eine deutliche Verlagerung der Migration vom Seeweg auf den Land- und Luftweg. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/61 Die Zahl der in der Europäischen Union von Syrern gestellten Asylanträge ist weiter gestiegen. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2013 wurden nach Eurostat-Angaben rund 17 000 Anträge gestellt. Europäische Hauptzielländer von Asylbewerbern bleiben Schweden und Deutschland. Die Bundespolizei stellt im Rahmen ihrer Zuständigkeit unerlaubte Einreisen im Bundesgebiet fest. Darunter waren im Zeitraum von Januar bis September 2013 1 913 (2012: 711) syrische Staatsangehörige. Weitere Zahlen im Sinne der Fragestellung werden durch die Bundespolizei nicht erfasst. 23. Führt die Bundespolizei oder eine andere Stelle Befragungen der syrischen Asylsuchenden zu ihrer Fluchtroute durch, und durch welche Stelle werden die Ergebnisse ggf. zentral gesammelt, ausgewertet und an welche weiteren Stellen weitergegeben? Stellt die Bundespolizei eine unerlaubte Einreise fest, ist sie nach dem Legalitätsprinzip verpflichtet ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren einzuleiten. Das Ermittlungsverfahren beinhaltet in der Regel eine polizeiliche Vernehmung. Sofern dabei – nach Belehrung über das Recht zur Aussageverweigerung – Angaben zur Sache gemacht werden, können sich diese auch auf den Reiseweg beziehen . Stellt eine Person unmittelbar bei der Einreise ein Asylbegehren, wird dies dokumentiert. Die Niederschrift beinhaltet in der Regel Angaben zum Reiseweg . Für die Befragung im eigentlichen Asylverfahren ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig. In der Bundespolizei werden etwaige Erkenntnisse bei dem Bundespolizeipräsidium gesammelt und ausgewertet. Die Weitergabe dieser Erkenntnisse erfolgt an die für Migrationsfragen zuständigen innerstaatlichen Behörden und Stellen. 24. Inwiefern und mit welchen Abteilungen bzw. Dienststellen ist die Hauptstelle für Befragungswesen des Bundesnachrichtendienstes mit Flüchtlingen aus Syrien befasst? Die Hauptstelle für Befragungswesen (HBW) ist insofern mit Flüchtlingen aus Syrien befasst, als sie mit ihnen Gespräche führte bzw. führt. Zur behaupteten Beziehung zwischen der Hauptstelle für Befragungswesen und dem Bundesnachrichtendienst wird im Übrigen auf die Vorbemerkung der Bundesregierung auf Bundestagsdrucksache 17/11597 vom 21. November 2012 (Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestagsdrucksache 17/11306) verwiesen. a) In welcher Größenordnung bewegen sich Vorgespräche und Befragungen syrischer Flüchtlinge durch die Hauptstelle für Befragungswesen? Die Anzahl der von der HBW kontaktierten syrischen Flüchtlinge unterliegt starken Schwankungen, abhängig von der Anzahl der nach Deutschland kommenden Syrer. Pro Monat werden derzeit ca. zehn syrische Flüchtlinge durch die HBW kontaktiert. b) Wo wurden bzw. werden diese durchgeführt? Abhängig von den jeweiligen Umständen finden Gespräche mit syrischen Flüchtlingen an verschiedenen Orten statt. Drucksache 18/61 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode c) Nach welchen Kriterien wurden bzw. werden die Befragten hierfür ausgewählt? Die Hauptstelle für Befragungswesen befragt Asylbewerber und Flüchtlinge aus Krisenregionen und aus Staaten, denen besondere Bedeutung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen zukommt. 25. Welchen Effekt hatten nach Kenntnis und Einschätzung der Bundesregierung die von den Staaten der Europäischen Union ergriffenen Grenzsicherungsmaßnahmen auf die genutzten Fluchtrouten? Hinsichtlich der Migrationsrouten wird auf die Antwort zu Frage 22 verwiesen. Die prozentuale Verteilung der Flüchtlinge auf die Routen variiert ständig, ist von einer Vielzahl von Einflussfaktoren abhängig und ist insbesondere auch saisonal bedingt. Der diesbezügliche Effekt von einzelnen Maßnahmen der Grenzüberwachung lässt sich nicht valide einschätzen. 26. An welchen Maßnahmen der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (FRONTEX) ist die Bundespolizei derzeit beteiligt, in deren Durchführung es zu Berührungen mit syrischen Flüchtlingen kommt, welche genaueren Erkenntnisse hat sie hierzu, und welche Schlüsse hat die Bundesregierung aus den Erkenntnismitteilungen und Mitteilungen zu besonderen Ereignissen der beteiligten Bundespolizisten gezogen? Die Bundespolizei ist derzeit unter dem Mandat von FRONTEX an den nachfolgenden Orten im Einsatz, die für die Migration von syrischen Staatsangehörigen von Relevanz sind: ● griechisch-türkische Landgrenze („grüne Grenze“), ● ungarisch-serbische Landgrenze (Grenzübergang), ● italienische Seegrenze (Aufnahmezentrum). Die dabei gewonnenen Erkenntnisse beziehen sich insbesondere auf die Staatsangehörigkeit und die Identität der Migranten, die genutzten Migrationsrouten, den Modus Operandi von Schleuserorganisationen und die Migrationsziele in der Europäischen Union. Die Erkenntnisse fließen in einen ständigen Prozess zur Beurteilung der Lage ein, die in erster Linie von dem jeweils zuständigen Mitgliedstaat zum Teil unterstützt durch FRONTEX vorgenommen wird und ggf. zur Anpassung der hierfür zur Verfügung stehenden Ressourcen führt. 27. Sind derzeit Mitarbeiter von Bundesbehörden im Rahmen von Aktivitäten des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) mit Vorgängen um die Aufnahme und den Schutz syrischer Asylsuchender befasst , in welchem Rahmen liefern auch diese Mitarbeiter regelmäßig Berichte und Mitteilungen an die Bundesregierung oder nachgeordnete Behörden , und welche Erkenntnisse und Schlussfolgerungen haben sich aus diesen Berichten oder Mitteilungen ergeben? Zurzeit sind keine Mitarbeiter im Rahmen von Aktivitäten des EASO mit Vorgängen um die Aufnahme und den Schutz syrischer Asylsuchender befasst. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333