Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie vom 2. Oktober 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/6257 18. Wahlperiode 06.10.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Herbert Behrens, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/6024 – Gesundheitsrisiken der Erdgasförderung insbesondere mittels Fracking V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Auftrag des Landkreises Rotenburg (Wümme) hat das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen (EKN) eine Erhebung über die Häufigkeit von Krebsfällen in der von der Erdgasindustrie stark beeinträchtigten Samtgemeinde Bothel erstellt. Das besorgniserregende Ergebnis: Männer im Alter von 60 bis 74 Jahren, die in dieser Gemeinde leben, sind doppelt so häufig von Tumoren des blutbildenden Systems, z. B. Lymphdrüsenkrebs und Plasmazelltumoren, betroffen („Leukämie und Lymphomen“, Sammelbegriff im Krebsregister), als zu erwarten gewesen wäre (www.krebsregister-niedersachsen.de/index.php/ sonderauswertungen/36-daten/sonderauswertungen/95-samtgemeindebothel). Im Juni 2015 veröffentlichte das EKN dann eine Untersuchung zu Krebserkrankungen in den Nachbargemeinden zur Samtgemeinde Bothel und stellte fest: „Damit ist in der […] Stadt Rotenburg […] die Anzahl der hämatologischen Krebsneuerkrankungen bei Männern für den Zeitraum 2003-2012 statistisch deutlich erhöht. Bei rund 55 erwarteten Fällen wurden 72 Erkrankungen beobachtet , dies entspricht einer Erhöhung um 31 %“ (www.krebsregisterniedersachsen .de/index.php/sonderauswertungen/36-daten/ sonderauswertungen/111-nachbargemeinden-der-samtgemeinde-bothellandkreise -rotenburg-verden-heidekreis) In der Vergangenheit kam es in den Landkreisen Rotenburg sowie Verden und Heidekreis immer wieder zu Zwischenfällen bei der Gasförderung und bei der Entsorgung des sogenannten Lagerstättenwassers . Dabei sind großflächig Quecksilber und Benzol ausgetreten, weshalb Anwohnerinnen und Anwohner sowie Bürgerinitiativen einen Zusammenhang zwischen Krebserkrankungen und der Erdgasförderung, insbesondere mittels der Anwendung von Fracking, vermuten: „[D]ie Hinweise auf einen Zusammenhang mit der Erdgasförderung verdichteten [sich]. Das Multiple Myelom sei eine Plasmazell-Erkrankung mit jahrzehntelanger Latenzzeit, dessen mögliche Ursache in der Fachliteratur mit Schadstoffbelastungen in Zusammenhang gebracht werde. Die dort diskutierten chemischen Auslöser-Schadstoffe seien weitgehend identisch mit den in der Öl- und Gasförderung vorkommenden Emissionen und Immissionen. Sehr häufig werde Benzol genannt, auch Dioxine und bestimmte Pestizide könnten Auslöser sein“ (www.kreiszeitung .de/lokales/rotenburg/rotenburg-ort120515/behoerden-fordern-nacherhoehten -krebszahlen-rotenburg-sachliche-debatte-5156049.html). Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/6257 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode In der aktuellen Diskussion um den Entwurf eines Gesetzes- und Verordnungspakets zur Schaffung eines Rechtsrahmens für Fracking hat die Bundesregierung diese Erfahrungen und Gesundheitsrisiken bisher weitgehend unbeachtet gelassen. Diese erfordern eine deutlich stärkere Erforschung und Aufklärung. Daher stellt sich auch in Deutschland akut die Frage nach einer besseren Prävention von Risiken und Gefahren der Erdgasförderung und insbesondere der Fracking-Technologie. In den Niederlanden wurde im Jahr 2005 ein Untersuchungsrat für Sicherheit (Dutch Safety Board/Onderzoeksraad voor Veiligheid) gegründet, der unabhängig Unfälle, Risiken und Zwischenfälle untersucht und bewertet. Der Dutch Safety Board wird von sich aus aktiv, untersucht Sicherheitsrisiken systematisch und versucht diese samt Ursachen umfassend aufzuklären. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse soll Risiken und Gefahren zukünftig präventiv entgegengewirkt und somit die niederländische Bevölkerung geschützt werden. So hat der Dutch Safety Board z. B. am 18. Februar 2015 einen Bericht über Erdbebenrisiken durch die Erdgasförderung in der Provinz Groningen veröffentlicht. Darin wird festgehalten, dass die Risiken und real verursachten Schäden durch die von der Erdgasförderung ausgelösten Erdbeben jahrelang unterschätzt wurden und die beteiligten Förderunternehmen sowie die staatlichen Stellen bei Prävention und Aufsicht versagt haben (www.onderzoeksraad.nl/uploads/phase-docs/844/ 972d8bf7f1d1 summary-gaswinning-groningen-en.pdf). Eine ähnliche Institution und daraus folgende Untersuchungen wären auch für Deutschland und im aktuellen Fall für die Krebserkrankten in der Erdgasförder- und Fracking-Region Rotenburg (Wümme) angebracht, um unabhängig, umfassend und systematisch die Gefahr bewerten zu können. 1. Sieht die Bundesregierung einen möglichen Zusammenhang zwischen Aktivitäten der Öl- und Gasindustrie (Fracking sowie konventionelle Erdgasförderung – bezogen auf konventionelle Lagerstätten nach der Definition der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, www.bgr.bund.de/ DE/Themen/Energie/Projekte/laufend/NIKO/FAQ/faq_inhalt.html) und Krebserkrankungen in Förderregionen angesichts der jüngst durch das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen veröffentlichten Studien (www. krebsregister-niedersachsen.de/index.php/sonderauswertungen/36-daten/ sonderauswertungen/95-samtgemeindebothel und www.krebsregisterniedersachsen .de/index.php/sonderauswertungen/36-daten/ sonderauswertungen/111-nachbargemeinden-der-samtgemeinde-bothellandkreise -rotenburg-verden-heidekreis), und welche Konsequenzen zieht sie daraus? Aus den Studien des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen kann entnommen werden, dass die Häufigkeit bestimmter Krebsneuerkrankungen in der Samtgemeinde Bothel und in der Stadt Rotenburg (Wümme) bei Männern im Vergleich zu der Vergleichsregion (Bezirk Lüneburg) statistisch auffällig erhöht ist. In dem Bericht wird nicht auf mögliche Ursachen, wie z. B. die Öl- und Gasindustrie , eingegangen. Die Bundesregierung kann daher angesichts der Studien nicht einschätzen, ob die Aktivitäten der Öl- und Gasindustrie in einem möglichen Zusammenhang mit den Krebsneuerkrankungen stehen. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6257 2. Zu welchem Ergebnis kamen die „von den zuständigen Landesgesundheitsund -bergbehörden“ durchgeführten Untersuchungen, mit denen nach Aussage der Bundesregierung vom 8. Oktober 2014 geklärt werden sollte, „ob die Aktivitäten der Erdgasindustrie in einem möglichen Zusammenhang mit den Krebsneuerkrankungen stehen“ (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 58 des Abgeordneten Hubertus Zdebel in der Fragestunde vom 8. Oktober 2014, Plenarprotokoll 18/56), und welche Umweltuntersuchungen zur Feststellung möglicher Ursachen der auffälligen Krebsraten in der betroffenen Region (z. B. Proben von Luft, Grundwasser, Oberflächenwasser und Böden in der Nähe von Bohrlöchern) wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit Erscheinen der durch das Epidemiologische Krebsregister Niedersachsen veröffentlichten Studie durchgeführt? Nach dem Niedersächsischen Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGöGD) nimmt der Landkreis Rotenburg (Wümme) die Aufgaben des umweltbezogenen Gesundheitsschutzes im eigenen Wirkungskreis wahr. Das Niedersächsische Landesgesundheitsamt steht dem Landkreis dabei beratend zur Seite und unterstützt intensiv die zurzeit laufende Ursachenermittlung. In diesem Zusammenhang stellt das Niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) alle ihm vorliegenden Untersuchungsergebnisse zu etwaigen Schadstoffbelastungen zur Verfügung. So hat das LBEG aktuell Bodenuntersuchungen im Umfeld von Erdgasförderplätzen und Immissionsmessungen im Raum Söhlingen beauftragt, um die aktuellen Gegebenheiten im Umfeld der Erdgasförderplätze zu ermitteln. Aufgrund der noch laufenden Ursachenermittlung liegen bisher keine Erkenntnisse vor, die einen möglichen Zusammenhang zwischen den Erdgasförderaktivitäten und den Krebsneuerkrankungen erkennen lassen. 3. Wenn keine Erkenntnisse vorliegen, aus welchem Grund ist die Bundesregierung davon ausgegangen, dass „derzeit von den zuständigen Landesgesundheits - und -bergbehörden untersucht [wird], ob die Aktivitäten der Erdgasindustrie in einem möglichen Zusammenhang mit den Krebsneuerkrankungen stehen“ (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 58 des Abgeordneten Hubertus Zdebel in der Fragestunde vom 8. Oktober 2014, Plenarprotokoll 18/56)? Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort in der Fragestunde vom 8. Oktober 2014 auf die Mündliche Frage 58 auf die Untersuchungen der Landesgesundheits - und -bergbehörden hingewiesen, da sie der Aufklärung eines möglichen Zusammenhangs zwischen Krebsneuerkrankungen und Aktivitäten der Gasindustrie dienen sollen, nach dem der Abgeordnete Hubertus Zdebel ausdrücklich gefragt hatte. 4. Welche Bedeutung misst die Bundesregierung der Auswertung der Fragebogenaktion in der Samtgemeinde Bothel durch das Rotenburger Gesundheitsamt zu (Antwort auf die Mündliche Frage 49 des Abgeordneten Herbert Behrens in der Fragestunde von 1. Juli 2015, Plenarprotokoll 18/114), insbesondere nach der Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, Uwe Beckmeyer: „Erst mit diesen individuellen Informationen aus der Befragung kann versucht werden, eine Ursache für die vermehrten Krebserkrankungen zu identifizieren“? Wie der zitierten Aussage des Parlamentarischen Staatssekretärs Uwe Beckmeyer entnommen werden kann, sieht die Bundesregierung in der Auswertung der Fragebogenaktion einen möglichen Weg, um die Ursache für die vermehrten Krebs- Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/6257 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode erkrankungen festzustellen und misst ihr daher eine wichtige Bedeutung zu. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fragebogenaktion nicht zu eindeutigen Ergebnissen führt. 5. Sollten sich nach voraussichtlich erst im Jahr 2016 abgeschlossener Auswertung der Fragebögen (vgl. Frage 4) keine arbeitsplatzbezogenen oder sonstigen Hypothesen über die Krebsentstehungsursachen ableiten lassen, welche Maßnahmen sind dann zur Aufklärung vorgesehen? Aus fachlicher Sicht ist es sinnvoll, den Ausgang und die Ergebnisse der Befragung abzuwarten und dann im Arbeitskreis des Landkreises Rotenburg (Wümme) das weitere Verfahren und damit gegebenenfalls weitere Maßnahmen zur Ursachenermittlung auch in Bereichen außerhalb der Erdöl- und Erdgasgewinnung festzulegen. 6. Inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse, ob zehn Monate seit Bekanntwerden der auffälligen Krebsraten in der Samtgemeinde Bothel keine Ursachenuntersuchung unternommen worden ist, und wenn nein, warum dies nicht der Fall ist? Wie bereits in der Antwort zu Frage 2 dargestellt, erfolgt die Ursachenermittlung durch den Landkreis Rotenburg (Wümme). 7. Wann ist nach Kenntnis der Bundesregierung mit einem Ergebnis der in der Antwort auf die Mündliche Frage 47 des Abgeordneten Herbert Behrens in der Fragestunde von 1. Juli 2015, Plenarprotokoll 18/114, erwähnten Untersuchungen des Niedersächsischen Landesamts für Bergbau, Energie und Geologie zu den Quecksilberbelastungen von Boden und Grundwasser in der Umgebung von Erdgasförderplätzen zu rechnen? Das LBEG hat mit der Durchführung der Bodenuntersuchungen am 29. Juli 2015 in der Samtgemeinde Bothel begonnen. Insgesamt sollen Bodenproben aus dem Umfeld von 200 Erdgasförderplätzen entnommen, analysiert und bewertet werden . Die Probenentnahmekampagne läuft voraussichtlich bis zum 30. September 2016. Der Gesamtbericht über die Bodenuntersuchungen wird dem LBEG voraussichtlich bis zum 30. November 2016 vorgelegt. Das Grundwasser wird vom LBEG im Zuge dieser Untersuchungskampagne zunächst nicht untersucht. Sofern sich im Rahmen der Untersuchungen jedoch konkrete Hinweise auf eine Verunreinigung ergeben, wird das Untersuchungsprogramm entsprechend anpasst. 8. Welche Erkenntnisse über Untersuchungen (z. B. durch das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie) hat die Bundesregierung neben Quecksilberbelastungen über die Belastungen von Boden und Wasser nahe Erdgasförderplätzen mit bei der Erdgasförderung verwendeten Schadstoffen ? Die Untersuchungsergebnisse des LBEG werden im Internet fortlaufend unter folgendem Link veröffentlicht und könnten dort eingesehen werden: www.lbeg.niedersachsen.de/startseite/bergbau/messergebnisse/ quecksilberbelastung_an_erdgasfoerderstellen/untersuchungsergebnisse-zurquecksilberbelastung -an-erdgasfoerderstellen-126155.html. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6257 9. Welche Rolle misst die Bundesregierung der potenziellen Gefährdung durch krebserregende polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und andere flüchtige organische Verbindungen (VOC) durch Luftübertragungswege bei der Förderung bzw. bei Optimierungsmaßnahmen, wie z. B. Abfackelung , Kaltfackel, Aufwältigung, zu? Die Bundesregierung misst der potenziellen Gefährdung durch krebserregende polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und andere flüchtige organische Verbindungen (VOC) durch Luftübertragungswege bei der Förderung bzw. bei Optimierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Erdgasförderung die gleiche Bedeutung bei, wie bei jedem anderen Verbrennungsprozess. Bei Einhaltung der berg- und immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen sind keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu erwarten. 10. Welche kontinuierlichen Überwachungsmaßnahmen sind in den vergangenen 60 Jahren erfolgt, um die Bevölkerung vor derartigen Immissionen zu schützen? Der Bundesregierung liegen bisher keine Indizien dafür vor, dass Fackelanlagen nicht bestimmungsgemäß betrieben werden. Hinsichtlich der Überwachung sieht das Bundesimmissionsschutzgesetz bei solchen temporären Fackelarbeiten keine kontinuierlich wiederkehrende Messüberwachung vor. Um die Bevölkerung dennoch zu schützen, führt das LBEG derzeit eine Immissionsmessung im Erdgasfeld Söhlingen (Landkreis Rotenburg (Wümme)) durch. Mit der Messung bestimmt das LBEG, ob die Umgebungsluft an dieser Stelle belastet ist und ob die Konzentration oberhalb der zu erwartenden Hintergrundwerte der Luft liegen. Bereits 2012 hatte das LBEG vergleichbare Immissionsmessungen im Erdgasfeld Söhlingen durchgeführt, ohne dass dabei erhöhte BTEX- (Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylole) und Quecksilber-Belastungen festgestellt wurden. 11. Verfügt die Bundesregierung bzw. verfügen andere Behörden über eine vollständige Kenntnis sämtlicher bei der Erdgasförderung in Niedersachsen verwendeten Chemikalien? Eine rechtliche Grundlage zur vollständigen Erfassung sämtlicher bei der Erdgasförderung verwendeten Chemikalien (u. a. Bohrplatzbau, Abteufen der Bohrung, Inbetriebnahme der Bohrung, Förderbetrieb, Bohrlochreinigung, etc.) besteht nicht. Aus diesem Grund erfolgt auch keine zentrale Datenerhebung bezüglich der eingesetzten Einzelstoffe und Stoffverbindungen. Der Regierungsentwurf zum Fracking-Regelungspaket sieht neben einem umfassenden Umweltmonitoring die Pflicht zur Veröffentlichung aller beim Fracking eingesetzten Chemikalien vor. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/6257 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 12. Welche Stoffe sind nach Kenntnis der Bundesregierung bei Erdgasbohrungen mittels der Fracking-Technologie im Landkreis Rotenburg (Wümme) verwendet worden (bitte nach Bohrung, Zeitraum, verwendeten Stoffen, Mengen und Wassergefährdungsklasse aufschlüsseln)? In der Drucksache 16/3591 des Niedersächsischen Landtages vom 19. April 2011 wurden die konkreten Zusammensetzungen der im Erdgasfeld Söhlingen eingesetzten Frac-Fluide bekannt gegeben. Hinsichtlich der Wassergefährdung der Einzelstoffe und Stoffverbindungen kann angesichts der zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit keine abschließende Bewertung erfolgen, da die Wassergefährdungsklasse jedes einzelnen Stoffes zum jeweiligen Zeitpunkt ermittelt werden müsste. 13. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, weitere Ergebnisse der Ursachenerkundung von erhöhten „Leukämie- und Lymphom“-Raten in Erdgas -/Erdölförderregionen mit Frackinganwendungen abzuwarten, bevor sie durch gesetzliche Neuregelung einen Rechtsrahmen für den Einsatz der Gasfördermethode Fracking in Deutschland schaffen will? Bereits nach dem geltenden Bergrecht sind bei Zulassung eines Bergbaubetriebes Gefahren für die Gesundheit der Beschäftigten und Dritter im Betrieb auszuschließen und öffentliche Interessen zu berücksichtigen. Insofern bietet das geltende Recht ausreichend Handlungsspielraum, um gesundheitsgefährdenden Förderbetrieben Auflagen zur Vorsorge zu erteilen oder diese gegebenenfalls zu untersagen . Darüber hinaus wird der Gesundheitsschutz durch das geplante Regelungspaket noch erheblich gestärkt, so dass die Bundesregierung keine Notwendigkeit sieht, die Ergebnisse der Ursachenerkundungen abzuwarten. 14. An welcher Stelle sieht die Bundesregierung im vorliegenden Gesetzespaket eine explizite oder implizite Sicherung des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung geregelt (die Bundesregierung sieht das „umgehende(n) Inkrafttreten der vorgeschlagenen Neuregelungen (…) auch aus Aspekten des Gesundheitsschutzes “ als sinnvoll an (vgl. Antwort auf die Mündliche Frage 47 des Abgeordneten Hubertus Zdebel in der Fragestunde von 1. Juli 2015, Plenarprotokoll 18/114)? Das Fracking-Regelungspaket dient insbesondere durch die Änderungen des Wasserhaushaltsgesetzes vorrangig dem Schutz der Gewässer und darüber hinaus auch anderer Umweltaspekte, wie dem Schutz der Natur und der Luft. Damit wird in der Mehrzahl der Regelungen des vorliegenden Gesetzespaketes eine Sicherung des Gesundheitsschutzes sichergestellt. Dazu gehören u. a. im Wasserhaushaltsgesetz die Pflicht für eine wasserrechtliche Genehmigung von Frac-Maßnahmen und die untertägige Ablagerung von Lagerstättenwasser, das Verbot von Fracking in unkonventionellen Lagerstätten und in weitreichenden Ausschlussgebieten , das Verbot der Verwendung wassergefährdender Gemische, weitreichende Überwachungs- und Berichtspflichten sowie in der Allgemeinen Bundesbergverordnung die Einführung des Standes der Technik, die Sicherstellung der Bohrlochintegrität , neue Anforderungen an die Erbebensicherheit sowie strikte Regelungen zum Umgang mit Rückflüssen und Lagerstättenwasser. 15. Da in den USA bereits schädliche Einflüsse von Fracking in Hinsicht auf die Fehlgeburten- und Fehlbildungsrate in den Fracking-Regionen bis zu einem Abstand von zehn Meilen von den Bohrstellen festgestellt wurden (www.psehealthyenergy.org/data/SS_Vulnerable_Pop_3.7_.pdf), welche Abstandsregelung zwischen Bohrstellen und Wohnbebauungen sind nach Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/6257 Meinung der Bundesregierung zur Sicherstellung des Gesundheitsschutzes, insbesondere von schwangeren Frauen, auf der einen Seite notwendig und auf der anderen Seite gesetzlich vorgesehen? Gemäß § 50 Satz 1 des Bundesimmissionsschutzgesetzes sind bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen und von schweren Unfällen in Betriebsbereichen hervorgerufene Auswirkungen auf die ausschließlich oder allgemein dem Wohnen dienenden Gebiete sowie auf sonstige schutzbedürftige Gebiete soweit wie möglich vermieden werden. Zu diesen Gebieten muss daher ein im Einzelfall zu bestimmender ausreichender Sicherheitsabstand eingehalten werden. Eine in Deutschland angemessene Festlegung von Mindestabständen der Schiefergasförderung zu Siedlungsflächen und dem Wohnumfeld wird die in den USA üblichen „setback restrictions“ der Bundesstaaten weit überschreiten. Aufgrund der hohen Siedlungsdichte in den Bundesländern mit den von der BGR prognostizierten größten Schiefergaspotenzialen werden unter Berücksichtigung von Vorsorgeabständen – neben den ohnehin gesetzlich festgelegten Ausschlussgebieten – große Gebiete als Standort für die Schiefergasförderung ausscheiden. 16. Misst die Bundesregierung dem präventiven Gesundheits- und Umweltschutz einen hohen Stellenwert bei, und wenn ja, mit welcher Begründung will die Bundesregierung die Anwendung der Fracking-Technologie gesetzlich ermöglichen, obwohl die Bundesregierung nach eigener Aussage „nicht einschätzen [kann], ob die Aktivitäten der Erdgasindustrie in einem möglichen Zusammenhang mit den Krebsneuerkrankungen stehen“ (vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Mündliche Frage 59 des Abgeordneten Hubertus Zdebel, Plenarprotokoll 18/56), und somit einen Kausalzusammenhang nicht ausschließt? Die Bundesregierung misst dem präventiven Gesundheits- und Umweltschutz höchste Bedeutung zu und hat daher weitgehende Verbote bzw. sehr strenge Anforderungen sowohl für die Anwendung der Fracking Technologie als auch für die herkömmliche Erdgasförderung vorgeschlagen (siehe auch Antwort zu Frage 14). Ein vollständiges Verbot der Fracking-Technologie ist auch angesichts der festgestellten Krebsneuerkrankungen in der Samtgemeinde Bothel und der Stadt Rotenburg (Wümme) nicht angemessen, da für einen Zusammenhang mit der Fracking -Technologie keine Anhaltspunkte vorliegen. Insofern ist dieser Ursachenzusammenhang zu unterscheiden von dem in der Mündlichen Frage 59 des Abgeordneten Hubertus Zdebel angesprochenen Sachverhalt (Plenarprotokoll 18/56), der sich auf den Zusammenhang zwischen den Krebserkrankungen und der Erdgasförderung bezog. 17. Inwieweit unternimmt die Bundesregierung aufgrund der Gesundheits- und Umweltgefahren durch Fracking Anstrengungen, § 1 Absatz 5 der Zwölften Bundes-Immissionsschutzverordnung (Störfall-Verordnung) so zu ändern, dass die Gewinnung von Mineralien durch Bohrung mittels Fracking in jeglicher Form unter den Geltungsbereich der Störfall-Verordnung fällt, und wenn nein, warum nicht? Die Seveso-Richtlinie und die Störfallverordnung nehmen ausdrücklich die Erkundung und Ausbeutung von Mineralien von ihrem Anwendungsbereich aus. Unter Mineralien im erweiterten Sinne fallen auch Kohlenwasserstoffe. Es gibt Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/6257 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode keine Bestrebungen der Bundesregierung, Fracking unter den Anwendungsbereich der Störfallverordnung zu stellen. 18. Inwieweit ergreift die Bundesregierung Initiativen, um beim Umweltbundesamt (UBA) eine bundesweite zentrale Meldestelle für Ereignisse bei der Erkundung und Gewinnung von Bodenschätzen mittels Fracking einzurichten, wie sie mit der „Zentralen Melde- und Auswertestelle für Störfälle und Störungen in verfahrenstechnischen Anlagen“ (ZEMA) für meldepflichtige Ereignisse nach der Störfall-Verordnung existiert? Das Statistische Bundesamt erfasst jährlich zentral aufgrund von § 9 des Umweltstatistikgesetzes die Unfälle beim Umgang mit und bei der Beförderung von wassergefährdenden Stoffen sowie von Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen. Daher hält die Bundesregierung eine Initiative zur Einführung einer zentralen Meldestelle für Fracking-Ereignisse für entbehrlich. 19. Welche von den seit dem Jahr 1961 mehr als 300 durchgeführten Erdgasbohrungen mittels der Fracking-Technologie wären nach Einschätzung der Bundesregierung von dem aktuell vorliegenden Gesetzes- und Verordnungspaket zur Regelung des Fracking verboten worden (bitte nach Bohrung und Grund der Unzulässigkeit nach Maßstäben der Regelungsvorschläge der Bundesregierung aufschlüsseln)? Aufgrund der zeitlich versetzten Abfolge der Festsetzung von Wasserschutzbzw . Wassergewinnungsgebieten oder von Vorranggebieten für die Trinkwassergewinnung und der Herstellung von Erdgasbohrungen und derer Frac-Behandlung ist die Ermittlung von einzelnen Fracking-Maßnahmen, die künftig nicht genehmigungsfähig wären, in der zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit nicht möglich. Die Ermittlung dieser Fälle im Bundesgebiet setzt eine umfangreiche historische Rekonstruktion der Erstreckung der Schutzgebiete sowie der jeweiligen Bohrverläufe (Bohransatzpunkt, Bohrpfad, Bohrzielpunkt) voraus. 20. Inwieweit strebt die Bundesregierung eine umfassende und intensive Auswertung der mehr als 300 seit dem Jahr 1961 in Niedersachsen schon stattgefundenen Erdgasbohrungen mittels der Fracking-Technologie an, wo doch seitens der Bundesregierung immer wieder betont wird, dass Fracking hierzulande erst einmal erforscht werden müsse, da es an Erfahrungen fehle, und wenn nein, warum nicht? Aufgrund der nach der alten Rechtslage fehlenden Monitoring-Pflichten in Bezug auf konkrete Bohrungen ist eine umfassende und intensive Auswertung der zum Teil über 50 Jahre zurückliegenden Frac-Maßnahmen nicht möglich. Unter anderem aus der permanenten Überprüfung der Trinkwasserqualität sowie den seismischen Aufzeichnungen durch die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe lässt sich jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit ableiten, dass die bisherigen Frac-Maßnahmen in Sandgestein nicht zu schwerwiegenden Umweltschäden geführt haben. Solche Erfahrungen liegen für den Einsatz der Fracking-Technologie in unkonventionellen Lagerstätten für Deutschland bislang nicht vor. Deshalb sieht das dem Bundestag vorliegende Regelungspaket für den Bereich der unkonventionellen Lagerstätten zunächst ein Verbot mit Ausnahme von Probebohrungen ausschließlich zu wissenschaftlichen Zwecken unter sehr eingeschränkten Bedingungen vor. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/6257 21. Welche Firmen bzw. staatlichen Behörden haben nach Kenntnis der Bundesregierung die Kosten für Umweltverträglichkeitsprüfungen im Rahmen bergbaulicher Tätigkeiten in Niedersachsen und Schleswig-Holstein getragen (bitte nach einzelnen Umweltverträglichkeitsprüfungen, Höhe der Kosten und Firmen bzw. staatlichen Behörden aufschlüsseln)? Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist ein unselbständiger Bestandteil der Planfeststellungsverfahren für die Zulassung obligatorischer Rahmenbetriebspläne . Die UVP wird von der Bergbehörde auf Grundlage der Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) der Antragsteller durchgeführt. Die Kosten für den Antrag und damit die UVS trägt der Antragsteller. Die Kosten für die UVP sind in den Verwaltungsgebühren, die ebenfalls vom Antragsteller zu entrichten sind, enthalten . Im Falle der UVP-Pflicht für Fracking-Vorhaben schätzt der Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung e. V. im Rahmen der Verbändeanhörung zu dem Fracking-Regelungspaket die zusätzlichen Kosten für die Erstellung einer UVS auf 500 000 Euro. Die Höhe der Verwaltungskosten richtet sich in Niedersachsen nach der geltenden Verordnung über die Gebühren und Auslagen für Amtshandlungen und Leistungen (AllGO) und wird bei diesen Verfahren in Abhängigkeit des Verwaltungsaufwandes in Höhe von 3 240 Euro bis 102 700 Euro festgesetzt. Eine Aufschlüsselung der Kosten im Einzelfall ist der Bundesregierung in der zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit nicht möglich. 22. Lassen sich die von der Bundesregierung gesetzten Klimaziele in Einklang mit einer möglichen Schiefergasförderung in Deutschland bringen (u. a. angesichts der Entweichung von großen Mengen des Treibhausgases Methan vgl. www.klimaretter.info/umwelt/nachricht/19180-us-behoerde-unterschaetztmethan -emissionen)? Der Bundesregierung liegen bisher keine belastbaren Erkenntnisse darüber vor, in welchem Umfang bei einer Schiefergasförderung in Deutschland Methan entweichen könnte. Spezifische Methoden des International Panel on Climate Change (IPCC) zur Berechnung der Emissionen dieser Technik liegen derzeit auch auf internationaler Ebene nicht vor. Aus Klimaschutzsicht ist die Nutzung von Schiefergas mit den Klimaschutzzielen vereinbar, wenn die Treibhausgasbilanz über die gesamte Förderungs- und Nutzungskette mit der von konventionell gewonnenem Erdgas vergleichbar ist. Aufgrund der bestehenden und geplanten berg- und immissionsschutzrechtlichen Anforderungen zur Vermeidung und Verringerung von Methanemissionen, wären Fracking-Maßnahmen jedoch nicht genehmigungsfähig , wenn dabei erhebliche Mengen von Methan freigesetzt würden . 23. Inwieweit muss ein Zusammenhang mit bergbaulichen Tätigkeiten vorliegen , damit Energieversorgungsunternehmen gemäß dem Verursacherprinzip die Kosten für Ursachenuntersuchungen bei möglichen Schäden für Mensch und Natur übernehmen müssen? Das Verursacherprinzip besagt, dass Kosten zur Vermeidung, zur Beseitigung und zum Ausgleich von Umweltverschmutzungen dem Verursacher zuzurechnen sind. Dementsprechend setzt das Verursacherprinzip voraus, dass ein Verursacher feststeht. § 125 Bundesberggesetz verpflichtet jedoch Unternehmen auf eigene Kosten zur Durchführung von Messungen, die zur Erleichterung der Feststellung von Art und Umfang zu erwartender und zur Beobachtung eingetretener Einwirkungen des Bergbaus auf die Oberfläche erforderlich sind. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/6257 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 24. Hält die Bundesregierung angesichts der Gesundheitsrisiken sowie der Erdbebengefahren in Erdgas-Förderregionen ein Moratorium, also einen befristeten Stopp der Gasförderung, zum Schutz der betroffenen Menschen sowie privaten und öffentlichen Eigentums für geboten, bis die Risiken untersucht worden sind und eine Gefährdung ausgeschlossen werden kann? 25. Welche rechtlichen Möglichkeiten für ein Fördermoratorium zur Untersuchung von Risiken und zum Ausschließen von Gefahren sieht die Bundesregierung ? Die Fragen 24 und 25 werden gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass das vorgelegte Fracking-Regelungspaket mit Verboten des Frackings in unkonventionellen Lagerstätten, in Schutzgebieten und des Verpressens von Rückflüssen und Lagerstättenwasser in bestimmten Horizonten sowie den sonstigen strengen Anforderungen an die Erdgas-, Erdöl- und Erdwärmeförderung einen angemessenen Rechtsrahmen zum Schutz von Menschen, Umwelt und Eigentum darstellt. Ein befristeter, undifferenzierter Stopp der Erdgasförderung würde einen schwerwiegenden Eingriff in die aufgrund geltender Genehmigungen bestehenden Rechte der Unternehmer darstellen , der aufgrund der bekannten Gefahren rechtsstaatlich nicht gerechtfertigt werden kann. 26. Stimmt die Bundesregierung dem Umweltepidemiologen und Gesundheitstoxikologen Prof. Dr. med. Rainer Frentzel-Beyme zu, wenn dieser die Ansicht von Epidemiologen formuliert, dass „Prävention bereits bei Vorliegen erster Hinweise auf gefährliche Zusammenhänge erfolgen muss, ohne die wissenschaftliche Absicherung und Erklärung des gesamten Mechanismus der Krankheitsgefährdung abzuwarten“, (www.kreiszeitung.de/lokales/ rotenburg/rotenburg-ort120515/kathrin-otte-erhoehten-krebszahlen-region- 5174407.html), und wenn ja, wie will sie eine solche Prävention künftig gewährleisten ? Die Bundesregierung stimmt der Aussage generell zu, dass Prävention bei Hinweisen auf gefährliche Zusammenhänge notwendig ist, auch wenn der gesamte Ursachenzusammenhang nicht zweifelsfrei nachgewiesen ist. Dies ergibt sich aus dem im deutschen Recht verankerten Vorsorgeprinzip. Für die Umsetzung des Vorsorgeprinzips stellt sich im Einzelfall die Frage, wie belastbar die Hinweise auf eine Gefährdung sind und welche Maßnahmen daraufhin zu ergreifen sind. Soweit ein Verbot der Tätigkeit eines gesamten Industriezweigs, wie z. B. der Erdgasförderung gefordert wird, sind an die Hinweise auf gefährliche Zusammenhänge , hohe Anforderungen zu stellen. Zudem muss gewährleistet sein, dass ein Verbot die einzige geeignete Maßnahme ist und der möglichen Gefährdung nicht auch durch weniger einschneidende Maßnahmen vorgebeugt werden kann. Im Hinblick auf die Erdgasförderung ist die Bundesregierung der Ansicht, dass die im Regelungspaket vorgeschlagenen Verbote und Anforderungen das Vorsorgeprinzip im Sinne einer verantwortungsvollen Prävention angemessen umsetzen . Darüber hinaus sind auch bereits nach der geltenden Rechtslage die zuständigen Behörden bei jeder Zulassung eines Bergbaubetriebes gesetzlich verpflichtet zu prüfen, ob ein Förderunternehmen die erforderliche Vorsorge gegen Gefahren für Leib, Gesundheit und zum Schutz von Sachgütern getroffen hat. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/6257 27. Was spricht nach Auffassung der Bundesregierung dagegen, auch in Deutschland eine Behörde, wie den niederländischen Untersuchungsrat für Sicherheit, eine im Jahr 2005 gegründete, unabhängige Untersuchungsbehörde für Zwischenfälle, Unfälle und Katastrophen mit einem Budget von unter 2 Mio. Euro pro Jahr, einzurichten, damit Zwischenfälle proaktiv und im Interesse des Schutzes von Mensch und Natur angegangen werden? Schwere Unfälle und Katastrophen sind nach dem Verständnis der Bundesregierung außergewöhnliche Ereignisse, deren Entstehung und Prävention im Einzelfall durch entsprechende Experten zu ermitteln ist. In Deutschland gibt es eine Reihe von spezialisierten Behörden und Institutionen (z. B. Umweltbundesamt, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe), die solche Untersuchungen durchführen oder in Auftrag geben können. Für die Schaffung einer weiteren Behörde wird daher keine Notwendigkeit gesehen. 28. Wie will die Bundesregierung den rechtlich durch die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) zugesicherten Schutz der Bevölkerung vor toxischen Luftbelastungen im Umfeld von Bohranlagen, insbesondere gegenüber Immissionen durch Abfackelungen, sicherstellen? Die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) enthält Anforderungen zum Schutz vor und zur Vorsorge gegen Luftverunreinigungen, die von immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen ausgehen. Sie wird darüber hinaus für nicht immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen als Erkenntnisquelle herangezogen. In Nr. 5.4.8.1a.2.2 der TA Luft sind Anforderungen an Anlagen zum Abfackeln von brennbaren gasförmigen Stoffen, die nicht aus Abfallbehandlungsanlagen stammen, festgelegt. Demnach sind Gase möglichst einer Abgasreinigungseinrichtung mit thermischer oder katalytischer Nachverbrennung zuzuführen. Ist dies nicht möglich, sind sie einer Fackel zuzuführen. Zur Minimierung der Emissionen sind dabei eine Mindesttemperatur in der Flamme von 850 Grad Celsius sowie ein Emissionsminderungsgrad für organische Stoffe von 99,9 Prozent oder eine Massenkonzentration von max. 20 mg/m³ bezogen auf Gesamt-Kohlenstoff vorgeschrieben. 29. Sieht die Bundesregierung bei den Gesundheitsrisiken der Erdgasförderung in der Praxis das Verursacherprinzip als ausreichend gesichert und durchsetzbar an? 30. Wenn ja, aufgrund welcher Mittel kommt sie zu dieser Einschätzung? 31. Wenn nein, wie plant die Bundesregierung die Kostenübernahme von entstandenen Schäden und von volkswirtschaftlichen und sozialen Kosten der Erdgasförderung sowie Entschädigungszahlungen im Fall von Gesundheitsschädigungen durch deren Verursacher zu stärken? Die Fragen 29 bis 31 werden gemeinsam beantwortet. Das Verursacherprinzip ist im deutschen Privat- und öffentlichen Recht verankert . Das Bundesberggesetz stärkt dieses Prinzip, indem es für Bergschäden eine verschuldensunabhängige, gesamtschuldnerische Haftung von Bergbauunternehmer und Bergbauberechtigten statuiert. Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass diese Haftungspflichten auch bei Gesundheitsschäden durch die Erdgasförderung Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/6257 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode generell in der Praxis ausreichend gesichert und durchsetzbar sind, da in Deutschland ein funktionierendes Rechtsschutzsystem existiert. 32. Wie steht die Bundesregierung zur Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds, in den die Erdgasförderunternehmen einzahlen, um damit das Verursacherprinzip bei entstandenen Schäden und dauerhaften Folgekosten (Ewigkeitskosten) langfristig sicherzustellen? Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass die bereits bestehende Bergschadensausfallkasse , die in Eigenverwaltung der Bergbauunternehmen organisiert wird, ein angemessenes und ausreichendes Instrument darstellt, um mögliche Zahlungsausfälle von Erdgasförderunternehmen aufzufangen. Für die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds besteht daher keine Notwendigkeit. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333