Deutscher Bundestag Drucksache 18/627 18. Wahlperiode 20.02.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/428 – Ratifizierung der zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Als eines der wenigen konkreten Ergebnisse überhaupt wurde auf der UNKlimakonferenz am Jahresende 2012 in Doha eine zweite Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll vereinbart, zu der sich einige wenige Industriestaaten verpflichten wollen. Dazu gehören neben der Europäischen Union Norwegen, die Schweiz, Australien, Liechtenstein und Monaco. Japan, Neuseeland und Russland sind nicht mehr dabei, Kanada hatte schon zuvor die Mitgliedschaft gekündigt und die USA haben das Protokoll nie ratifiziert. Zwar werden zukünftig nur noch ca. 15 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen von der neuen Verpflichtungsperiode erfasst, aber die Kyoto-Architektur besteht durch die Verlängerung der Verpflichtungsperiode zunächst weiter fort. In einer ersten Anfrage zum Thema im vergangenen Jahr hatte die Bundesregierung in ihrer Beantwortung u. a. auf eine noch ausstehende notwendige Entscheidung auf europäischer Ebene zur Aufteilung der Pflichten auf die Mitgliedstaaten verwiesen (siehe Bundestagsdrucksache 17/12976). Am 6. November 2013 hat die Europäische Kommission nun zwei Legislativvorschläge zur Ratifizierung der zweiten Verpflichtungsperiode des KyotoProtokolls vorgelegt: den Ratifizierungsvorschlag und eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Regelung technischer Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung des zweiten Verpflichtungszeitraums. 1. Wird sich die Bundesregierung zu ihrem nationalen Minderungsziel von minus 40 Prozent bis zum Jahr 2020 – bezogen auf das Jahr 1990 – unter der zweiten Verpflichtungsperiode völkerrechtlich verpflichten? Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 18. Februar 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Die Bundesregierung bekennt sich zu ihrem Ziel, die Treibhaugasemissionen in Deutschland bis zum Jahr 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand im Jahr 1990 zu senken. Drucksache 18/627 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Der Vorschlag der Europäischen Kommission zur Umsetzung der zweiten Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll sieht vor, dass mit der Ratifizierung die bereits bestehenden europarechtlichen Emissionsminderungsverpflichtungen nach dem EU-Klima- und Energiepaket aus dem Jahr 2009 völkerrechtlich verbindlich werden. Entsprechend verpflichten sich die Europäische Union (EU) und ihre Mitgliedstaaten (sowie Island) gemeinsam völkerrechtlich, ihre Emissionen um 20 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 bezogen auf den Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2020 zu senken. Im Unterschied zur ersten Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll kann diese Gesamtminderungsverpflichtung der EU, ihrer Mitgliedstaaten und Islands nicht auf die einzelnen Mitgliedstaaten heruntergebrochen werden. 2. Welcher völkerrechtlichen deutschen Verpflichtung entspräche die derzeit von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Aufteilung unter dem derzeitigen europäischen Minderungsziel von minus 20 Prozent bis zum Jahr 2020 (bezogen auf das Jahr 1990)? Der Vorschlag der Europäischen Kommission sieht im Rahmen der in der Antwort zu Frage 1 erwähnten gemeinsamen völkerrechtlichen Verpflichtung der EU, ihrer Mitgliedstaaten und Islands vor, dass die EU, d. h. die Mitgliedstaaten der EU gemeinsam, für eine Emissionsminderung verantwortlich ist, die grundsätzlich der europarechtlich vorgegebenen Emissionsminderung im Bereich des europäischen Emissionshandelssystems (Richtlinie 2003/87/EG) entspricht. Jeder einzelne Mitgliedstaat ist zusätzlich für eine Emissionsminderung verantwortlich , die der für ihn europarechtlich vorgegebenen Emissionsminderung im Bereich der Entscheidung über die Anstrengungen der Mitgliedstaaten zur Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen (Entscheidung Nr. 406/2009/EG) entspricht . Aufgrund dieser Struktur der Minderungsverpflichtungen besteht für die einzelnen Mitgliedstaaten keine nationale Minderungsverpflichtung, die sich auf sämtliche Emissionen in diesem Mitgliedstaat bezieht. Dies liegt insbesondere daran, dass die Emissionsminderungsverpflichtung im Bereich des europäischen Emissionshandelssystems nicht auf die einzelnen Mitgliedstaaten heruntergebrochen werden kann. Entsprechend besteht auch für die Bundesrepublik Deutschland keine auf alle Emissionen in Deutschland bezogene und völkerrechtlich verbindliche Emissionsminderungsverpflichtung. Unbeschadet davon hat sich Deutschland das Ziel gesetzt, seine Treibhausgasemissionen um 40 Prozent im Vergleich zu Stand im Jahr 1990 bis zum Jahr 2020 zu senken. 3. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus Berechnungen, wonach eine Ratifizierung im Rahmen der Europäischen Union (EU) „nur“ einer völkerrechtlich verbindlichen nationalen Minderung von etwa minus 33 Prozent entspräche 1, und wenn nicht, warum nicht? Aus den in der Antwort zu Frage 2 genannten Gründen gibt es keine völkerrechtlich verbindliche, nationale Minderungsverpflichtung. 1 Experten-Stellungnahme zum ersten Monitoring-Bericht der Bundesregierung „Energie der Zukunft“ für das Berichtsjahr 2011, www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/M-O/monotoringbericht-stellungnahmelang ,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/627 4. Wie weit müsste die EU dann ihr Ziel zur Minderung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 aufstocken, damit Deutschland seinen nationalen Minderungsanteil von minus 40 Prozent im Rahmen der zweiten Kyoto-Verpflichtungsperiode erfüllen kann? Eine solche Berechnung ist aus den in der Antwort zu Frage 2 genannten Gründen nicht möglich. Die Bundesregierung hält aber – wie auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ausdrücklich vereinbart – uneingeschränkt an dem Ziel fest, die Treibhausgasemissionen in Deutschland um mindestens 40 Prozent im Vergleich zum Stand im Jahr 1990 bis zum Jahr 2020 zu senken. 5. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregung aus Berechnungen, wonach das europäische Ziel zur Minderung der Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 auf mindestens 22 Prozent angehoben werden müsste, wenn Deutschland sich im Rahmen der zweiten Verpflichtungsperiode zu seinem nationalen Klimaziel von 40 Prozent verpflichtet 2, und welche eigenen Berechnungen hat die Bundesregierung angestellt oder liegen ihr dazu vor? Eine solche Berechnung ist aus den in der Antwort zu Frage 2 genannten Gründen nicht möglich. 6. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die EU ihr Klimaziel entsprechend anhebt, damit sich Deutschland zu seinem nationalen Klimaziel von minus 40 Prozent bis zum Jahr 2020 völkerrechtlich im Rahmen der zweiten Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls verpflichten kann? Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass Deutschland und die EU eine ambitionierte Klimaschutzpolitik betreiben. Dafür ist es nicht erforderlich, dass das deutsche, nationale Minderungsziel völkerrechtlich verbindlich ist. Siehe auch die Antwort zu Frage 2. 7. Erachtet die Bundesregierung eine nationale Verpflichtung zum 40-Prozent -Ziel als notwendig und hilfreich, um vor der internationalen Staatengemeinschaft ihrer Ambition beim Klimaschutz die notwendige Glaubwürdigkeit zu verleihen? Die Bundesregierung setzt sich für eine ambitionierte Klimaschutzpolitik ein, sowohl in Deutschland als auch in der EU und weltweit. Es ist ein wichtiges Signal für die internationalen Verhandlungen zum Klimaschutz, dassv sich eine Industrienation wie Deutschland das Ziel gesetzt hat, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um mindestens 40 Prozent gegenüber dem Stand im Jahr 1990 zu senken. Dieses ambitionierte Klimaschutzziel trägt erheblich zur Glaubwürdigkeit der deutschen Klimaschutzpolitik bei. 8. Wann rechnet die Bundesregierung mit der Ratifizierung der zweiten Verpflichtungsperiode durch den Deutschen Bundestag? Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn der Deutsche Bundestag die Beschlüsse zur zweiten Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll im vierten Quartal 2014 fassen würde. Die Europäische Kommission hat vor- 2 Oliver Geden (SWP): Die Implementierung der »Kyoto-II«-Verpflichtungen in EU-Recht, Enger wer- dende Spielräume für eine klimapolitische Vorreiterrolle Deutschlands, www.swp-berlin.org/fileadmin/ contents/products/aktuell/2013A69_gdn.pdf Drucksache 18/627 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode geschlagen, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten die Ratifikationsurkunden gemeinsam im ersten Quartal 2015 hinterlegen werden. Die EU würde damit rechtzeitig vor der wichtigen Klimaschutzkonferenz in Paris im Jahr 2015 ein positives Signal senden. 9. Ist aus Sicht der Bundesregierung die vorgesehene Verpflichtung der Europäischen Union zu einer Minderung von minus 20 Prozent bis zum Jahr 2020 im Rahmen der zweiten Verpflichtungsperiode ambitioniert und ausreichend als Signal für den internationalen Klimaschutz in Richtung der UN-Klimakonferenz in Paris im Jahr 2015 angesichts der Tatsache, dass die EU schon bis Ende 2012 ihre Treibhausgasemissionen um ca. 19 Prozent senken konnte 3? Es ist zu berücksichtigen, dass sich die völkerrechtliche Minderungsverpflichtung der EU in der zweiten Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll von minus 20 Prozent nicht auf das Zieljahr 2020 bezieht, sondern auf die Emissionen im Durchschnitt der Jahre 2013 bis 2020. Die EU signalisiert mit der Übernahme einer völkerrechtlich verbindlichen Emissionsminderungsverpflichtung in der zweiten Verpflichtungsperiode unter dem Kyoto-Protokoll, dass sie auch für die Zeit nach dem Ende der zweiten Verpflichtungsperiode, d. h. ab dem Jahr 2020 ein völkerrechtlich verbindliches, regelbasiertes Klimaregime anstrebt. Für das zukünftige Klimaregime ab dem Jahr 2020 wird es entscheidend sein, dass nicht nur einige Industrieländer unter dem Kyoto-Protokoll, sondern dass alle Staaten verbindliche Minderungsverpflichtungen übernehmen. Es ist deshalb ein wichtiges Zeichen für die internationalen Verhandlungen zum Klimaschutz, dass die EU die Bedeutung eines regelbasierten Klimaschutzregimes unterstreicht. Das gilt insbesondere, da außer der EU nur wenige Länder an der zweiten Verpflichtungsperiode teilnehmen werden. Wichtige Industrieländer sowie die großen Entwicklungs- und Schwellenländer werden bis zum Jahr 2020 voraussichtlich keine völkerrechtlich verbindlichen Emissionsminderungsverpflichtungen eingehen. 10. Wird sich die Bundesregierung im Rahmen der für dieses Jahr vorgesehenen Überprüfung der Kyoto-Ziele dafür einsetzen, dass die EU ihr Klimaziel für das Jahr 2020 anhebt und sich zu einer Minderung ihrer Treibhausgasemissionen von mindestens 30 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 bis zum Jahr 2020 verpflichtet, und wenn nicht, warum nicht? Bei der Klimakonferenz in Doha haben die Vertragsstaaten beschlossen, dass die Annex-B-Staaten spätestens im Jahr 2014 eine Überprüfung ihrer Minderungsverpflichtungen vornehmen werden und bei Bedarf ihr Ziel anschärfen können. Die Bundesregierung hält dieses Instrument für eine geeignete Regelung und wird für Deutschland diese Überprüfung vornehmen. 11. Was unternimmt die Bundesregierung konkret, um andere Staaten, die einer zweiten Verpflichtungsperiode beitreten, zu einer Anhebung ihres Ambitionsniveaus zu bewegen, und mit welchen Staaten werden dazu ggf. Gespräche geführt? 12. Was unternimmt die Bundesregierung darüber hinaus konkret, um weitere Staaten zu einer Verpflichtung unter dem Kyoto-Protokoll in der neuen 3 www.bmu.de/bmu/presse-reden/pressemitteilungen/pm/artikel/hendricks-beim-klimaschutzehrgeiziger -werden/?tx_ttnews[backPid]=103&cHash=dadebb11ff9d8a47a40e552100b5a9ce Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/627 Periode zu bewegen, und mit welchen Staaten werden ggf. darüber Gespräche geführt? Die Fragen 11 und 12 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Deutschland und die EU führen regelmäßig Konsultationen mit Staaten zum internationalen Klimaschutz durch. Dabei wird auch die Möglichkeit angesprochen , Emissionsminderungsverpflichtungen unter dem Kyoto-Protokoll zu übernehmen. Deutschland und die EU setzen sich zudem in den internationalen Klimaschutzverhandlungen , in den die Verhandlungen begleitenden Prozessen – etwa im Major Economies Forum on Energy and Climate (MEF) – sowie in bilateralen Gesprächen für mehr Klimaschutz in allen Staaten ein. Entscheidend ist aus Sicht Deutschlands, dass mehr Staaten bis zum Jahr 2020 aktiv handeln und ihre Treibhausgasemissionen senken. Deutschland bemüht sich deshalb, dass mehr Staaten konkrete Minderungsanstrengungen bis zum Jahr 2020 unternehmen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333