Deutscher Bundestag Drucksache 18/629 18. Wahlperiode 20.02.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Markus Kurth, Beate Müller-Gemmeke, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/430 – Rentenpläne der Bundesregierung Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die von der Bundesregierung geplanten neuen Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung belasten die Rentenkasse um mindestens 160 Mrd. Euro bis zum Jahr 2030. Zur Gegenfinanzierung der Mehrausgaben soll ausweislich des vorliegenden Referentenentwurfs der Beitragssatz auf 22 Prozent im Jahr 2030 steigen und der Bundeszuschuss ab dem Kalenderjahr 2019 bis zum Jahr 2022 stufenweise um rund 2 Mrd. Euro jährlich ansteigen. Vollkommen unklar bleibt, welche Gesamtkosten bis zum Jahr 2030 für den Bundeshaushalt entstehen, welche Verteilungswirkungen sich ergeben, zu welchen Beitragsausfällen es durch einen vorzeitigen Rentenbezug kommt, in welchem Maße Frühverrentungen drohen, wie sich der begünstigte Personenkreis zusammensetzt, welche Berufs- und Einkommensgruppen profitieren, welche Personen eben nicht in den Genuss der neuen Leistungen kommen, welche Personen bzw. Personengruppen für die zusätzlichen Leistungen aufkommen und ob bzw. wann Maßnahmen gegen Altersarmut von dieser Bundesregierung ergriffen werden. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die gesetzliche Rentenversicherung ist die wichtigste Säule des deutschen Alterssicherungssystems. Sie ist stabil und sicher aufgestellt und hat sich nicht zuletzt in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise bewährt. Dennoch gilt es, das Alterssicherungssystem stets auf Verbesserungspotentiale hin zu prüfen und dort Veränderungen vorzunehmen, wo sie unter Beachtung des Grundsatzes der Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 18. Februar 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Generationengerechtigkeit notwendig und möglich sind. Mit dem Entwurf des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) wird die Leistung derjenigen Frauen und Männer gewürdigt, die jahrzehntelang gearbeitet und Beiträge zur gesetzlichen Drucksache 18/629 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Rentenversicherung gezahlt haben, die Kinder erzogen und Angehörige gepflegt haben. Auch die, die wegen gesundheitlichen Schäden nicht mehr arbeiten können und nun auf die Solidarität der Versichertengemeinschaft angewiesen sind, werden durch die Maßnahmen des Gesetzentwurfs bei der Rente bessergestellt. Darüber hinaus werden zusätzliche Mittel bereitgestellt, um Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gefährdet oder bereits beeinträchtigt ist, möglichst dauerhaft wieder in das Erwerbsleben einzugliedern. Die finanziellen Auswirkungen sind im Entwurf des Gesetzes dargestellt. Bei der Finanzierung der Leistungsverbesserungen ist berücksichtigt, dass die gesetzliche Rentenversicherung finanziell gut aufgestellt ist, aber auf lange Sicht Beitragszahlerinnen und Beitragszahler nicht überfordert werden dürfen. Bereits heute beteiligt sich der Bund jährlich mit über 80 Mrd. Euro an der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung. Ab dem Jahr 2019 beteiligt sich auch der Bund mit zusätzlichen Mitteln, die von 0,5 Mrd. Euro stufenweise bis zum Jahr 2022 auf rund 2 Mrd. Euro jährlich anwachsen, an den ausgeweiteten Leistungen für Kindererziehung für vor 1992 geborene Kinder. Die damit einhergehende stabilisierende Wirkung auf die Entwicklung des Beitragssatzes in der allgemeinen Rentenversicherung stärkt die Generationengerechtigkeit und die finanzielle Tragfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung. Beitragssatzobergrenzen und Mindestsicherungsniveaus werden eingehalten. 1. Wie viele zusätzliche Haushaltsmittel sind in den Jahren 2014 bis 2030 jährlich notwendig, um die von der Bundesregierung geplanten rentenpolitischen Maßnahmen zu finanzieren – bitte getrennt ausgewiesen nach a) der Erhöhung des Bundeszuschusses an die Rentenversicherung infolge von höheren Beitragssätzen, Die an die gesetzliche Rentenversicherung geleisteten Bundesmittel fallen je Zehntel Prozentpunkt höherem Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung um etwa 0,25 Mrd. Euro jährlich höher aus (heutige Werte). Darüber hinaus beteiligt sich der Bund ab dem Jahr 2019 mit zusätzlichen Mitteln an den ausgeweiteten Leistungen für Kindererziehung für vor 1992 geborene Kinder, die sich bis zum Jahr 2022 stufenweise auf rund 2 Mrd. Euro jährlich erhöhen. Im Übrigen wird auf die allgemeine Begründung im Gesetzentwurf verwiesen. b) Steuerausfällen aufgrund höherer Rentenversicherungsbeiträge, Den Steuermindereinnahmen aufgrund des höheren Sonderausgabenabzugs stehen Steuermehreinnahmen aus der Besteuerung der Renten gegenüber. Die beiden steuerlichen Effekte können für den gewünschten Zeitraum nicht quantifiziert werden. c) höheren Arbeitgeberbeiträgen der Angestellten von Bund, Ländern und Kommunen? Ein höherer Beitragssatz zur allgemeinen Rentenversicherung führt zu höheren Beiträgen der Arbeitgeber von knapp 0,5 Mrd. Euro jährlich je Zehntel Prozentpunkt Beitragssatz (heutige Werte). Davon entfallen auf die öffentlichen Haushalte der Gebietskörperschaften als Arbeitgeber rund 37 Mio. Euro (davon Bund rund 3 Mio. Euro, Länder rund 12 Mio. Euro und Kommunen rund 22 Mio. Euro). Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/629 2. Welche Auswirkungen haben die geplanten rentenpolitischen Maßnahmen auf die Einkommensverteilung nach Dezilen in den Jahren 2014 bis 2030 (bitte nach Altersgruppen differenzieren)? Der Bundesregierung liegen dazu keine belastbaren Daten vor. Die Verteilung der Einkommen privater Haushalte unterliegt vielfältigen Einflüssen, deren Verteilungswirkung nicht seriös prognostiziert werden kann. 3. Wie hoch sind nach den Berechnungen der Bundesregierung die jährlichen Be- und Entlastungen in der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung a) durch die abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte und b) durch die vereinbarte Verbesserung der rentenrechtlichen Anerkennung von Kindererziehungszeiten für vor dem Jahr 1992 geborene Kinder jeweils in den Jahren 2014 bis 2030? Wegen der Wirkungszusammenhänge im System der gesetzlichen Rentenversicherung sind Aussagen zu den Wirkungen auf die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung nur insgesamt und nicht getrennt nach den einzelnen Maßnahmen des Gesetzentwurfs möglich. Die Beitragsmehreinnahmen in diesen Sozialversicherungszweigen resultieren aus den höheren Beiträgen, die die Rentenbezieherinnen und Rentenbezieher sowie die Rentenversicherungsträger infolge der höheren Rentenleistungen an die Kranken - und Pflegeversicherung zahlen. Diesen Beitragsmehreinnahmen stehen Beitragsmindereinnahmen durch vorgezogene Rentenzugänge durch die Regelung für besonders langjährig Versicherte, ab dem Alter von 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen zu können, gegenüber. Im Saldo resultieren im Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes, für den der Bundesregierung entsprechende Angaben vorliegen, in der gesetzlichen Krankenversicherung Beitragsmehreinnahmen von im Jahr 2014 rund 486 Mio. Euro, im Jahr 2015 rund 777 Mio. Euro, im Jahr 2016 rund 481 Mio. Euro und im Jahr 2017 rund 407 Mio. Euro. In der sozialen Pflegeversicherung betragen die entsprechenden Werte im Jahr 2014 rund 64 Mio. Euro, im Jahr 2015 rund 103 Mio. Euro, im Jahr 2016 rund 64 Mio. Euro und im Jahr 2017 rund 54 Mio. Euro. Die Beitragsmindereinnahmen in der Arbeitsförderung betragen im Jahr 2014 rund 28 Mio. Euro, im Jahr 2015 rund 63 Mio. Euro, im Jahr 2016 rund 72 Mio. Euro und im Jahr 2017 rund 68 Mio. Euro. Diesen Beitragsmindereinnahmen stehen keine Beitragsmehreinnahmen durch höhere Renten gegenüber. Nicht quantifiziert wurden mögliche Einsparungen, die sich zum einen daraus ergeben können, dass Bezieher von Arbeitslosengeld früher in Rente gehen und zum anderen daraus, dass freiwerdende Stellen mit Beziehern von Arbeitslosengeld nachbesetzt werden können. Im Übrigen wird auf die allgemeine Begründung im Gesetzentwurf verwiesen . 4. In welcher Höhe (absolut und prozentual) werden die Bestandsrentnerinnen und -rentner sowie die zukünftigen Rentnerinnen und Rentner mit einem durchschnittlichen Rentenauszahlbetrag die geplanten Rentenmaßnahmen in den Jahren 2014 bis 2030 systemimmanent durch geringere Rentensteigerungen finanzieren? Der durchschnittliche Rentenzahlbetrag ist von einer Vielzahl von Einflüssen abhängig. Systemimmanente Verteilungswirkungen zwischen Beitragszahlern und Rentnern lassen sich an der Entwicklung des Beitragssatzes und des Sicherungsniveaus vor Steuern ablesen. Der Beitragssatz zur allgemeinen Rentenver- Drucksache 18/629 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode sicherung fällt durch die Maßnahmen des Rentenpakets langfristig bis zum Jahr 2030 um 0,4 Prozentpunkte höher aus, das Sicherungsniveau vor Steuern um 0,7 Prozentpunkte geringer. Die gesetzlichen Beitragssatzobergrenzen und das Mindestsicherungsniveau werden eingehalten, so dass auch weiterhin eine ausgewogene Verteilung der finanziellen Folgen der demografischen Entwicklung sichergestellt ist. Im Übrigen wird auf die allgemeine Begründung im Gesetzentwurf verwiesen. 5. Wie viele Personen, die im Jahr 2011 mindestens 63 Jahre und nicht älter als 65 Jahre alt waren, verfügten über insgesamt 45 Jahre an Pflichtbeiträgen aus Beschäftigung, selbständiger Tätigkeit und Pflege sowie Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes (bitte nach Männern und Frauen getrennt ausweisen)? Die Gesamtzahl der Versicherten ohne Rentenbezug und der Rentner im Alter von jeweils 63 bis 65 Jahren im Jahr 2011, die die Bedingung von mindestens 45 Jahren an Pflichtbeiträgen aus Beschäftigung, selbständiger Tätigkeit und Pflege sowie Zeiten der Kindererziehung bis zum zehnten Lebensjahr des Kindes erfüllen, liegt statistisch nicht vor. 6. Wie wird die Bundesregierung mit den von der Deutschen Rentenversicherung geäußerten Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Rentenpakets umgehen , wonach nicht zwischen Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld und Zeiten des Bezugs von Arbeitslosenhilfe differenziert werden kann? Der Bundesregierung ist es bekannt, dass vor allem für länger zurückliegende Zeiträume Schwierigkeiten bei der Differenzierung der für Zeiten der Arbeitslosigkeit gespeicherten Daten zu erwarten sind. Dies soll sich aber für die Versicherten nicht zum Nachteil auswirken. Für den Fall, dass Versicherte den Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung oder infolge Krankengeld nicht nachweisen können, soll nach dem Gesetzentwurf die Glaubhaftmachung dieser Zeiten möglich sein. Der Gesetzentwurf trägt der schwierigen Datenlage bei der Anerkennung von Arbeitslosigkeitszeiten für die Rente ab 63 Jahren besonders Rechnung. Die eidesstattliche Versicherung ist als Mittel der Glaubhaftmachung für diese Zeiten im Gesetzentwurf ausdrücklich genannt. Für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung sind die Rentenversicherungsträger zuständig. 7. a) Wie viele Personen sind in den Jahren 2012 und 2013 als besonders langjährig Versicherte in Rente gegangen? Im Jahr 2012 sind 12 306 Personen in eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte zugegangen. Diese relativ niedrige Zahl folgt aus den für Rentenzugänge im Jahr 2012 noch zur Verfügung stehenden alternativen Rentenarten bzw. Vertrauensschutzregelungen, die ebenfalls einen abschlagsfreien Rentenbeginn mit oder vor dem vollendeten 65. Lebensjahr ermöglichten. Angaben für das Jahr 2013 liegen der Bundesregierung noch nicht vor. b) Welchen Berufsgruppen gehörten diese Personen an? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Angaben vor. c) Welchen Versicherungsstatus am 31. Dezember im Jahr vor dem Leistungsfall hatten sie? Von den 6 398 Zugängen in eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte , für die das Merkmal des Versicherungsstatus am 31. Dezember im Jahr Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/629 vor dem Leistungsfall statistisch auswertbar ist, erfolgten 6 203 Zugänge aus aktiven Versicherungsverhältnissen, darunter 4 378 Zugänge nach versicherungspflichtiger Beschäftigung. Insgesamt war bei rund 85 Prozent der Altersrentenzugänge des Jahres 2012 für besonders langjähring Versicherte der Status „versicherungspflichtige Beschäftigung“ oder „Altersteilzeit“ angegeben. Knapp 9 Prozent waren Leistungsempfänger nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und weitere 6 Prozent geringfügig Beschäftigte. Grundsätzlich muss bei dem gemeldeten Versicherungsstatus am 31. Dezember des Jahres vor dem Leistungsfall beachtet werden, dass keine Angabe vorliegt, wie lange dieser Status gedauert hat und ob dieser Status auch der letzte unmittelbar vor dem Rentenbeginn war. Ferner sind Mehrfachnennungen möglich. d) Wie hoch waren die durchschnittlichen Rentenzahlbeträge (bitte jeweils nach Männern und Frauen getrennt ausweisen)? Die durchschnittlichen Zahlbeträge der im Jahr 2012 zugegangenen Altersrenten für besonders langjährig Versicherte betrugen bei Renten an Männer rund 1 411 Euro monatlich und bei Renten an Frauen rund 1 085 Euro monatlich. Angaben für das Jahr 2013 liegen der Bundesregierung noch nicht vor. e) Wie viele Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner waren unter diesen (bitte in absoluten Zahlen und in Relation zu allen Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentnern angeben)? Bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte (§ 38 SGB VI) handelt es sich um eine Altersrentenart. Bei verminderter Erwerbsfähigkeit gehen Versicherte regelmäßig in Erwerbsminderungsrenten zu. 8. Wie viele Personen haben in den Jahren bis zum Jahr 2013 auf Basis von § 48 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) (58er-Regel) Arbeitslosengeld I erhalten und im Anschluss daran eine vorgezogene Rente beantragt (bitte nach Jahren sowie Frauen und Männern getrennt ausweisen)? Angaben hierzu liegen weder in den Statistiken der Deutschen Rentenversicherung noch in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit vor. Aus der Statistik der Bundesagentur für Arbeit kann lediglich gezeigt werden, wie viele der Arbeitslosengeldempfänger im Bestand die Regelung des § 428 SGB III in Anspruch genommen haben; deren Zahl kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Statistische Informationen zum Übergang in Rente dieser Personen liegen der Bundesregierung nicht vor. Drucksache 18/629 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 9. Wie viele Personen haben seit Einführung eine vorgezogene Rente mit 63 Jahren auf Basis von § 12a des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) beantragt (bitte nach Jahren und Frauen und Männern getrennt ausweisen)? Angaben hierzu liegen weder in den Statistiken der Deutschen Rentenversicherung noch in den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit vor. 10. a) Mit wie vielen Personen, die bereits mit 61 Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden werden, um nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit die abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte zu beantragen, rechnet die Bundesregierung vor diesem Hintergrund? b) Wie wird sich aus Sicht der Bundesregierung die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung der 60- bis 64-Jährigen nach einer möglichen Einführung der abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte entwickeln? c) Wie wird sich aus Sicht der Bundesregierung die Erwerbstätigkeit der 60- bis 64-Jährigen nach einer möglichen Einführung der abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte entwickeln ? Im Zusammenhang mit der vorübergehenden Ausweitung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit 45 Jahren Beitragszahlung ist nicht mit einem Anstieg der Anzahl älterer Bezieher von Arbeitslosengeld zu rechnen. Die Altersgrenze für den frühestmöglichen Zugang in eine Altersrente bleibt unverändert . Entscheidend für die künftige Entwicklung ist, dass sich die Arbeitswelt seit den 80er- und 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts fundamental verändert hat. Die seinerzeit praktizierte Frühverrentung zulasten der Arbeitslosen- und Rentenversicherung gehört der Vergangenheit an. Seit dem Jahr 2000 hat sich insgesamt § 428 SGB III 2000 3.174.467 192.077 2001 3.223.120 224.979 2002 3.606.383 291.693 2003 3.929.907 370.701 2004 4.050.655 395.389 2005 1.728.050 233.195 2006 1.445.224 255.518 2007 1.079.941 223.195 2008 916.989 129.306 2009 1.140.982 28.556 2010 1.023.666 1.101 2011 829.193 110 2012 848.849 11 2013 915.762 0 * Regelung ist am 31.12.2007 außer Kraft getreten. Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit Jahr Leistungsempfänger nach § 428 SGB III* Leistungsempfänger die Erwerbsbeteiligung der 60- bis 64-Jährigen von knapp 20 Prozent auf 46,5 Prozent im Jahr 2012 mehr als verdoppelt. Vor dem Hintergrund der demo- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/629 grafischen Entwicklung realisieren immer mehr Unternehmen, dass ältere Erwerbstätige dringend gebraucht werden, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Entsprechend ist die Wertschätzung der Unternehmen gegenüber ihren älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern deutlich gestiegen. Die Unternehmen investieren im eigenen Interesse zunehmend in altersgerechte Arbeitsbedingungen , Weiterbildung und Gesundheitsmanagement. Anzeichen, dass sich dieser Trend umkehren könnte, sind nicht erkennbar. Im Rahmen der Ressortabstimmung wurde über Frühverrentung diskutiert. Es bestand Einigkeit, dass die Aufnahme einer gesetzlichen Regelung in diesen Gesetzentwurf zu diesem Zeitpunkt nicht erforderlich ist. Im parlamentarischen Verfahren ist zu prüfen, ob und wie Frühverrentung durch eine verfassungskonforme Regelung verhindert werden kann. 11. Wie viele Personen nehmen nach den Berechnungen der Bundesregierung die abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte in den Jahren 2014 bis 2030 in Anspruch, und welchem prozentualen Anteil entspricht das jeweils (bitte jahresgenau nach Männern und Frauen getrennt angeben)? Anfänglich können rund 200 000 Personen von der abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren profitieren. Davon ist schätzungsweise etwa ein Viertel Frauen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass durch die Maßnahme 200 000 Personen früher in Rente gehen. Denn auch nach geltendem Recht gehen Versicherte im Alter von 63 Jahren unter Inkaufnahme der rentenrechtlichen Abschläge in Rente. Diese gehen mit der Leistungsverbesserung ebenfalls vorzeitig in Rente, dann aber ohne Abschläge hinnehmen zu müssen. Die Zahl der Begünstigten wächst langfristig entsprechend den Rentenzugängen der Folgejahre und dürfte etwa 25 Prozent der Zugänge in Altersrenten betragen. 12. Wie viele Personen werden nach den Berechnungen der Bundesregierung im Jahr 2014 die abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte in Anspruch nehmen und hätten dann weniger als durchschnittlich einen, 0,75 und 0,5 Entgeltpunkte für ihre Pflichtbeitragszeiten ? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Angaben vor. 13. Wie viele Personen, die die abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte in Anspruch nehmen, verfügen nach Kenntnis der Bundesregierung über eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Angaben vor. 14. Wie hoch ist nach den Berechnungen der Bundesregierung der Anteil der Personen, die die abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte in Anspruch nehmen, an allen Altersrentenzugängen im Alter zwischen 63 und 65 Jahren (bitte jahresgenau vom Jahr 2014 bis 2030 nach Männern und Frauen getrennt angeben)? Es wird auf die Antwort zu Frage 11 verwiesen. Drucksache 18/629 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 15. a) In welchem Maße erfüllen nach Kenntnis der Bundesregierung die verschiedenen Berufsgruppen die Anspruchsvoraussetzungen für die abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren für besonders langjährig Beschäftigte im Jahr 2014? b) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die berufsspezifische Erwerbsbeteiligung? d) Welche Berufsgruppen verbleiben nach Kenntnis der Bundesregierung typischerweise mindestens bis zum 63. Lebensjahr im Erwerbsleben? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über die berufsspezifische Erwerbsbeteiligung im Zusammenhang mit der abschlagsfreien Rente ab 63 Jahren vor. Im Übrigen wird auf die Antworten der Bundesregierung zu den Fragen 27 ff. sowie auf die zugehörigen Tabellen im Anhang in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Beschäftigungssituation Älterer, ihre wirtschaftliche und soziale Lage und die Rente ab 67“ auf Bundestagsdrucksache 17/2271 verwiesen. Aktuelle Angaben liegen der Bundesregierung nicht vor. 16. Inwiefern werden sich auf der Grundlage der geplanten Rentenmaßnahmen und unter Einberechnung des durch diese Maßnahmen sinkenden Rentenniveaus a) der Bezug von Grundsicherung im Alter in den Jahren 2014 bis 2030 sowie b) der durchschnittliche Zahlbetrag für Versicherungsrenten in den Jahren 2014 bis 2030 verändern (bitte nach Ost und West sowie nach Männern und Frauen differenzieren)? Die künftige Entwicklung des durchschnittlichen Bruttobedarfs und der Anzahl der Leistungsbeziehenden in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, die heute nicht valide vorhergesagt werden können. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. 17. Wie viele Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner im Alter zwischen 63 und 65 Jahren erfüllen die im Referentenentwurf genannten Voraussetzungen zur Inanspruchnahme der abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren für besonders langjährig Versicherte (bitte in absoluten Zahlen und in Relation zu allen Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentnern im Alter zwischen 63 und 65 Jahren angeben)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Angaben vor. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 7e verwiesen. 18. a) Wie viele Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner werden jährlich in den Jahren 2014 bis 2017 von den von der Bundesregierung geplanten Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente profitieren (bitte in absoluten Zahlen und in Prozent angeben)? Von den Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente profitieren nahezu alle Versicherten, die ab dem 1. Juli 2014 in eine Erwerbsminderungsrente gehen . Im Jahr 2012 waren dies insgesamt rund 179 000 Personen. Knapp die Hälfte davon waren Frauen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/629 b) Wie hoch lagen im Jahr 2013 die durchschnittlichen Zahlbeträge für Männer und Frauen? Die durchschnittlichen Zahlbeträge aller Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Rentenbestand zum 31. Dezember 2012 betrugen bei Renten an Männer rund 720 Euro monatlich und bei Renten an Frauen rund 678 Euro monatlich . c) Um wie viel wird sich jährlich in den Jahren 2014 bis 2017 aufgrund der von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen bei der Erwerbsminderungsrente das durchschnittliche Niveau der Erwerbsminderungsrente erhöhen (bitte in absoluten Zahlen und in Prozent angeben )? Der Zahlbetrag der Erwerbsminderungsrenten fällt durch die Verlängerung der Zurechnungszeit etwa 5 Prozent höher aus. Je nach konkretem Einzelfall können zum Teil weitere deutliche Verbesserungen durch die Günstigerprüfung für die letzten vier Jahre hinzukommen. d) Wie hoch sind durchschnittlich die Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten (bitte in absoluten Zahlen und in Prozent angeben)? Die durchschnittliche Höhe der Abschläge auf Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit im Rentenzugang des Jahres 2012 betrug 77,54 Euro monatlich bzw. 10,3 Prozent. Aufgabe der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ist es, den Versicherten Lohnersatz zu gewähren, wenn vor Erreichen der Altersgrenze eine Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit eintritt. Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sollen nicht an die Stelle vorzeitiger Altersrenten treten. Die Abschläge bei den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wurden im Jahr 2001 mit dem Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eingeführt. Mit den Abschlägen soll Ausweichreaktionen aus vorzeitigen Altersrenten, die nur mit Abschlägen in Anspruch genommen werden können, entgegengewirkt werden. Um die Sicherungsfunktion der Erwerbsminderungsrenten für jüngere erwerbsgeminderte Versicherte zu erhalten, hat der Gesetzgeber zeitgleich mit der Einführung der Abschläge die Zurechnungszeit ausgeweitet: Bei Eintritt der Erwerbsminderung vor Vollendung des 60. Lebensjahres werden die Versicherten bei der Berechnung ihrer Erwerbsminderungsrente so gestellt, als hätten sie bis zum vollendeten 60. Lebensjahr Rentenversicherungsbeiträge mit dem individuellen Durchschnittswert der bisher gezahlten Rentenversicherungsbeiträge gezahlt (nach dem vor 2001 geltenden Recht wurde die Zeit zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr nur zu einem Drittel angerechnet). Dies bedeutet, dass jüngere Versicherte zwar die Abschläge tragen müssen, allerdings werden diese durch die Ausweitung der Zurechnungszeit (bei einem Renteneintritt vor Vollendung des 60. Lebensjahres) weitgehend kompensiert. 19. a) Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass das Reha-Budget schon in den letzten Jahren hätte angehoben werden müssen? Nein. Grundsätzlich sind die Träger der Deutschen Rentenversicherung gesetzlich verpflichtet, ihren Versicherten bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen die notwendigen Leistungen zur Teilhabe zu bewilligen. Das gilt auch dann, wenn dadurch das Reha-Budget ausgeschöpft und der Reha-Deckel hierdurch überschritten wird. Das Reha-Budget ist in den vergangenen Jahren zwar zunehmend ausgeschöpft, wurde bislang aber nur einmal im Jahr 2012 um den Betrag von 13 Mio. Euro Drucksache 18/629 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode überschritten. Im Jahr 2013 war sogar ein leichter Rückgang bei den Anträgen zu verzeichnen. b) Ist durch den Verzicht auf eine Anhebung des Reha-Budgets in der Vergangenheit nicht in den nächsten Jahren mit einem höheren Bedarf an Reha-Maßnahmen zu rechnen? c) Wie hoch beziffert die Bundesregierung die dadurch ggf. in den nächsten Jahren entstehenden höheren Kosten? Da zunehmend geburtenstarke Jahrgänge das rehabilitationsintensive Alter ab 45 Jahre erreicht haben, ist die Berücksichtigung des dadurch entstehenden finanziellen Mehrbedarfs bei der Festsetzung der jährlichen Ausgaben für Leistungen zur Teilhabe nach § 220 Absatz 1 Satz 1 SGB VI erforderlich. Durch den Verzicht auf eine Anhebung des Reha-Budgets in der Vergangenheit entsteht nach den der Bundesregierung vorliegenden Erkenntnissen künftig kein höherer Bedarf an Reha-Leistungen. 20. Wann wird die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um die Rentenansprüche von Geringverdienern über das Niveau in der Grundsicherung im Alter anzuheben, und werden durch die geplante „solidarische Lebensleistungsrente “ deutlich mehr als nur 1 Prozent der Rentnerinnen und Rentner erreicht? Nach dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD soll voraussichtlich bis zum Jahr 2017 eine solidarische Lebensleistungsrente für langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte, die wegen geringer Arbeitsverdienste nur ein Alterseinkommen auf der Grundlage von weniger als 30 Rentenentgeltpunkten erreichen, eingeführt werden. Grundsätzlich sollen Menschen, die langjährig in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben (40 Jahre) und dennoch im Alter weniger als den Rentenertrag aus 30 Entgeltpunkten erreichen , mittelfristig durch eine Aufwertung der erworbenen Rentenentgeltpunkte bessergestellt werden. Die Verbesserung soll Geringverdienern und Menschen zugute kommen, die Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben . In einer zweiten Stufe sollen Menschen, die trotz dieser Aufwertung eine Rente oberhalb der durchschnittlichen Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nicht erreichen, einen weiteren Zuschlag bis zur Höhe einer Rente aus 30 Entgeltpunkten erhalten. Zugangsvoraussetzung ist eine zusätzliche private Altersvorsorge. Die Finanzierung soll unter Beachtung des allgemeinen Finanzierungsvorbehalts im Rahmen der vorhandenen finanziellen Spielräume aus Steuermitteln erfolgen, u. a. dadurch, dass Minderausgaben in der Grundsicherung im Alter als Steuerzuschuss der Rentenversicherung zufließen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333