Deutscher Bundestag Drucksache 18/634 18. Wahlperiode 20.02.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Friedrich Ostendorff, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/457 – Rückwürfe in der Fischerei Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der Nordsee sind seit dem Jahr 2009 Rückwürfe von bereits gefangenem Fisch für sogenanntes Highgrading verboten. Jedoch ist nicht ausgeschlossen, dass dies in der Praxis mangels Kontrollen auf großen Fischtrawlern trotzdem betrieben wird. Das heißt, bereits gefangener Fisch wird über Bord geworfen, um Platz für teureren Fisch zu machen oder um Fischfangquoten auszureizen. Bekannt wurde kürzlich der Fall des Hochsee-Fischtrawlers „Jan Maria“, dessen Besatzung allein während einer dreiwöchigen Fangreise im Jahr 2012 1,5 Millionen Kilogramm Hering über Bord gegeben haben soll. Das Ereignis soll sich bereits im Sommer 2012 zugetragen haben, im Winter 2012/2013 wurde es zur Anzeige gebracht und im Frühjahr 2013 der Öffentlichkeit bekannt gegeben (www.deutschlandfunk.de/supertrawler-im-kreuzfeuer-derkritik .795.de.html?dram:article_id=249251). Der Fischtrawler „Jan Maria“ ist eines der größten Fischereifahrzeuge in der Europäischen Union. Er gehört zur deutschen Hochseefischereiflotte. Die damalige Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz , Ilse Aigner, vertrat die Auffassung: „Wir wollen uns für eine nachhaltige Fischerei einsetzen, weil es langfristig auch darum geht, die Bestände zu sichern.“ (www.zdf.de/ZDF/zdfportal/blob/27130354/1/data.pdf, S. 2). Doch die Rolle der Bundesregierung in Bezug auf „Highgrading“ von Fischfängen lässt noch viele Fragen unbeantwortet. 1. Inwieweit wird sich die Bundesregierung zukünftig für eine nachhaltige Fischerei einsetzen, um u. a. die Fischbestände langfristig zu sichern? Die Bundesregierung hat sich im Rahmen der Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) erfolgreich dafür eingesetzt, die Nachhaltigkeit als wichtigstes Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vom 18. Februar 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Prinzip der Fischerei fest zu verankern. Nach der neuen Grundverordnung, die seit 1. Januar 2014 gilt, sollen möglichst viele Fischbestände bereits im Jahr 2015, spätestens bis zum Jahr 2020 jedoch alle Bestände, nach dem Prinzip des Drucksache 18/634 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode maximalen Dauerertrages (MSY) bewirtschaftet werden. Dieses Prinzip sichert die nachhaltige Nutzung der Bestände und ist Grundlage einer wirtschaftlich tragfähigen, modernen Fischerei. Ein weiteres Kernelement der Reform ist die schrittweise Einführung von Rückwurfverboten und Anlandegeboten ab dem Jahr 2015, für das sich Deutschland zusammen mit anderen Mitgliedstaaten in der Reformdebatte nachdrücklich eingesetzt hatte. Es ist vorgesehen, das Rückwurfverbot primär im Rahmen von mehrjährigen Bewirtschaftungsplänen umzusetzen . Auch die externe Dimension der GFP wird nachhaltiger ausgestaltet. Die Fischereiaktivitäten der EU-Flotte außerhalb der Gemeinschaftsgewässer unterliegen künftig ebenso hohen Anforderungen wie in den EU-Gewässern. Zudem werden die Entwicklungskomponenten innerhalb der Fischerei-Partnerschaftsabkommen gestärkt. 2. a) Welche Fischereiverstöße der deutschen Hochseefischereiflotte sind der Bundesregierung bisher bekannt? In den letzten zwei Jahren wurden für die deutsche Fischereiflotte insbesondere Verstöße in den Bereichen fehlende oder verspätete Logbucheintragung, zu kleine Maschenöffnungen der Netze und Schätzfehler festgestellt. b) Welche Vorfälle zum „Highgrading“ von Fischfängen wurden der Bundesregierung bisher bekannt? Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) geht allen Verdachtsfällen nach. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 2a verwiesen. c) Was wird die Bundesregierung gegen die in den Fragen 2a und 2b benannten Vorfälle unternehmen bzw. dafür tun, damit solche Vorfälle in Zukunft unterbleiben? Verstöße gegen das Fischereirecht der Europäischen Union werden auf Basis der Bußgeld-und Strafvorschriften des Seefischereigesetzes geahndet. Danach können Geldbußen in Höhe von bis zu 100 000 Euro und Freiheitstrafen bis zu einem Jahr verhängt werden. Etwaige Verstöße gegen das „Highgrading“-Verbot sind in der Regel nur direkt bei Begehung der Tat auf See gerichtsfest nachzuweisen . Daneben stellen die Kontrolle der Fangzusammensetzung nach der Anlandung und der Abgleich mit typischen Fangmustern aus vergleichbaren Fängen oder aus wissenschaftlichen Untersuchungen eine Möglichkeit dar, ungewöhnlich homogene Größenklassen zu identifizieren und den Verdacht des „Highgrading“ zu untermauern. Eine Rechtsprechung, derartigen wissenschaftlichen Untersuchungen Beweiskraft für einen Verstoß gegen das „Highgrading“- Verbot zuzubilligen, hat sich noch nicht entwickelt. Der Einsatz von Kameras auf Fischereifahrzeugen, der zurzeit in einem Pilotprojekt des Thünen-Instituts getestet wird, könnte grundsätzlich eine Option sein, das „Highgrading“-Verbot künftig besser durchzusetzen. 3. Hat die Bundesregierung Kenntnis von sogenannten Größensortiermaschinen an Bord von Fischereischiffen der deutschen Hochseeflotte? Der Bundesregierung ist bekannt, dass auf Fischereifahrzeugen der deutschen Hochsee die nach Artikel 32 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 850/98 zulässigen automatischen Sortiermaschinen zum Einsatz kommen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/634 4. Aus welchen Gründen hat die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) die Untersuchung gegen den Kapitän und Eigner des Hochseetrawlers „Jan Maria“ nach Information der Fragesteller offensichtlich bereits am 29. Oktober 2013 abgeschlossen und darüber umgehend die von der Untersuchung betroffenen Reedereien „Doggerbank Seefischerei GmbH“ und „Parlevliet en van der Plas“ informiert, die Öffentlichkeit jedoch erst am 5. November 2013 auf explizite Nachfrage von außen von dem Vorgehen in Kenntnis gesetzt? 5. Aus welchen Gründen wurde auf der Internetseite der BLE der Fall nicht umgehend veröffentlicht (www.ble.de/DE/02_Kontrolle/02_Fischerei/131 106_Jan_Maria.html)? 6. b) Gegen welche Dokumentationsvorschriften hat der Trawler „Jan Maria“ im konkreten Fall möglicherweise verstoßen (www.ble.de, „Fall Jan Maria: BLE erlässt Bußgeldbescheid“), und welche Strafe(n) wurde(n) verhängt? 7. Aus welchen Gründen wurden die Ermittlungen gegen die Reederei „Doggerbank Seefischerei GmbH“ eingestellt, obwohl Zeugenaussagen und Beweise (www.ble.de, „Fall Jan Maria: BLE erlässt Bußgeldbescheid“), wie zum Beispiel eine Kopie des inoffiziellen Fangtagebuchs der „Jan Maria“, vorlagen? 8. Wie viele Punkte nach dem Fischereiverstoßpunktesystem wurden gegen den Kapitän bzw. gegen den Betreiber des Trawlers „Jan Maria“ vergeben? Die Fragen 4, 5, 6b, 7 und 8 werden gemeinsam beantwortet. Aus Gründen des Datenschutzrechts veröffentlicht die BLE keine Informationen über erlassene Bußgeldbescheide. Abweichend von diesem Grundsatz hat die BLE in diesem Einzelfall unter Abwägung der in Frage stehenden Rechtsgüter allerdings Informationen auf ihrer Homepage zur Verfügung gestellt: www.ble.de/ DE/02_Kontrolle/02_Fischerei/131106_Jan_Maria.html. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Stellungnahmen des Deutschen Fischerei-Verbandes e. V. sowie der Firma Parlevliet en van der Plas verwiesen: www.deutscher-fischerei-verband.de/aktuelles.html www.parlevliet-vanderplas.nl/news/tabid/288/ID/3/German-fisheries-inspectionservice -acquits-Jan-Maria-from-accusation-of-high-grading.aspx. 6. a) Welche Dokumentationspflichten von Fischereifahrzeugen gibt es? Umfangreiche Dokumentationspflichten bei Fischereifahrzeugen bestehen in erster Linie durch Erhebung und Übermittlung von fischereilichen Daten im Fischereilogbuch, in der Anlandeerklärung und der Verkaufsabrechnung. Alle Fischereifahrzeuge ab einer Schiffslänge von 10 m und mehr – in der Ostsee ab 8 m und mehr – sind zur Führung eines Fischereilogbuches verpflichtet. In diesem werden die Fangaktivitäten der Fischereifahrzeuge umfassend und detailliert dokumentiert und an die jeweiligen Behörden zu Kontrollzwecken übersandt . Die Eintragungen umfassen neben Angaben zu Fahrzeug und Kapitän insbesondere eine genaue Dokumentation der Fänge. Eingetragen werden, welche Mengen mit welchem Netz in welchem Fanggebiet auf welcher Position um welche Uhrzeit getätigt wurden. Des Weiteren sind auch diejenigen Mengen aufzuzeichnen, die nach derzeitiger Rechtslage nicht angelandet und daher wieder über Bord gegeben werden müssen. Bei Fahrzeugen über 12 m ist dieses Fischereilogbuch elektronisch zu führen. Bei der Anlandung ist des Weiteren eine Anlandeerklärung ggf. elektronisch auszufüllen und an die Kontrollbehörden innerhalb von 48 Stunden zu übersen- Drucksache 18/634 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode den. Hinzu kommt die Verpflichtung der Fischereifahrzeuge, vier Stunden vor dem Einlaufen in den Hafen eine sogenannte Einlaufmeldung abzugeben. Des Weiteren werden die Positionsangaben der Fischereifahrzeuge ab 12 m Länge per Satellit an die BLE übersandt (VMS-Daten), dort aufgezeichnet und den Fischereikontrollorganen zur Verfügung gestellt. Diese Daten werden u. a. zur Verifizierung der vom Fischer gemachten Angaben verwendet (sog. Cross Checks). 9. Liegen der Bundesregierung Kenntnisse vor, dass sich Schiffe der deutschen Hochseefischerei um eine Fanglizenz in marokkanischen Gewässern bewerben werden, sobald das neue Fischereiabkommen mit der Europäischen Union (EU) in Kraft tritt? Das marokkanische Parlament hat dem Protokoll zum Fischereiabkommen der EU mit Marokko am 13. Februar 2014 zugestimmt. Das Protokoll kann nun in Kürze in Kraft treten. Erst danach können seitens der Fischerei Fanglizenzen beantragt werden. 10. Aus welchen Gründen stimmte die Bundesregierung im Rahmen des Ausschusses der Ständigen Vertreter der EU-Mitgliedstaaten (COREPER) für eine Erneuerung des Fischereipartnerschaftsabkommens mit Marokko, obwohl im Vorfeld durch andere EU-Mitgliedstaaten wie Dänemark, Schweden, Großbritannien oder die Niederlande viele Vorbehalte u. a. aus menschenrechtlicher Sicht in Zusammenhang mit dem Rechtsstatus des Gebiets der Westsahara geäußert wurden (www.medico.de, „Traurige Nachricht am Tag der Menschenrechte“ vom 10. Dezember 2013)? Der Rat der Europäischen Union hat am 16. Dezember 2013 ohne Aussprache die Unterzeichnung des Fischereiprotokolls mit Marokko im Namen der EU mit qualifizierter Mehrheit beschlossen. Schweden und Dänemark haben gegen den Vorschlag gestimmt, das Vereinigte Königreich, die Niederlande und Finnland haben sich enthalten. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Anpassungen, die in der Neufassung des Protokolls vorgenommen wurden, den deutschen Bedenken Rechnung tragen, und zwar aus folgenden Gründen: In Artikel 2 des Protokolls ist explizit die Achtung der demokratischen Prinzipien und der Menschenrechte verankert , der Deutschland grundlegende Bedeutung beimisst. In diesem Zusammenhang begrüßt Deutschland ausdrücklich die neue Bestimmung im Protokoll über die Planungs- und Berichtspflichten von Marokko zur Verwendung der Mittel, insbesondere auch hinsichtlich der erwarteten wirtschaftlichen und sozialen Vorteile und ihrer geographischen Verteilung. Darüber hinaus sieht das Protokoll eine verantwortliche, nicht diskriminierende Fischerei in marokkanischen Gewässern vor. Der Rat ist regelmäßig und umfassend über die Rückflüsse an die Bevölkerung der Westsahara zu informieren. Es ist sicherzustellen, dass auch die sahaurischen Bewohner der Westsahara in angemessener und einer ihren Interessen entsprechenden Weise an der finanziellen Gegenleistung aus dem Abkommen beteiligt werden. Die langjährige EU-Position hinsichtlich des Status der Westsahara bleibt durch die Unterzeichnung des Protokolls unberührt. Vor diesem Hintergrund und wegen der Möglichkeit, das Protokoll bei Meinungsverschiedenheiten auszusetzen , hat die Bundesregierung der Annahme des Protokolls zugestimmt und zusammen mit Irland und Österreich eine diesbezügliche Erklärung zu Protokoll Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333 des Rates gegeben.