Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Auswärtigen Amts vom 21. Oktober 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/6479 18. Wahlperiode 23.10.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sevim Dağdelen, Wolfgang Gehrcke, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/6269 – Pressefreiheit in der Türkei V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r In der Türkei herrscht momentan ein Ausnahmezustand. Ganze Städte werden von der türkischen Regierung für mehrere Tage von der Außenwelt abgeschnitten (www.spiegel.de/politik/ausland/kurden-konflikt-in-deutschland-erneut-aus gangssperre-in-cizre-a-1052742.html), Eingriffe in die Meinungs- und in die Pressefreiheit im Land nehmen stetig zu und viele Journalisten sind dadurch in akuter Gefahr. Als bisheriger Höhepunkt der Zuspitzung der Lage wurde die niederländische Journalistin Frederike Geerdink in einer Art Nacht-und-NebelAktion aus der Türkei abgeschoben. Damit entledigte sich der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan einer unbequemen und kritischen Berichterstatterin in den mehrheitlich kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei (www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Tuerkei-Niederlaendische-Reporterin -abgeschoben,tuerkei504.html). Sogar Minderjährige werden wegen kritischen Aussagen über den seit dem 28. August 2014 amtierenden türkischen Staatspräsidenten Erdoğan inhaftiert (www.welt.de/politik/ausland/article135764251/16-Jaehriger-wegen-ErdoganBeleidigung -verhaftet.html). Schon nach den Gezi-Protesten im Jahre 2013 hatte eine Verhaftungswelle gegen Journalisten die Pressefreiheit im Land erschüttert (www.focus.de/politik/ausland/der-schlimmste-kerkermeister-der-weltsaeuberungswelle -in-der-tuerkei-64-journalisten-in-haft_aid_1051789.html). Schließlich mussten vor den Parlamentswahlen in der Türkei die TV-Sender unter dem Druck der türkischen Regierung die Reden des Staatpräsidenten live und in voller Länge senden (www.tagesschau.de/ausland/tuerkei-journalisten- 101.html). Einen neuen Tiefpunkt erreichte die Pressefreiheit in der Türkei durch die Stürmung und Beschädigung der Redaktionsgebäude der Zeitung „Hürriyet“ durch nationalistische Demonstranten der türkischen Regierungspartei AKP, während die Polizei tatenlos danebenstand (www.tagesschau.de/ ausland/ankara-113.html). Wie stark in die Pressefreiheit eingegriffen wird, zeigt auch, dass türkische Polizisten das Redaktionsgebäude des Nachrichtenmagazins „Nokta“ durchsuchten und die nächste Ausgabe wegen „Beleidigung des Präsidenten“ beschlagnahmten (www.welt.de/kultur/article146389755/ Wie-Erdogan-die-freieste-Presse-der-Welt-auslegt.html). Der Anstieg der Ein- Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/6479 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode griffe in die Pressefreiheit ist mithin erkennbar und somit auch dem Menschenrechtskommissar des Europarates nicht verborgen geblieben. Dieser sieht die Medienfreiheit in der Türkei ebenfalls stark gefährdet (Katholische Nachrichten Agentur – KNA vom 14. September 2015, „Europaratskommissar sieht Medienfreiheit in der Türkei gefährdet“). 1. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die Strafverfolgung des Journalisten Can Dündar mit einer Strafandrohung von bis zu 42 Jahren Haft aufgrund des Tatvorwurfs der „Spionage“ (www.zeit.de vom 3. Juni 2015: „Regierungskritischem Journalisten droht lebenslange Haft“)? Der Bundesregierung ist die Medienberichterstattung über eine Strafverfolgung des Journalisten Can Dündar aufgrund des Tatvorwurfs der Spionage durch türkische Behörden bekannt. Darüber hinaus verfügt die Bundesregierung über keine weiteren Erkenntnisse. 2. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung (auch nachrichtendienstliche) über Waffenlieferungen von der Türkei an syrische Extremisten, über die der Journalist Can Dündar berichtet und weswegen er der Spionage bezichtigt wird? Zu diesem speziellen Fall liegen der Bundesregierung keine eigenen Erkenntnisse vor. Zu ähnlich gelagerten Fällen hat die Bundesregierung ihre Erkenntnisse in Antworten auf zahlreiche parlamentarische Anfragen dargelegt und verweist auf die Antwort der Bundesregierung auf die Schriftliche Frage 16 der Abgeordneten Katrin Kunert auf Bundestagsdrucksache 18/5062 vom 5. Juni 2015. 3. Inwieweit ist nach Auffassung der Bundesregierung die Pressefreiheit in der Türkei zuletzt durch die zahlreichen Inhaftierungen von und Ermittlungsverfahren gegen Journalisten zusätzlich in Gefahr (www.welt.de/politik/ ausland/article145866745/Tuerkei-wirft-britischen-Reportern-IS-Unterstuet zung-vor.html)? 4. Teilt die Bundesregierung nach ihrer Kenntnis die Auffassung des Menschenrechtskommissars des Europarates über die Gefährdung der Pressefreiheit in der Türkei (KNA vom 14. September 2015)? Wenn ja, wann und in welcher Form hat sie diese Besorgnis nach der jüngsten Verhaftungswelle gegen Journalisten gegenüber der türkischen Regierung geäußert? Die Fragen 3 und 4 werden aufgrund ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Meinungs- und Pressefreiheit sind wichtige Elemente einer funktionierenden Demokratie , bei denen die Bundesregierung seit einiger Zeit Defizite in der Republik Türkei feststellt. Die Bundesregierung verfolgt die Zunahme an juristischen und polizeilichen Maßnahmen gegen Medien und ihre Vertreter daher sehr aufmerksam . Untersuchungen der Steuerbehörden bei regierungskritischen Medienunternehmen , Entlassungen von Journalisten, Hetzkampagnen gegen und Festnahmen von türkischen wie ausländischen Journalisten haben in der Zusammenschau den Effekt, kritische Stimmen in der Türkei einzuschüchtern bzw. kritische Berichterstattung gerade im Vorfeld der Neuwahlen am 1. November 2015 zu unterbinden . Beunruhigend sind in diesem Zusammenhang auch die Übergriffe auf die Redaktionsbüros der Tageszeitung Hürriyet in Istanbul und Ankara am 7. und 8. September 2015 und der Angriff auf den Kolumnisten der Zeitung, Ahmet Hakan, am 1. Oktober 2015. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6479 Die Bundesregierung setzt sich in Gesprächen mit der türkischen Regierung regelmäßig und ausdrücklich für Verbesserungen im Bereich der Presse- und Meinungsfreiheit ein. 5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Zahl a) der inhaftierten bzw. verurteilten Journalistinnen und Journalisten in der Türkei (bitte einzeln auflisten), b) der gegen Journalistinnen und Journalisten anhängigen Strafverfahren sowie über die erhobenen Vorwürfe (bitte einzeln auflisten), c) der gegen Journalistinnen und Journalisten laufenden Ermittlungsverfahren und über die Gründe für deren Einleitung (bitte einzeln auflisten)? Die Fragen 5a bis 5c werden aufgrund ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung sind zahlreiche Medienberichte über Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Journalisten in der Türkei bekannt. Über die in der Türkei inhaftierten Journalisten existieren unterschiedliche Angaben. Reporter ohne Grenzen geht von drei in Haft sitzenden Journalisten (Mehmet Baransu, Özgür Amed, Hidayet Karaca) aus. Das Committee to Protect Journalists listet sieben inhaftierte Journalisten (Hatice Duman, Mustafa Gök, Faysal Tunç, Seyithan Akyüz, Kenan Karavil, Erdal Süsem und Cüneyt Hacıoğlu). Die „Solidaritätsplattform für inhaftierte Journalisten“ (Tutuklu Gazetecilerle Dayanışma Platformu , TGDP) zählt mit Stand 28. Juli 2015 insgesamt 25 in der Türkei inhaftierte Journalisten. Über diese Angaben Dritter hinaus verfügt die Bundesregierung über keine eigenen Erkenntnisse. 6. Ist die Bundesregierung der Ansicht, dass sich die Situation der Pressefreiheit in der Türkei konkret auf die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei auswirken sollte? Alle Fragen der Rechtsstaatlichkeit und die diesbezüglichen Verhandlungskapitel 23 und 24 bilden einen Kern der Erweiterungspolitik der Europäischen Union. Die Pressefreiheit ist im Kapitel 23 (Justiz und Grundrechte) ein wesentlicher Aspekt . Die Bundesregierung spricht sich für schnelle Vorbereitung der Öffnung dieser Verhandlungskapitel aus, damit die EU hierzu mit der Türkei in einen vertieften , strukturierten und kritischen Dialog treten kann. 7. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass gerade angesichts der Lage der Menschenrechte der Türkei im Allgemeinen und der Lage der Pressefreiheit im Besondern neue Kapitel im Hinblick auf die Verhandlungen über einen Beitritt der Türkei zur EU eröffnet werden sollten? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Entscheidungen über Kapitelöffnungen werden von der EU im Rat unter Würdigung aller relevanten Umstände getroffen . Die Bundesregierung spricht sich derzeit im Lichte einer solchen Gesamtwürdigung für die Öffnung des Kapitels 17 zu Wirtschafts- und Währungsfragen aus. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/6479 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 8. Wie schätzt die Bundesregierung die derzeitige Mediengesetzgebung in der Türkei im Hinblick auf deren Konformität mit dem Recht auf Meinungsfreiheit aus Artikel 11 der EU-Grundrechtecharta und der EU-Medienrichtlinie aus dem Jahr 2007 ein, und welche Position hat sie diesbezüglich innerhalb der EU eingenommen? Die Bundesregierung verweist hierzu auf den Fortschrittsbericht der EU vom 8. Oktober 2014, der sich auch mit Fragen der Medienfreiheit und diesbezüglicher Gesetzgebung befasst und über die Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit berichtet. Die Bundesregierung setzt sich auch im EU-Rahmen regelmäßig für eine Stärkung der Menschenrechte einschließlich der Medienfreiheit in der Türkei ein. 9. Welche (auch nachrichtendienstliche) Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die von der türkischen Regierung angegebenen Gründe, die die Abschiebung der niederländischen Journalistin Frederike Geerdink, die für internationale Medien wie „The Independent“, „BBC“, „De Volkskrant“ schreibt, aus den kurdischen Gebieten der Türkei rechtfertigen sollten (www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Tuerkei-Niederlaendische-Repor terin-abgeschoben,tuerkei504.html)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 10. Inwieweit hat die Bundesregierung Erkenntnisse (auch nachrichtendienstliche ) darüber, dass es Eingriffe in die Medienfreiheit durch die Regierung gegeben hat, die die Parlamentswahlen 2014 beeinflusst haben (www.ta gesschau.de/ausland/tuerkei-journalisten-101.html)? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 11. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen den verstärkten Angriffen auf die Medienfreiheit und die für den 1. November 2015 neu anberaumten Parlamentswahlen? Es wird auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 verwiesen. 12. Sieht die Bundesregierung einen Zusammenhang zwischen dem Vorgehen gegen kritische Journalisten, die über türkische Waffenlieferungen an islamistische Terrormilizen in Syrien berichten und den Waffenlieferungen an islamistische Terrormilizen, wie die Ahrar al Sham durch das türkische Militär und den türkischen Geheimdienst (www1.wdr.de/daserste/monitor/ sendungen/tuerkischer-bombenkrieg-100.html)? Der Bundesregierung sind Presseberichte über juristische und polizeiliche Maßnahmen gegen Journalisten aufgrund ihrer Berichterstattung über angebliche Waffenlieferungen an islamistische Terrormilizen bekannt. Darüber hinaus wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/6479 13. Welche Informationen (auch nachrichtendienstliche) liegen der Bundesregierung über mögliche Vorermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofes gegen den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Zusammenhang mit der Lieferung von Waffen an Terrormilizen in Syrien durch die Türkei vor? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse zu etwaigen Voruntersuchungen des Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) im Zusammenhang mit möglichen Waffenlieferungen aus der Türkei an Milizen in der Arabischen Republik Syrien. Sie weist im Übrigen darauf hin, dass weder Syrien noch die Türkei Vertragsstaaten des Römischen Statuts des IStGH sind und auch keine die Zuständigkeit des IStGH begründende Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vorliegt . 14. Welche Informationen (auch nachrichtendienstliche) liegen der Bundesregierung zu den Ermittlungen durch türkische Behörden zum Tode der Journalistin Serena Shim vor, die als US-Amerikanerin für den iranischen Sender Press TV arbeitete, und die bei einem Autounfall auf dem Weg zur türkischen Grenzstadt Suruc am 19. Oktober 2014 starb, nachdem sie kurz zuvor erklärt hatte, der türkische Geheimdienst MIT beschuldige sie der Spionage, da sie über Waffenlieferungen an den IS von der Türkei berichtet hatte (www.heise.de vom 22. Oktober 2014: „Türkei: Journalistin unter mysteriösen Umständen gestorben“, www.theguardian.com vom 20. Oktober 2014: „Iranian broadcaster raises suspicions about death of reporter on Syrian border “)? 15. Wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in diesem Zusammenhang ein Verfahren gegen den Fahrer des Zementmischers eingeleitet, der auf den Wagen von Serena Shim auffuhr? 16. Treffen nach Kenntnis der Bundesregierung Berichte zu, dass der Fahrer des Zementmischers unmittelbar im Anschluss an den Unfall auf freien Fuß gesetzt wurde, der Unfallwagen nicht beschlagnahmt wurde, und inwieweit haben die türkischen Behörden, wie nach dem Tode von Serena Shim zugesagt, einen detaillierten Bericht zum Unfallhergang veröffentlicht? Die Fragen 14 bis 16 werden aufgrund ihres inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine über die Presseberichterstattung hinausgehenden Erkenntnisse vor. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . 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