Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 30. Oktober 2015 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/6539 18. Wahlperiode 03.11.2015 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, Klaus Ernst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/6409 – Mögliche Regelungslücke bei Rückforderungen gegenüber erwerbstätigen Arbeitslosengeld-II-Beziehern V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Februar 2015 (aktuell verfügbare Daten) gab es im Bundesgebiet 1 223 292 erwerbstätige Arbeitslosengeld-II-Beziehende. Davon waren 1 114 566 abhängig beschäftigt und 118 326 selbständig. Der Lohn wird in der Regel innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses am Ende des Monats gezahlt. Selbständige haben überwiegend schwankende Einkommen und können Einkommen nicht verlässlich voraussehen. Im Leistungsbezug nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) stellen Erwerbseinkommen und gleichzeitiger Leistungsbezug regelmäßig ein Problem dar. Dies betrifft in erster Linie die als Aufstocker bezeichneten Leistungsberechtigten negativ, beschäftigt die Jobcenter und letztendlich die Sozialgerichte. Die Anrechnung von Erwerbseinkommen ist zwingend im SGB II vorgeschrieben . Vor allem bei den selbstständig Tätigen unter den „Aufstockern“ kommt es vielfach dazu, dass wegen schwankender Einkünfte die Grundsicherung nur vorläufig bewilligt wird. Teilweise wird von der Rechtsprechung geradezu von einer Pflicht zur vorläufigen Bescheidung bei schwankenden Einkommen gesprochen (vgl. Sozialgericht Chemnitz, Urteil vom 16. August 2011, Az.: S 37 AS 1853/10). Als Folge der vorläufigen Bescheidung wird im späteren „abschließenden“ Bescheid nach § 328 Absatz 3 SGB III die Zahlung der vorläufig bewilligten Beträge endgültig zuerkannt oder überzahlte Beträge werden zurückgefordert. Je nach Dauer des Zeitraumes zwischen der vorläufigen und der abschließenden Bescheidung durch den Grundsicherungsträger können so über mehrere Jahre ganz erhebliche Überzahlungsbeträge zu Lasten der Beziehenden von Grundsicherungsleistungen auflaufen. Bestätigen sich hingegen die Annahmen der vorläufigen Bescheide, werden abschließende Bescheide nur auf Antrag des Leistungsberechtigten ausgestellt und verschickt. Diese Vorgehensweise ist in § 328 Absatz 3 SGB III ausdrücklich angeordnet. Der gesetzliche Verzicht auf Ausstellung und Versendung der bestätigenden Endbescheide wird den Grundsicherungsbeziehenden schon mit der vorläufigen Bescheidung mitgeteilt. Viele der Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/6539 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Leistungsberechtigten schließen daraus, dass – wenn sie nach Abgabe ihrer sogenannten abschließenden Angaben zum Bewilligungszeitraum zum Ende der Bewilligungsperiode nichts mehr hören – ihre Bescheide endgültig sind und sie in der Folge keine Rückforderungen erwarten müssen. Wie das Sozialgericht Hamburg mit Urteil vom 23. April 2012, Az.: S 6 AS 273/11, verdeutlicht hat, stellt die vorläufige Bescheidung die Grundsicherungsbeziehenden vielfach schlechter, als sie nach den in § 40 SGB II angeordneten Verfahrensvorschriften des SGB X stünden. Die vorläufige Bescheidung erlaubt als speziellere Gesetzesregelung gegenüber den Betroffenen Rückforderungen , ohne dass die umfassenden Schutzvorschriften der §§ 45 bis 50 SGB X (Ausschlussfristen, Verjährungsvorschriften und Vertrauensschutzvorschriften) zugunsten der Betroffenen Anwendung finden. Da die bereits knapp bemessenen Grundsicherungsleistungen entsprechend ihres Charakters zur Deckung des Existenzminimums regelmäßig verbraucht wurden , fällt es den Betroffenen außerordentlich schwer bzw. ist es ihnen vielfach nicht möglich, die teilweise über längere Zeiträume überzahlten Beträge zurückzuzahlen . Mit dem Ausschluss der Schutzvorschriften der §§ 45 bis 50 SGB X besteht hier eine Hartz-IV-Sonderregelung zum Nachteil der Betroffenen, die umgehend zu korrigieren ist. 1. Wie hoch war in den Jahren 2005 bis September 2015 jährlich die Anzahl der vorläufigen Bescheide bei erwerbstätigen Leistungsberechtigten (bitte hier und bei den weiteren Fragen nach abhängig Beschäftigten und Selbstständigen und nach Bundesländern differenzieren)? 2. Wie viele der vorläufigen Bescheide im Zeitraum der Jahre 2005 bis September 2015 wurden im endgültigen Bescheid mit Rückforderungen beschieden (bitte absolute Zahlen sowie Relation zu vorläufigen Bescheiden pro Jahr angeben; Angaben bitte auch nach Bundesländern)? 3. Wie hoch waren im Jahresdurchschnitt die Rückforderungen durch die endgültigen Bescheide (pro Rückforderung sowie in der Summe)? 4. Welcher Zeitraum lag im Durchschnitt zwischen dem vorläufigen und dem endgültigen Bescheid (bitte ebenfalls den maximalen Zeitraum angeben und Angaben pro Jahr machen)? Die Fragen 1 bis 4 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor und die erfragten Daten können auch mit einer statistischen Sonderauswertung nicht ermittelt werden. 5. Welchen Zeitraum zwischen einem vorläufigen und einem endgültigen Bescheid hält die Bundesregierung für maximal zulässig, und warum? Die gesetzliche Regelung des § 40 Absatz 2 Nummer 1 SGB II i. V. m. § 328 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3, Absatz 2 SGB III legt keinen Zeitraum bis zur endgültigen Entscheidung fest. Um dem im Sozialverwaltungsverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz (§ 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch) zu genügen und den Umständen des Einzelfalls gerecht werden zu können, bedarf es einer gewissen zeitlichen Flexibilität. Allerdings enthalten sowohl das Erste Buch Sozialgesetzbuch als auch das Sozialgerichtsgesetz Vorschriften, die das Ziel haben, die Verfahren zu beschleunigen. Nach diesen allgemeinen Vorgaben, die auch für Verfahren wegen Leistungen nach dem SGB II gelten, muss die Behörde zügig (vgl. § 17 Absatz 1 Nummer 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch) und in angemessener Frist (vgl. § 88 des Sozialgerichtsgesetzes) entscheiden. Im Übrigen kann das Rechtsinstitut der Verwirkung in Betracht kommen, wenn die Behörde Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/6539 einen Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen hat, dass der Leistungsberechtigte einen von dem vorläufigen Bescheid abweichenden endgültigen Bescheid nicht zu erwarten hatte. Da es jeweils auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, kann ein maximal zulässiger Zeitraum nicht angegeben werden. 6. Wo ist der maximal zulässige Zeitraum geregelt, bzw. was spricht dagegen, eine solche Regelung gesetzlich zu verankern? Da der maximal zulässige Zeitraum nicht allgemein geregelt ist, kann die Frage nicht beantwortet werden. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. In der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des passiven Leistungsrechts − einschließlich des Verfahrensrechts − im SGB II (AG Rechtsvereinfachung im SGB II) wurde die Schaffung einer Regelung zur vorläufigen Entscheidung im SGB II konsentiert. Das entsprechende Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung dieses Vorschlags bleibt abzuwarten. 7. Welche Rückforderungsbeträge sind aus Rückforderungen nach § 328 Absatz 3 Satz 2 SGB III i. V. m. § 40 Absatz 2 Nummer 1 SGB II für den genannten Zeitraum in den einzelnen Bundesländern aufgelaufen? 8. Wie viele Grundsicherungsbeziehende sind in den einzelnen Bundesländern von Rückforderungen betroffen? 9. Wie stellen sich die verschuldensunabhängigen und die verschuldeten Rückforderungen seit dem 1. Januar 2011 in den einzelnen Bundesländern dar? Die Fragen 7 bis 9 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Angaben vor und die erfragten Daten können auch mit einer statistischen Sonderauswertung nicht ermittelt werden. 10. Werden bei dem Verfahren der Festsetzung der Rückforderung und dem Verfahren der Geltendmachung der Zahlungsforderung die aktuellen Einkommens - und Vermögensverhältnisse der Betroffenen berücksichtigt? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Gemäß § 40 Absatz 2 Nummer 1 SGB II i. V. m. § 328 Absatz 3 SGB III sind aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird. Diese gesetzlichen Regelungen eröffnen keinen Ermessensspielraum und sehen nicht vor, aktuelle Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen werden allerdings bei der Ermessensentscheidung über Stundung und Erlass (§ 44 SGB II) berücksichtigt. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/6539 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 11. In wie vielen Fällen pro Jahr wurden die Rückforderungen vollständig beglichen ? 12. In wie vielen Fällen pro Jahr wurden Widersprüche gegen die Rückforderungen eingelegt, und in wie vielen Fällen waren diese erfolgreich? 13. Wie viele Klagen gegen Rückforderungen wurden vor den Sozialgerichten in den Jahren 2005 bis 2014 erhoben, und wie stellt sich der Abschluss der Klagen in den einzelnen Instanzen dar? Die Fragen 11 bis 13 werden gemeinsam beantwortet. Der Bundesregierung liegen hierzu keine Zahlen vor und die erfragten Daten können auch mit einer statistischen Sonderauswertung nicht ermittelt werden. 14. Wie bewertet die Bundesregierung die bisherige Praxis, und welche Schlussfolgerungen und Konsequenzen zieht sie aus dem Vorwurf, dass mit der Erstellung von vorläufigen Bescheiden durch den Ausschluss der Schutzvorschriften der §§ 45 bis 50 SGB X zum Nachteil der betroffenen Leistungsberechtigten agiert wird? Die von den Fragestellern dargestellte Praxis, dass von der vorläufigen Entscheidung insbesondere Personen mit schwankendem Einkommen bzw. mit Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit betroffen sind, ist nicht zu beanstanden. Die Bundesregierung bestreitet den von den Fragestellern erhobenen Vorwurf, dass mit der vorläufigen Leistungsgewährung zum Nachteil der Betroffenen agiert würde. Im Gegenteil dient die Möglichkeit der vorläufigen Entscheidung den Interessen der Leistungsberechtigten an einer zügigen (vorläufigen) Gewährung existenzsichernder Geldleistungen bereits vor Abschluss der notwendigen Ermittlungen zur Anspruchsfeststellung, während die Verwaltung sonst dazu verpflichtet ist, vor einer Entscheidung zunächst die Sachlage vollständig aufzuklären . Erhalten Leistungsberechtigte Leistungen auf der Grundlage eines vorläufigen Bescheides, müssen sie aufgrund der Vorläufigkeit grundsätzlich mit eventuellen Rückforderungen durch den SGB II-Träger rechnen. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333