Deutscher Bundestag Drucksache 18/685 18. Wahlperiode 28.02.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Harald Petzold (Havelland), weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/523 – Sittenwidrige Kfz-Kennzeichen Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Bei der Neuanmeldung eines Fahrzeugs für seinen bereits rund 30 Kfz (Kraftfahrzeuge ) umfassenden Firmenfuhrpark wurde der Wunsch eines Spediteurs im oberbayerischen Wolfratshausen nach einem Kennzeichen mit seinem Namens- und Firmenkürzel „HH“ von der Zulassungsstelle negativ beschieden . Die Zulassungsstelle erklärte, es gäbe eine Weisung des Bundesverkehrsministeriums , wonach die für nationalsozialistische Begriffe stehenden Kürzel KZ (Konzentrationslager), NS (Nationalsozialismus), SA (Sturmabteilung), SS (Schutzstaffel), HJ (Hitlerjugend), AH (Adolf Hitler) und HH (Heil Hitler) „nicht auf Kfz-Kennzeichen erscheinen dürfen“. Auf Nachfrage der Onlinezeitung „TELEPOLIS“ hieß es hierzu aus dem Bundesverkehrsministerium , die Fahrzeug-Zulassungsverordnung regle nur, „dass die Zeichenkombination der Erkennungsnummer des Kennzeichens sowie die Kombination aus Unterscheidungszeichen und Erkennungsnummer nicht gegen die guten Sitten verstoßen dürfen.“ Der Vollzug des Zulassungsrechts ist Länderangelegenheit. Ein Bund-Länder-Fachausschuss Fahrzeugzulassung hatte im Jahr 2000 beschlossen , dass die Länder mit entsprechenden Empfehlungen, Weisungen und Erlassen die Verwendung von Buchstabenkombinationen vermeiden sollten, die „unerwünschte Wortbildungen ergeben“ (www.heise.de/tp/artikel/40/ 40752/1.html). Entsprechend vergibt die Nürnberger Kfz-Zulassungsstelle keine Kennzeichen mit den Buchstabenkombinationen N-PD und N-S. Kennzeichen mit der Kombination N-SU können kostenlos umgetauscht werden (www.sueddeutsche.de/ auto/autokennzeichen-in-nuernberg-boese-buchstaben-1.1863861). Während nach einem Senatsbeschluss aus dem Jahr 1985 die nachfolgenden Buchstabenkombinationen HJ, KZ, NS, SA, SS und SD nicht mehr zugeteilt wurden, bleibt die Länderkennung HH in der Hansestadt Hamburg weiterhin erlaubt . Im norddeutschen Kreis Steinburg wird die Kombination IZ-AN nicht Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 25. Februar 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. vergeben, weil sie rückwärts gelesen Nazi heißt. Im Kreis Dithmarschen ist die Kombination HEI-L untersagt (www.abendblatt.de/hamburg/article123915714/ Verstoesst-das-HH-Kennzeichen-gegen-die-guten-Sitten.html). Drucksache 18/685 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Der Brandenburger Verfassungsschutz wiederum warnt vor Nummernschildern mit Ziffern- und Buchstabenkombinationen, die von Neonazis als Erkennungscode genutzt werden können. Hierzu zählen beispielsweise die Ziffernkombinationen 18 (erster und achter Buchstabe des Alphabets als Abkürzung für Adolf Hitler), 88 (Heil Hitler) und 14 (gemeint ist das als Fourteen Words bekannte rassistische Glaubensbekenntnis der White-Power-Bewegung in den USA) (www.heise.de/tp/artikel/40/40752/1.html). So bekam der bekannte Münchner Neonazi P. H. ein Kennzeichen mit der Wunschkombination M-PH 1488 (www.sueddeutsche.de/auto/autokennzeichen-in-nuernberg-boesebuchstaben -1.1863861). Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Kraftfahrzeugkennzeichen dienen dazu, den jeweiligen Fahrzeughalter feststellen zu können. Die Zuteilung der Kennzeichen erfolgt durch die Zulassungsbehörde . In der Praxis hat sich die Möglichkeit der Beantragung und Zuteilung so genannter Wunschkennzeichen gegen eine zusätzliche Gebühr etabliert. Die Fahrzeughalterinnen und Fahrzeughalter haben vielfältige Beweggründe, bestimmte Buchstaben-Ziffernkombinationen auf dem Kennzeichen auszuwählen , sei es, dass sie sich z. B. das Kennzeichen leicht merken wollen, die Anfangsbuchstaben von Vor- und Zunamen oder ein Geburtsdatum darstellen wollen. Aufgrund der vielfältigen Buchstaben- und/oder Zahlenkombinationsmöglichkeiten können sich Wörter und Begriffe ergeben, die politischen, institutionellen oder sonstigen Deutungen zugänglich sind. Zu der Verwendung von Buchstabenkombinationen , die unerwünschte Wortkombinationen ergeben, hat sich die Bundesregierung dafür ausgesprochen, diese zu vermeiden. Damit wird auch das Ziel verfolgt, Bestrebungen Einzelner oder von Personengruppen entgegenzutreten , die nationalsozialistisches Gedankengut auf dem Kennzeichen zum Ausdruck bringen wollen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die theoretischen Möglichkeiten vielfältig sind und auch das nötige Wissen über das vom Halter oder der Halterin Gewollte bei der Kennzeichenzuteilung vorhanden sein muss. Deshalb ist es in der Praxis schwierig, von vornherein Buchstaben-Zahlenkombinationen zu definieren, die als Symbole unerwünschter Außendarstellung gewertet werden. Aus diesem Grund kann es keine abschließende Empfehlung für die für die Durchführung der Vorschriften zuständigen Länder geben. Angesichts des großen und wachsenden Kraftfahrzeugbestandes sind die Zulassungsbehörden auch auf die Ausnutzung der zuständigen Buchstabenkombinationen angewiesen und achten in eigener Verantwortung darauf, ob es negative Assoziationen gegenüber bestimmten Kombinationen gibt. Den für den Vollzug der der Vorschriften über die Fahrzeugzulassung zuständigen Ländern wird seit langem empfohlen, Buchstabenkombinationen, die auf ehemalige nationalsozialistische Vereinigungen oder einen nationalsozialistischen Bezug hinweisen (z. B. SA, HJ, SS, KZ), nicht zu verwenden. Dieser Aspekt gilt auch für andere extremistische Vereinigungen. 1. Welche politisch oder moralisch begründeten Einschränkungen für die Vergabe von Kfz-Ziffern- und Buchstaben-Kennzeichenkombinationen bestehen durch Bundesbehörden, und wie bindend sind diese für die Länder? Die Fahrzeug-Zulassungsverordnung bestimmt in § 8 Absatz 1, dass die Zeichenkombination der Erkennungsnummer sowie die Kombination aus Unterschei- dungszeichen und Erkennungsnummer nicht gegen die guten Sitten verstoßen dürfen. Diese Bestimmung ist für die Zulassungsbehörden bindend. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/685 2. Welche politisch oder moralisch begründeten Einschränkungen bei der Vergabe von Kfz-Ziffern- und Buchstaben-Kennzeichenkombinationen bestehen nach Kenntnis der Bundesregierung in den einzelnen Bundesländern ? Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es in allen Ländern Empfehlungen, Weisungen oder Erlasse, wonach bestimmte Buchstabenkombinationen bei der Zuteilung der Erkennungsnummern zu vermeiden sind. Eine detaillierte Übersicht liegt der Bundesregierung nicht vor. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 3. Was genau versteht die Bundesregierung unter einer Zeichenkombination der Erkennungsnummer des Kennzeichens sowie einer Kombination aus Unterscheidungszeichen und Erkennungsnummer, die gegen die guten Sitten verstoßen? Grundsätzlich werden die guten Sitten von der Rechtsprechung als Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden beschrieben (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1953 – IV ZR 242/52 –, BGHZ 10, 228). Dabei ist auf den so genannten anständigen Durchschnittsmenschen abzustellen. Dieser Begriff unterliegt auch dem gesellschaftlichen Wandel und lässt einen Beurteilungsspielraum zu. Diese zivilrechtliche Rechtsprechung lässt sich ob ihrer Allgemeinheit auch grundsätzlich auch auf öffentlich-rechtliche Sachverhalte wie die Fahrzeugzulassung übertragen. 4. Gibt es vonseiten der Bundesregierung einen Empfehlungskatalog mit Buchstaben- und Ziffernkombinationen, die aus Sicht der Bundesregierung gegen die guten Sitten verstoßen, und wenn ja, welche Kombinationen werden darin mit welcher Begründung genannt? 5. Gibt es vonseiten des Bund-Länder-Fachausschusses Fahrzeugzulassung einen Empfehlungskatalog mit Buchstaben- und Ziffernkombinationen, die aus Sicht der Bundesregierung gegen die guten Sitten verstoßen, und wenn ja, welche Kombinationen werden darin mit welcher Begründung genannt? Zu den Fragen 4 und 5 wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen . 6. Welche Regelungen der Länder zur Umsetzung der Fahrzeug-Zulassungsverordnung bezüglich der gegen die guten Sitten verstoßenden Buchstabenund Ziffernkombinationen auf Kfz-Kennzeichen sind der Bundesregierung bekannt? Die Länder führen den Vollzug der Fahrzeug-Zulassungsverordnung in eigener Zuständigkeit aus. Sie regeln auch die vorschriftsgemäße Umsetzung der entsprechenden Buchstaben-Ziffernkombination-Zuteilung. 7. Welche tatsächlichen Erkenntnisse hat die Bundesregierung über die gezielte Verwendung von Buchstaben- und Ziffernkombinationen durch Rechtsextremisten (bitte Beispiele benennen)? Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über die gezielte Verwendung von Buchstaben- und Ziffernkombinationen durch Rechtsextremisten auf Kraftfahr- zeugkennzeichen. Zwar sind in der rechtsextremistische Szene – insbesondere vor dem Hintergrund der §§ 86 und 86a des Strafgesetzbuchs – Symbole, Codes Drucksache 18/685 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode und Erkennungszeichen weit verbreitet, um Gleichgesinnte zu erkennen. Die Zulassungsbehörden der Länder gehen jedoch nach Kenntnis der Bundesregierung auch bei weniger offensichtlichen Buchstaben- und Ziffernkombinationen (z. B. „28“ für „Blood & Honour“) äußerst sensibel vor. 8. Inwieweit sind die Länder nach Ansicht der Bundesregierung bei der Listung von unerwünschten, verbotenen bzw. sittenwidrigen Buchstabenund Ziffernkombinationen dazu angehalten, auch Abkürzungen ausländischer rechtsextremer Organisationen zu berücksichtigen (z. B. in München M-HP für die zu den Grauen Wölfen zählende türkische Partei der Nationalen Bewegung MHP)? Hierzu wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 9. Hat die Bundesregierung Kenntnis von Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern oder Verbänden bezüglich der Vergabe oder Nichtvergabe bestimmter Buchstaben- und Ziffernkombinationen auf Kfz-Kennzeichen gegenüber Bundes- oder Landesbehörden, und wenn ja, worauf bezog sich diese Kritik im Einzelnen? Der Bundesregierung ist bekannt, dass es Beschwerden hinsichtlich der Nichtzuteilung bestimmter Buchstaben- und Ziffernkombinationen gibt. Da sich die Beschwerden gegen die Entscheidung der Landesbehörden richten, liegen der Bundesregierung keine Einzelheiten vor. 10. Inwieweit hält die Bundesregierung eine bundesweite Vereinheitlichung bei den Regularien für die Vergabe oder Nichtvergabe bestimmter Buchstaben - und Ziffernkombinationen bei Kfz-Kennzeichen für erforderlich oder wünschenswert? Eine abschließende verbindliche, ein Ermessen der zuständigen Behörden ausschließende Festlegung der zuzulassenden und nicht zuzulassenden Buchstaben -Ziffernkombinationen der Kennzeichen könnte nur durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates vorgenommen werden. Angesichts der in der Vorbemerkung der Bundesregierung dargelegten Probleme wird keine Notwendigkeit gesehen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333