Deutscher Bundestag Drucksache 18/720 18. Wahlperiode 06.03.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Diana Golze, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/472 – Finanzierung von Schulsozialarbeit Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 2011 haben die Bundesregierung und der Bundesrat im Vermittlungsverfahren im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets zusätzlich eine Förderung beschlossen, die unter anderem die Finanzierung von Schulsozialarbeit ermöglichte. Im Zuge dieser Entscheidungen haben viele Kommunen zahlreiche Stellen für Schulsozialarbeit geschaffen. Ende des Jahres 2013 lief diese Förderung aus. Das führt dazu, dass Länder und Kommunen die Nachfolge für diese Stellen in eigener Verantwortung und Finanzierung regeln müssen. Auch wenn sie nun alle Anstrengungen aufbringen , um die über diesen Weg geschaffenen Stellen im Bereich der Schulsozialarbeit zu erhalten, wurden mancherorts Stellen bereits gestrichen. Viele Praktiker , Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Jugendhilfeträger an den Schulen fragen sich angesichts der desolaten Lage kommunaler Haushalte und der schwierigen finanziellen Situation in den Ländern, wie es mit der Schulsozialarbeit weitergehen soll. Sie erwarten nach dem Auslaufen neue Pläne seitens des Bundes zur zukünftigen Beteiligung des Bundes an Schulsozialarbeit, sei es als Leistung nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) oder zumindest mittels einer Umwegfinanzierung über die Bereitstellung weiterer zusätzlicher Mittel im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets, wie bereits zwischen den Jahren 2011 und 2013 erfolgt. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD gibt keine Antworten auf diese Fragen, und die neue Bundesregierung schweigt zu diesem Thema. Die Erfolge von der Schulsozialarbeit, sind nicht von der Hand zu weisen. So kommt auch der 14. Kinder- und Jugendbericht, der Anfang des Jahres 2013 veröffentlicht wurde, zu dem Schluss, dass sich „in allen Bundesländern […] die Schulsozialarbeit als Angebot der Kinder- und Jugendhilfe an Schulen oder in Zusammenarbeit mit Schulen durchgesetzt“ hat. Die Schulsozialarbeit ist unverzichtbar als „Brücke zwischen dem Lernort Schule und anderen Orten des Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. März 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Aufwachsens sowie der Kinder- und Jugendhilfe“ und gerade aus dem Prozess der Ganztagsschulentwicklung nicht mehr wegzudenken. Schulsozialarbeit ist aber darüber hinaus eine wesentliche Bedingung für die Gestaltung erfolgreicher Lernprozesse, nicht nur in Notlagen, sondern eigentlich in jeder Schule und jeder Schulform. Sie muss in absehbarer Zeit ein unverzichtbarer Bestandteil von Schule werden. Drucksache 18/720 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 1. Wie viele Stellen (Vollzeitäquivalente) sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Bereich der Schulsozialarbeit in den Ländern und Kommunen aus den Mitteln der Zusatzförderung im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets geschaffen worden (bitte nach Bundesländern aufschlüsseln)? Liegen der Bundesregierung hierzu keine Erkenntnisse vor, warum verzichtet die Bundesregierung auf eine Kontrolle der von ihr bereitgestellten Mittel in den Ländern und Kommunen? Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Der Bund hat nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung weder eine Aufgaben- noch eine Finanzverantwortung für Schulsozialarbeit und auch keine Befugnisse für eine entsprechende Kontrolle. Die Schulsozialarbeit ist und war auch nicht Teil des Bildungs- und Teilhabepakets nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bzw. den weiteren Rechtsgrundlagen für Bildung und Teilhabe. Der Vermittlungsausschuss hat sich im Zuge der Gesetzesberatungen zur Stärkung der Finanzkraft der kommunalen Ebene darauf geeinigt, den Ländern – befristet für die Jahre 2011 bis 2013 – jeweils 400 Mio. Euro zur Verfügung zu stellen. Finanztechnisch wurde dies über eine um 2,8 Prozentpunkte erhöhte Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende umgesetzt . Damit war – ohne gesetzlich verankerte Zweckbindung – die politische Erwartung verbunden, dass diese Mittel von Ländern und Kommunen für die Finanzierung von Schulsozialarbeit und/oder des außerschulischen Hortmittagessens von Schülerinnen und Schülern eingesetzt werden. Die Verwendung der Mittel erfolgte in der alleinigen Zuständigkeit und Verantwortung der Länder und Kommunen. Der Bund hat hierüber keine Informationen. Ab dem Jahr 2014 unterstützt der Bund die Kommunen finanziell an anderer Stelle, indem er diesen die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vollständig erstattet. Hierdurch werden die Kommunen allein im Zeitraum 2012 bis 2016 insgesamt um fast 20 Mrd. Euro entlastet. Damit stehen den Kommunen ab 2014 deutlich mehr Mittel zur Verfügung als durch die bisherige jährliche Entlastung in Höhe von 400 Mio. Euro. 2. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Stellen (Vollzeitäquivalente) im Bereich der Schulsozialarbeit in den Ländern und Kommunen durch das Auslaufen der zusätzlichen Mittel für Kosten der Unterkunft ab Januar 2014 gestrichen werden mussten (wenn ja, bitte die Zahlen angeben und nach Bundesländern aufschlüsseln)? Wenn nein, warum wird von der Bundesregierung nicht nachgefragt, wie viele Stellen dadurch in den Ländern und Kommunen gestrichen werden mussten? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 3. Ist der Bundesregierung bekannt, ob und inwieweit einzelne Bundesländer ihre Zuweisungen an die Kommunen erhöhen, um den Wegfall der Bundesmittel für die Schulsozialarbeit auszugleichen (wenn ja, bitte die Zahlen angeben und nach Bundesländern aufschlüsseln)? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/720 4. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Stellen durch finanzielle Mittel der Kommunen übernommen wurden (wenn ja, bitte die Zahlen angeben und nach Bundesländern aufschlüsseln)? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 5. Welche finanziellen Mittel wurden nach Kenntnis der Bundesregierung von den für Schulsozialarbeit und Hortmittagessen jährlich zur Verfügung gestellten 400 Mio. Euro im Zeitraum 2011 bis 2013 ausgegeben (bitte nach Bundesländern und nach den Jahren 2011, 2012, 2013 aufschlüsseln )? Welcher Anteil entfällt hierbei auf die Finanzierung von Stellen der Schulsozialarbeit ? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 6. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht für das Hortmittagessen oder den Ausbau der Schulsozialarbeit, sondern anderweitig verwendet wurden (bitte nach Bundesländern und nach den Jahren 2011, 2012, 2013 aufschlüsseln )? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 7. Ist der Bundesregierung bekannt, wozu die Länder die vom Bund zusätzlich bereitgestellten Mittel einsetzen? Wenn nein, plant die Bundesregierung eine Evaluierung durchzuführen, wofür die Länder die zusätzliche Förderung (erhöhte Zuweisungen für Kosten der Unterkunft) durch den Bund verwenden? Wenn ja, wie viele der Mittel wurden für Schulsozialarbeit eingesetzt? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. 8. Inwiefern sieht die Bundesregierung einen Gewinn in der Schaffung der durch die zusätzlich bereitgestellten Mittel (Förderung durch erhöhte Zuweisungen für Kosten der Unterkunft), und inwiefern sieht die Bundesregierung einen Verlust in der Streichung von Schulsozialarbeiterstellen durch das Auslaufen eben dieser Förderung? Die Bundesregierung sieht einen Gewinn darin, die Schulen mit Schulsozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern auszustatten. Daher wird das Engagement der Länder in diesem Bereich begrüßt. 9. Plant die Bundesregierung eine Neuauflage der Erhöhung der Mittel für Kosten der Unterkunft, die für Schulsozialarbeit eingesetzt werden können ? Wenn ja, in welcher Art und Weise, in welchem Umfang, und ab wann? Wenn nein, warum nicht? 10. Welche Modelle zur Finanzierung von Schulsozialarbeit bestehen aus Sicht der Bundesregierung, die über die bestehenden Vorschläge der Ko- finanzierung durch die Neuordnung der Zuweisungen im Bereich der Drucksache 18/720 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Grundsicherung hinausgehen (bitte nach Europa-, Bundes- und Landesmitteln und kommunalen Mitteln aufschlüsseln)? 11. Sieht die Bundesregierung dahin gehend Handlungsbedarf, im Zuge der Gestaltung einer eigenständigen Jugendpolitik auch die Hilfe- und Unterstützungsangebote zu evaluieren und mit einem stärkeren Engagement (konzeptionell wie auch finanziell) des Bundes die Erbringung von Leistungen nach dem SGB VIII – wie der Schulsozialarbeit – abzusichern? Die Fragen 9 bis 11 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die in der Antwort zu Frage 1 genannte, erhöhte Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizung in der Grundsicherung für Arbeitsuchende über den 31. Dezember 2013 hinaus ist nicht vorgesehen. Die Sicherstellung der Handlungsfähigkeit der Kommunen und der Länder ist ein zentrales Anliegen der die Bundesregierung tragenden Parteien. Im Koalitionsvertrag wurde deshalb die Einrichtung einer Kommission zur Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern vereinbart. Die Länder und Gemeinden stehen vor großen Herausforderungen bei der Finanzierung von Kinderkrippen , Kitas, Schulen und Hochschulen. Damit sie diese Aufgaben besser bewältigen können, werden die Länder in der laufenden Legislaturperiode in Höhe von 6 Mrd. Euro entlastet. Darüber hinaus verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die Zukunftsfähigkeit der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt zu sichern. Die Überlegungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. 12. Wie definiert die Bundesregierung Schulsozialarbeit, und wie beurteilt sie die Stellung von Schulsozialarbeit im Kontext zur Jugendsozialarbeit und zu anderen Angeboten der Jugendhilfe zum einen und wie im Kontext des Spannungsfeldes Schule – Jugendhilfe zum anderen? Schulsozialarbeit bietet allen Schülerinnen und Schülern im Schulalltag umfangreiche Begleitung und Unterstützung. Sie trägt zu einem gelingenden Miteinander in der Schule bei. Gemäß dem 14. Kinder- und Jugendhilfebericht hat sie einen engen Bezug zu einer präventiv ansetzenden sozialpädagogischen Unterstützung und nimmt dabei die außerunterrichtliche Seite des Lebensalltags der Heranwachsenden mit in den Blick. Schulbezogene Jugendsozialarbeit ist ein Angebot der kommunalen Kinder- und Jugendhilfe (Jugendsozialarbeit gemäß § 13 Absatz 1 SGB VIII) und wendet sich an sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte Schülerinnen und Schüler, die Probleme bei der Integration in den Schulalltag haben. Ebenso wie die Schulsozialarbeit bezieht auch die schulbezogene Jugendsozialarbeit in aller Regel das Umfeld der Schülerinnen und Schüler – insbesondere die Eltern – mit ein. Eine enge Kooperation zwischen Schulsozialarbeit, schulbezogener Jugendsozialarbeit und anderen Jugendhilfeangeboten sowie der Schule ist für eine erfolgreiche pädagogische Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern notwendig. 13. Welche Aufgaben sollte Schulsozialarbeit aus Sicht der Bundesregierung erfüllen? An wen sollten sich aus Sicht der Bundesregierung die Angebote der Schulsozialarbeit richten? Es wird auf die Antwort zu Frage 12 verwiesen. Schulsozialarbeit ist eine Bereicherung für das Schulleben und erfüllt aus Sicht der Bundesregierung eine wichtige Aufgabe für einen gelingenden Schulalltag. Schulsozialarbeit richtet sich an alle Schülerinnen und Schüler. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/720 14. Welche konkreten Angebote werden dafür aus Sicht der Bundesregierung benötigt, und wie sollte die Struktur der Schulsozialarbeit dementsprechend ausgestattet sein? Welche strukturelle Anbindung bietet sich dafür an? Die strukturelle Anbindung ist nach Aussagen des 14. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung sehr unterschiedlich. Unter Verweis auf die Kinderund Jugendhilfestatistik geht der Bericht davon aus, dass rund 42 Prozent der der Kinder- und Jugendhilfe zuzuordnenden Fachkräfte bei öffentlichen Trägern und rund 58 Prozent bei freien Trägern angestellt sind. Zu den in der Schule angesiedelten Fachkräften fehlt es gemäß 14. Kinder- und Jugendhilfebericht an verlässlichen Angaben; die Länder gehen hier unterschiedliche Wege. Die Fachkräfte sind beispielsweise direkt vom Land (z. T. auf Lehrerstellen) oder – über das Schulverwaltungsamt – auch von der Kommune angestellt. Die Bundesregierung unterstützt die Vielfalt der schulbezogenen Jugendsozialarbeit vor Ort. 15. Welche Rolle kommt nach Auffassung der Bundesregierung der öffentlichen und freien Jugendhilfe einerseits sowie den Schulen andererseits bei der Einführung und beim Ausbau von Angeboten der Schulsozialarbeit jeweils zu? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 12 und 14 verwiesen. 16. Welche Probleme sieht die Bundesregierung durch die föderale Kompetenzordnung im Bereich der Schulsozialarbeit als Angebot der Jugendhilfe ? Es wird auf die Antworten zu den Fragen 12 und 14 verwiesen. 17. Plant die Bundesregierung, Daten zur Schulsozialarbeit zu erheben, aus denen erstens hervorgeht, für wie viele Schulen (unterschieden nach Schulformen) und wie viele Schülerinnen und Schüler wie viele Schulsozialarbeiter und Schulsozialarbeiterinnen zu Verfügung stehen, und zweitens um den Bedarf und die Finanzierungen etc. zu Schulsozialarbeit systematisch zu erfassen? Wenn nein, warum nicht? Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, zusätzliche Daten zur Schulsozialarbeit zu erheben. 18. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus Gesprächen mit den Ländern über die Entwicklungen in der Schulsozialarbeit und dem Stellenabbau in diesem Bereich? Es wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333