Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien vom 13. Januar 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/7264 18. Wahlperiode 14.01.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Katrin Kunert, Halina Wawzyniak, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/7156 – Mögliche Einrichtung eines zentralen Museums zur Erinnerung an die faschistische Vergangenheit Deutschlands V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Zeitschrift „Ossietzky“ hat einen Aufruf zur Einrichtung eines „zentralen Museums, das einen Überblick über die Nazi-Vergangenheit gibt“, lanciert (Nr. 15/2015). Es gebe zwar in Berlin eine Vielzahl von Gedenkstätten, „die an den faschistischen Terror, an den Widerstand, an die Opfer, hier und da auch an die Täter erinnern“, aber keinen zentralen Lernort. Erinnerung an und Aufarbeitung der faschistischen Vergangenheit findet in Berlin an vielen Orten statt, zu den größten gehören die Topographie des Terrors, der Ort der Information der Stiftung Denkmal, die Gedenkstätte Deutscher Widerstand und das Deutsch-Russische Museum. Sie alle, wie auch eine Vielzahl weiterer Einrichtungen und Museen, leisten eine wichtige und verdienstvolle Arbeit auf diesem Gebiet. Sie sind aber auch alle in gewissem Maße spezialisiert auf bestimmte Aspekte der Nazi-Herrschaft: Die Besucherinnen und Besucher lernen entweder etwas über den Holocaust, oder über den Widerstand, oder über die Rolle der Gestapo oder den Vernichtungskrieg in Osteuropa. Es gibt aber keinen Ort, der einen Überblick über den ganzen Komplex der Nazi-Tyrannei in allen gesellschaftlichen Bereichen und allen besetzten Gebieten verschafft. Für Berlinerinnen und Berliner bietet sich unkompliziert die Möglichkeit, sämtliche vorhandenen Gedenk- und Lernorte zu besuchen, für sie ist die vorhandene spezialisierte Vielfalt eher ein Vorteil. Auswärtige Besucherinnen und Besucher mögen aber in der Hauptstadt des damaligen Deutschen Reiches einen zentralen Überblicksort über sämtliche relevanten Aspekte der NS-Herrschaft erwarten. Als dessen zentrale Leitfrage schlägt der „Ossietzky“-Aufruf vor: „Wie konnte es dazu kommen, dass ein hochentwickeltes Land der faschistischen Barbarei verfiel ?“ Das vorgeschlagene Museum solle und könne hierauf zwar keine allgemeingültige Antwort geben, „aber gesicherte Information als Grundlage für eigene Suche nach Antwort“. Teil einer dortigen Ausstellung könne auch die Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht sein. Als geeigneten Standort für ein solches Museum schlägt der Aufruf das Berliner Stadtschloss-Humboldtforum vor. Auch dies wäre, im Sinne der Gedenkstättenkonzeption, ein „authentischer Ort“, weil von diesem Sitz der monarchistischen Herrschaft aus wichtige Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/7264 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Maßnahmen ergriffen und Traditionslinien begründet wurden, die letztlich zur Etablierung der faschistischen Herrschaft in Deutschland beigetragen haben. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g : Die Fragesteller beziehen sich in ihrer Kleinen Anfrage vom 23. Dezember 2015 (Eingang Bundeskanzleramt) auf einen Artikel von Eckart Spoo, der unter dem Titel „Ein Schloss − wozu?“ in der Zweiwochenzeitschrift für Politik, Kultur, Wirtschaft Ossietzky (Nr. 15/2015) am 1. August 2015 erschienen ist. Als „Erstunterzeichner “ sind dort u. a. die Mitglieder des Deutschen Bundestages Dr. Dietmar Bartsch, Dr. Sahra Wagenknecht sowie Ulla Jelpke, die eine Herausgeberin der Zeitschrift ist, genannt. 1. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller, wonach es in Berlin wie in ganz Deutschland zwar eine Vielzahl von Erinnerungs- und Lernorten zur NS-Herrschaft gibt, diese aber alle mehr oder weniger auf einzelne Aspekte spezialisiert sind, und es keinen zentralen Lernort gibt, der eine Übersicht präsentiert? a) Wenn ja, welche Schlussfolgerungen zieht sie gegebenenfalls aus dieser Erkenntnis? b) Wenn nein, welchen zentralen, eine Übersicht über die verschiedenen historischen , sozialen und politischen Aspekte der NS-Herrschaft und des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus vermittelnden Lernort kennt die Bundesregierung? 2. Welche Überlegungen sprechen nach Kenntnis der Bundesregierung aus politischer und pädagogisch-didaktischer Sicht für bzw. gegen einen zentralen Ort, und inwieweit sieht die Bundesregierung selbst das Erfordernis eines solchen zentralen Lern- und Überblicksortes? 4. Inwieweit hält es die Bundesregierung für wünschenswert, dass es einen zentralen Lernort gibt, der nach gesellschaftlichen Bereichen gegliedert ist, wie Bildung, Wissenschaft, Medizin, Wirtschaft, Staatsverwaltung, Polizei, Justiz, Militär, Propaganda, Medien, Kunst usw. und jeweils dargestellt wird, a) wie die Nazis in diesen Bereichen Fuß fassten b) ob bzw. inwiefern die jeweiligen gesellschaftlichen Akteure den Nazis Widerstand entgegenbrachten bzw. bereits zuvor antidemokratische Überzeugungen in diesen Bereichen dominierten (bitte begründen)? Die Fragen 1, 2 und 4 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Grundlage der Gedenkstättenförderung durch den Bund ist die 2008 fortgeschriebene Gedenkstättenkonzeption, die auch die breite Zustimmung des Deutschen Bundestages erfahren hat (Bundestagsdrucksache 16/9875). Diese Konzeption berücksichtigt, dass die Gedenkstättenförderung nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes in erster Linie von den Ländern wahrzunehmen ist. Sie verfolgt insofern einen dezentralen Ansatz. Auf dieser Grundlage konnte in Deutschland eine plurale und heterogene Museen- und Gedenkstättenlandschaft entstehen , die es nun zu erhalten und zu fördern gilt. Der Bund fördert institutionell die Stiftung Topographie des Terrors, die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, das Haus der Wannsee-Konferenz, Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7264 die Gedenkstätte Deutscher Widerstand einschließlich des Museums Blindenwerkstatt Otto Weidt und der Gedenkstätte Stille Helden, die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten mit den KZ-Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück , der Dokumentationsstelle Zuchthaus Brandenburg/Havel, der Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald bei Wittstock und der Gedenkstätte zur Erinnerung an die Opfer der Krankenmordaktion „T 4“ in Brandenburg/Havel, die Stiftung KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, die Bayerische Gedenkstättenstiftung mit den KZ-Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg, die Niedersächsische Gedenkstättenstiftung mit der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen, die KZ-Gedenkstätte Neuengamme, die Sächsische Gedenkstättenstiftung mit dem Dokumentations- und Informationszentrum Torgau sowie den Gedenkstätten Münchner Platz in Dresden und Pirna-Sonnenstein. Darüber hinaus förderte bzw. fördert der Bund projektbezogen eine Vielzahl weiterer Einrichtungen, von denen hier einige wenige beispielhaft genannt seien: das NS-Dokumentationszentrum München, das Dokumentationszentrum NS- Zwangsarbeit in Berlin-Schöneweide, den Denkort U-Boot-Bunker Valentin in Bremen-Farge, den Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster, das Ausstellungs - und Besucherzentrum der ehemaligen NS-Ordensburg Vogelsang, die Erinnerungs - und Gedenkstätte „Wewelsburg 1933-1945“ und die Gedenkstätte JVA Wolfenbüttel. Die Bundesregierung sieht keinen Mangel darin, dass es keinen „zentralen Lernort “ gibt, der für sich reklamiert, über den gesamten Nationalsozialismus mit all seinen Instanzen, Implikationen und Aspekten zu informieren. Sie hält es im Gegenteil angesichts der Komplexität des NS-Regimes für fachlich nicht angezeigt, eine Einrichtung mit einem so wenig spezifizierten Vermittlungsziel anzustreben. Hinzu kommt, dass die für das Lernen aus dem Nationalsozialismus so wichtige pädagogische Arbeit der Gedenkstätten stets eine persönliche Auseinandersetzung mit einer konkreten Fallgestaltung oder Fragestellung voraussetzt, was aber bei einer stark überblicksartigen Ausstellung schwerlich möglich ist. Dies sind die Gründe, warum die Bundesregierung sich mit ihrer Gedenkstättenkonzeption für den anderen, differenzierteren Weg entschieden hat, bei dem die einzelnen Einrichtungen den Fokus auf die Aspekte legen, für die der authentische Ort eine gewisse Exemplarität und besondere historische Aussagekraft aufweist. Dass in allen Ausstellungen der jeweilige Aspekt der NS-Terrorherrschaft in einen größeren Kontext gestellt wird, ist dabei selbstverständlich. 3. Inwiefern und von welcher Seite wurden der Bundesregierung in der Vergangenheit entsprechende Wünsche oder Vorschläge zugetragen, und wie hat sie darauf reagiert? Einen solchen Vorstoß hat es in den letzten Jahren nicht gegeben, was angesichts der umfassenden Diskussion im Zusammenhang mit der Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption , die bewusst einen anderen Weg gegangen ist, auch nicht zu erwarten war. 5. Inwieweit hält es die Bundesregierung für wünschenswert, dass es einen Ort gibt, der einen Überblick über die Raub- und Vernichtungspolitik von Wehrmacht , SS, Polizei und Zivilverwaltung des sogenannten Dritten Reiches in den zwischen 1938 und 1945 besetzten Ländern gibt (bitte begründen)? Die Bundesregierung hält es für unverzichtbar, dass die bestehenden Gedenkstätten und Museen in der Lage sind, auch über die NS-Herrschaft in den besetzten Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/7264 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Gebieten und die dort verübten Verbrechen zu informieren und die Auseinandersetzung damit zu ermöglichen. Einen Überblick zu diesem Thema gibt zudem die Topographie des Terrors in Berlin, deren Dauerausstellungen die zentralen Institutionen von SS und Polizei im Nationalsozialismus sowie das von ihnen zwischen 1939 bis 1945 europaweite aufgebaute Terrorsystems dokumentieren. Nur die Förderung der vielseitigen Gedenkstättenlandschaft mit ihren Sonderausstellungen , Seminaren und Bildungsangeboten ermöglicht eine der Komplexität des Themas angemessene differenzierte Betrachtung und Erkenntnis. 6. Inwiefern wäre es nach Kenntnis der Bundesregierung möglich, nach derzeitigem Planungsstand entsprechende Räumlichkeiten im Stadtschloss-Humboldtforum zu nutzen? 7. Will die Bundesregierung Initiativen zur Einrichtung eines solchen Museums im Stadtschloss-Humboldtforum oder woanders ergreifen oder entsprechende Initiativen aus der Zivilgesellschaft unterstützen, und wenn ja, inwiefern , und wenn nein, warum nicht? 8. Über welche Liegenschaften bzw. derzeit und/oder auf absehbare Zeit ungenutzten Immobilien verfügt der Bund im Berliner Zentrum? Die Fragen 6 bis 8 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . In den Planungen für das Humboldt-Forum hat die Überlegung, dort einen „zentralen Lernort“ zum Nationalsozialismus zu schaffen, aus den oben dargelegten Gründen von vornherein keine Rolle gespielt. Dementsprechend wird die Bundesregierung auch keine in diese Richtung zielende Initiative ergreifen oder fördern . Aus denselben Gründen erübrigt sich die Beantwortung von Frage 8. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333