Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 18. Januar 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/7310 18. Wahlperiode 20.01.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Monika Lazar, Volker Beck (Köln), Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/7140 – Intergeschlechtliche Menschen in Deutschland V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Situation von intergeschlechtlichen Menschen in Deutschland ist seit fast 20 Jahren Gegenstand politischer Debatte im Deutschen Bundestag. Bereits am 30. September 1996 wurde dazu die erste Anfrage an die Bundesregierung in den Deutschen Bundestag eingebracht. Zwei weiteren Kleinen Anfragen folgte am 12. Oktober 2001 die erste Debatte im Plenum des Deutschen Bundestages. Dank des zivilgesellschaftlichen Engagements der intergeschlechtlichen Menschen wurde 2002 das erste Fachgespräch im Deutschen Bundestag von der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unter dem Titel „Jenseits der zwei Geschlechter – Zur Situation intersexueller Menschen“ veranstaltet. Damals wurden im Dialog mit Betroffenen und Fachleuten die grundsätzlichen Probleme diskutiert. Ebenso wurde das Thema auf der internationalen Ebene diskutiert, da immer öfter intergeschlechtliche Menschen sich zu Wort gemeldet und gegen bisherige Praktiken der Behandlung intersexueller Menschen im Kindesalter protestiert hatten. Auf der Ebene der Vereinten Nationen ist das 2008/2009 bei der Berichterstattung zum „Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen“ (CEDAW) ans Licht der Öffentlichkeit gekommen, nachdem ein Schattenbericht vom Verein „Intersexuelle Menschen e. V.“ zum offiziellen CEDAW-Bericht der Bundesregierung Menschenrechtsverletzungen an Intersexuellen dargestellt hatte. Ebenso wurden vom Verein „Intersexuelle Menschen e. V.“ und von der Selbsthilfegruppe „xy-frauen“ Alternativberichte für den UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (CESCR) und für den UN-Ausschuss gegen Folter (CAT) erstellt. Am 27. Mai 2009 hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein weiteres Fachgespräch zum Thema „Wie kann die Situation intersexueller Menschen verbessert werden“ organisiert (s. www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/ gruenebundestag_de/publikationen/reader/reader_jenseits_der_zwei_geschlechter_ wi.pdf). Die anwesenden intergeschlechtlichen Menschen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen haben mehrere Forderungen formuliert, die in den ersten parlamentarischen Antrag zu diesem Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/7310 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Thema eingeflossen sind. Der Antrag „Grundrechte von intersexuellen Menschen wahren“ der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 17/5528) wurde am 13. April 2011 eingebracht und am 24. November 2011 im Plenum des Deutschen Bundestages in erster Lesung beraten. Auch der Deutsche Ethikrat hat sich im Auftrag der Bundesregierung mit dem Thema befasst und am 23. Februar 2012 eine Stellungnahme zur Situation intersexueller Menschen vorgestellt (Bundestagsdrucksache 17/9088). Er war der Auffassung, dass intersexuelle Menschen als Teil gesellschaftlicher Vielfalt Respekt und Unterstützung der Gesellschaft erfahren und vor medizinischen Fehlentwicklungen und Diskriminierung in der Gesellschaft geschützt werden müssen. Darüber hinaus hat er 18 Empfehlungen zur medizinischen Behandlung und vier zum Personenstandsrecht formuliert. Die Letzteren wurden vom Bundesrat übernommen und in einem Beschluss vom 6. Juli 2012 zum Personenstandsrechts -Änderungsgesetz an die Bundesregierung zur Prüfung weitergeleitet (Bundesratsdrucksache 304/12 (Beschluss)). Kurz darauf beschäftigte sich der Deutsche Bundestag mit dem Thema erneut. Im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fand am 25. Juni 2012 eine öffentliche Anhörung statt, in der alle Sachverständigen die Menschenrechtsverletzungen an intersexuellen Menschen thematisiert und das Parlament zum Handeln aufgefordert haben. Seit Herbst 2012 trifft sich im Deutschen Bundestag auf Initiative der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine interfraktionelle Gruppe – bestehend aus zuständigen Berichterstatterinnen und Berichterstattern aller Bundestagsfraktionen –, um das weitere Vorgehen in Bezug auf das Thema Intergeschlechtlichkeit zu besprechen. Im Ergebnis haben die Fraktionen SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ende der 17. Legislaturperiode jeweils einen Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, die allesamt am 16. Mai 2013 im Plenum beraten wurden. Mit dem vom Deutschen Bundestag am 31. Januar 2013 in zweiter und dritter Lesung verabschiedeten Personenstandsrechts-Änderungsgesetz (Bundestagsdrucksache 17/10489) wurde im Rahmen eines Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und FDP in § 22 des Personenstandsgesetzes (PStG) neu geregelt, dass der Personenstand eines Kindes, das weder dem weiblichen , noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann, ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister eingetragen wird. Diese isolierte Regelung führt allerdings zu einer Fülle von noch ungeklärten Folgewirkungen auf andere Rechtsgebiete, da die konkreten und umfassenden Handlungsempfehlungen und Lösungsansätze des Deutschen Ethikrates damit nur unzureichend umgesetzt wurden. In dem am 27. November 2013 vorgestellten Koalitionsvertrag verpflichteten sich CDU, CSU und SPD zur Evaluierung und zum Ausbau der „zwischenzeitlich erfolgten personenstandsrechtlichen Änderungen zugunsten intersexueller Menschen“ sowie dazu, „die besondere Situation von trans- und intersexuellen Menschen in den Fokus“ zu nehmen. Am 8. September 2014 fand die konstituierende Sitzung der interministeriellen Arbeitsgruppe „Intersexualität/Transsexualität“ statt, die seitdem mit der Umsetzung des Koalitionsvertrags beschäftigt ist. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7310 1. Bei wie vielen Personen wurde nach Kenntnis der Bundesregierung seit dem 1. November 2013 der Personenstandsfall ohne eine Geschlechtsangabe in das Geburtenregister gemäß § 22 Absatz 3 PStG eingetragen? Nach bisheriger Kenntnis der Bundesregierung wurden im Zeitraum November 2013 bis Juli/August 2014 bundesweit 8 Geburtsfälle ohne eine Geschlechtsangabe beurkundet. Dies entspricht etwa 0,0016 % der Geburten in diesem Zeitraum . Das Deutsche Institut für Menschenrechte, das derzeit im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) ein Gutachten „Geschlecht im Recht: Status Quo & Entwicklung von Regelungsmodellen zur Anerkennung und zum Schutz von Geschlechtsidentität“ erstellt, hat im Oktober 2015 die Landesinnenministerien mittels Fragebogen gebeten anzugeben, in wie vielen Fällen seit dem 1. November 2013 der Geschlechtseintrag eines Kindes im Geburtenregister nach § 22 Absatz 3 PStG leer gelassen wurde. Zum Januar 2016 liegen aus allen Bundesländern Antworten vor: Die Daten sind unter folgenden Vorbehalten zu betrachten: Eine digitale Erfassung und Übermittlung des offengelassenen Geschlechtseintrags ist bis Ende 2015 in den Standesämtern nicht möglich gewesen, da das entsprechende Programm bei der Geschlechtsangabe lediglich Codierungen für männlich und weiblich vorsieht, nicht aber für das Offenlassen des Eintrags. Die Daten konnten daher nicht aus den Geburtenregistern bei den statistischen Landesämtern generiert werden, sondern beruhen auf einer händisch zu bearbeitenden Abfrage per Fragebogen bei den einzelnen Standesämtern der Länder und sind entsprechend fehleranfällig. Hinzukommt, dass die Bundesländer offensichtlich unterschiedliche Praktiken für die Registrierung der offengelassenen Geschlechtseinträge entwickelt haben. Einzelne Nachfragen zu den Angaben der Länder laufen derzeit noch. In drei Bundesländern (BW, NI, NW) kommt es gegenüber den Daten aus der Länderabfrage der Drucksache 17/3884 des Bayerischen Landtags (Stand Juli/August 2014) zu einer Abweichung nach unten, d. h. zum jetzigen Zeitpunkt werden weniger Fälle eines offengelassenen Geschlechtseintrags mitgeteilt als im Juli/August 2014. Derzeit wird nachgeforscht, wie diese Abweichungen zu erklären sind. 2. Nach welchen medizinischen Kriterien ist nach Meinung der Bundesregierung der Personenstandsfall ohne eine Geschlechtsangabe in das Geburtenregister gemäß § 22 Absatz 3 PStG einzutragen? Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 22 Absatz 3 PStG, eine Empfehlung des Deutschen Ethikrates zum Thema „Intersexualität“ aufgreifend, klargestellt, dass die Geschlechtsangabe im Geburtseintrag offen bleibt, wenn diese nicht zweifelsfrei feststeht. Die Geschlechtsfeststellung nach der Geburt ist Aufgabe der geburtshelfenden Person, deren Einrichtung insoweit die Geburt anzuzeigen Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/7310 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode hat. Nach welchen medizinischen Kriterien der Personenstandsfall ohne eine Geschlechtsangabe in das Geburtenregister gem. § 22 Absatz 3 PStG einzutragen ist, legt die Bundesregierung nicht fest. 3. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass angesichts der Gegenüberstellung der Regelung über die Angabe der Vornamen (§ 22 Absatz 1 PStG), für die eine Monatsfrist gilt, und der Regelung über die Geschlechtsangabe (§ 22 Absatz 3 PStG), für die keine Frist vorgesehen ist, nach der letzten Regelung auch Jugendliche oder Erwachsene Anspruch auf Berichtigung des Geburtseintrages haben? Wenn ja, unter welchen Bedingungen kann das geschehen? Wenn nein, nach welchem Verfahren dürfen Jugendliche, bei denen Intergeschlechtlichkeit nicht bei der Geburt erkannt worden ist, ihren Geschlechtseintrag korrigieren? Wenn nein, wie kann der Geburtseintrag von intergeschlechtlichen Menschen , die vor dem 1. November 2013 geboren wurden, berichtigt werden? § 22 Absatz 3 PStG erfasst nicht ausschließlich den Fall, dass bei einem Neugeborenen für eine Übergangszeit eine Geschlechterzuordnung nicht möglich ist. Auch ältere Kinder und Erwachsene haben aufgrund dieser Vorschrift die Möglichkeit , den Geschlechtseintrag im Geburtenregister offen zu lassen oder – soweit bereits eine Eintragung des Geschlechts in „weiblich“ oder „männlich“ vorgenommen wurde – diesen Eintrag nach den §§ 47 ff. PStG berichtigen zu lassen, weil er bereits seit der Geburtsbeurkundung unrichtig war. Im Berichtigungsverfahren ist in der Regel eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, aus der hervorgeht , dass das Geschlecht der betroffenen Person weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann. Der Geburtseintrag wird in diesem Fall berichtigt und ohne eine Angabe des Geschlechts fortgeführt. 4. Wenn sich schon nach der Geburt zweifelsfrei ergeben hat, dass das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann und dann durch eine „Folgebeurkundung“ (entsprechend Bundesrat 2014b, Bundestagsdrucksache 29/14, Nr. 27.8.1) als „männlich“ oder „weiblich“ eingetragen werden soll, kann dann nach Einschätzung der Bundesregierung nach der Pubertät wiederholt eine Folgebescheinigung ausgestellt werden? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 5. Bei wie vielen Kindern und an welchen Kliniken wurde nach Kenntnis der Bundesregierung in den letzten 10 Jahren an den intergeschlechtlichen Menschen eine rein kosmetische Operation an Genitalien, d. h. Eingriffe ohne zwingende bzw. vitale medizinische Indikation durchgeführt (bitte nach Jahren, Bundesländern und nach dem Alter der Kinder [bis 12 Monate, 1 bis 5 Jahre, 5 bis 10 Jahre und 10 bis 15 Jahre] aufschlüsseln)? 6. Bei wie vielen Kindern und an welchen Kliniken wurden nach Kenntnis der Bundesregierung irreversible medizinische Operationen mit ausschließlicher psychosozialer Indikation, d. h. ohne vitale oder organisch-funktionale Indikation durchgeführt? Die Fragen 5 und 6 werden wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet . Die Bundesregierung hat keine Erkenntnisse über die jeweiligen zur Operation führenden Indikationen, da diese in keinen Statistiken erfasst werden. Zwar gehen in die „Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik) – Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7310 Operationen und Prozeduren der vollstationären Patientinnen und Patienten der Krankenhäuser“, die seit 2005 jährlich vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wird, auch die von Organisationen intergeschlechtlicher Menschen als problematisch benannten Operationen ein; jedoch lassen diese Statistiken allein keine Rückschlüsse auf die Frage zu, wie häufig Operationen aufgrund einer DSD-Diagnose vorgenommen wurden. Eine Sachverhaltsklärung in Bezug auf Operationen im Kindesalter bei Intersexualität befindet sich innerhalb der IMAG (interministerielle Arbeitsgruppe zur Situation inter- und transgeschlechtlicher Menschen ) in Vorbereitung. 7. Angesicht der Tatsache, dass das Statistische Bundesamt zuletzt für 2014 nur männliche und weibliche Neugeborene kennt, wäre es nach der Meinung der Bundesregierung zielführend, diese Statistik um ein dritte Option „nicht eigetragen “ zu ergänzen? Die statistischen Ämter des Bundes und der Länder haben bereits vorgesehen, ihr Erfassungs- und Aufbereitungsprogramm um eine weitere Ausprägung zum Geschlecht des geborenen Kindes zu ergänzen. Die Fälle ohne Angabe zum Geschlecht werden somit ab dem Berichtsjahr 2016 in den Ergebnissen der Geburtenstatistik nachvollzogen werden können. 8. Wie bewertet die Bundesregierung die geschlechtsverändernden, -zuweisenden bzw. -anpassenden Operationen an Genitalien bei neugeborenen intergeschlechtlichen Kindern im Lichte a) der strafrechtlich relevanten Körperverletzung, b) des strafrechtlichen Genitalverstümmelungsverbots, Für die Aufklärung und Verfolgung von Straftaten sind grundsätzlich die Justizbehörden (Staatsanwaltschaften, Polizeidienststellen) und Gerichte der einzelnen Länder zuständig. Dazu gehört auch die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten die Voraussetzungen eines Straftatbestandes erfüllt. Die Gerichte sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Gegenüber den Staatsanwaltschaften der Länder stehen der Bundesregierung keine Aufsichts- und Weisungsbefugnisse zu. Die Einflussnahme auf ein etwaiges Strafverfahren ist der Bundesregierung von Verfassung wegen untersagt. Aus diesem Grund verbietet sich auch die rechtliche Bewertung von Einzelfällen sowie von Vorgängen, die Gegenstand eines Ermittlungsverfahrens sein könnten und waren – gleiches gilt für juristische Einschätzungen ohne Kenntnis der Umstände des konkreten Einzelfalles. c) des Sterilisationsverbots und Eingriffe in das Elternrecht werden vom Gesetz mit Rücksicht auf Art. 6 Absatz 2 GG an strenge Voraussetzungen geknüpft. Nur in wenigen Ausnahmefällen wird den Eltern ihre primäre Entscheidungskompetenz über ihr Kind von vornherein gesetzlich aberkannt: Eltern können nach § 1631c Satz 1 BGB in eine Sterilisation des Kindes nicht einwilligen. Erforderlichkeit und Auswirkungen einer Sterilisation während der Minderjährigkeit des Kindes sind besonders schwer einzuschätzen, da der Eingriff irreversible Folgen hat und damit den späteren Volljährigen Entscheidungsmöglichkeiten nimmt. Nach geltender Rechtslage ist die Sterilisation Minderjähriger daher völlig ausgeschlossen. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/7310 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Frage, ob und welche Operationen an intersexuellen Kindern unter das Sterilisationsverbot fallen, wird in Literatur und Wissenschaft bisher allerdings nur zurückhaltend thematisiert. So sollen dem Sterilisationsverbot des § 1631c solche Eingriffe nicht unterfallen, die zwar sterilisierende Wirkung haben, bei denen die Sterilisation jedoch lediglich sekundäre Folge einer Heilbehandlung ist (Palandt/Götz, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Auflage 2015, § 1631c BGB Rn. 1; Staudinger/Salgo, BGB, Neubearbeitung 2015, § 1631c Rn. 7 m. w. N.). Die schwierige Abgrenzung zwischen geschlechtsverändernden Behandlungen an intersexuellen Minderjährigen, die als unzulässige Sterilisation zu werten sind, und solchen, die eine zulässige Heilbehandlung darstellen, ist bisher nicht abschließend geklärt (vgl. Brachthäuser/Richarz, KritV 2014, 292 ff.; Rothärmel, MedR 2006, 274 ff.). d) der im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) formulierten Grenzen der elterlichen Sorge? Die Eltern haben gem. § 1626 Absatz 1 BGB die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen. Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge ). Pflege und Erziehung der Kinder sind grundrechtlich geschützt, sie stellen das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht dar (Artikel 6 Absatz 2 GG). Es ist also in erster Linie die Aufgabe der Eltern, für das Wohlergehen und den Schutz ihrer Kinder zu sorgen. Bestandteil der Personensorge ist es auch, Entscheidungen in Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge z. B. über ärztliche Behandlungen wie Medikamentengabe oder operative Eingriffe zu treffen. Hierbei berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln (§ 1626 Absatz 2 BGB). Außer bei solchen Entscheidungen, die von der elterlichen Sorge ausgenommen sind (vgl. § 1631c BGB, s. oben), macht der Gesetzgeber den Eltern für die konkrete Ausübung der elterlichen Sorge in Gesundheitsfragen keine Vorgaben. Vielmehr üben Eltern bis zur Grenze einer Gefährdung des Kindeswohles ihr Sorgerecht zum Wohl ihres Kindes selbständig und unabhängig aus. Zu der Frage, ob und ggf. welche Einschränkungen der elterlichen Sorge bei Entscheidungen über Operationen an nicht einwilligungsfähigen intersexuellen Kindern erforderlich und geboten sind, ist die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. 9. Darf ein intergeschlechtlicher Mensch, dessen Personenstandsfall ohne eine Geschlechtsangabe in das Geburtenregister gemäß § 22 Absatz 3 PStG eingetragen wurde, nach Einschätzung der Bundesregierung a) eine verschiedengeschlechtliche Ehe mit einem Mann eingehen, b) eine verschiedengeschlechtliche Ehe mit einer Frau eingehen, c) eine Ehe mit einer anderen intergeschlechtlichen Person eingehen, d) eine verschiedengeschlechtliche eingetragene Lebenspartnerschaft mit einem Mann begründen, Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/7310 e) eine verschiedengeschlechtliche eingetragene Lebenspartnerschaft mit einer Frau begründen, f) eine eingetragene Lebenspartnerschaft mit einer anderen intergeschlechtlichen Person begründen? Nach geltendem Recht kann eine Ehe nur zwischen Frau und Mann und eine Lebenspartnerschaft nur zwischen zwei Personen gleichen Geschlechts begründet werden. Der Deutsche Ethikrat schlägt in seiner Stellungnahme „Intersexualität“ vom 14. Februar 2012 – BT-Drs. 17/9088 S. 59 unter 9.2.3. – mit überwiegender Mehrheit vor, Menschen mit dem Geschlechtseintrag „anderes“ die eingetragene Lebenspartnerschaft zu ermöglichen. Ein Teil des Ethikrates schlägt vor, ihnen darüber hinaus auch die Möglichkeit der Eheschließung zu eröffnen. Entsprechendes dürfte für Personen ohne Geschlechtseintrag gelten. 10. Wie sollen Menschen, deren Personenstandsfall ohne eine Geschlechtsangabe in das Geburtenregister gemäß § 22 Absatz 3 PStG eingetragen wurde, nach Meinung der Bundesregierung in den Bildungseinrichtungen (Kitas, Schulen, z. B. bei getrenntem Sportunterricht, Hochschulen) behandelt werden ? Der Umgang mit Menschen, deren Personenstandsfall ohne eine Geschlechtsangabe in das Geburtenregister gem. § 22 Absatz 3 PStG eingetragen wurde, in Kinderbetreuungseinrichtungen , Schulen und Hochschulen fällt in die Zuständigkeit der Länder bzw. der jeweiligen Hochschule. 11. Wie sollen Menschen, deren Personenstandsfall ohne eine Geschlechtsangabe in das Geburtenregister gemäß § 22 Absatz 3 PStG eingetragen wurde, nach Meinung der Bundesregierung bei der Bundeswehr behandelt werden? Eine Bevorzugung oder Benachteiligung wegen des Geschlechts ist entsprechend den einschlägigen rechtlichen Vorgaben für alle Statusgruppen (Beamtinnen und Beamte, Soldatinnen und Soldaten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Auszubildende) unstatthaft. Das formaljuristische Geschlecht von Menschen in der Bundeswehr bzw. von sich bewerbenden Personen ist kein zu prüfendes Eignungskriterium bei Personalentscheidungen aller Art. Im Vordergrund steht die individuelle Eignung, Befähigung und Leistung. 12. Nach welchen Verfahren und unter welchen Voraussetzungen dürfen nach Kenntnis der Bundesregierung intergeschlechtliche Menschen, deren Personenstandsfall ohne eine Geschlechtsangabe in das Geburtenregister gemäß § 22 Absatz 3 PStG eingetragen wurde, ihr intergeschlechtliches Geschlecht in das Geburtenregister eintragen lassen? Nach derzeitigem Recht besteht nicht die Möglichkeit, neben den Angaben „weiblich“ oder „männlich“ weitere Bezeichnungen des Geschlechts einer Person in die Personenstandsregister einzutragen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/7310 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 13. Sind der Bundesregierung die Fälle bekannt, in denen intergeschlechtliche Menschen nicht die medizinische Versorgung erhalten, die sie benötigen und wünschen, da der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ihre biologischen Besonderheiten nicht abdeckt? Der Bundesregierung sind keine derartigen Fälle bekannt. Der Leistungsrahmen der GKV zur Krankenbehandlung ist umfassend in § 27 SGB V formuliert. Die Leistungen sind dabei unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 SGB V zu erbringen – sie müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. 14. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt, dass intergeschlechtliche Menschen, unabhängig davon, ob sie dem Geschlecht „männlich “ oder „weiblich“ zugeordnet wurden oder ohne Geschlechtsangabe gem. § 22 Absatz 3 PStG leben, die erforderlichen medizinischen Leistungen erhalten ? Auf die Antwort zu Frage 13 wird verwiesen. Die gesundheitliche Versorgung hat entsprechend dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft zu erfolgen . Es ist Aufgabe der medizinischen Fachgesellschaften, diesen Stand beispielsweise in Leitlinien festzulegen. 15. Wie sollen nach Meinung der Bundesregierung Menschen, deren Personenstandsfall ohne eine Geschlechtsangabe in das Geburtenregister gemäß § 22 Absatz 3 PStG eingetragen wurde, im Rahmen des Leistungskataloges der GKV behandelt werden, wenn sie Untersuchungen benötigen, die nur für Männer oder Frauen vorgesehen sind? Grundsätzlich ist die Fachärztin oder der Facharzt berufsrechtlich verpflichtet, die Tätigkeit auf das Fachgebiet zu beschränken, für das sie oder er zugelassen ist. Dies ergibt sich aus den Heilberufs- und Kammergesetzen der Länder. Die Ärztin oder der Arzt können daher in der Regel fachgebietsfremde Leistungen nicht abrechnen , es sei denn, der einheitliche Bewertungsmaßstab für ärztliche Leistungen (EBM) sieht ausnahmsweise eine Abrechnungsmöglichkeit vor oder eine solche ergibt sich als zwingende Annex-Leistung (vgl. SG Stuttgart S 4 KA 4572/12). Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 14 verwiesen. 16. Wie wird nach Kenntnis der Bundesregierung sichergestellt, dass intergeschlechtliche Menschen, die einem Geschlecht zugeordnet wurden, eine medizinische Leistung/Versorgung erhalten, die für das andere Geschlecht vorgesehen ist, wenn diese auf Grund ihrer körperlichen Merkmale notwendig sind (z. B. Prostatauntersuchungen bei XY-Frauen)? Die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für gesetzlich Versicherte liegt in der Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Aus dem Sicherstellungsauftrag ergibt sich zwar kein Anspruch auf Versorgung durch einen bestimmten Facharzt, wie z. B. einen Urologen oder Gynäkologen. Die KV muss aber die fachärztliche Behandlung des gesetzlich Versicherten gewährleisten . Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/7310 17. Kann nach Kenntnis der Bundesregierung ein personenstandsrechtlicher Mann zum Frauenarzt gehen, wenn er intergeschlechtlich ist? Kann der Arzt die Behandlung ablehnen? Wie wird sichergestellt, dass der Mensch einen Facharzt findet, der sich mit Gynäkologie auskennt und gleichzeitig bereit ist, einen Mann zu behandeln? Auf die Antworten zu den Fragen 16 und 18 wird verwiesen. 18. Dürfen nach Kenntnis der Bundesregierung Gynäkologen Menschen mit offenem Geschlecht zurückweisen? Grundsätzlich sind Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, also auch niedergelassene Gynäkologinnen und Gynäkologen, dazu verpflichtet, die Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zu übernehmen. Die Behandlung eines gesetzlich Versicherten darf nur in begründeten Einzelfällen abgelehnt werden. Möglich bzw. geboten ist die Behandlungsablehnung dann, wenn bei der Behandlung die Fachgebietsgrenzen überschritten würden. Die Behandlung von Notfallpatienten darf aber generell nicht abgelehnt werden. 19. Plant die Bundesregierung, Regelungen zur Anpassung der zivilrechtlichen und strafrechtlichen Verjährungsfristen vorzulegen, um künftigen erwachsenen Betroffenen einen wirksamen Zugang zu Gerichten zu gewährleisten und ihnen Wiedergutmachung erlittener Schäden zu ermöglichen? Die Ermittlung des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs ist Aufgabe der Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMAG) Intersexualität/Transsexualität. Ein Arbeitstreffen wird im Jahr 2016 stattfinden. 20. Welche Ergebnisse hat nach Kenntnis der Bundesregierung die im Koalitionsvertrag zwischen der CDU, CSU und SPD vereinbarte Evaluation der „zwischenzeitlich erfolgten personenstandsrechtlichen Änderungen zugunsten intersexueller Menschen“ bisher gebracht? 21. Wann plant die Bundesregierung, den vom Bundesrat in seinem Entschließungsantrag vom 14. März 2014 erbetenen Gesetzentwurf unter Berücksichtigung der Empfehlungen des Deutschen Ethikrates, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sowie der betroffenen Menschen dem Deutschen Bundestag vorzulegen? Die Fragen 20 und 21 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam erarbeitet . Das Deutsche Institut für Menschenrechte erarbeitet von Juni 2015 bis September 2016 im Auftrag des BMFSFJ ein Gutachten „Geschlecht im Recht: Status Quo & Entwicklung von Regelungsmodellen zur Anerkennung und zum Schutz von Geschlechtsidentität“. Das Gutachten wird sich eingehend mit den bestehenden Regelungen, in denen das deutsche Rechtssystem an das Merkmal Geschlecht anknüpft , auseinandersetzen und zudem konkrete Vorschläge zur Entwicklung von Regelungsmodellen zur Anerkennung und zum Schutz von Geschlechtsidentität unterbreiten. Diese Vorschläge werden der IMAG „Inter-/Transsexualität“ als Grundlage für die Diskussion und Befassung mit personenstandsrechtlichem Änderungsbedarf zum Schutz der Geschlechtsidentität sowohl von Menschen mit Varianten der körperlichen Geschlechtsentwicklung als auch von transsexuellen Menschen dienen. Vom Gutachtenauftrag umfasst ist auch die Evaluierung der Änderungen des § 22 Absatz 3 Personenstandsgesetz sowie das Aufzeigen notwendiger Folgerechtsänderungen. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/7310 – 10 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 22. Wie ist das Ergebnis der von den Berichterstatterinnen und Berichterstattern zum Thema Intergeschlechtlichkeit der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erbetenen Prüfung der konkreten Möglichkeiten der Stärkung von Beratungs-, Aufklärungs- und Präventionsangeboten für intergeschlechtliche Menschen und deren Eltern? Das BMFSFJ hat in Anerkennung des unzureichenden Beratungs- und Unterstützungsangebots und der vielfältigen Bedarfe der heterogenen Zielgruppe intergeschlechtlicher Menschen und ihrer Angehörigen im Juni 2015 zunächst das Institut für Sexualforschung & Forensische Psychiatrie am Zentrum für Psychosoziale Medizin des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf mit der Durchführung einer Kurzbefragung zur Ermittlung des Bestands und Bedarfs an Beratungs-, Aufklärungs- und Präventionsangeboten für intergeschlechtliche Menschen und ihre Familien beauftragt. Befragt wurden in erster Linie intergeschlechtliche Menschen sowie ihre Eltern und Organisationen, aber auch Peerberatungsstellen sowie Menschen verschiedener Professionen, die intersexuelle Personen bzw. ihre Angehörigen begleiten, behandeln und beraten. Die Befragungsergebnisse wurden am 4. November 2015 im BMFSFJ während eines Fachaustauschs „Beratung und Unterstützung für intersexuelle Menschen und ihre Familien“ vorgestellt. Organisationen intergeschlechtlicher Menschen bzw. ihrer Eltern, Peerberatungsstellen, Länderministerien sowie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie Abgeordnete des Deutschen Bundestages waren eingeladen, die Umsetzung der Ergebnisse zu diskutieren. Da der Bund in der Regel keine lokalen Beratungsangebote aufbauen bzw. fördern kann, prüft das BMFSFJ derzeit, ob – vorbehaltlich von Haushaltsmitteln – digitale Beratungs-, Informations- und Vernetzungsangebote für intergeschlechtliche Menschen und ihre Familien sinnvoll wären. Die Inter* und Trans*-Beratungsstelle Queer Leben hat mit Fördermitteln des BMFSFJ den Eltern-Flyer „Weiblich? Männlich? – Mein intergeschlechtliches Kind“ entwickelt. Der Flyer unterstützt werdende Eltern und Angehörige darin, ihr intergeschlechtliches Kind als solches anzunehmen und Entscheidungen über medizinische Maßnahmen erst dann zu treffen, wenn das Kind in die Entscheidung einbezogen werden kann. Er ist seit dem 10. Dezember 2015 kostenlos u. a. auch über das Publikationsverzeichnis des BMFSFJ erhältlich, wird insbesondere von den Fachverbänden der Schwangerschafts- und Familienberatung stark nachgefragt und trägt dergestalt dazu bei, die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Menschen mit angeborenen Varianten der Geschlechtsmerkmale zu verbreitern . Voraussichtlich im Februar 2016 wird der Leitfaden „Psychosoziale Beratung von trans- und intergeschlechtlichen Menschen und ihren Angehörigen. Leitfaden für Berater_innen in der Schwangerschafts-, Sexual-, Partnerschafts- und Familienberatungsstellen “ des pro familia Bundesverbandes erscheinen, der ebenfalls aus Mitteln des BMFSFJ gefördert wird. 23. Wie ist das Ergebnis der von den Berichterstatterinnen und Berichterstattern zum Thema Intergeschlechtlichkeit der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erbetenen Prüfung der Möglichkeiten der Kostenübernahme von erforderlicher Hormonersatztherapie bzw. psychotherapeutischer Unterstützung für intergeschlechtliche Menschen? Der Leistungsrahmen der GKV zur Krankenbehandlung ist umfassend in § 27 SGB V formuliert. Grundsätzlich gehört hierzu z. B. die angesprochene Hormon- Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 11 – Drucksache 18/7310 behandlung. Die Leistungen sind dabei unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 SGB V zu erbringen – sie müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. 24. Wie ist das Ergebnis der von den Berichterstatterinnen und Berichterstattern zum Thema Intergeschlechtlichkeit der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erbetenen Prüfung der gesetzlichen Regelungsmöglichkeiten für ein Verbot von geschlechtszuweisenden und -anpassenden Operationen an minderjährigen intergeschlechtlichen Personen ohne deren ausdrückliche Einwilligung? Es wird auf die Antwort zu Frage 8d verwiesen. 25. Wann plant die Bundesregierung, die von den Berichterstatterinnen und Berichterstattern zum Thema Intergeschlechtlichkeit der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erbetene Stellungnahme zu ungeklärten Folgewirkungen und der praktischen Umsetzung der Neuregelung des Personenstandsgesetzes vorzulegen? Auf die Antwort zu Frage 21 wird verwiesen. 26. Wie ist das Ergebnis der von den Berichterstatterinnen und Berichterstattern zum Thema Intergeschlechtlichkeit der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erbetenen Prüfung der Möglichkeiten eines „unbürokratischen“ Wechsels des Personenstandes auch für intergeschlechtliche Kinder, die vor dem 1. Januar 2013 geboren wurden bzw. für intergeschlechtliche Erwachsene? Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen. 27. Welche von den 18 Empfehlungen des Deutschen Ethikrates zur medizinischen Behandlungen von intergeschlechtlichen Menschen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang umgesetzt? Die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates wurde an die im Gesundheitswesen angesprochenen und verantwortlichen Akteure zur Beachtung verschickt, damit auch diese Umsetzungsmaßnahmen einleiten. Für gesundheitsbezogene Selbsthilfegruppen, Selbsthilfeorganisationen und Selbsthilfekontaktstellen besteht sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene die Möglichkeit einer Förderung nach § 20 h SGB V, von der bereits vereinzelt Eltern- und Patienteninitiativen intersexueller Menschen Gebrauch machen. Dies entspricht der 17. Empfehlung des Deutschen Ethikrates. Darüber hinaus ist die Beratung der IMAG „Intersexualität-/Transsexualität“ zum Themenkomplex „Medizinische Behandlung, Diagnostik und Versorgung bei intergeschlechtlichen Menschen“, an deren Ende die Entscheidung über konkrete Maßnahmen stehen wird, noch nicht abgeschlossen. 28. Welche von den vier Empfehlungen des Deutschen Ethikrates zum Personenstandsrecht in Bezug auf intergeschlechtliche Menschen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung bislang umgesetzt? Der Gesetzgeber ist der Anregung des Deutschen Ethikrates gefolgt, keine Eintragung des Geschlechts vorzusehen, wenn dieses nicht festgestellt werden kann. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/7310 – 12 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Es gehört zum Auftrag des in der Antwort zu Frage 21 näher bezeichneten Rechtsgutachtens , konkrete Umsetzungsvorschläge zu erarbeiten. Hierzu wird die IMAG nach Vorlage des Gutachtens ab Oktober 2016 beraten. 29. Plant die Bundesregierung, und wenn ja, wann, den Beschluss der 24. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder vom 1./2. Oktober 2014 in Wiesbaden (TOP 8.1 „Rechte intersexueller Menschen wahren und Diskriminierung beenden – insbesondere Schutz der körperlichen Unversehrtheit“) umzusetzen ? Im Vordergrund des Beschlusses steht die Forderung, die Voraussetzungen für geschlechtszuweisende oder verdeutlichende Operationen sowie medizinische Behandlung bei Minderjährigen gesetzlich zu regeln. Auf die Antwort zu Frage 8d wird verwiesen. 30. Erfolgt nach Kenntnis der Bundesregierung gemäß der Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 30. Januar 2015 (www.bundesaerztekammer.de/ ueber-uns/landesaerztekammern/aktuelle-pressemitteilungen/news-detail/ baek-veroeffentlicht-stellungnahme/) die dort geforderte qualitative Forschung ? Die Bundesärztekammer stellt in ihrer Stellungnahme generellen Forschungsbedarf in Bezug auf die Versorgungssituation von Menschen mit „Disorders of Sex Development“ (DSD) fest. Der im Zusammenhang mit DSD genannte Nationale Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen sieht vielfältige Maßnahmenvorschläge zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Menschen mit Seltenen Erkrankungen vor. Fragen der medizinischen Versorgung von DSD sind dem Bereich der Seltenen Erkrankungen zuzuordnen, so dass von Intersexualität Betroffene auch vom Nationalen Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen profitieren werden. Der Aktionsplan soll evaluiert werden, wird dabei jedoch keine Aussagen zu einzelnen Seltenen Erkrankungen zulassen. 31. Wird die Bundesregierung Gelder für Projektförderung zur Verbesserung der Beratungsstruktur für intergeschlechtliche Menschen, wie beim Fachgespräch des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu Beratungs- und Unterstützungsbedarf für intergeschlechtliche Menschen und ihre Angehörigen vom 4. November 2015 gefordert, bereitstellen? Was ist an weiteren Unterstützungsmaßnahmen geplant? Es wird auf die Antwort zu Frage 22 verwiesen. 32. Welche der Empfehlungen der unabhängigen Kommission der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/ Downloads/DE/publikationen/Handlungsempfehlungen_Kommission_ Geschlecht.html;jsessionid=1A0C297C911C6965728319A5E18DE8DC.2 _cid322?nn=6575434) wird die Bundesregierung wann umsetzen? Der angesprochene Bericht „Gleiche Rechte – gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts“ wurde am 10. Dezember 2015 veröffentlicht. Die gebotene gründliche Befassung mit den Empfehlungen konnte daher noch nicht erfolgen. Was die Eigenkündigung von Betroffenen angeht, liegt nach den Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Sperrzeitregelung (§ 159 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch – SGB III) ein wichtiger Grund für die Lösung eines Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 13 – Drucksache 18/7310 Beschäftigungsverhältnisses vor, wenn dieses wegen eines „erheblichen psychischen Drucks, Mobbing oder sexueller Belästigung“ aufgegeben wurde. Voraussetzung ist, dass die oder der Arbeitslose zuvor erfolglos einen zumutbaren Versuch unternommen hat, den Grund zu beseitigen, oder dass ein solcher Versuch absehbar aussichtslos gewesen wäre. Liegt danach ein wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe vor, tritt eine Sperrzeit nicht ein. Berufsausbildungsbeihilfe wird für die Dauer der Berufsausbildung gezahlt. Wenn diese abgebrochen wird, ist die geförderte Person grundsätzlich nicht verpflichtet , die Förderung für die Zeit zurückzuzahlen, in der sie sich in Berufsausbildung befand. Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen haben grundsätzlich die Möglichkeit, sich in Konfliktsituationen an den Werkstattrat zu wenden. Das geplante Bundesteilhabegesetz sieht vor, dass Werkstätten für behinderte Menschen künftig darüber hinaus auch Frauenbeauftragte haben sollen. Diese können bei sexueller Belästigung ins Vertrauen gezogen werden und die Betroffenen dabei unterstützen, dass die Belästigung oder Diskriminierung wirksam beendet wird. Die Entscheidung über den möglichen Wechsel in eine andere Werkstatt liegt im Ermessen des Kostenträgers. 33. Weiß die Bundesregierung, aus welchen Gründen sich die Beschlussfassung im Rahmen des Beratungsprozesses der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) im Hinblick auf AWMF-Leitlinien zu Disorders of Sex Development (DSD) seit über einem Jahr verzögert? Die Erstellung von medizinischen Leitlinien fällt in den Verantwortungsbereich der medizinischen Fachgesellschaften. Leitlinien sind systematisch entwickelte, wissenschaftlich begründete und praxisorientierte Entscheidungshilfen für die angemessene ärztliche Vorgehensweise bei speziellen gesundheitlichen Problemen. Leitlinien stellen den nach einem definierten, transparent gemachten Vorgehen erzielten Konsens mehrerer Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen und Arbeitsgruppen – multidisziplinär und möglichst unter Einbeziehung von Patienten – zu bestimmten ärztlichen Vorgehensweisen dar. Gerade dieser Konsensfindungsprozess kann gelegentlich langwierig sein. 34. Welche Themen wurden in der interministeriellen Arbeitsgruppe „Intersexualität /Transsexualität“ nach Kenntnis der Bundesregierung besprochen? Wann ist mit einem Bericht zu rechnen? Welche Ressorts übernehmen welche Aufgaben in diesem Prozess? Während der konstituierenden Sitzung der IMAG „Inter-/Transsexualität“ am 8. September 2014 wurden von den Mitgliedern der IMAG, das sind – neben dem BMFSFJ – die Leitungen der zuständigen Fachreferate des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundesministeriums des Innern sowie des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, die Gegenstandsfelder der IMAG wie folgt festgelegt: • Medizinische Behandlung – Menschen mit Geschlechtsvarianz • Ausbau und Stärkung von Beratungs-, Aufklärungs- und Präventionsstrukturen • Prüfung erforderlicher Gesetzesänderungen • Analyse der faktischen und rechtlichen Situation transsexueller Menschen. Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Drucksache 18/7310 – 14 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Während der 2. Sitzung am 8. Dezember 2014 hat der Sprecher der Arbeitsgruppe „Intersexualität“ des Deutschen Ethikrates von den dort gewonnen Erkenntnissen berichtet. In der 3. IMAG Sitzung am 17. Februar 2015 wurden Sachverständige zur medizinischen Diagnostik, Behandlung und Versorgung bei intergeschlechtlichen Menschen angehört. Die IMAG wird begleitet durch Fachgespräche, die das BMFSFJ organisiert und ein eigens hierfür eingerichtetes Dialogforum: Vertretungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, aus den Bundeländern, der relevanten Wissenschaften sowie von NGO werden jeweils eingeladen, ihre Expertise zu bestimmten Fragestellungen in die Diskussionsprozesse der IMAG einzubringen. Den Auftakt zu den Fachgesprächen bildete der Fachaustausch „Beratung und Unterstützung für intersexuelle Menschen“, der am 4. November 2015 im BMFSFJ stattgefunden hat. Für 2016 sind nach dem gleichen Konzept mehrere Fachgespräche zur Situation und den Unterstützungsbedarfen transsexueller Menschen geplant. Es ist beabsichtigt, den Abschlussbericht zur IMAG im ersten Halbjahr 2017 vorzulegen . Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Vo ra bf as su ng - w ird d ur ch d ie le kt or ie rte V er si on e rs et zt . Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333