Deutscher Bundestag Drucksache 18/733 18. Wahlperiode 05.03.2014 Die Antwort wurde namens des Bundeskanzleramtes vom 28. Februar 2014 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jan Korte, Halina Wawzyniak, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/553 – Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes im Zeitraum 2002 bis 2012 Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Mit der Novellierung des G 10-Gesetzes vom 26. Juni 2001 – also noch vor den für weitere Überwachungsausweitungen folgenreichen Ereignissen vom 11. September 2001 – wurden durch den Gesetzgeber einerseits Vorgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1999 (1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 1 BvR 2437/95) umgesetzt, andererseits Erweiterungen hinzugefügt, die über den Regelungsauftrag des Gerichts hinausgingen. Hierzu zählte die Ausweitung der Überwachungsverfügbarkeit für die von und nach Deutschland geführte internationale Telekommunikation auf 20 Prozent der zur Verfügung stehenden Übertragungskapazität. Zwar hieß es in der Begründung zur Neufassung des G 10-Gesetzes seinerzeit, es sei „nicht beabsichtigt, den Umfang der bisherigen Kontrolldichte zu erweitern “ (Bundestagsdrucksache 14/5655, S. 17). Doch geböte es – wie dort im weiteren erläutert wird – die neuartige Technologie der Paketvermittlung (Packet Switching) zugleich, die Obergrenze in der Erfassungskapazität auf 20 Prozent heraufzusetzen. Als Beleg dazu diente das Beispiel eines Telefaxes, dessen Anfang über einen Lichtwellenleiter, dessen Mittelteil über Satellit und dessen Ende über Koaxialkabel geroutet werde. Da die Pakete erst kurz vor ihrem Ziel – „etwa an der letzten Vermittlungsstelle vor dem Empfänger“ – wieder zusammengesetzt würden, wäre die strategische Fernmeldekontrolle ohne das Aufspüren der einzelnen Pakete auf den unterschiedlichen Übertragungswegen „sinnlos und unverwertbar“ (ebd.). Mit dieser Darstellung war nicht nur ein Bild der Leitwegebestimmung und Paketvermittlung gezeichnet, das der bestehenden physikalischen Netzwerkarchitektur nicht entsprach. Hinter dem Kabelverzweiger oder dem Hauptverteiler der Vermittlungsstelle begann und beginnt kein dezentralisiertes Kommunikationsnetz ohne Hierarchien, in dem die Leitwegeberechnung vollständig ungebündelt, hierarchisch unstrukturiert und technisch wie ökonomisch ineffizient erfolgt (Rainer Fischbach „Internet: Zensur, technische Kontrolle, Verwertungsinteressen“ in Bisky/Kriese/Scheele (Hrsg.) „Medien – Macht – Demokratie“, Berlin 2009, S. 116f). Auch wurde unterschlagen, dass ein Ab- Drucksache 18/733 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode greifen aller Pakete an der richtigen Stelle, etwa dem Kern- oder Backbonenetz bzw. den Internetaustauschknoten (CIX), möglich ist. Ferner wurden nach Auffassung der Fragesteller den 10 Prozent aus der geheimdienstlichen Praxis in der Überwachung der zuvor allein nicht leitungsgebundenen Kommunikation (Richtfunk und Satellit) weitere 10 Prozent – sozusagen additiv für die leitungsgebundene Kommunikation (Glasfaser- und Koaxialkabel) – aufgeschlagen und rechtlich auf 20 Prozent der gesamten elektronischen Kommunikation ausgedehnt. Neben dieser, den Bedingungen des G 10-Gesetzes unterworfenen, strategischen Rasterfahndung der Telekommunikation betreibt der Bundesnachrichtendienst (BND) auch eine Überwachung jenes Teils der Telekommunikation, die im sogenannten offenen Himmel stattfindet (Dr. Bertold Huber „Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes – Eingriffsbefugnisse und Regelungsdefizite“, NJW 2013, S. 2573). Hierbei handelt es sich um Telekommunikationsverkehre , die ihren Ausgangs- und Zielpunkt in zwei ausländischen Staaten oder innerhalb eines ausländischen Staates haben. Eine effektive Kontrolle dieser, sich auf das BND-Gesetz berufenden, strategischen Rasterfahndung findet, wie sich zuletzt im Falle von 500 Millionen Metadaten zeigte, die laut Presseberichten allein im Dezember 2012 an die National Security Agency (NSA) weitergegeben wurden und nach der Erklärung des früheren Chefs des Bundeskanzleramtes und Bundesministers für besondere Aufgaben, Ronald Pofalla, vom 19. August 2013 der Auslandsaufklärung des BND in Bad Aibling und in Afghanistan entstammen sollen, nicht statt. Zudem steht seit den Snowden-Enthüllungen der Verdacht im Raum, dass die westlichen Geheimdienste untereinander einen Tauschring betreiben. Der aktive Zugriff auf Informationen aus Inlandskommunikation ist ihnen gewöhnlich durch die bestehenden Rechtsgrundlagen versperrt. Will ein Dienst, aus welchen Gründen auch immer, dennoch Zugriff auf solche Informationen, muss er im Gegenzug Informationen aus Auslandskommunikation zum Tausch anbieten. Eine Art des Ringtauschs versorgt dann jeden Dienst mit den benötigten Inlandsinformationen, die er eigenständig nicht gewinnen darf. Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Dem Bundesnachrichtendienst (BND) ist das technische Mittel der „Strategischen Fernmeldeaufklärung“ gesetzlich zugewiesen. Die strategische Fernmeldeaufklärung dient der Gewinnung auftragsrelevanter Informationen durch die Aufklärung internationaler Telekommunikationsverkehre. Dieses ist mit dem polizeilichen Instrument der „Rasterfahndung“ wesensmäßig nicht vergleichbar. Eine polizeiliche Rasterfahndung ist ein maschinell-automatisierter Datenabgleich anhand bereits vorliegender Daten. Insofern ist die seitens der Fragesteller vorgenommene sprachliche Verknüpfung („Die strategische Rasterfahndung des Bundesnachrichtendienstes im Zeitraum 2002 bis 2012“) sachlich unzutreffend . 1. Wie viele Telekommunikationsverkehre fallen nach Kenntnis der Bundesregierung gegenwärtig weltweit an, wie viele davon werden von und nach Deutschland geführt, und wie viele sind rein innerdeutsche Verkehre? Hinsichtlich der weltweit anfallenden Telekommunikationsverkehre liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Nur ein Rückgriff auf externe Quellen könnte zur Ermittlung dieser Daten führen. Im Einzelnen kann lediglich ausgeführt werden: Für das Jahr 2012 resultiert aus einer von der Bundesnetzagentur vorgenommenen Auswertung der Statistischen Datenbank der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) ein weltweites Gesprächsaufkommen von etwa 10 Billionen Minuten . Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/733 Bei einer rein nationalen Betrachtung ist festzustellen, dass nach Erhebungen der Bundesnetzagentur rund 17 Milliarden aus Deutschland abgehende Festund Mobilfunkminuten auf Verbindungen in ausländische Fest- und Mobilfunknetze im Jahr 2012 entfielen. Auf rein innerdeutsche Gespräche (Verbindungen in nationale Fest- und Mobilfunknetze) entfielen danach im Jahr 2012 insgesamt ca. 264 Milliarden Minuten. Die Bundesregierung verfügt hinsichtlich der Verkehre, welche aus dem Ausland nach Deutschland geführt werden, über keine spezifischen Erkenntnisse. Näherungsweise kann nach Auskunft der Bundesnetzagentur davon ausgegangen werden, dass diese Verkehre in etwa den gesamten abgehenden Gesprächsminuten in ausländische Netze (ca. 17 Milliarden Minuten) entsprechen. Für den Datenverkehr liegen keine tief gegliederten Informationen bei der Bundesnetzagentur vor. Laut Bundesnetzagentur belief sich der Datenverkehr über Festnetzanschlüsse im Jahr 2012 auf insgesamt 7 Milliarden Gigabyte, das mobile Datenvolumen betrug rund 155 Millionen Gigabyte, für das Jahr 2013 geschätzt gut 230 Millionen Gigabyte. Unternehmensangaben zufolge erreichte das weltweite mobile Datenvolumen zuletzt rund 1,5 Milliarden Gigabyte/ Monat. 2. Welcher Anteil der von und nach Deutschland geführten internationalen Telekommunikationsverkehre wird nach Kenntnis der Bundesregierung heute leitungsgebunden (Glasfaser- und Koaxialkabel) und welcher nicht leitungsgebunden (Richtfunk und Satellit) übertragen? Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 ausgeführt, liegen zum grenzüberschreitenden Datenverkehr keine Erkenntnisse vor. Ausführungen sind auch hier nur in Bezug auf Gesprächsverkehre in Teilen bekannt : Nach Erhebungen der Bundesnetzagentur wurden im Jahr 2012 etwa 13,4 Milliarden Verbindungsminuten von Festnetzanschlüssen (klassisches Telefonnetz, DSL, Glasfaser und Koaxialkabel) aus in ausländische Fest- und Mobilfunknetze abgewickelt. Darüber hinaus wurden von Mobilfunktelefonen ca. 3,3 Milliarden Gesprächsminuten in ausländische Fest- und Mobilfunknetze geführt. Zu welchen Anteilen diese Gesprächsverbindungsminuten per Funk oder leitungsgebunden aus dem Ausland kommen oder ins Ausland geführt wurden, ist nicht bekannt. 3. Welcher Anteil am gesamten in Deutschland anfallenden Netzwerkverkehr entfällt nach Kenntnis der Bundesregierung aktuell jeweils auf die Protokolle und Protokollklassen E-Mail (SMTP, IMAP, POP3), Voice over IP (VoIP) und Instant Messaging (IM)? Zum Fragegegenstand liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Erneut kann hinsichtlich des Gesprächsaufkommens Folgendes ausgeführt werden : Nach Erhebungen der Bundesnetzagentur wurde im Jahr 2012 über IP-basierte Netze (VoIP) ein in Zeiteinheiten gemessenes Gesprächsvolumen von ca. 45 Milliarden Minuten geführt. Damit erreichte die VoIP-Technologie zu diesem Zeitpunkt einen Anteil von etwa 26 Prozent am Gesamtvolumen der über Festnetze geführten Gesprächsminuten. Welche Anteile – auch zum Datenverkehr – auf die übrigen Protokolle und Protokollklassen entfallen, ist der Bundesnetzagentur nicht bekannt. Drucksache 18/733 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Aus welchem Grund hat die Bundesregierung die Zahl der Telekommunikationsverkehre , die tatsächlich in die Umwandlungsgeräte bzw. Empfangsanlagen – im Folgenden einheitlich: Erfassungssysteme – des BND gelangen, im Jahr 1999 gegenüber dem Bundesverfassungsgericht (1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 1 BvR 2437/95, Rn. 89, 230) und im Jahr 2001 gegenüber dem Deutschen Bundestag (Bundestagsdrucksache 14/5655, S. 18) öffentlich gemacht, stuft jüngere, ähnlich lautende parlamentarische Auskünfte (Bundestagsdrucksache 17/9640, S. 5) darüber aber als „VS – Geheim“ ein und verweist diese in die Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages? Ob Informationen zu technischen Fähigkeiten des BND öffentlich zugänglich gemacht werden können, richtet sich nach dem Ergebnis einer an der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern (BMI) zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VSA) ausgerichteten Prüfung der jeweils fragegegenständlichen Sachverhalte. Soweit parlamentarische Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, hat die Bundesregierung zu prüfen, ob und auf welche Weise die Geheimhaltungsbedürftigkeit mit dem parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (BVerfGE 124, 161 [189]). Die im Rahmen der in der Frage genannten Bundestagsdrucksache aus dem Jahr 2012 (Bundestagsdrucksache 17/9640, S. 5) erbetenen Auskünfte betrafen konkret erzielte Ergebnisse, die mit technischen Aufklärungsmethoden erlangt werden konnten. Auf Bundestagsdrucksache 14/5655 (S. 18), hingegen werden lediglich abstrakte Fähigkeiten im Rahmen eines Gesetzentwurfs beschrieben. Die jeweils vorzunehmenden Einzelfallprüfungen haben ergeben, dass die Ausführungen im Gesetzentwurf offen erfolgen konnten, während diejenigen in der erstgenannten Bundestagsdrucksache geheimhaltungsbedürftig waren. Um dem Informationsrecht des Parlaments nachzukommen, wurden die entsprechenden Informationen als Verschlusssache eingestuft und in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt. 5. Wie viele Telekommunikationsverkehre gelangten im Zeitraum von 2002 bis 2012 täglich in die Erfassungssysteme des BND, und wie viele davon wurden auf der Grundlage der Rechtsansicht, Artikel 10 des Grundgesetzes (GG) und das G 10-Gesetz griffen nicht, der Aufgabenzuweisung des § 1 des BND-Gesetzes (BNDG) zugeordnet (bitte nach Jahr und jeweiliger Anzahl aufschlüsseln)? Eine statistische Erfassung im Sinne der Fragestellung findet nicht statt. Sie ist gesetzlich nicht vorgesehen. In Ermangelung einer entsprechenden statistischen Erfassung kann daher keine Auskunft über die von Systemen des BND täglich erfassten Datensätze im angefragten Zeitraum gegeben werden. 6. Wie oft und in welchem Umfang hat der BND Daten aus Beschränkungen in Einzelfällen (§ 3 G 10-Gesetz) im Zeitraum von 2002 bis 2012 an mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betraute ausländische öffentliche Stellen übermittelt (bitte nach Jahr, Anzahl der Übermittlungen und Anzahl der übermittelten Datensätze aufschlüsseln)? Der BND hat im Zeitraum von 2002 bis 2012 keine Daten aus Beschränkungsmaßnahmen nach § 3 G 10-Gesetz an mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betraute ausländische öffentliche Stellen übermittelt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/733 7. Wie oft und in welchem Umfang hat der BND Daten aus strategischen Beschränkungen (§ 5 G 10-Gesetz) im Zeitraum 2002 bis 2012 an mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betraute ausländische öffentliche Stellen übermittelt (bitte nach Jahr, Anzahl der Übermittlungen und Anzahl der übermittelten Datensätze aufschlüsseln)? Unter den Voraussetzungen des § 7a G 10 hat der BND im Jahr 2012 insgesamt drei Übermittlungen an mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betraute ausländische öffentliche Stellen vorgenommen. In einem Fall erfolgte eine Übermittlung von Daten aus strategischen Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G 10 auf der Grundlage des § 7a G 10 an eine Stelle in vorgenanntem Sinn; übermittelt wurde ein Datensatz in Form von finished intelligence , d. h. ein Produkt der Auswertung. Darüber hinaus erfolgten unter den Voraussetzungen des § a G 10 zu einem Sachverhalt zwei weitere Übermittlungen von Daten aus Beschränkungsmaßnahmen nach § 8 G 10 an eine mit nachrichtlichen Aufgaben betraute ausländische Stelle. Insoweit wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/14560, Antwort zu Frage 85 verwiesen. 8. Wie oft und in welchem Umfang hat der BND Daten aus der Überwachung von Kommunikationen, die ihren Anfangs- und Endpunkt im Ausland haben, im Zeitraum von 2002 bis 2012 an mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betraute ausländische öffentliche Stellen übermittelt (bitte nach Jahr, Anzahl der Übermittlungen und Anzahl der übermittelten Datensätze aufschlüsseln)? Es wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 17/11296, Antwort zu Frage 1 verwiesen. Statistiken, anhand derer die erbetenen Auskünfte abgelesen werden können, existieren nicht. Hierfür besteht weder eine gesetzliche Notwendigkeit noch ein fachlicher Bedarf. Die Beantwortung der Frage ist daher nicht möglich. 9. Wie oft und in welchem Umfang haben mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betraute ausländische öffentliche Stellen Daten aus der Überwachung von Kommunikationen mit Deutschlandbezug, darunter auch innerdeutsche Verkehre, im Zeitraum von 2002 bis 2012 an den BND übermittelt (bitte nach Jahr, Anzahl der erhaltenen Übermittlungen und Anzahl der übermittelten Datensätze aufschlüsseln)? Statistiken, anhand derer die erbetenen Auskünfte abgelesen werden könnten, existieren nicht. Hierfür besteht weder eine gesetzliche Notwendigkeit noch ein fachlicher Bedarf. Die Beantwortung der Frage ist daher nicht möglich. 10. Hält es die Bundesregierung weiterhin für zeitgemäß, dass die G 10-Kommission lediglich über Übermittlungen an ausländische öffentliche Stellen aus Beschränkungen nach § 5 G des 10-Gesetzes zu unterrichten ist, nicht aber über solche aus § 3 des G 10-Gesetzes und ebenso wenig über Übermittlungen aus der Überwachung von Kommunikationen mit Deutschlandbezug , darunter auch innerdeutsche Verkehre, die der BND von ausländischen öffentlichen Stellen erhält? Wenn ja, warum? Gemäß § 15 Absatz 5 Satz 2 G 10 erstreckt sich die Kontrollbefugnis der Kommission auf die gesamte Erhebung, Verarbeitung und Nutzung sämtlicher auf der Grundlage des G 10 erhobenen personenbezogenen Daten. Die Kontrollbefug- Drucksache 18/733 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode nis schließt Beschränkungsmaßnahmen nach § 3 G 10 ein, umfasst Übermittlungen und ist unabhängig von einer dies betreffenden Unterrichtung der Kommission durch die Bundesregierung. Die spezielle Unterrichtungsregelung des § 7a Absatz 5 G 10 trägt den Besonderheiten von strategischen Beschränkungsmaßnahmen nach § 5 G 10 (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] vom 14. Juli 1999, Rn. 270: www.bverfg.de/entscheidungen/rs199907141bvr 222694.html) im Hinblick auf die besonderen Folgen von Auslandsübermittlungen Rechnung. Beschränkungen nach § 3 G 10 knüpfen dagegen von vornherein an einen individualisierten Verdacht an. Diesen abweichenden Regelungen liegen unterschiedliche Sachverhalte – und damit sachliche Gründe für eine Ungleichbehandlung – zugrunde. In der nachrichtendienstlichen Praxis werden Informationen regelmäßig ohne Angaben zu ihrer Herkunft übermittelt. Eine Unterrichtungspflicht gegenüber der Kommission zu Informationen, die ausländische Nachrichtendienste aus einer Überwachung von Telekommunikationen mit Deutschlandbezug gewonnen und im Anschluss dem BND übermittelt haben, liefe insofern ins Leere. 11. Hält die Bundesregierung die von ihr vor dem Bundesverfassungsgericht vertretene Rechtsansicht, Artikel 10 GG und das G 10-Gesetz griffen nicht bei der Überwachung der Telekommunikation im sogenannten offenen Himmel weiterhin für zeitgemäß vor dem Hintergrund, dass heute – so nach Auskunft der Bundesregierung selbst – „an beliebigen Orten der Welt Kommunikationen mit Deutschlandbezug, darunter auch innerdeutsche Verkehre, auftreten“ (Bundestagsdrucksache 17/14739, S. 14) können? Artikel 10 GG wie auch das G 10 gewähren den Schutz des Fernmeldegeheimnisses in ihrem Geltungsbereich unabhängig davon, ob Kommunikationen technisch über das Ausland geleitet werden. Das Übertragungsmedium oder der Übertragungsweg spielen hierfür keine Rolle. Kommunikationen von Grundrechtsträgern , wie auch innerdeutsche Verkehre, unterfallen dem Schutzbereich des Artikels 10 GG. 12. In wie vielen Fällen und in welcher Größenordnung wurden im Zeitraum von 2002 bis 2012 Beschränkungsmaßnahmen des BND nach § 5 des G 10-Gesetzes vor der Unterrichtung der G 10-Kommission wegen Gefahr im Verzug angeordnet (bitte nach Jahr, Anzahl und Prozentsatz an der Gesamtheit der Beantragungen aufschlüsseln)? Jahr Anzahl Prozentsatz 2002 0 0,0 % 2003 2 12,5 % 2004 1 8,3 % 2005 2 14,3 % 2006 6 35,3 % 2007 15 45,5 % 2008 14 41,2 % 2009 5 20,0 % 2010 9 26,5 % 2011 4 13,3 % 2012 5 17,2 % Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/733 13. In wie vielen Fällen und in welcher Größenordnung wurden im Zeitraum von 2002 bis 2012 Anordnungen auf Beschränkungsmaßnahmen des BND nach § 5 G 10-Gesetz von der G 10-Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erklärt (bitte nach Jahr, Anzahl und Prozentsatz an der Gesamtheit der Beantragungen aufschlüsseln)? In keinem Fall wurden im Zeitraum von 2002 bis 2012 Anordnungen auf Beschränkungsmaßnahmen des BND nach § 5 G 10-Gesetz von der G 10-Kommission für unzulässig oder nicht notwendig erachtet. 14. Welche genauen Umstände sind maßgebend dafür, dass die Bundesregierung der G 10-Kommission Anträge zu Beschränkungsmaßnahmen in Form von Tischvorlagen vorlegt, wie der vormalige Vorsitzende der G 10- Kommission Dr. Hans de With (taz.de, 2. August 2013, www.taz.de/ !121082/) berichtet? Die Ausgestaltung des Verfahrens zur Unterrichtung der G 10-Kommission richtet sich nach deren Anforderungen. 15. Nach welchen Kriterien bestimmt die Bundesregierung, in welchen zeitlichen Abständen, durch wen und in welcher Form die Mitglieder der G 10-Kommission über die technische Seite der nachrichtendienstlichen Erfassungssysteme und ihre Entwicklung in Kenntnis gesetzt werden? Es obliegt der Entscheidung der Kommission, wie sie ihre Kontrolle nach § 15 Absatz 5 G 10 ausübt. Ihre Kontrollbesuche bei den Nachrichtendiensten des Bundes und ihre Berichtsbitten an die Bundesregierung erstrecken sich auch auf technische Gesichtspunkte. Darüber hinaus berichtet die Bundesregierung von sich aus über technische Sachverhalte, zu denen sie davon ausgeht, dass sie für die Kommission von Interesse sein könnten. 16. Wie wird von unabhängiger Seite sichergestellt, dass die Integrität der informationstechnischen Erfassungssysteme des BND jederzeit gegeben ist und beispielsweise von außen nicht auf die Protokolldatei zugegriffen werden kann, das Nachladen von Programmcodes zum Ausführen nicht genehmigter Funktionen ausgeschlossen bleibt und auch keine „Hintertüren “ zu einem Zugriff auf die Erfassungssysteme bestehen? Die Erfassungssysteme des BND werden ausschließlich durch ihn selbst und nur in abgeschotteten und gesicherten Infrastrukturen bzw. Netzen betrieben. Ein unberechtigter Zugriff oder eine Manipulation durch unbefugte Dritte erfolgt daher nicht. 17. Hat die Bundesregierung im Zeitraum von 2002 bis 2012 unabhängige technische Überprüfungen der Erfassungssysteme des BND veranlasst, und wenn ja, welche Mittel wurden dafür verwendet (bitte nach Jahr, Betrag und jeweiligem Haushaltstitel, aus dem die Mittel zur Verfügung gestellt werden, aufschlüsseln)? Die Erfassungssysteme des BND zur Umsetzung strategischer Überwachungsmaßnahmen nach §§ 5 ff. G 10 wurden gemäß § 27 Absatz 3 der Verordnung über die technische und organisatorische Umsetzung von Maßnahmen der Telekommunikation (TKÜV) durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) kostenneutral zertifiziert. Drucksache 18/733 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 18. Wurden im Rahmen dieser oder anderer Überprüfungen auch Einsichtnahmen in den Quellcode der Erfassungssysteme gewährt? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht? Die Prüfschritte im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens nach § 27 Absatz 3 TKÜV sind funktionaler Natur und erfordern grundsätzlich keine Einsicht in den Quellcode der Systeme. 19. In welcher Form wird eine physikalische oder logische Trennung zwischen jenen Erfassungssystemen gewährleistet, die bezogen auf eine Kapazitätsschranke nach den Deliktbereichen aus § 5 des G 10-Gesetzes operieren, und solchen, die prozentual unbeschränkt zugreifen können – etwa in der Überwachung der internationalen Telekommunikation, die ihren Ausgangs - und Endpunkt im Ausland hat – oder auch in Beschränkungsmaßnahmen nach § 8 des G 10-Gesetzes (Gefahr für Leib oder Leben einer Person in Ausland)? Soweit parlamentarische Anfragen Umstände betreffen, die aus Gründen des Staatswohls geheimhaltungsbedürftig sind, hat die Bundesregierung zu prüfen, ob und auf welche Weise die Geheimhaltungsbedürftigkeit mit dem parlamentarischen Informationsanspruch in Einklang gebracht werden kann (BVerfGE 124, 161 [189]). Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Abwägung zu der Auffassung gelangt, dass eine Beantwortung der Frage aus Geheimhaltungsgründen nicht in dem für die Öffentlichkeit einsehbaren Teil erfolgen kann. Die Beantwortung der Frage 19 ist geheimhaltungsbedürftig, weil sie Informationen enthält, die im Zusammenhang mit Aufklärungsaktivitäten und Analysemethoden des BND stehen. Der Schutz insbesondere der technischen Aufklärungsfähigkeiten des BND im Bereich der Fernmeldeaufklärung stellt für die Aufgabenerfüllung des BND einen überragend wichtigen Grundsatz dar. Er dient der Aufrechterhaltung der Effektivität nachrichtendienstlicher Informationsbeschaffung durch den Einsatz spezifischer Fähigkeiten und damit dem Staatswohl. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten betreffend solche Fähigkeiten würde zu einer wesentlichen Schwächung der dem BND zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen. Dies würde für die Auftragserfüllung des BND erhebliche Nachteile zur Folge haben. Sie kann für die Interessen der Bundesrepublik Deutschland schädlich sein. Insofern könnte die Offenlegung entsprechender Informationen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder ihren Interessen schweren Schaden zufügen. Deshalb sind die entsprechenden Informationen als Verschlusssache gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des BMI zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) mit dem VS-Grad „Geheim“ eingestuft.* 20. Hält die Bundesregierung die Kapazitätsgrenze in Höhe von 20 Prozent weiterhin für zeitgemäß vor dem Hintergrund, dass heute sämtliche netzwerkbezogene Kommunikation digital erfolgt, mit ihr potentiell an sechs von 30 Tagen eines Monats eine vollständige Überwachung der elektronischen Kommunikation möglich ist und somit – entgegen der Erwartung des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 2226/94, 1 BvR 2420/95, 1 BvR * Das Bundeskanzleramt hat die Antwort als „VS – Geheim“ eingestuft. Die Antwort ist in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung eingesehen werden. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/733 2437/95, Rz. 223) aus dem Jahr 1999 – eine flächendeckende Erfassung jedenfalls des internationalen Fernmeldeverkehrs zu besorgen ist? Wenn ja, warum? Die in § 10 Absatz 4 Satz 4 G 10-Gesetz festgelegte 20 Prozent-Kapazitätshöchstgrenze ist eine wirksame und zeitgemäße Begrenzung der strategischen Fernmeldeaufklärung. Hierbei handelt es sich um einen Maximalwert. Für konkrete Beschränkungsmaßnahmen des BND wird jeweils ein bestimmter Kapazitätsanteil angeordnet. Der Grenzwert von maximal 20 Prozent der angeordneten Übertragungswege gilt dabei zu jedem einzelnen Zeitpunkt. Eine Überschreitung erfolgt nicht. Die strategische Fernmeldeaufklärung des BND betrifft lediglich einen geringen Anteil gefahrenbereichsspezifisch angeordneter international gebündelter Übertragungswege. 21. Gilt die Aussage der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 17/14560, S. 23), dass ein „Full take“ und eine Nutzung von XKeyscore „im Rahmen und in den Grenzen des Artikel 10-Gesetzes zulässig“ sei, auch vor dem Hintergrund, dass nach den technischen Darlegungen aus dem PRISMBericht Caspar Bowdens für das Europäische Parlament (The US surveillance programmes and their impact on EU citizensʼ fundamental rights, S. 13/14) XKeyscore die Daten drei Tage lang in einem Zwischenspeicher vorhält? Ja, denn entscheidend ist die Beachtung der rechtlichen Vorgaben beim jeweiligen Einsatz des Systems. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 22 verwiesen . 22. Wird das Überwachungssystem XKeyscore, das nach Angaben der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 17/14560, S. 21) seit dem Jahr 2007 in Bad Aibling im Einsatz ist und seit dem Jahr 2013 in zwei weiteren Außenstellen des BND getestet wird, auch im Rahmen des G 10-Gesetzes eingesetzt oder dazu erprobt? Im BND wird XKeyscore nicht im Rahmen der G 10-Erfassung eingesetzt und diesbezüglich auch nicht erprobt. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333