Deutscher Bundestag Drucksache 18/740 18. Wahlperiode 10.03.2014 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Irene Mihalic, Volker Beck (Köln), Luise Amtsberg, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/639 – Die polizeiliche Erfassung von Hasskriminalität als „Politisch motivierte Kriminalität“ (Nachfrage zu den Antworten der Bundesregierung auf die Kleinen Anfragen auf Bundestagsdrucksachen 17/14754 und 18/343) Vo r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Die Bekämpfung von Hasskriminalität ist von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung . Insbesondere die Erkennung dieser Straftaten als politisch motiviert ist für eine wirksame Verfolgung und Bekämpfung elementar. Für die Jahre 2001 bis 2012 sind immerhin rund 55 000 Straftaten gegen Menschen aufgrund ihrer Religion, Herkunft, sexuellen Identität oder Behinderung registriert. Hinzu kommen noch einmal 2 022 politisch motivierte Straftaten, die aufgrund des gesellschaftlichen Status des Tatopfers verübt wurden. Dies ergibt sich aus dem Kriminalpolizeilichen Meldedienst Politisch motivierte Kriminalität (KPMD-PMK), der seit dem Jahr 2001 als polizeiliches Arbeitsmittel geführt wird (Bundestagsdrucksache 17/14754). Hinsichtlich der Praxistauglichkeit des KPMD-PMK bestehen jedoch Zweifel. Nicht zuletzt hat der Untersuchungsausschuss zum sogenannten Nationalsozialistischen Untergrund (PUA-NSU) festgestellt, dass „die Gefahr des gewaltbereiten Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus vom polizeilichen Staatsschutz völlig falsch eingeschätzt wurde. Die polizeiliche Analyse rechtsextremistischer Gewalt war fehlerhaft, das Lagebild dadurch unzutreffend“ (Bundestagsdrucksache 17/4600, S. 861). In diesem Zusammenhang attestierte der Untersuchungsausschuss dem derzeitigen Definitionskatalog PMK „große Schwächen“ (ebd.). Als Konsequenz aus der Entdeckung der NSU-Morde erfolgt nun eine Überprüfung ungeklärter Tötungsdelikte (in den Jahren 1990 bis 2011) auf einen möglichen rechtsextremen und rassistischen Hintergrund. Die Überprüfung beDie Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 6. März 2014 übermittelt . Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. dient sich eines zwischen Bund und Ländern abgestimmten Indikatorenkatalogs . Dieser beruht wiederum auf der PMK-Definition des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes (Bundestagsdrucksache 18/343). Ein weitergefasster Indikatorenkatalog mit opfer- bzw. objektbezogenen Kriterien ist grundsätzlich zu begrüßen. Die Darstellung dieses Indikatorenkatalogs Drucksache 18/740 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ist – soweit ersichtlich – jedoch nicht nur diffamierend, sie ist geeignet, Vorurteile institutionell zu verankern. Unter dem Kriterium „sexuelle Orientierung“ werden nämlich „Homosexuelle, Transsexuelle und Sexualstraftäter“ subsumiert . Und unter dem Kriterium „gesellschaftlicher Status“ werden „Obdachlose , Drogenabhängige, Angehörige des kriminellen Milieus/mutmaßliche Straftäter und Deutsche in Ehe-/Liebesbeziehung mit Ausländern“ zusammengefasst . Im Hinblick auf eine einheitliche Erfassung und Auswertung von Hassdelikten wirft zudem die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 17/14754, S. 8) grundsätzliche Fragen zur Definition „gesellschaftlicher Status“ auf. Denn aus der Darstellung (Zeitraum 2001 bis 2012) der beiden Phänomenbereichen PMK-rechts und PMK-links ergibt sich, dass 87 Prozent der Gewaltdelikte aufgrund des gesellschaftlichen Status dem Phänomenbereich „links“ und 8 Prozent dem Phänomenbereich „rechts“ zugeordnet werden. Dies steht im Widerspruch zu den bisherigen Erkenntnissen über die Definition von Hassdelikten aufgrund des „gesellschaftlichen Status“. Zu den Hintergründen für die Einführung des sog. Definitionssystem PMK im Jahr 2001 hielt die damalige rot-grüne Bundesregierung im Jahr 2001 in ihrem „Ersten Periodischen Sicherheitsbericht“ (1. PSB) fest: „Gewaltdelikte rechtsorientierter Täter gegen sozial Ausgegrenzte (z. B. Obdachlose)“ würden „häufig nicht in der Staatsschutzstatistik erfasst […] – auch wenn sie von rechtsextremen Gruppen ausgeführt worden sind“ (1. PSB, S. 263). Tatopfer seien Obdachlose und Sozialhilfeempfänger […], „die von den rechten Tätergruppen als Asoziale diskriminiert und herabgewürdigt werden […] Hierin spiegle sich „die Vorstellung von ‚minderwertigem Leben‘ und vom ‚Recht des Stärkeren‘ [als] Teil der rechtsextremistischen Ideologie“ wider (1. PSB, S. 275). Ebenso wird in der Kriminologischen Wissenschaft die Kategorie „gesellschaftlicher Status“ in Bezug auf sozial ausgegrenzte und diskriminierte Personengruppen verwendet (vgl. die durch das Bundesministerium der Justiz geförderte Studie des Deutschen Forums Kriminalprävention: „Primäre Prävention von Gewalt gegen Gruppenangehörige – insbesondere: junge Menschen –“, Berlin 2004, S. 155; Alke Glet: „Sozialkonstruktion und strafrechtliche Verfolgung von Hasskriminalität in Deutschland“, Berlin 2011, S. 109 und 120 f. oder Bärbel Bongartz: „Hassverbrechen und ihre Bedeutung in Gesellschaft und Statistik“, Mönchengladbach 2013). Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat sich intensiv mit dem Phänomen und der Methodik zur Erfassung von Hasskriminalität befasst. Sie führt hierzu aus: „Unter den Begriff ,gesellschaftliche Gruppe‘ sollten nur solche Personengruppen subsumiert werden, die schon in der Vergangenheit gesellschaftlich unterdrückt und diskriminiert gewesen sind.“. Die Einbeziehung von Kategorien, die z. B. „mit Vermögen oder Klasse zusammenhängen,“ berge die „Gefahr [in sich], das hate crime-Konzept zu untergraben und Möglichkeiten des Missbrauchs Tür und Tor zu öffnen“ („Gesetze gegen „Hate Crime“, Warschau 2011, vgl. S. 48, abrufbar unter www.osce.org/de/odihr/36431?download=true). Vo r b e m e r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Die seitens der Fragesteller genannte Zahl von 55 000 Straftaten gegen Menschen aufgrund ihrer Religion, Herkunft, sexuellen Orientierung oder Behinderung in den Jahren 2001 bis 2012 ist die Gesamtzahl der Straftaten zum Oberbegriff „Hasskriminalität“ für alle Phänomenbereiche. Entgegen der Darstellung der Fragesteller sind die 2 022 Straftaten zum Unterthema „Gesellschaftlicher Status“ in dieser Gesamtsumme bereits enthalten. Der thematisierte und im Rahmen der sog. Altfallüberprüfung angewandte opfer- bzw. objektbezogene Indikatorenkatalog basiert auf der im Rahmen des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes „Politisch motivierte Kriminalität“ Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/740 (KPMD-PMK) verwendeten PMK-Definition. Der Indikatorenkatalog wurde gemeinsam mit polizeiinternen und -externen Wissenschaftlern aus dem Bereich der Rechtsextremismusforschung entwickelt und zwischen Bund und Ländern abgestimmt, geht jedoch hinsichtlich der Beispielsfälle und Konkretisierungen darüber hinaus. Wie bereits im Rahmen der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Politisch motivierte Kriminalität“ auf Bundestagsdrucksache 17/1928 vom 7. Juni 2010 dargestellt, werden der politisch motivierten Kriminalität u. a. Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen , dass sie „gegen eine Person gerichtet sind, wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung , Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht, bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.“ Eine weitere Konkretisierung hierzu erfolgt weder im Themenfeldkatalog noch in weiteren Unterlagen zur Handhabung des Defintionssystems PMK. Die Nennung der im Indikatorenkatalog in Klammern beigefügten Personengruppen dient der Konkretisierung, auch um sie für den einzelnen Polizisten „greifbarer“ zu machen. Es handelt sich insoweit um typisierte Merkmale, die Personen nach kriminalistischer Erfahrung zur Zielscheibe von Hassstraftätern machen. Die Oberbegriffe , aber auch die in Klammern angefügten Beispielsfälle enthalten jedoch keine Bewertungen oder Unwerturteile, sondern knüpfen an Umstände an, die bei rechtsmotivierten Hassstraftätern erfahrungsgemäß impulsgebend sind. Insgesamt müssen demnach solche Kriterien, sollen sie belastbar sein, die Tätersicht auf die Opfer – und mag diese auch noch so absonderlich und verabscheuungswürdig sein – widerspiegeln. Die Kriterien und Beispielsfälle sind demnach auch nicht an Begriffe aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, der Antidiskriminierungsrichtlinien oder dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geknüpft. Das kritisierte Raster dient im Ergebnis dazu, auf möglichst umfassender Grundlage Fälle herauszufiltern, die nochmals auf eine mögliche politisch rechte Motivation überprüft werden sollen. Es hat somit zum Ziel, das Ausmaß rechter Gewalt und die Tatmuster rechter Gewalttäter einzuschätzen und zu kennen, um damit letztlich Hasskriminalität effektiver zu bekämpfen und weitere potenzielle Opfer menschenfeindlicher Gewalt schützen zu können. Um jedoch zukünftig eventuellen Missverständnissen, die mit der bisherigen Anordnung der Opfergruppen einhergehen, vorzubeugen, wird der Bund zusammen mit den Ländern für künftige Anwendungsfälle Umformulierungen erörtern . Der Themenfeldkatalog PMK dient im Rahmen der PMK-Erfassung der möglichst genauen Beschreibung von Taten bzw. der inhaltlichen Zuordnung jeweiliger Motivationslagen zur detaillierten statistischen Erfassung. Er bietet zwischen Bund und Ländern abgestimmte Katalogwerte mit Oberbegriffen und Unterthemen, denen die hierfür zuständigen Länder die jeweiligen Taten zuordnen . Er ist ein rein polizeifachliches Arbeitsmittel nach den Vorgaben des KPMDPMK , das von den Polizeibehörden von Bund und Ländern gemeinsam entworfen wurde und einer ständigen Überprüfung und Weiterentwicklung unterliegt. Dies geschieht mit dem Ziel, die Lebenswirklichkeit möglichst nahe abzubilden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Kriterien weiterhin in die Systematik einpassen und in der Praxis handhabbar bleiben. Drucksache 18/740 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Das durch die zuständigen Gremien beschlossene Definitionssystem PMK enthält keine Definitionen für die jeweiligen Themenfelder, somit auch nicht für das Unterthema „Gesellschaftlicher Status“ oder „sexuelle Orientierung“. Bei einigen Themenfeldern, nicht jedoch den seitens der Fragestellern thematisierten Unterthemen „gesellschaftlicher Status“ und „sexuelle Orientierung“, sind jedoch zur trennschärferen Abgrenzung Erläuterungen angefügt. I. Zur Definition und Darstellung der Merkmale „gesellschaftlicher Status“ und „sexuelle Orientierung“ 1. Werden die Merkmale „sexuelle Orientierung“ und „gesellschaftlicher Status “ wie im Indikatorenkatalog zur Überprüfung ungeklärter Tötungsdelikte im Themenfeldkatalog (KPMD-PMK) oder in sonstiger Weise (z. B. Ausfüllanleitung) definiert bzw. kategorisiert? Falls ja, wie, und in welchem Dokument (um entsprechende Darstellung wird gebeten)? 2. Welche Gruppen verband die Bundesregierung im Jahr 2001 mit dem Kriterium „gesellschaftlicher Status“? 3. Verbindet die Bundesregierung heute zusätzliche Gruppe(n) mit dem Kriterium „gesellschaftlicher Status“? 4. Sofern die Bundesregierung heutzutage keine zusätzlichen Gruppe(n) mit dem Hasskriminalitätsmerkmal „gesellschaftlicher Status“ verbindet, a) wie erklärt sie dann das Straftatenaufkommen und die -verteilung in ihrer eigenen Übersicht (Bundestagsdrucksache 17/14754, S. 8 f.), b) sind der Bundesregierung politisch linksmotivierte Übergriffe auf Obdachlose oder Sozialhilfeempfänger bekannt, und wenn ja, welche? 5. Sofern die Bundesregierung heutzutage zusätzliche Gruppe(n) mit dem Hasskriminalitätsmerkmal „gesellschaftlicher Status“ verbindet, a) wann wurden zusätzlichen Gruppe(n)/Veränderungen unter welcher Mitwirkung eingeführt, b) welche Gruppe(n) wurden zusätzlich eingeführt, c) wie ordnet sich die Veränderung dieser Erfassungsgrundlagen in im Jahr 2001 von der Bundesregierung vorgegebene Parameter („Tatopfer, die aufgrund der Vorstellung von ‚minderwertigem Leben‘ und vom ‚Recht des Stärkeren‘ diskriminiert und herabgewürdigt werden“) ein (bitte ausführen), d) wie ordnet sich die Veränderung der deutschen Erfassungsgrundlagen in die o. g. Systematik der OSZE („Vorgeschichte gesellschaftlicher Unterdrückung und Diskriminierung“) ein (bitte ausführen), e) in welchen Dienstanweisungen/Ausfüllanleitungen o. ä. schlägt sich diese Einführung zusätzlicher Gruppe(n) nieder, f) hat die Bundesregierung diese Veränderung der Erfassungsgrundlagen öffentlich gemacht, und wenn nein, warum nicht, g) auf welchen wissenschaftlichen Ergebnissen beruhen etwaige Veränderungen ? Die Frage 1 bis 5 werden gemeinsam beantwortet. Der im Rahmen des KPMD-PMK angewandte Themenfeldkatalog enthält keine Definitionen. Folglich werden auch die Unterthemen „Sexuelle Orientierung“ und „Gesellschaftlicher Status“ nicht definiert bzw. konkretisiert. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/740 Dementsprechend gibt es keinen Katalog über mögliche Opfergruppen in diesen Themenfeldern. Im Phänomenbereich PMK-links werden Taten im Themenfeld „gesellschaftlicher Status“ erfasst, sofern die Tat z. B. in der gesellschaftlichen Stellung des Opfers oder in dem Besitz hochwertiger Fahrzeuge (Nobelkarossen) begründet ist. So kam es in den Jahren 2001 bis 2012 u. a. zu unterschiedlichen Schwerpunkten bei der Verübung von Straftaten im Bereich der PMK-links, Themenfeld „gesellschaftlicher Status“: ● Im Jahr 2009 richteten sich zum Beispiel 93 der 98 Gewaltdelikte (95 Pro- zent) gegen „hochwertige Fahrzeuge“. ● Im Jahr 2005 richteten sich 32 der 40 Gewaltdelikte (80 Prozent) gegen Polizeibeamte. Im Gesamtbeobachtungszeitraum (2001 bis 2012) gibt es jedoch keine eindeutige bzw. gleichbleibende Verteilung der Straftatenschwerpunkte. Wie bereits im Rahmen der Vorbemerkung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Sachbeschädigungen und Sabotageaktionen gegen Kriegsgeräte und militärische Infrastruktur“ auf Bundestagsdrucksache 17/14824 vom 16. Oktober 2013, siehe Vorbemerkung Nummer 3 und 4 geschildert, werden Angaben zu politisch motivierten Straftaten durch das jeweils zuständige Landeskriminalamt (LKA) im Rahmen des KPMD-PMK in Form von Kriminaltaktischen Anfragen – Politisch motivierte Kriminalität (KTA-PMK) an das Bundeskriminalamt (BKA) übermittelt. Angaben im Sinne der Fragestellung wie etwa Detailinformationen zu Opfern/Geschädigten (z. B. Sozialhilfeempfänger oder Obdachloser) sind hierbei nicht als Pflichtfelder vorgesehen und damit nicht automatisiert suchfähig. Somit käme nur eine händische, sehr zeit- und ressourcenintensive Einzelsichtung der beträchtlichen Anzahl der betreffenden KTA-PMK in Betracht. Dies ist jedoch angesichts begrenzter Personalressourcen im BKA und wegen erheblicher Arbeitsauslastung nicht leistbar. Zudem wäre der Aussagewert vor dem Hintergrund der durch die zuständigen Landesbehörden nicht zwingend in die KTA-PMK aufzunehmenden Detailinformationen mit einiger Wahrscheinlichkeit unvollständig und hätte dadurch nur begrenzten Aussagewert. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 6. Wäre es aus Sicht der Bundesregierung sachgerecht, bei den Gewaltdelikten aufgrund des „gesellschaftlichen Status“ die Körperverletzungs- und Tötungsdelikte gesondert auszuweisen? a) Wenn ja, wie viele Körperverletzungs- und wie viele Tötungsdelikte aufgrund des „gesellschaftlichen Status“ lassen sich in den Jahren 2001 bis 2012 den Phänomenbereichen PMK-rechts und PMK-links zuweisen ? Welche Gewaltdefinition liegt der differenzierenden Darstellung (Straftaten /Gewaltdelikte) zugrunde? b) Wenn nein, warum nicht? 7. Wie viele politisch rechtsmotivierte Straftaten, die sich gegen den „gesellschaftlichen Status“ eines Tatopfers richteten, hat die Polizei seit dem Jahr 2001 im Definitionssystem PMK erfasst (bitte nach folgenden Deliktgruppen aufschlüsseln: – Tötungsdelikt, – Körperverletzung, – Brand- bzw. Sprengstoffanschlag, Drucksache 18/740 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – Sachbeschädigung, – Propaganda/Ehrdelikte)? 8. Wie viele politisch linksmotivierte Straftaten, die sich gegen den „gesellschaftlichen Status“ eines Tatopfers richteten, hat die Polizei seit dem Jahr 2001 im Definitionssystem PMK erfasst (bitte nach folgenden Deliktgruppen aufschlüsseln: – Tötungsdelikt, – Körperverletzung, – Brand- bzw. Sprengstoffanschlag, – Sachbeschädigung, – Propaganda/Ehrdelikte)? Die Fragen 6 bis 8 werden gemeinsam beantwortet. Bei der Erfassung politisch motivierter Straftaten werden immer auch die entsprechenden Deliktsgruppen und Themenfelder erfasst. Somit ist eine Ausweisung von Körperverletzungs- und Tötungsdelikten bei den entsprechenden Themenfeldern möglich. Hinsichtlich der Definition von politisch motivierten Gewaltdelikten wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Politisch motivierte Kriminalität“ auf Bundestagsdrucksache 17/1928 vom 7. Juni 2010, zu Frage 10 verwiesen, hier werden die Gewaltdelikte abschließend benannt. Im Einzelnen handelt es sich bei Gewaltdelikten um Tötungsdelikte (§ 211 ff. des Strafgesetzbuches [StGB]), Körperverletzungen (§ 223 ff. StGB), Brandstiftungen (§ 306 ff. StGB), Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion (§ 308 StGB), Landfriedensbruch (§ 125 ff. StGB), Gefährlicher Eingriff in den Bahn-, Luft-, Schiffs- und Straßenverkehr (§ 315 ff. StGB), Freiheitsberaubung (§§ 234, 239 ff. StGB), Raub (§ 249 ff. StGB), Erpressung (§§ 253, 255 StGB), Widerstands - (§ 113 ff. StGB) und Sexualdelikte (§§ 177, 178 StGB). PMK-rechts 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Tötungsdelikte 0 1 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 Körperverletzung 17 9 10 8 10 8 8 8 6 4 2 10 BrandSprengdelikte 0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 Sachbeschädigung 2 0 1 1 2 3 2 2 6 3 2 3 Propagandadelikte 7 9 11 16 7 25 9 10 10 9 8 9 PMK-links 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Tötungsdelikte 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 2 0 Körperverletzung 4 0 1 5 10 9 6 3 4 6 5 3 BrandSprengdelikte 3 6 6 4 6 6 67 34 93 25 62 1 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 7 – Drucksache 18/740 9. Welche linksmotivierte terroristische Tat wurde im Jahr 2005 aufgrund des „gesellschaftlichen Status“ des Tatopfers verübt (bitte darstellen anhand der folgenden Parameter: – Datum, – Ort, – Tatumstände/Zielobjekt, – Deliktgruppe (Tötungsdelikt, Körperverletzung, Brand-, Sprengstoffanschlag ), – Zahl der Geschädigten (Verletzte, Getötete), – Gründe für die Einstufung der Tat als „terroristisches“ Delikt, – strafrechtlicher Verfahrensausgang inkl. der Benennung der strafrechtlichen Tatbestände)? Das zunächst gemäß § 129a StGB (Bildung terroristischer Vereinigung) und ab dem Jahr 2007 gemäß § 129 StGB (Bildung krimineller Vereinigung) geführte Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Die Bundesregierung kann aus ermittlungstaktischen Erwägungen zu noch anhängigen Verfahren keine weiter differenzierten Angaben machen. 10. Wie erklärt die Bundesregierung eine quantitative Diskrepanz zwischen der polizeilichen und der zivilgesellschaftlichen Erfassung von Straftaten (z. B. von Tötungsdelikten) aufgrund des „gesellschaftlichen Status“ (Bundestagsdrucksache 17/14754, S. 3)? a) Welche Konsequenzen ergeben sich hieraus für eine ggf. strukturierte Zusammenarbeit von Polizei und Zivilgesellschaft bei der Erfassung bzw. Bewertung von Verdachtsfällen politisch motivierter Straftaten, die aufgrund des gesellschaftlichen Status des Tatopfers verübt wurden ? b) Wann und in welchem Rahmen hat die Bundesregierung den fachlichen Austausch z. B. mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. gesucht, um die Fälle polizeilich bzw. zivilgesellschaftlich erfasster Gewalttaten gegenüber Wohnungslosen abzugleichen? Wenn nein, warum nicht? Wie bereits in der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Mindestens 137 Todesopfer rechter Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland seit 1990“ (Bundestagsdrucksache 17/7161 vom 27. September 2011, siehe Vorbemerkung der Bundesregierung) dargestellt, reicht im Rahmen der zivilgesellschaftlichen Betrachtung von Delikten als Anhaltspunkt für das Vorliegen einer entsprechenden Tatmotivation bei ihrer Bewertung oftmals aus, dass die Täter bzw. Tatverdächtigen aus einem rechten Milieu kamen. Unabhängig von den konkret geschilderten Einzelfällen verkennt ein solcher Ansatz jedoch generell: ● Kriminell auffällige Personen aus dem rechtsextremen Milieu weisen oftmals Sachbeschädigung 6 3 4 9 4 23 59 45 49 24 41 31 Propagandadelikte 0 0 1 0 0 3 2 1 1 0 1 1 PMK-links 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 auch eine Karriere in der Allgemeinkriminalität auf. So liegen jährlich zu Drucksache 18/740 – 8 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode ca. 50 Prozent der im Zusammenhang mit politisch rechts motivierten Taten ermittelten Täter bzw. Tatverdächtigen bereits Vorerkenntnisse aus der Allgemeinkriminalität vor. Würde man die Zugehörigkeit zu einem bestimmten politischen Milieu als ausreichend für die Zuordnung einer Straftat zur politisch motivierten Kriminalität ansehen und damit auf die politische Tatmotivation verzichten, würden auch Straftaten der Allgemeinkriminalität als PMK gezählt. ● Nicht immer werden alle für die Einordnung einer Straftat relevanten Erkenntnisse der Polizei auch in vollem Umfang der Öffentlichkeit zeitnah bekannt , schon um eine Gefährdung des laufenden Ermittlungsverfahrens zu vermeiden. Dies gilt insbesondere bei Taten, wo sich Täter und Opfer bereits vorher kannten und nicht ein einziges Motiv, sondern eine Gemengelage mehrerer Motive die Tat ausgelöst hat. Zugleich verdeutlichen diese Aspekte, wie sinnvoll die nach dem geltenden polizeilichen Definitionssystem PMK und im Rahmen des KPMD-PMK vorgesehene Ermittlung der Tatmotivation in Würdigung aller bekannt gewordenen Umstände des konkreten Einzelfalles und/oder der Einstellung des Täters ist. Die Bundesregierung begrüßt die bereits bestehenden Initiativen der Länder zum Dialog und Austausch mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und wissenschaftlichen Einrichtungen bezüglich der Erfassung politisch motivierter Kriminalität . Dies trägt zu einer gegenseitigen Sensibilisierung und weiteren Optimierung der Straftatenerfassung und einer Verbesserung der Opferbetreuung bei. Erfahrungen und Erkenntnisse aus diesem Dialog finden schon heute Eingang in die Erstellung und Überarbeitung polizeifachlicher Arbeitsmittel und Leitfäden durch die zuständigen Bund-Länder-Arbeitsgruppen. Im Übrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. „Der Themenfeldkatalog der Polizei zur Erfassung der Politisch motivierten Kriminalität in Deutschland“ auf Bundestagsdrucksache 17/14751 vom 16. September 2013, Antwort zu Frage 18 verwiesen. Auf Bundesebene hat kein Austausch im Sinne der Fragestellung mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. stattgefunden. Wie bereits in der Vorbemerkung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, „Die polizeiliche Erfassung von Hasskriminalität als Politisch motivierte Straftaten“ auf Bundestagsdrucksache 17/14754 vom 16. September 2013 dargestellt, obliegt die Bewertungshoheit /Einzelfallbewertung der Strafsachverhalte den nach dem Tatortprinzip überwiegend zuständigen Polizeien der Länder. Ob in diesem Zusammenhang ein Austausch mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e. V. stattgefunden hat, ist der Bundesregierung nicht bekannt II. Zum Indikatorenkatalog zur Überprüfung von ungeklärten Tötungsdelikten auf einen möglichen rechtsextremen und rassistischen Hintergrund 11. Handelt es sich bei den in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Prüfung von weiteren ungeklärten Tötungsdelikten auf einen möglichen rechtsextremen und rassistischen Hintergrund zwischen den Jahren 1990 und 2011 durch die Bundesregierung“ (Bundestagsdrucksache 18/343) in der Antwort zu Frage 4 aufgelisteten Kriterien um eine abschließende oder nur um eine auszugsweise Darstellung? Der Indikatorenkatalog wurde den Ländern als Handlungsanweisung für die Überprüfung der ungeklärten Tötungsdelikte übermittelt. Er wurde in der Ant- wort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/343 vom 24. Januar 2014 abschließend aufgeführt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 9 – Drucksache 18/740 Die in Klammern aufgeführten Konkretisierungen sind als Beispiele zu verstehen , auch um sie für den einzelnen Polizisten „greifbarer“ zu machen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung der Bundesregierung verwiesen. 12. Wie erfolgte die Abstimmung zwischen Bund und Ländern über den erweiterten Indikatorenkatalog? Der Indikatorenkatalog basiert auf der im Rahmen des KPMD-PMK verwendeten PMK-Definition und ist Bestandteil der Konzeption der AG Fallanalyse vom 16. Januar 2012, die die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) und ihre nachgeordneten Gremien zur Kenntnis genommen haben. Die Erweiterung und Operationalisierung des Indikatorenkatalogs erfolgte im Rahmen eines Workshops mit polizeiinternen und externen Wissenschaftlern aus dem Bereich der Rechtsextremismusforschung. Der Workshop wurde im Rahmen der polizeilichen Informations- und Analysestelle Rechtsextremismus (PIAS-R) unter Beteiligung der Länderpolizeien durchgeführt. Der mit den Ländern in einem schriftlichen Verfahren abgestimmte erweiterte Indikatorenkatalog wurde daraufhin als Handlungskonzept für die Fallauswahl übernommen . 13. a) Aus welchen Gründen werden Sexualstraftäter in diesem Kriterienkatalog unter dem Kriterium „sexuelle Orientierung“ zusammen mit Homo- und Transsexuellen eingeordnet? b) Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Subsumierung von Sexualstraftätern unter den Begriff „sexuelle Orientierung“ vor dem Hintergrund , dass die „sexuelle Ausrichtung/Orientierung“ ein Begriff aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Antidiskriminierungsrichtlinien ist? c) Vertritt die Bundesregierung die Rechtsauffassung, dass Sexualstraftäter als solche vor Ungleichbehandlungen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geschützt seien? Wenn nein, warum subsumiert sie sie dann unter den Begriff der „sexuellen Orientierung“? 14. Aus welchen Gründen werden „Deutsche in Ehe/Liebesbeziehung mit Ausländern“ zusammen mit Drogenabhängigen, Angehörigen des kriminellen Milieus/mutmaßlichen Straftätern der Kategorie „gesellschaftlicher Status“ zugeordnet? Auf die Vorbemerkung der Bundesregierung wird verwiesen. 15. Wie beabsichtigt die Bundesregierung die folgende Feststellung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu den Morden und Anschlägen der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (2. Untersuchungsausschuss der 17. Wahlperiode) umzusetzen: „Notwendig ist die grundlegende Überarbeitung des ,Themenfeldkatalogs PMK‘ – unter Hinzuziehung von Expertenwissen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft“ (Bundestagsdrucksache 17/4600, S. 861)? Fragen zur Ausgestaltung des Themenfeldkataloges sollen in den dafür zuständigen Gremien der IMK erörtert werden. Die Bundesregierung setzt sich für eine entsprechende Erörterung ein. Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333