Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 5. Februar 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/7488 18. Wahlperiode 09.02.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Frank Tempel, Wolfgang Gehrcke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 18/7337 – Todesopfer unter Flüchtlingen in die Bundesrepublik Deutschland und die Europäische Union im Jahr 2015 V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Im Jahr 2015 kamen erneut tausende Menschen während der Flucht aus ihren Herkunftsländern nach Europa ums Leben. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) gelangten im Jahr 2015 990 671 Flüchtlinge und Migranten nach Europa, davon 956 456 über die See- und 34 215 über die Landroute (www.iom.int/news/eu-migrant-refugee-arrivals-land-andsea -approach-one-million-2015). Besonders in den Sommermonaten wählten viele Flüchtlinge den gefährlichen Weg über das Mittelmeer, dort starben nach offiziellen Schätzungen von Anfang Januar bis Mitte Dezember 2015 3 695 Menschen. Die meisten von ihnen – 2 889 – kamen auf der zentralen Mittelmeerroute, auf dem Weg nach Italien und Malta, ums Leben. Auf der östlichen Mittelmeerroute starben auf dem Weg nach Griechenland und Zypern 706 Flüchtlinge, 100 weitere starben auf dem Weg nach Spanien (www.iom.int/news/eu-migrant-refugee-arrivalsland -and-sea-approach-one-million-2015). Mit dem Antrag „Das Mittelmeer darf nicht zum Massengrab werden – Für eine Umkehr in der EU-Asylpolitik“ (Bundestagsdrucksache 18/4838) fordert die Fraktion DIE LINKE. die Schaffung einer proaktiven und solidarischen EU- Seenotrettung in ziviler Hand bis hin an die libysche Grenze, die Abschaffung der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (FRONTEX) sowie die Schaffung legaler und sicherer Einreisewege für Schutzsuchende (z. B. Förderung des Familiennachzuges und Ausbau von Resettlement-Programmen). Darüber hinaus fordert die Fraktion DIE LINKE. in dem Antrag die Abkehr von der Dublin III-Verordnung und die Einführung eines „free-choice“-Modells, welches Schutzsuchenden die Möglichkeit gibt, ihr Zufluchtsland entsprechend bestehender familiärer Kontakte oder vorhandener Sprachkenntnisse selbst bestimmen zu können sowie eine Verbesserung der Verfahrensstandards und Lebensbedingungen für Asylsuchende. Mit ihrem Antrag „Unerlaubte Einreise von Flüchtlingen entkriminalisieren“ (Bundestagsdrucksache 18/6652) setzt sich die Fraktion DIE LINKE. für den Drucksache 18/7488 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Abbau von Grenzkontrollen und weitergehender Maßnahmen (z. B. Grenzzäune ) in Reaktion auf die Einreise schutzsuchender Menschen ein und fordert einen Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung der Einreise von Menschen, die nach Grenzübertritt einen Antrag auf internationalen Schutz stellen, sowie der nicht gewerbe- und bandenmäßigen Beihilfe hierzu. V o r b e me r k u n g d e r B u n d e s r e g i e r u n g Auf die Vorbemerkung der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/4032 vom 18. Februar 2015 wird verwiesen. 1. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015 a) an den Landesgrenzen, Küsten, Seehäfen, Flughäfen bzw. im Grenzgebiet der Bundesrepublik Deutschland, Datum Ort Transportmittel Anzahl und Nationalität Todesart / Todesumstände 31. August 2015 Passau, Autobahnbrücke unbekannt ein afghanischer Staatsangehöriger vermutlich Sturz von der Autobahnbrücke 24. September 2015 im Zug von Kufstein nach Rosenheim Zug ein somalischer Staatsangehöriger Person verstarb nach Einlieferung in eine Klinik aufgrund einer bakteriellen Erkrankung 12. Oktober 2015 Passau, Bahnhof unbekannt Fötus einer syrischen Staatsangehörigen Tod des Fötus (14. Schwangerschaftswoche) 27. Oktober 2015 Passau unbekannt eine syrische Staatsangehörige Herzinfarkt (nach Vorerkrankung des Herzens) b) an den Grenzen der Europäischen Union tot aufgefunden worden oder nach Kenntnis der Bundesregierung ums Leben gekommen (bitte nach Datum und Ort des Auffindens bzw. Todesfalls, Nationalität des Opfers und Todesart bzw. Umständen des Todes aufschlüsseln)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine amtlichen Informationen vor. 2. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015 mit körperlichen Verletzungen und Beeinträchtigungen durch Erfrierungen, Unterkühlungen, Hunger bzw. Durst o. Ä. aufgegriffen worden, die sie sich aller Voraussicht nach im Zuge ihres ggf. unerlaubten Grenzübertritts a) in die Bundesrepublik Deutschland oder Datum Ort Transportmittel Anzahl und Nationalität Art der Verletzung 13. März 2015 Industriegebiet Willstätt-Legelshurst Lkw drei pakistanische Staatsangehörige Dehydration 5. August 2015 BAB 17, km 29,5 Kleintransporter ein afghanischer Staatsangehöriger Kopfverletzung Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7488 17. August 2015 Lauenstein Lkw ein syrischer Staatsangehöriger Verletzung des Sprunggelenks ein afghanischer Staatsangehöriger Hautverletzung an den Füßen ein pakistanischer Staatsangehöriger infizierte Schürfwunden b) in die Europäische Union zugezogen hatten (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers sowie Körperverletzungsart aufschlüsseln)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine amtlichen Informationen vor. 3. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015 im Zuge ihres ggf. unerlaubten Grenzübertritts a) durch die Bundespolizei oder Zollbeamte in Deutschland, und Im Jahr 2015 wurden neun Personen durch Anwendung unmittelbaren Zwangs als Folge von Widerstandshandlungen leicht verletzt (Kratzer, schmerzende Hände, tränende Augen nach Anwendung von Pfefferspray). b) durch die Bundespolizei- oder Zollbeamte an den Außengrenzen der Europäischen Union mittels unmittelbaren Zwangs bzw. im Zuge einer entsprechenden Nacheile körperlich verletzt oder versehrt? Hierzu liegen der Bundesregierung keine amtlichen Informationen vor. c) Wie viele Ermittlungs- und Disziplinarverfahren wurden diesbezüglich eingeleitet, und mit welchem Ergebnis abgeschlossen oder eingestellt (bitte aufschlüsseln)? Im Jahr 2015 wurde gegen einen Beamten der Bundespolizei ein Ermittlungs- und ein damit korrespondierendes Disziplinarverfahren wegen Körperverletzung im Amt gegenüber einem unerlaubt eingereisten irakischen Staatsangehörigen eingeleitet . Die Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. 4. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015 a) in der Bundesrepublik Deutschland, und Auf die Antworten zu den Fragen 1a und 2a wird verwiesen. b) in der Europäischen Union im Zuge ihrer ggf. unerlaubten Grenzübertritte durch Privatpersonen verletzt bzw. getötet (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers und Todesbzw . Verletzungsart aufschlüsseln)? c) Wie viele Ermittlungsverfahren wurden diesbezüglich eingeleitet und mit welchem Ergebnis abgeschlossen oder eingestellt (bitte aufschlüsseln)? Hierzu liegen der Bundesregierung keine amtlichen Informationen vor. Drucksache 18/7488 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 5. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2015 a) in der Bundesrepublik Deutschland, und Auf die Antworten zu den Fragen 1a und 2a wird verwiesen. b) in der Europäischen Union tot aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der ggf. unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bzw. Europäische Union in ihrem Transportmittel Sauerstoffmangel, Hunger, Durst, Kälte, Überhitzung o. Ä. ausgesetzt waren (bitte nach Datum und Ort, Nationalität der Opfer, Transportmittel und Todesart aufschlüsseln)? verletzt aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der ggf. unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bzw. EU in ihrem Transportmittel Sauerstoffmangel, Hunger, Durst, Kälte, Überhitzung o. Ä. ausgesetzt waren (bitte nach Datum und Ort, Nationalität der Opfer, Transportmittel und Verletzungsart aufschlüsseln)? Datum Land/Ort Transportmittel Anzahl und Nationalität Todesart / Todesumstände / Art der Verletzung 27. März 2015 Kroatien, Grenzübergang Bajakovo ohne vier (vermutlich) syrische Staatsangehörige eine Person – Tod aufgrund Brandverletzung drei Personen – Verbrennungen 27. August 2015 Österreich, Ostautobahn Höhe Parndorf Kühllastwagen 71 syrische Staatsangehörige Tod durch Unterkühlung 1. September 2015 Österreich, Wien Lkw 24 syrische Staatsangehörige Verletzung nach Sauerstoffmangel 3. September 2015 Ungarn, Autobahn M 5 (Kecskemèt und Budapest ) Kleintransporter drei syrische Staatsangehörige aufgrund der Schwere der Verletzungen nach einem Verkehrsunfall wurde eine Person getötet und zwei weitere Personen (schwer) verletzt 4. September 2015 Ungarn, Briscke unbekannt ein pakistanischer Staatsangehöriger Tod nach Kreislaufzusammenbruch 13. September 2015 Österreich, Westautobahn Höhe Wels Kühllastwagen 42 syrische Staatsangehörige Verletzung durch Unterernährung Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7488 6. Falls zu den jeweils vorangegangenen Fragen 1 bis 5, insbesondere in Hinblick auf die Außengrenzen der Europäischen Union, keine auf amtlichen Daten basierende Antwort gegeben werden kann, a) welche Daten und sonstigen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung dazu ansonsten vor, z. B. aus den Berichten der bei FRONTEX eingesetzten Bundesbeamten oder entsprechende Daten, mit denen etwa Einrichtungen wie das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM) arbeiten, Erkenntnisse aus Berichten von FRONTEX: Die Zahl der Todesopfer im Rahmen der irregulären Migration ist kein fester Bestandteil der Analyseprodukte von FRONTEX, die Berichte aus den Joint Operations bilden nur regionale und temporäre Situationsaufnahmen ab. Im Jahr 2015 wurden 470 tote Personen im Rahmen der FRONTEX Operationen im Mittelmeer registriert. Zur Gewinnung eines Gesamtüberblicks werden hier wie dort die Daten der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und des UNHCR verwandt . Ausweislich der dort erhobenen Daten wurden im Jahr 2015 übereinstimmend ca. 3 770 Personen im Mittelmeer vermisst. Im Rahmen der (nationalen) Risikoanalyse von Migrationsströmen, Routen und Tatbegehungsweisen werden Erkenntnisse zu Todesfällen mit berücksichtigt. Erkenntnisse der durch die Bundespolizei im Ausland eingesetzten Beamten: 1. Bulgarien Am 16. April 2015 wurde zwischen Sredets und Bolyarovo, nahe der Ortschaft Fakiya (ca. 17 km von der bulgarisch-türkischen Grenze entfernt) eine männliche Leiche unbekannter Nationalität und Identität im Straßengraben gefunden, welche möglicherweise zu einer Gruppe illegal aus der Türkei eingereister Migranten gehörte. Als Todesursache wird Erschöpfung / Verhungern vermutet. Am 15. Oktober 2015 wurde bei Sredets ein afghanischer Staatsangehöriger vermutlich durch einen Querschläger nach einem Warnschuss durch eine Streife der bulgarischen Grenzpolizei getötet, nachdem dieser sich innerhalb einer Gruppe von 54 afghanischen Migranten der Festnahme widersetzte. Trotz sofort eingeleiteter Notfallmaßnahmen starb die Person auf dem Weg ins Krankenhaus an seinen Verletzungen. Am 9. November 2015 wurde nahe der Ortschaft Varshilo im Strandzha-Gebirge (bulgarisch-türkisches Grenzgebiet) die Leiche einer unbekannten Person (vermutlich Migrant) aufgefunden, welche vermutlich an Unterkühlung bzw. Erschöpfung starb. 2. Slowakei Am 11. November 2015 ist im ukrainisch-slowakischen Grenzgebiet ein Helikopter mit zwei mutmaßlich ukrainischen Schleusern und sechs afghanischen Staatsangehörigen abgestürzt, wobei alle Insassen getötet wurden. 3. Spanien Am 3. Januar 2015 ertranken mindestens sieben nigerianische Staatsangehörige vor der ostandalusischen Küste bei Nador, nachdem diese in Folge eines Streites unter den Migranten über Bord geworfen wurden. Drucksache 18/7488 – 6 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode 4. Griechenland In Griechenland sind im Jahr 2015 insgesamt 246 Personen an der Seegrenze zur Türkei gestorben, 149 gelten als vermisst. 5. Italien Im Jahr 2015 wurden insgesamt 296 Personen tot im Mittelmeer aufgefunden. b) welche Daten von internationalen Organisationen oder Nichtregierungsorganisationen hat die Bundesregierung zur Kenntnis genommen, und welche Schlüsse und ggf. Konsequenzen zieht sie daraus? In grenzpolizeilich strategischen Analysen werden regelmäßig die Erkenntnisse von Organisationen wie dem UNHCR oder von IOM miteinbezogen und fließen so in die Bildung eines Situationsbewusstseins mit ein. Dies dient zum einen der Vorbereitung von Entscheidungen über Einsatzmaßnahmen, aber insbesondere auch zur Vorbereitung der eingesetzten Beamtinnen und Beamten hinsichtlich des Verhaltens in solchen Feststellungssituationen und zum Umgang mit Überlebenden . c) Hält die Bundesregierung an ihrer zuletzt in ihrer Antwort zu Frage 6c der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/927 geäußerten Auffassung fest, dass grundsätzlich kein Bedarf daran besteht, die unter den Fragen 1 bis 5 angefragten Daten systematisch zu erheben und auszuwerten, und wenn ja, mit welcher Begründung (bitte inhaltlich mit der Relevanz dieser Daten für den Flüchtlingsschutz, die effektivere Ausgestaltung des Grenzschutzes und die Bekämpfung der Schleuserkriminalität auseinandersetzen)? Die Bundesregierung hat sich bereits in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 18/4032 vom 18. Februar 2015 inhaltlich mit dieser Thematik befasst. Vor diesem Hintergrund wird auf die Vorbemerkung der vorgenannten Antwort der Bundesregierung verwiesen. Im Ergebnis dessen ist eine Erfassung im Sinne der Fragestellung weiterhin nicht vorgesehen . Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333