Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 11. Februar 2016 übermittelt. Die Drucksache enthält zusätzlich – in kleinerer Schrifttype – den Fragetext. Deutscher Bundestag Drucksache 18/7522 18. Wahlperiode 15.02.2016 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Oliver Krischer, Steffi Lemke, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 18/7403 – Tödliche Gefahr für Vögel (Vogelschlag) an Glasoberflächen V o r b e m e r k u n g d e r F r a g e s t e l l e r Transparente und spiegelnde Oberflächen, wie große Fensterscheiben, Bürotürme , Wartehäuschen oder Lärmschutzwände aus Glas, können für Vögel eine tödliche Gefahr sein. Schätzungen zufolge sterben in Europa jährlich rund 90 Millionen Vögel (siehe FÖRSTER, J./ GÜTZ, R. (2015): Vogelschlag an Glas – BUND NRW e. V. − www.vogelsicherheit-an-glas.de/fileadmin/bundgruppen/ bcmsvogelsicherheit/Materialien/2015_12_broschuere_vogelschlag_web.pdf) nach Kollisionen mit Glasscheiben oder anderen spiegelnden Oberflächen. Glas ist für Vogelaugen unsichtbar, die Umgebung (etwa Himmel oder Vegetation) spiegelt sich in den Scheiben oder es wird eine Durchsicht und damit eine freie Flugbahn suggeriert – eine fatale Täuschung. Nachts kann künstliches Licht diese Wirkung verstärken, wenn ziehende Vögel angelockt und desorientiert an Glasscheiben prallen. Alleine der erleuchtete Post-Tower in Bonn forderte in einem Jahr etwa 1000 nächtliche Vogelopfer (siehe HAUPT, H. (2009): Der Letzte macht das Licht an! – Zu den Auswirkungen leuchtender Hochhäuser auf den nächtlichen Vogelzug am Beispiel des „Post-Towers“ in Bonn – Charadrius 45 (1): 1-19 – www.vogelglas.info/public/haupt_charadrius_2009.pdf). Auch tagsüber können an Glasscheiben einzelner Gebäude hunderte Vögel pro Jahr umkommen (siehe www.ruhrnachrichten.de/staedte/dortmund/120-000-Voegel -sterben-pro-Jahr;art930,1056724). Nach der Vogelschutzrichtlinie der Europäischen Union (EU) (Richtlinie 2009/ 147/EG) ist es ein gemeinsames Ziel der EU, die Bestände aller wildlebenden, heimischen Vogelarten „auf einem Stand zu halten oder auf einen Stand zu bringen , der insbesondere den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht“. Es ist also sowohl aus Artenschutz-, als auch aus Tierschutzsicht geboten hier zu handeln. 1. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung grundsätzlich aus Vogelkollisionen an Glasfassaden in Deutschland, und sieht sie regulatorischen Änderungsbedarf für mehr Vogelschutz? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7522 – 2 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode Die Bundesregierung ist sich des Problems bewusst. Die Bundesregierung untersucht daher in einem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, welche Regelungsmöglichkeiten bereits bestehen, um diese Gefahren zu reduzieren und welcher Regelungsbedarf darüber hinaus besteht. 2. Wie viele Vögel kommen nach Kenntnis der Bundesregierung jährlich an Glasfassaden in Deutschland um (Schätzung)? Es gibt keine zuverlässige Schätzung über die jährlich in Deutschland an Glasfassaden getöteten Vögel. Als Näherung könnte man auf in nordamerikanischen Studien ermittelte jährliche Kollisionsraten zurückgreifen, nach denen pro Jahr in Abhängigkeit des Gebäudetyps zwischen einem und 77 Vögeln pro Gebäude umkommen . In Deutschland gibt es ca. 18 Millionen Wohnhäuser sowie eine Vielzahl öffentlicher und gewerblicher Gebäude. 3. Welche Forschungsergebnisse (bitte einzeln auflisten) liegen der Bundesregierung über die Anzahl der verendeten Vögel vor? Es wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen, die auf folgenden Forschungsarbeiten beruht: 1. HAUPT, H. (2012): Vogeltod an Glasscheiben: Ein unterschätztes Problem? – Artenschutzbrief 16: 14-16. 2. LOSS, S.; WILL, T; LOSS, S; MARRA P. (2014): Bird–building collisions in the United States: Estimates of annual mortality and species vulnerability – The Condor: Ornithological Applications 116, S. 8-23. 4. Sieht die Bundesregierung weiteren Forschungsbedarf zu den Fragen 2 und 3, und falls ja, welche Bemühungen werden durch die Bundesregierung dort unternommen? Falls nein, warum nicht? Mit der Problematik befassen sich Bund und Länder im Ständigen Ausschuss „Arten- und Biotopschutz“ der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA). Ziel ist es, allgemein akzeptierte und den zuständigen Landesbehörden zur Anwendung empfohlene Schwellenwerte an die Hand zu geben, anhand derer die Erheblichkeit von Vogelschlagereignissen vor Ort beurteilt werden kann. Unterstützen soll das in der Antwort zu Frage 1 genannte Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. 5. Welche Möglichkeiten gibt es, Vogelschlag an Glasfassaden zu minimieren, und mit welchen Maßnahmen setzt sich die Bundesregierung für die Minimierung ein? Zur Verringerung des Vogelschlagrisikos ist eine Vielzahl geeigneter Maßnahmen bekannt. Sie reichen von der Vermeidung von (größeren) Glasflächen über den Einsatz alternativer Materialien bis hin zur Kennzeichnung bzw. Markierung geplanter oder vorhandener Glasflächen, um sie als Hindernis für Vögel sichtbar zu machen. Bei möglichen Maßnahmen kommt der Öffentlichkeitsarbeit aus Sicht der Bundesregierung eine große Bedeutung zu. Das Bundesamt für Naturschutz war daher an der Erarbeitung der aktuellen Auflage der Informationsbroschüre „Vogel- Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 3 – Drucksache 18/7522 freundliches Bauen mit Glas und Licht“ (SCHMID, H.; DOPPLER, W.; HEY- NEN, D. & RÖSSLER, M. (2012): Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht – 2., überarbeitete Auflage. Schweizerische Vogelwarte Sempach, abrufbar über www.vogelglas.info) der Schweizerischen Vogelwarte Sempach beteiligt und hat die Verbreitung der Broschüre in Deutschland über die Naturschutzfacheinrichtungen der Länder gefördert. Diese Broschüre stellt die Vielfalt geeigneter Maßnahmen zur Verringerung des Vogelschlages an Glasflächen vor. 6. Wie werden die verschiedenen Vermeidungsmöglichkeiten von Vogelschlag wissenschaftlich untersucht und bewertet (bitte Veröffentlichungen nennen )? Wissenschaftliche Arbeiten zur Verringerung des Vogelschlags an Glasscheiben konzentrieren sich auf die Entwicklung und Untersuchung von Markierungen, um Glasscheiben als Hindernis für Vögel sichtbar zu machen, und deren Wirksamkeit . Dies erfolgt im Rahmen zweier grundsätzlicher Versuchsansätze: durch experimentelle Freilanduntersuchungen und durch Wahlversuche in so genannten Flugtunneln. Zahlreiche experimentelle Freilanduntersuchungen werden in den USA durch die Arbeitsgruppe um Daniel Klem Jr. am Acopian Center for Ornithology , Muhlenberg College in Allentown/Pennsylvania durchgeführt (z. B. KLEM, JR., D. (2009): Preventing bird-window collisions. – The Wilson Journal of Ornithology 121 (2): 314-321.). In Flugtunneln können Markierungen an Glasscheiben unter kontrollierten und standardisierten Bedingungen untersucht werden . (RÖSSLER, M. (2012): Ornilux mikado. Prüfung im Flugtunnel II der Biologischen Station Hohenau-Ringelsdorf. – Wien (Biologische Station Hohenau- Ringelsdorf) / RÖSSLER, M.; LAUBE, W. & WEIHS, P. (2007): Vermeidung von Vogelanprall an Glasflächen. Experimentelle Untersuchungen zur Wirksamkeit von Glas-Markierungen unter natürlichen Lichtbedingungen im Flugtunnel II. – Hohenau a.d. March). Allen diesen Versuchsansätzen ist gemeinsam, dass sie keine Rückschlüsse darüber erlauben, wie viele Vogelkollisionen an einer Glasscheibe unter realen Bedingungen verhindert werden können. Die Versuche erlauben jedoch einen relativen Vergleich der Wirksamkeit der getesteten Markierungen untereinander. Die wichtigsten Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in die – in der Antwort zu Frage 5 erwähnten – Broschüre „Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht“ der Schweizerischen Vogelwarte Sempach eingeflossen. 7. Gibt es ein einheitliches Gütesiegel (DIN, TÜV), das dem Verbraucher die nachgewiesene Wirksamkeit bescheinigt, und falls nein, plant die Bundesregierung ein solches? Nach Kenntnis der Bundesregierung gibt es keine eingeführte, deutsche technische Regel zum Nachweis der wirksamen Vermeidung von Vogelkollisionen an Glasfassaden. Ansonsten wird auf die Antwort zu Nr. 8 verwiesen. 8. Wie bewertet die Bundesregierung die in Österreich erarbeitete Technische Regel „ONR 191040 Vogelschutzglas – Prüfung der Wirksamkeit“ fachlich und hinsichtlich der Anwendbarkeit in Deutschland? Die Regel ONR 191040 des Österreichischen Normungsinstituts beschreibt die Prüfung der Wirksamkeit von Vogelschutzglas, das zur Verringerung des Kollisionsrisikos mit bestimmten Verfahren, etwa Markierungen, für Vögel sichtbar Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Drucksache 18/7522 – 4 – Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode gemacht wird. Die Regel gilt für freistehende Glasscheiben (z. B. Lärmschutzwände ) und durchsichtige Glasbauwerke (z. B. Verbindungsgänge) und umfasst nicht die Einflüsse von Spiegelungen. Die fachliche Bedeutung der ONR 191040 kann als hoch eingeschätzt werden. Die Regel stellt eine Standardisierung dar, anhand derer die Wirksamkeit von Glasmarkierungen gegen Vogelanprall nachvollziehbar untersucht wird. Sie berücksichtigt zahlreiche wichtige Aspekte wie etwa die gleichmäßige Ausleuchtung der Glasscheiben und Markierungen unter natürlichen Lichtbedingungen und die Videoprotokollierung der Vogelflüge zur konsolidierten Interpretation des Flugverhaltens. Sie legt schließlich fest, welche Testergebnisse erreicht werden müssen, um den Begriff „Vogelschutzglas“ zu rechtfertigen. Zur Sicherung methodischer Konsistenz und zwecks Vergleichbarkeit von Versuchsergebnissen wäre es aus Sicht der Bundesregierung zu begrüßen, wenn Flugtunneluntersuchungen sich an solchen Vorgaben orientierten und auch in Deutschland der Begriff „Vogelschutzglas“ immer nur dann verwendet würde, wenn sich die erzielten Testergebnisse in dem in der ONR 191040 formulierten Rahmen bewegen. 9. Wer hat in der Praxis auf welcher Rechtsgrundlage den Vogelschutz an Glasfassaden zu prüfen, und sieht die Bundesregierung hier Änderungsbedarf (bitte begründen)? 10. Gibt es einheitliche Kriterien, nach denen die Prüfung zu erfolgen hat (z. B. Anzahl der Todesfälle oder Kollisionsabdrücke pro Quadratmeter Gebäudeoder Scheibenfläche)? Falls ja, welche? Falls nein, wie kann eine einheitliche Vorgehensweise in allen Kommunen der Bundesrepublik Deutschland gesichert werden? Die Fragen 9 und 10 werden gemeinsam beantwortet: In der Verwaltungspraxis werden nach Kenntnis der Bundesregierung aus den bestehenden Rechtsvorschriften keine Beschränkungen in Bezug auf die Gestaltung von Glasflächen abgeleitet. Obergerichtliche Rechtsprechung zu diesem Thema ist nicht bekannt. Entsprechend gibt es nach Kenntnis der Bundesregierung auch keine einheitlichen Kriterien, nach denen eine Prüfung zu erfolgen hat. Die Bundesregierung hat das in der Antwort zu Frage 1 angesprochene Forschungs - und Entwicklungsvorhaben initiiert, um Regelungsmöglichkeiten und -bedarf zu prüfen. 11. Wo (z. B. Bebauungsplan, Baugenehmigung) und in welcher Art sollte aus Sicht der Bundesregierung der Vogelschutz bei Neubauten Berücksichtigung finden? 12. Wie ist aus Sicht der Bundesregierung mit Bestandsgebäuden umzugehen, die entweder nachweislich (z. B. Posttower in Bonn) oder mutmaßlich eine erhebliche Gefahr für Vögel darstellen? 13. Wie kann die Gefährdung rechtssicher festgestellt werden? 14. Kann hier eine Nachrüstung zum Vogelschutz angeordnet werden? 15. Falls ja, welche Übergangsfristen sind hier zum Schutz der Eigentümer zu beachten? Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 5 – Drucksache 18/7522 16. Ist der Vogelschlag an Glasfassaden rechtlich mit dem Vogelschlag an Windkrafträdern gleichzusetzen (bitte begründen)? Die Fragen 11 bis 16 werden gemeinsam beantwortet: Die Bundesregierung hat das in der Antwort zu Frage 1 angesprochene Forschungs - und Entwicklungsvorhaben initiiert. In diesem wird untersucht, welche Regelungsmöglichkeiten bestehen, um die Gefahren zu reduzieren, und welcher Regelungsbedarf besteht. Ohne Klärung dieser Vorfragen lassen sich die spezifischen weiteren Fragen nicht beantworten. 17. Wie setzt die Bundesregierung den Vogelschutz an bestehenden Gebäuden und Neubauten im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland um, und sieht sie hier Änderungsbedarf (bitte begründen)? Für den Bereich Liegenschaftsbetrieb verweist die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben auf den in der aktuellen Entwurfsfassung der „Strategie zur vorbildlichen Berücksichtigung von Biodiversitätsbelangen auf allen Flächen im Besitz des Bundes“ (StrÖff) (Stand Ressortabstimmung November 2015) enthaltenen Ansatz (Seite 35), dass bei der Bewirtschaftung der Außenanlagen von zivilen Dienstliegenschaften des Bundes die Bundesanstalt in Zukunft die Aspekte der biologischen Vielfalt und damit auch den Vogelschutz berücksichtigen wird. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben bemüht sich in eklatanten Fällen von Vogelkollisionen auch um Abhilfe im Rahmen der Verhältnismäßigkeit. Bei den Neubaumaßnahmen wird die Thematik der vogelfreundlichen Fassadengestaltung , insbesondere die Vermeidung des Vogelschlages, von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bundesanstalt) projektspezifisch unter Berücksichtigung der standortbezogenen Vorgaben (z. B. der Kommune) sowie der vorliegenden Erkenntnisse aus der Praxis und Wissenschaft (z. B. Broschüre „Vogelfreundliches Bauen mit Glas und Licht“ Mitträger: Bundesamt für Naturschutz, berücksichtigt. Es wird zudem auf die Antwort auf Frage 5 verwiesen. Ein positives Beispiel ist das neue Dienstgebäude des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Um bei diesem den Vogelschlag an den dort zwischen den Gebäudeteilen vorhandenen Glasverbindungsgängen zu verhindern , werden auf Anregung und in enger Abstimmung mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) bauliche Vogelschutzmaßnahmen durchgeführt . Hierbei handelt es um flächig bedruckte Folien auf der Grundlage von einschlägigen Empfehlungen der Schweizerischen Vogelwarte Sempach in Zusammenarbeit u. a. mit dem Bundesamt für Naturschutz. Es wird zudem auf die Antwort auf Frage 5 verwiesen. Die Folien werden in Kürze auf den Glasflächen aufgebracht. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Vorabfassung - w ird durch die lektorierte Version ersetzt. Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333